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Alva

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08.01.2024
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Alva

Die nasse Wäsche wog schwer in Maireads Händen. Ihre Finger, knotig und kalt, krallten sich in das Geflecht des Korbes. Rauch lag in der Luft, sie beeilt sich ins Dorf zurückzukommen. Die letzte Anhöhe hinauf fiel ihr das Atmen schwer, der Rauch kratzte in ihrer Kehle. Jeder Schritt schien ihr Lebenszeit zu rauben, wovon ohnehin nicht mehr viel übrig war. Das Unbehagen in Mairead wandelte sich zunehmend zu Furcht.


Am Kamm des Hügels sank sie auf die Knie. Zwischen den qualmenden Hütten lagen etliche Menschen auf der Erde. Tage zuvor hatten Fremde auf der Durchreise davon berichtert. Unfähig sich zu bewegen starrte sie auf das gebrandschatzte Dorf.
„Hab keine Angst!“, erklang eine Stimme und Mairead fuhr herum. Ein Mann stand vor ihr, der aussah als könnte er Wagenräder jonglieren. Er stützte eine Frau; in dem braunen Haar vor ihrem Gesicht glänzte Blut. Sie atmete stoßweise, schien mehr im Delirium als bei Bewusstsein zu sein. Beschwichtigend hob er die Hand, die Finger rot verschmiert.
„Wir brauchen Hilfe!“
Als er Maireads Blick bemerkte, ließ er den Arm rasch fallen.

Mairead kam auf die Beine, in der Rechten einen kantigen Stein. Der Mann griff langsam an seinen Umhang, schob ihn beiseite. Um den Leib gebunden trug er ein Bündel, oben lugte das Köpfchen eines Kindes hervor.
„Ich würde nicht bitten“, sagte er und schluckte, „wenn ich die Wahl hätte.“
Mairead hielt den Stein umklammert, musterte den Mann, wog seine Worte.
Die Frau konnte sich kaum mehr aufrecht halten, wimmerte, fiel gegen ihn. Der Fremde stolperte zur Seite, konnte das rechtes Bein nicht voll belasten. Trotz seiner enormen Größe wirkte er verletzlich.
Mairead suchte seinen Blick und fand keine Arglist darin. Er schloss den Umhang wieder um das Kind und es begann zu weinen.

Mairead ließ den Stein fallen und ging zu ihnen. Sie griff nach dem Arm der Frau und half ihm, sie auf den Boden zu legen. Dabei kam sie ihm sehr nahe, flüsterte: „Lass mich das nicht bereuen!“
Er nickte, reichte ihr die Hand: „Finley. Ich heiße Finley und das hier ist Kate.“
Mairead nahm sie, spürte die raue, feuchte Haut. „Ich bin Mairead“, sagte sie und rieb dann mit dem Daumen über ihre Fingerkuppen.
„Ist sie deine Frau?“, fragte Mairead. „Ist es dein Kind?“ Sie besah sich Kates Kopfverletzung; die Wunde war tief, blutete noch immer stark. Vorsichtig strich sie ihr die besudelten Strähnen aus dem Gesicht. Mairead sog hörbar die Luft ein, schloss einen Atemzug lang die Augen.

„Ja“, antwortete er, „meine Frau und mein Junge.“ Er legte die Hand über das Kind, klopfte mechanisch auf den Stoff des Umhangs.
„Wir müssen das Blut aufhalten!“, sagte Mairead, nahm seine Hand vom Umhang und platzierte sie auf Kates Kopf. „Fest drauf drücken!“, wies sie ihn an und stand auf. „Ich hole Wasser und frische Tücher.“
Finley versuchte sich umzudrehen und verzog das Gesicht. Er griff sich ans Knie, sog zischend die Luft zwischen den aufeinandergebissenen Zähnen ein.
„Was ist mit deinem Bein?“, wollte Mairead wissen und ging weiter, bis sie hinter ihm stand.
„Nicht schlimm“, presste er hervor und versuchte das Knie zu strecken.
„Dein Junge“, fragte Mairead, „wie heißt er?“
Finley zögerte, ehe er antwortete. Dann öffnete er den Mund, drehte sich zu ihr, und ein Stein, den Mairead vom Boden aufgehoben hatte, traf ihn im Gesicht. Mairead schlug noch einmal zu. „Alva heißt das Mädchen!“, schrie sie und holte erneut aus. Dabei war der Fremde längst umgekippt und rührte sich nicht mehr.

Mairead atmete schwer, der Stein noch immer in der zitternden Hand. Nur allmählich drang das Wimmern des Kindes zu ihr vor.
Mit der Fußspitze stieß sie gegen den Kopf des Mannes. Er zeigte keine Reaktion. Sie kniete bei ihm nieder, zog mit der freien Hand den Umhang weg. Dabei ließ sie ihn keine Sekunde aus den Augen. Sein Gesicht war zerstört – Nase und das linke Auge kaum mehr da. Doch er atmete.
Mairead versuchte das Bündel mit dem Kind von ihm zu lösen, aber es gelang ihr nicht. Sie tastete sich zu seinem Gürtel vor und fand, worauf sie gehofft hatte. Mit dem Messer schnitt sie das Tuch auf und nahm das Kind an sich.

Mairead erkannte die Frau. Kannte ihre Familie aus dem Nachbardorf, wusste, dass Kate Alva vor kurzem zur Welt gebracht hatte. Rasch war ihr klar geworden, dass Kate nicht mehr zu helfen war.
Nun blickte sie auf das Kind, das sie im Arm hielt. Ein unbeschriebenes Blatt. Mairead sah ihre Hand, gezeichnet, voller Geschichten, schönen Erinnerungen aber auch Fehlern, die sie nicht mehr geraderücken konnte.

„Kleine Alva“, flüsterte Mairead und strich dem Mädchen über die Wange.
„Was soll nun aus uns beiden werden?“

 

Hallo @linktofink!

Herzlichen Dank, dass du hier vorbeigeschaut, mir deine Gedanken zum Text dagelassen hast!

hab klar das Gefühl, sehr spät zur Party zu kommen, ich lese einen neuen Text. Du hast offenbar massiv aussortiert und gestrichen, ich hatte dein Geschichte halb gelesen und wunder mich, wieviel rausgeflogen ist. Wir sind jetzt bei Flash-Fiction-Format, was erstmal nichts Negatives bedeutet, sofern die Reduktion funktioniert. Beim ersten Mal schreckte mich die Länge verbunden mit dem Bombast, jetzt ist von beidem keine Spur mehr übrig.
Vollstes Verständnis meinerseits – ich fürchte, das ging nicht allein dir so. :hmm:

Es folgt der nächste Anfang, auch im Präsens, sie wird wach und realisiert, dass sie geträumt hat. Das Baby lebt, der Blick schweift zu den Gräbern. Für mich wäre dieser zweite Anfang entbehrlich, weil danach die eigentliche Geschichte beginnt.
Gedacht war dieser Teil als Jetzt (daher im Präsens) – hier ist sie nun, erwacht aus dem Alptraum. Dann der Rückblick, warum sie dort landet? Am Ende schließt sich die Klammer, wieder im Präsens.
Aber ich verstehe, was du meinst. Ganz glücklich bin ich damit noch nicht.

Das Dorf wurde gebrandschatzt. Mairead war nicht da, wusch Wäsche am entfernt gelegenen Fluss; eine Aufgabe, die man ihr noch zutraute.
Das ist für mich der eigentliche Anfangssatz und der kommt mit einer nüchternen Feststellung. Wenn du das zeigst, was passiert ist, statt es dem Leser mitzuteilen, ändert sich gleich die Wirkung.
Absolut!
Nur was ist dann mit dem davor? Und wie kam es dazu? Und warum ...
Wo mit dem Zeigen anfangen? Wirklich keine Ausrede.😇 Ich wollte den diesmal Text kurz halten, also muss ich irgendwo einsteigen. Habe mir den Kopf zermartert, wie ich um nüchterne Einstiegsworte herumkomme. Letztlich entschied ich mich dafür, sie am Anfang des Rückblicks zu platzieren, damit sie den folgenden Lesefluß nicht beeinträchtigen.

Dann tauchen die Fremden auf, bitten um Hilfe. Ab da funktioniert es für mich. Du lässt zwar viele Leerstellen, z.B. die Verletzungen, aber das Wesentliche funktioniert.
Das freut mich!

Mairead suchte seinen Blick und fand keine Arglist darin.
Damit führst du den Leser ein wenig aufs Glatteis, denn sie wird direkt gewusst haben, was da mit dem Fremden, der Frau aus dem Nachbardorf und dem Säugling gelaufen ist. Also wiegst du den Leser in trügerischer Sicherheit, Situation ist entspannt, die Leute brauchen Hilfe, um dann die Prota zuschlagen zu lassen. Bzw, es könnte auch anders sein ... s.u.
Klar, ist das meine Absicht. Aber gewusst hat sie es da noch nicht. Sie ist Misstrauisch – verständlich nach so einem Erlebnis. Sie erkennt die Frau erst, als sie ihr das Haar aus dem Gesicht streicht.

Krasse Gewalttat. Dabei lässt du offen, ob die Prota das Kind kennt und den Fremden umbringt weil sie weiß, dass er nicht der Vater ist und Frau und Kind geraubt hat.
Oder sie bringt ihn um, weil sie das Kind für sich haben will, um besagte Sinnlosigkeit des eigenen Lebens zu kompensieren. Dieses „Alva heißt das Kind!“ ist ebenfalls nicht eindeutig. es kann bedeuten, das ist der tatsächliche Name oder es ist bspw. der Name ihres gestorbenen Enkels und sie überträgt ihn, um den Enkel wieder zum leben zu erwecken. Finde sehr gut gemacht, dass das in der Schwebe hängen bleibt.
Gedacht ist es so: Sie attackiert ihn, weil sie die Frau erkennt, nun weiß, dass er nicht ihr Mann, das Kind nicht sein Sohn ist.
Alva heißt das Kind!, schreit sie, weil es kein Junge ist, wie er vorgibt, sondern ein Mädchen mit diesem Namen.
Aber das taucht alles recht subtil im Text auf - Interpretationen sind da vorprogrammiert und nicht unwillkommen.

Alva! Eine alte Frau und neues Leben – wie soll das zusammenkommen?
Warum die Frage, es war ihre Entscheidung? Ich würde das offener halten. Da könntest du den ersten Absatz reinbringen, das fände ich als Ende sehr passend. Sie liegt unter dem Baum, hat den Säugling unter ihrer Kleidung auf der Brust und begrüßt ihn in ihrem Leben, weil sie erst da realisiert, was das für ihre Leben bedeutet.
Sieht man es so, stimme ich dir zu. Nur wie von mir erdacht, war es keine Entscheidung. Sie attackiert den Mann aus Furcht, dass er auch ihr etwas antut, und weil sie erkennt, dass der Frau -der Mutter des Kindes- nicht mehr zu helfen ist, somit will sie das Kind schützen. Über die Konsequenzen denkt sie hierbei noch nicht nach. Erst als sie mit dem Säugling allein ist, wird ihr klar, was da auf sie zu kommt. So gesehen ergibt der Schlusssatz Sinn.

Wenig Sinn macht es jedoch, wenn ich all das erklären muss, wenn das der Text nicht von selbst hergibt. Das stimmt mich nachdenklich.:sad:

Nochmal Danke fürs Lesen und Kommentieren!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis

Hier hat sich ja einiges getan und bis auf die Namen ist es eine vollkommen andere Geschichte.

Das Kind kommt jetzt unter tatkräftiger Mithilfe zu der betagten Mutter, da braucht es kein Wunder. Der Angriff von ihr kommt sehr unvermittelt. Eine faustdicke Überraschung, die sich hinterher für mich nicht vollständig aufklärt. Was sind die Motive von Mairead? Wollte sie nur unbedingt einen Enkelersatz? Oder ist Finley der Schurke, der er schon in der ersten Version war, und Mairead geht davon aus, dass er für den Zustand von Kate verantwortlich ist? Dafür spricht, dass sie die Familie aus dem Nachbardorf kennt und den Mann abseits der anderen begräbt. Das könntest du ruhig noch etwas mehr verdeutlichen. Vielleicht sollte sie sich gar nicht die Mühe machen, Finley zu begraben? Es würde auch helfen, einfach zu schreiben: „Sie kannte auch den Mann von Kate. Damit ist alles gesagt, ohne zu viel zu verraten.

Aber es kann natürlich sein, dass du es vollkommen anders gemeint hast und ich komplett auf dem Holzweg bin.

Noch Kleinigkeiten:

Im Zwielicht eines Baumes
Im Schatten?
Mairead fuhr herum, ein Mann und eine junge Frau standen plötzlich hinter ihr.
Wenn sie herumfährt, dann stehen sie doch vor ihr, oder?
Er stütze die Frau, die stoßweise atmete,
stützte
„Wir müssen die Blutung stoppen!“, sagte Mairead,
Tupfer, Zange! Stoppen ist zu modern. Anhalten?
„Was ist mit deinem Bein?“, wollte Mairead wissen und ging weiter, bis sie hinter ihn geriet.
hinter ihm stand. Warum den Leser glauben lassen, dass sie rein zufällig hinter ihn geriet? Das verwirrt nur. Die Überraschung ist auch so groß genug.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek!

Es freut mich, dass du nochmal reingeschaut hast!

Der Angriff von ihr kommt sehr unvermittelt. Eine faustdicke Überraschung, die sich hinterher für mich nicht vollständig aufklärt. Was sind die Motive von Mairead? Wollte sie nur unbedingt einen Enkelersatz? Oder ist Finley der Schurke, der er schon in der ersten Version war, und Mairead geht davon aus, dass er für den Zustand von Kate verantwortlich ist? Dafür spricht, dass sie die Familie aus dem Nachbardorf kennt und den Mann abseits der anderen begräbt. Das könntest du ruhig noch etwas mehr verdeutlichen. Vielleicht sollte sie sich gar nicht die Mühe machen, Finley zu begraben? Es würde auch helfen, einfach zu schreiben: „Sie kannte auch den Mann von Kate. Damit ist alles gesagt, ohne zu viel zu verraten.
Habe bereits auf den vorherigen Kommentar hin versucht Licht ins Dunkel zu bringen und angemerkt, dass mir die Notwendigkeit dafür nicht behagt. Da blieb ich zu wage, muss ich nachlegen! Dein (fett markierter) Vorschlag gefällt mir, das sollte helfen.

Im Zwielicht eines Baumes
Im Schatten?
Einfach ist meist besser – nehm ich.

Mairead fuhr herum, ein Mann und eine junge Frau standen plötzlich hinter ihr.
Wenn sie herumfährt, dann stehen sie doch vor ihr, oder?
Richtig – mach ich ... bei ihr. drauß.

„Wir müssen die Blutung stoppen!“, sagte Mairead,
Tupfer, Zange! Stoppen ist zu modern. Anhalten?
Verstehe – auch Blutung passt nicht. Lass ich mir was einfallen.

„Was ist mit deinem Bein?“, wollte Mairead wissen und ging weiter, bis sie hinter ihn geriet.
hinter ihm stand. Warum den Leser glauben lassen, dass sie rein zufällig hinter ihn geriet? Das verwirrt nur. Die Überraschung ist auch so groß genug.
Stimmt, braucht es nicht.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren – neben den Kleinigkeiten hilft mir vor allem dein Leseeindruck, der Hinweiß auf die unzureichende Aufklärung!

Gruß,
Sammis

 

Moin @Sammis! Hut ab! Und ich war stolz auf 1000 gestrichene Wörter, Du "schlägst" mich ja um Längen.

Selbst einen neuen Namen hat die Geschichte. Ist das jetzt die Essenz, also das, was Du als Thema dir gedacht hattest? Ich habe Deinen Kommentar bei Brunhilde im Kopf und versuche mich dieser harten Reduzierung zumindest gedanklich zu nähren.

Maireads Mund ist angefüllt mit Blut.
Hier fiel mir spontan ein, das es eine gute Stelle wäre, um auch andere Sinne (Geschmack, Geruch mit einzubeziehen)

Dann verbeißt sie sich in den Wolfskopf, der aus dem aufgeblähten Gebilde heraus nach ihr schnappt.
Für mich hackelt da das Kopfkino, auch wenn es ein Traum ist. Sie (die Frau) verbeißt sich in den Wolf (der sogar schon schnappt)
Aber okay, im Traum geht wahrscheinlich alles.

Mairead schreckt aus dem Traum auf, stößt einen Schrei aus.
Nichts wirklich falsch, ich frage mich nur, ob sie nicht im Traum schreit und davon wach wird, also die Reihenfolge anders rum wäre?

Ihre Finger tasten sich zu dem Säugling vor, den sie unter den Kleidern am Körper trägt.
Die hast jetzt Kleidung daraus gemacht. Meine Frage: Ist dir die Zeit wichtig, dann könnte man es mit der Kleidung konkretisieren. Durch die Ausgangsversion habe ich als Leserin jetzt irgendwie immer diese Endzeitlumpen vor Augen. (jedenfalls erinnere ich es so)

Behutsam berührt sie ihn am Rücken. Er ist warm, atmet.
Die Stelle mag ich total!

Dann wendet sie den Kopf. In der mondhellen Nacht erkennt sie die Steinhaufen. Sechsundzwanzig Leiber liegen darunter begraben. Männer, Frauen, Kinder und Babys. Ihre Familie und Freunde. Und die anderen.
Ist wahrscheinlich einfach nur mein ganz privater Geschmack, aber ich finde Dann als Satzanfang immer zu einfach, zu sehr Schulaufsatz.

Das Dorf wurde gebrandschatzt. Mairead war nicht da, wusch Wäsche am entfernt gelegenen Fluss; eine Aufgabe, die man ihr noch zutraute. Ihr Enkelkind hatte mitkommen wollen, aber ihre Tochter war dagegen gewesen. Auf Knien legte Mairead nun Steine auf ihre Gesichter.
Ich habe verstanden, dass Du es ganz klar, ganz schnörkellos machen möchtest - ohne Ablenkung? Aber für meinen Lesegeschmack ist es jetzt zu einfach, zu nackig. Aber ich denke, hier prallen einfach auch Generationen Geschmäcker aufeinander, also nimm es bitte nur als meinen ganz persönlichen Leseeindruck.
Der letzte Satz irritiert mich von der Reihenfolge her: Denn eigentlich sind doch schon alle beerdigt, oder? Also vorher hieß es das.

Mairead fuhr herum, ein Mann und eine junge Frau standen plötzlich bei ihr.
wirklich bei? hinter, vor. Ich vermisse hier halt auch etwas Feeling, etwas Gelände, etwas Beschreibung, gehe aber davon aus, dass Du das mit Absicht weglässt.

„Hab keine Angst!“, sagte der Mann, der aussah als könnte er Wagenräder jonglieren.
Der Wagenräder-Vergleich malt mir natürlich ein Bild, auch wenn die Formulierung hier jetzt aus dem register fällt. Ich überlege nur die ganze Zeit, worauf du mit der Beschreibung hinaus willst (sie ist ja aus dem ersten Text erhalten glaube ich, also Dir wichtig)
Mist, ich kriege nicht zu fassen, worauf ich hinaus will - was soll ich hier erahnen, oder Deine Protagonistin?

Um den Leib gebunden trug er ein Bündel, oben lugte das Köpfchen eines Kindes hervor.
Ja, und hier ist für mich ein Logikloch. Du hast am Ende die Auflösung jetzt über konkret erklärt. Nachbarsdorf und sie kennt Mutter und Kind. Aber wenn es ein Bündel ist, dann ist das Kind ein Baby, unter einem Jahr. Ehrlich, da müssen die sich unglaublich gut kennen, wenn sie das erkennt. Lässt sich lösen, lasse sie ein spezielles Merkmal - Muttermal, rote Haare, Segelohren, Stupsnase - streicheln, aber halt ganz nebenbei. Aber so kaufe ich es nicht.

Mairead hielt den Stein umklammert, musterte den Mann, wog seine Worte.
ist es mit Absicht kein wog seine Worte ab?

Der Fremde stolperte zur Seite, konnte sein rechtes Bein nicht voll belasten.
Hier häufen sich für meinen Geschmack die seins ein wenig. Dieser hier wäre entbehrlich.

Dabei kam sie ihm sehr nahe, flüsterte: „Lass mich das nicht bereuen!“
Ich finde den Satz super, er sagt so viel über sie. Aber sie müsste ja jetzt schon gewarnt sein, ist in Vorbereitung auf ihren Angriff. Würde sie das dann sagen?

sagte sie und rieb mit dem Daumen über ihre Fingerkuppen. Sie klebten.
Meinst Du hier das Blut? Das hast Du vorher doch deutlich gezeigt. Oder habe ich etwas überlesen?

Finley zögerte, ehe er antwortete. Dann öffnete er den Mund, drehte sich zu ihr, und der Stein, den Mairead vom Grab ihres Enkels aufgenommen hatte, traf ihn im Gesicht. Mairead schlug noch einmal zu.
Voll die Explosion! Ich habe es nicht kommen sehen, aber natürlich ist das eine denkbare Version.

„Alva heißt das Mädchen!“, schrie sie und hob den Stein erneut an.
Falls Du noch weiter reduzieren möchtest, hier hebt sie recht viel den Stein und
hob den Stein erneut an. Dabei war der Fremde längst umgekippt und rührte sich nicht mehr.
Mairead atmete schwer, den Stein noch immer erhoben in der zitternden Hand. Nur allmählich drang das Wimmern des Kindes zu ihr vor.
hier auch. Vielleicht könnte man das zusammenfassen, oder ich habe etwas falsch verstanden.

Mairead erkannte die Frau. Kannte ihre Familie aus dem Nachbardorf. Ihren Mann, ihre Tochter Alva. Rasch war ihr klar geworden, dass ihr nicht mehr zu helfen war.
Auch wenn ich verstehe, was Du meinst. Aber gefühlt bezieht sich das letzte Ihr auf die Tochter Alva. Und ich finde es zu deutlich aufgelöst, habe aber momentan keinen Verbesserungsvorschlag.

Sie begrub sie bei den anderen; den Mann weit abseits.
Das sagt viel aus. So mag ich die Reduzierungen.

Alva! Eine alte Frau und neues Leben – wie soll das zusammenkommen?
Hier erfüllst Du für mich das Challenge-Thema, sie muss die Oma über Bord schmeißen, damit es geht. Finde ich als Schluss gut.
Sorry, es hat sich bestimmt einiges gedoppelt, oder Du hattest bereits begründet, warum Du es genauso möchtest. Nimm es als meinen ganz persönlichen Leseeindruck, manchmal hilft es ja dennoch.
Schönes Wochenende
greenwitch

 

Hallo @greenwitch!

Vielen Dank, dass du hier reingeschaut hast!

Selbst einen neuen Namen hat die Geschichte. Ist das jetzt die Essenz, also das, was Du als Thema dir gedacht hattest? Ich habe Deinen Kommentar bei Brunhilde im Kopf und versuche mich dieser harten Reduzierung zumindest gedanklich zu nähren.
Nicht wirklich – ich versuche schlicht aus den Romanding ein Kurzgeschichtending zu machen. Habe den Anfang nochmal überarbeite: Den Traum rausgeschmissen, auf Anraten von @linktofink versucht, den Einstieg erzählend zu gestalten.
Ich habe verstanden, dass Du es ganz klar, ganz schnörkellos machen möchtest - ohne Ablenkung? Aber für meinen Lesegeschmack ist es jetzt zu einfach, zu nackig.
Auch dein Kommentar hat mich dazu veranlasst anders einzusteigen.

„Hab keine Angst!“, sagte der Mann, der aussah als könnte er Wagenräder jonglieren.
Der Wagenräder-Vergleich malt mir natürlich ein Bild, auch wenn die Formulierung hier jetzt aus dem register fällt. Ich überlege nur die ganze Zeit, worauf du mit der Beschreibung hinaus willst (sie ist ja aus dem ersten Text erhalten glaube ich, also Dir wichtig)
Mist, ich kriege nicht zu fassen, worauf ich hinaus will - was soll ich hier erahnen, oder Deine Protagonistin?
Soll einfach heißen: Der Mann war groß und kräftig.
Hab nun auch noch etwas mehr Fleisch an die Knochen gegeben – vielleicht fügt sich der Satz so ja besser in den Text.

Um den Leib gebunden trug er ein Bündel, oben lugte das Köpfchen eines Kindes hervor.
Ja, und hier ist für mich ein Logikloch. Du hast am Ende die Auflösung jetzt über konkret erklärt. Nachbarsdorf und sie kennt Mutter und Kind. Aber wenn es ein Bündel ist, dann ist das Kind ein Baby, unter einem Jahr. Ehrlich, da müssen die sich unglaublich gut kennen, wenn sie das erkennt. Lässt sich lösen, lasse sie ein spezielles Merkmal - Muttermal, rote Haare, Segelohren, Stupsnase - streicheln, aber halt ganz nebenbei. Aber so kaufe ich es nicht.
Sie erkennt doch Kate, die Mutter, nicht Alva, das Kind. Und da sie weiß, dass Kate ein Kind hat, liegt der Schluss nahe, dass es Alva ist. Für mich geht das auf. Habe trotzdem versucht das am Ende ersichtlicher zu gestalten.

Mairead hielt den Stein umklammert, musterte den Mann, wog seine Worte.
ist es mit Absicht kein wog seine Worte ab?
Das ist wie: Das erinnere ich nicht mehr. Anstatt: Daran erinnere ich mich nicht mehr.
Das kann man mögen oder nicht – liegt nahe, dass mir das gefällt. :)

Der Fremde stolperte zur Seite, konnte sein rechtes Bein nicht voll belasten.
Hier häufen sich für meinen Geschmack die seins ein wenig. Dieser hier wäre entbehrlich.
Absolut! Wie konnte mir das entgehen?🫨

Dabei kam sie ihm sehr nahe, flüsterte: „Lass mich das nicht bereuen!“
Ich finde den Satz super, er sagt so viel über sie. Aber sie müsste ja jetzt schon gewarnt sein, ist in Vorbereitung auf ihren Angriff. Würde sie das dann sagen?
Eigentlich nicht. Sie ist misstrauisch, ja. Aber noch weiß sie nicht, wer Kate ist, hat demnach noch nicht beschlossen, ihn anzugreifen.

hob den Stein erneut an. Dabei war der Fremde längst umgekippt und rührte sich nicht mehr.
Mairead atmete schwer, den Stein noch immer erhoben in der zitternden Hand. Nur allmählich drang das Wimmern des Kindes zu ihr vor.
hier auch. Vielleicht könnte man das zusammenfassen, oder ich habe etwas falsch verstanden.
Jetzt hebt sie einmal weniger.

Mairead erkannte die Frau. Kannte ihre Familie aus dem Nachbardorf. Ihren Mann, ihre Tochter Alva. Rasch war ihr klar geworden, dass ihr nicht mehr zu helfen war.
Auch wenn ich verstehe, was Du meinst. Aber gefühlt bezieht sich das letzte Ihr auf die Tochter Alva. Und ich finde es zu deutlich aufgelöst, habe aber momentan keinen Verbesserungsvorschlag.
Ist mir beim Schreiben auch sogleich in den Sinn gekommen. Falscher Bezug – obgleich nahezu jedem klar sein dürfte, wie es gemeint ist. Das stellt sich mir doch die Frage: Muss man das einwandfrei formulieren? Oder ist das ein Autoren-lesen-Zeug von Autoren-Ding und da draußen interessiert das keine Sau?
Habs natürlich trozdem geändert … :D

Das Ende hat sich auch leicht verändert, ist in der Deutlichkeit jedoch gleich geblieben.
Denke mir: Lieber deutlich als zu wage. Das Gefühl: Hätte ich auch so gecheckt. ist glaube ich besser als: Hä? Was will der von mir?
Nochmal danke, dass du reingeschaut und mir deine Gedanken zum Text dagelassen hast!

Gruß,
Sammis

 

Liebe @Sammis,

enorm, welchen schriftstellerischen Output du hast!

Beinahe hätte ich deinen neuen Challenge-Beitrag übersehen. Mir gefällt das Archaische deiner Geschichte, das Unmittelbare. Weiß nicht, ob ich am Schluss etwas übersehen habe. Dazu später.


Jeder Schritt schien ihr Lebenszeit zu rauben, wovon ohnehin nicht mehr viel übrig war.
Dieses "ohnehin" - prima!
Überhaupt ist deine Vorbereitung der 'Bühne' auf der sich alles abspielt ansprechend. Auch in einem Rahmen, den ich noch nicht als überzogen empfinde. (So von wegen 'die Geier kreisen am Himmel ...' ;)).

So oft hatte sie davon gehört in letzter Zeit; nie geglaubt, dass es auch sie treffen könnte.
Dieser Satz sticht als ziemlich pauschale, oft gehörte Formulierung unschön aus dem Kontext heraus.

Ein Mann stand vor ihr, der aussah als könnte er Wagenräder jonglieren
Wirkt ein wenig unfreiwillig komisch (soll er auf dem Jahrmarkt auftreten?). Widerspricht auch "Trotz seiner enormen Größe wirkte er verletzlich."

Um den Leib gebunden trug er ein Bündel, oben lugte das Köpfchen eines Kindes hervor.
„Ich würde nicht bitten“, sagte er und schluckte, „wenn ich die Wahl hätte.“
Mairead hielt den Stein umklammert, musterte den Mann, wog seine Worte.
Eine erstaunliche Wendung, gute Idee die Bitte mit der Wahlmöglichkeit zu verknüpfen; das Wiegen der Worte, der schwer wiegende Stein .

Sie griff nach dem Arm der Frau und half ihm, sie auf den Boden zu legen. Dabei kam sie ihm sehr nahe, flüsterte: „Lass mich das nicht bereuen!“
Ich denke, man muss nicht helfen, sie auf den Boden zu legen, so schwach, wie sie ist. Vielleicht ... half ihm, sie behutsam auf den Boden zu legen.

Hier denkt man noch, dass sie Gefahr befürchtet, nicht selbst gefährlich ist ... macht die Sache interessant. Gewalt ist oft ein unergründliches Monster.

ging weiter, bis sie hinter ihm stand.

Dann öffnete er den Mund, drehte sich zu ihr, und der Stein, den Mairead vom Boden aufgehoben hatte, traf ihn im Gesicht.
Erst dachte ich: Sie hat den Stein vor ihm fallen lassen, jetzt hat sie ihn wieder. Kann natürlich ein anderer Stein sein. (... ein Stein ...).


schrie sie und hob den Stein erneut an.
Vielleicht: ... und holte erneut mit dem Stein aus.

Nun blickte sie auf das Kind, das sie im Arm hielt. Ein unbeschriebenes Blatt. Mairead sah ihre Hand, gezeichnet, voller Geschichten, schönen Erinnerungen aber auch Fehlern, die sie nicht mehr geraderücken konnte.
Das Baby ist ein "unbeschriebenes Blatt", im Gegensatz zu Mairead. Das ist ein guter Gegensatz. Stehen die Fehler im Zusammenhang mit ihrer brutalen Handlung?
Hat der Mann gelogen, als er sagte, es sei ein Junge? Oder wünscht sie sich schon immer ein Mädchen? (Hat ihres verloren?).

War gut zu lesen, auch mal eine Abwechslung (thematisch und formal).

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon!

enorm, welchen schriftstellerischen Output du hast!
Winterzeit ist Schreibtischzeit – da muss alles raus, wofür das restliche Jahr über kaum Zeit bleibt! :)

Jeder Schritt schien ihr Lebenszeit zu rauben, wovon ohnehin nicht mehr viel übrig war.
Dieses "ohnehin" - prima!
Überhaupt ist deine Vorbereitung der 'Bühne' auf der sich alles abspielt ansprechend. Auch in einem Rahmen, den ich noch nicht als überzogen empfinde. (So von wegen 'die Geier kreisen am Himmel ...' ;)).
Freut mich, dass das nun besser funktioniert – war vor kurzem noch recht trocken formuliert.

So oft hatte sie davon gehört in letzter Zeit; nie geglaubt, dass es auch sie treffen könnte.
Dieser Satz sticht als ziemlich pauschale, oft gehörte Formulierung unschön aus dem Kontext heraus.
Stimmt, hab ich geändert.

Ein Mann stand vor ihr, der aussah als könnte er Wagenräder jonglieren
Wirkt ein wenig unfreiwillig komisch (soll er auf dem Jahrmarkt auftreten?). Widerspricht auch "Trotz seiner enormen Größe wirkte er verletzlich."
Bin ich unschlüssig. Der Typ sah aus, als könnte er mit Waschmaschinen jonglieren! Ist zunächst einmal albern, klar aber im entsprechenden Genre und Kontext kann es durchaus passen, oder?
Aber vielleicht fällt mir noch etwas weniger Jahrmarktverdächtiges ein.
Den Widerspruch sehe ich nicht, bzw. ist er sogar gewollt – der Ersteindruck und dann das Bemerken der Verletzung und die Art, wie er sich äußert.

Sie griff nach dem Arm der Frau und half ihm, sie auf den Boden zu legen. Dabei kam sie ihm sehr nahe, flüsterte: „Lass mich das nicht bereuen!“
Ich denke, man muss nicht helfen, sie auf den Boden zu legen, so schwach, wie sie ist. Vielleicht ... half ihm, sie behutsam auf den Boden zu legen.
Guter Punkt – nur krampft sich derzeit in mir etwas zusammen, soll ich Worte wie behutsam einem Verb vorstellen. Albern!:rotfl:

Dann öffnete er den Mund, drehte sich zu ihr, und der Stein, den Mairead vom Boden aufgehoben hatte, traf ihn im Gesicht.
Erst dachte ich: Sie hat den Stein vor ihm fallen lassen, jetzt hat sie ihn wieder. Kann natürlich ein anderer Stein sein. (... ein Stein ...).
Jep, ein Stein.

schrie sie und hob den Stein erneut an.
Vielleicht: ... und holte erneut mit dem Stein aus.
Auch besser!

Das Baby ist ein "unbeschriebenes Blatt", im Gegensatz zu Mairead. Das ist ein guter Gegensatz. Stehen die Fehler im Zusammenhang mit ihrer brutalen Handlung?
Hat der Mann gelogen, als er sagte, es sei ein Junge? Oder wünscht sie sich schon immer ein Mädchen? (Hat ihres verloren?).
Mit, aber nicht nur. Soll nochmal zeigen, dass sie am Ende ihres Lebens steht, die Zeit knapp wird.
Interessant: Zuletzt wurde kommentiert, dass es nun zu deutlich ist. Deine Fragen zeigen wiederum, dass dem nicht so ist.
Ganz kurz: Der Mann ist ihr fremd. Die Frau kann sie der Haare wegen zunächst nicht erkennen. Als sie ihr die Haare aus dem Gesicht streicht, wird ihr klar, dass der Mann lügt. Sie erkennt die Frau, weiß, dass sie ein kleines Mädchen namens Alva hat. Der Mann behauptete: Seine Frau, sein Sohn. Das, in Verbindung mit den gebrandschatzten Dorf, lässt sie (über)reagieren …

War gut zu lesen, auch mal eine Abwechslung (thematisch und formal).
Freut mich, wenn du beim Lesen etwas Spaß hattest!
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

Gruß,
Sammis

 

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