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Als der Kater kam
Der Tag, an dem der Kater kam
Der Tag an dem der Kater kam, war ein Sonntag. Ich lag im Bett und rauchte, als ich ein Kratzen hörte.
Kein lautes Fingernägel-Tafel- Kratzen, ein leises, wie es ein Bleistift macht, der auf Papier schreibt.
Mißmutig stieg ich aus dem Bett, der Aschenbecher fiel dabei auf den Boden. An der Tür blieb ich kurz stehen, legte den Kopf schief und lauschte.
Nochmal, leises Kratzen.
Als ich öffnete, saß vor der Tür ein schwarzer Kater.
"Hallo " sagte ich, und hielt ihm die Tür auf.
"Möchtest du...reinkommen?" fragte ich ihn, als er sich erhob und ganz, ganz langsam hereinschlenderte. Ich hatte den Eindruck, meine Tür war ihm bei seinem Sonntagsspaziergang nur im Weg gestanden.
Ohne sich umzusehen ging er gemächlich in Richtung Schlafzimmer und legte sich auf mein Bett. Ich legte mich neben ihn, den Kopf auf den Arm gestützt, und begann einige Dinge klarzustellen:
"Hör zu Kater, du wirst nicht hierbleiben, nicht bis morgen und schon gar nicht für immer, ich werde dir keine Dosen kaufen auf denen Katzen abgebildet sind, und ich werde dir auch keinen Namen geben."
Doch da hatter er schon die Augen geschlossen.
Ich kenne das, es ist immer das gleiche. Man nennt sie beim Namen, schließt sie ins Herz, und dann werden sie überfahren oder verschwinden.
Besser ist es, sich überhaupt nicht mit ihnen einzulassen.
Meine halbe Kindheit habe ich damit zugebracht Katzen zu beerdigen, die vor unserem Haus überfahren wurden.
Viele Tränen habe ich vergossen über Tiere, denen ich einen Namen gegeben hatte. Noch mehr für die Namenlosen, die ich nicht kannte. Vielleicht hatte niemand sie gern gehabt, sie waren gestorben ohne zu wissen wie es ist, auf einem Schoß einzuschlafen, schnurrend vor Wohlbehagen.
Und jedes Mal, wenn ein Tier beerdigt war, die Maden anfingen ihre Arbeit zu tun, brachten die Eltern ein Neues mit nach Hause.
Klein und hilflos, mit großen Augen, weich und warm. Und ich wußte, daß ich auch dieses weiche Kätzchen eines Tages am Rande der Straße finden würde, wenn sie Glück hatten, kam der Tod schnell.
Ich schloß jedes einzelne ins Herz, und versuchte mich gegen den Kummer zu wappnen der unweigerlich kam, der einem immer wieder eine Falle stellt, und keine Rücksicht nimmt auf Kinderherzen.
Es half kein Bitten, die Eltern verstanden nicht, sie brachten weiterhin Fellknäuel nach Hause, todgeweiht, miauend, und nach Wärme suchend.
So schliefen wir ein auf meinem Bett, der schwarze Kater und ich, als ich aufwachte lag der Kater eingerollt auf meinem Bauch.
Ich öffnete das Fenster und kletterte auf das Dach davor, die untergehende Sonne wärmte mein Gesicht und schickte ein goldenes Glitzern.
Auf Samtpfoten war mir der Kater übers Dach gefolgt, er setzte sich neben mich und wir sahen gemeinsam dem Sonnenuntergang zu.
"Du bist hier falsch, Kater", sagte ich nach einer Weile, und der Kater sah mich an und hörte mir aufmerksam zu.
"Ich kann nicht mehr, ich habe dir nichts zu geben, es ist kein Platz hier bei mir, mein Herz ist zu schwer, geh weg, laß mich allein. -Hau ab du räudiger Kater."
Er blieb an meiner Seite sitzen. Die ganze Zeit, in der ich Tränen längst vergangenen Kummers weinte, und er ging auch nicht fort als es kalt wurde, und Regentropfen vom Himmel fielen.
Den Kopf in den Nacken gelegt, vermischte sich der Regen mit den Tränen, wurde salzig dabei und tropfte auf das Dach, auf die Straße, auf die Gräber.
Es war spät als wir durch das Fenster zurück in meine Wohnung stiegen und ich einen Topf suchte, um uns etwas Milch warmzumachen.