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Als der Kater kam

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20.10.2002
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Als der Kater kam

Der Tag, an dem der Kater kam


Der Tag an dem der Kater kam, war ein Sonntag. Ich lag im Bett und rauchte, als ich ein Kratzen hörte.
Kein lautes Fingernägel-Tafel- Kratzen, ein leises, wie es ein Bleistift macht, der auf Papier schreibt.
Mißmutig stieg ich aus dem Bett, der Aschenbecher fiel dabei auf den Boden. An der Tür blieb ich kurz stehen, legte den Kopf schief und lauschte.
Nochmal, leises Kratzen.
Als ich öffnete, saß vor der Tür ein schwarzer Kater.
"Hallo " sagte ich, und hielt ihm die Tür auf.
"Möchtest du...reinkommen?" fragte ich ihn, als er sich erhob und ganz, ganz langsam hereinschlenderte. Ich hatte den Eindruck, meine Tür war ihm bei seinem Sonntagsspaziergang nur im Weg gestanden.
Ohne sich umzusehen ging er gemächlich in Richtung Schlafzimmer und legte sich auf mein Bett. Ich legte mich neben ihn, den Kopf auf den Arm gestützt, und begann einige Dinge klarzustellen:
"Hör zu Kater, du wirst nicht hierbleiben, nicht bis morgen und schon gar nicht für immer, ich werde dir keine Dosen kaufen auf denen Katzen abgebildet sind, und ich werde dir auch keinen Namen geben."
Doch da hatter er schon die Augen geschlossen.

Ich kenne das, es ist immer das gleiche. Man nennt sie beim Namen, schließt sie ins Herz, und dann werden sie überfahren oder verschwinden.
Besser ist es, sich überhaupt nicht mit ihnen einzulassen.
Meine halbe Kindheit habe ich damit zugebracht Katzen zu beerdigen, die vor unserem Haus überfahren wurden.
Viele Tränen habe ich vergossen über Tiere, denen ich einen Namen gegeben hatte. Noch mehr für die Namenlosen, die ich nicht kannte. Vielleicht hatte niemand sie gern gehabt, sie waren gestorben ohne zu wissen wie es ist, auf einem Schoß einzuschlafen, schnurrend vor Wohlbehagen.
Und jedes Mal, wenn ein Tier beerdigt war, die Maden anfingen ihre Arbeit zu tun, brachten die Eltern ein Neues mit nach Hause.
Klein und hilflos, mit großen Augen, weich und warm. Und ich wußte, daß ich auch dieses weiche Kätzchen eines Tages am Rande der Straße finden würde, wenn sie Glück hatten, kam der Tod schnell.
Ich schloß jedes einzelne ins Herz, und versuchte mich gegen den Kummer zu wappnen der unweigerlich kam, der einem immer wieder eine Falle stellt, und keine Rücksicht nimmt auf Kinderherzen.
Es half kein Bitten, die Eltern verstanden nicht, sie brachten weiterhin Fellknäuel nach Hause, todgeweiht, miauend, und nach Wärme suchend.

So schliefen wir ein auf meinem Bett, der schwarze Kater und ich, als ich aufwachte lag der Kater eingerollt auf meinem Bauch.
Ich öffnete das Fenster und kletterte auf das Dach davor, die untergehende Sonne wärmte mein Gesicht und schickte ein goldenes Glitzern.
Auf Samtpfoten war mir der Kater übers Dach gefolgt, er setzte sich neben mich und wir sahen gemeinsam dem Sonnenuntergang zu.

"Du bist hier falsch, Kater", sagte ich nach einer Weile, und der Kater sah mich an und hörte mir aufmerksam zu.
"Ich kann nicht mehr, ich habe dir nichts zu geben, es ist kein Platz hier bei mir, mein Herz ist zu schwer, geh weg, laß mich allein. -Hau ab du räudiger Kater."
Er blieb an meiner Seite sitzen. Die ganze Zeit, in der ich Tränen längst vergangenen Kummers weinte, und er ging auch nicht fort als es kalt wurde, und Regentropfen vom Himmel fielen.
Den Kopf in den Nacken gelegt, vermischte sich der Regen mit den Tränen, wurde salzig dabei und tropfte auf das Dach, auf die Straße, auf die Gräber.

Es war spät als wir durch das Fenster zurück in meine Wohnung stiegen und ich einen Topf suchte, um uns etwas Milch warmzumachen.

 

Hey Alexandra, du hast ja ein Herz?

Hast du in vielen Sunden geweint:D siebtletzte Zeile!

Schöne geschichte. Hatte auch mal n Kater, der schlief immer auf meinem Kopfkissen, hab ihn auch verloren.
Tja, so ist das. Schon ist er im Herzen drin, man kriegt es gar nicht mit.

Gut gemacht. Alex.

bis dann stefan

 

Hey Alex!

Schön. Ablehnung zuerst, um nicht wieder den Schmerz zu erleben. Und dann siegt doch der Kater... purer Realismus, kenne das. Tiere zu verlieren, mit denen man lang zusammengelebt hat schmerzt.
Flüssig und einfühlsam geschriben, Alex. Einfach Schön...

Liebe Grüße, Anne :)

 

Ach... *seufz*. Das ist ja gleich wieder viieeel, viel schöner als das letzte von Dir, alexandra. *schnief* :)

Gleich am Anfang dachte ich bei mir: Ist das jetzt die neue Flachdachgeschichte? Während des Lesens dachte ich dann: Nee, is se wohl doch nicht.
Und dann kommts doch noch.. Schööön! :)
Genau sowas will ich von Dir lesen!

Hat dich da eigentlich Maus' Katzengeschichte inspiriert? Gibt ja durchaus Ähnlichkeiten.

Ich wohn hier übrigens auch mit einem WG-Kater zusammen. Muss ihn mal fragen, ob er auch mal mit auf's Dach kommen mag. hehe...

lieben Gruß
philo-ratte

 

Alex, Frau , um Gottes Willen,

ich liebe Füchse, die nicht auf irgendwelchen Strassen den Tod finden. Weisst du, was alles im Katzenfutter beigemengt ist? Hängen wir uns jetzt die absoluten Katzengeschichten um? Ich hasse Katzen, bin aber im Sternzeichen Löwe. Passt wieder alles nix. Schreib was geiles, Alex, bitte!!!!

In diese Geschichte schau ich nimmermehr.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hi ihr Schnecken!

@ Arche: Nein, ich hab kein Herz, war alles nur erfunden, in echt eß ich Katzen.
Was sich in so Herzen immer ansammelt..

@ Maus: Prima, daß du´s magst, deine Zigarettenstummel haben da dazubeigetragen :-)

@ Philo, alter Romantiker.
Ja, die Mausgeschichte war schuld. Mit Katern kann man- auf Dächern sitzen, grasende Sereinmörder anschauen, was wären wir ohne den genießerischen Gleichmut der Tiere.

@ Aqua: Falls du doch noch mal schaust: Was ist denn in Katzenfutter? Löwenfleisch? So, geh jetzt was geiles schreiben-

liebe Grüße, alex.

 

Moin Alex. Dachte zuerst, deine Geschichte sei metaphorisch gemeint (Katzen für Menschen oder besser Männer) hab dann aber gemerkt, dass ich falsch liege.
Das Gefühl mit den Tieren kenne ich, deswegen habe ich mir auch seit über einem Jahrzent keines mehr angeschafft.
Prima Geschichte.

 

Hallo Alexandra,

einen ganz einfachen Vorgang, die Begegnung zwischen zwei Lebewesen hast Du in gelungenen Bildern beschrieben. Das „Bleistiftkratzen“, „Dosen mit Katzen“ drauf, die „Maden“ – alles ist fein und aussagegemäß abgestimmt, unterstützt den Inhalt.
Tropfen auf Gesicht, Dach, Gräber - dann warme Milch für zwei. Die Gradwanderung zwischen romantisch und süßlich, gräßlich und realistisch ist Dir meiner bescheidenen Meinung nach gut gelungen.
Müßte es nicht hatte „ihm bei seinem Sonntagsspaziergang“ und „besser“ wäre „es“ heißen?

Tschüß... Woltochinon

 

Hi Freak,
hihi, das ist ja lustig. Hab mir am Anfang auch gedacht, man könnte voll metaphorisch werden, von wegen verlieren und Kummer und nie wieder. Ging dann aber nicht mehr so gut, wegen der Kindheitssache.
Schön, daßs dir gefallen hat.
Liebe Grüße, alex.


@ Philo: Nix, jetzt gibt´s was mit Titten und Blut. Oder so.


WOLTO!
Das ist aber eine Freude. Du magst es. Fein daß du die Gradwanderung für gelungen hältst, war mir selber etwas unsicher, ob es nicht zu kitschig ist.
Deine zweite Verbesserung habe ich übernommen, bei der ersten weiß ich nicht.
Danke und liebe Grüße an dich, alex.

 

Hallo, Alexandra!

Wirklich sehr gut beschrieben, was passieren kann, wenn man von einer Katze ausgesucht wird. Auch das:

Man nennt sie beim Namen, schließt sie ins Herz,...
Hast Du verdammt gut rübergebracht!:thumbsup:


Ciao
Antonia

 

Hallo Antonia,

hihi, genauso ist es : Man wird von einer Katze ausgesucht.

Dankeschön, :-) alex.

 

Als ich öffnete, saß vor der Türe ein schwarzer Kater.

das "e", was hinter "türe" zu viel ist (denn was hat der poetische schreibstil hier zu suchen?

ist bei

fragt ich ihn,

hinter dem "fragt" zu wenig.

hi alex,

heute habe ich glück, das ist schon die 2. geschichte, die mir gefällt.
es ist die schönste (für mich) geschichte von dir, die ich jemals gelesen habe.
es liegt vielleicht daran, dass sie einfach strukturiert ist.
der erzählstil ist wirklich gut gewählt, die thematik war sehr einfühlsam geschrieben.
da gibt es nichts, was ich bemeckern könnte.
wirklich schön zu lesen!

Dachte zuerst, deine Geschichte sei metaphorisch gemeint (Katzen für Menschen oder besser Männer) hab dann aber gemerkt, dass ich falsch liege.
freak - du darfst das metaphorisch sehen. es ist bei menschen nämlich ganz genauso. wie ulla meinecke es so schön besang: "nie wieder, nie wieder! bis zum nächsten mal!"

bye
barde

 

EIN BARDELOB, EIN BARDELOB!

Das ist ein Leckerli, Gott sei Dank hast du noch zwei Fehler gefunden, sonst hätte mein Stolz durch keine Tür (e?) mehr gepaßt. :-)
Danke, Barde und liebe Grüße, alex.

 

hi alex,
bei soviel lob reicht es anscheinend irgendwann nicht mehr aus, wenn man bloß schreibt-fand ich gut!
als künstler würde ich daran kaputt gehen, weil ein künstler gern wissen will, was war gut?
kurz und klar

"Hör zu Kater, du wirst nicht hierbleiben, nicht bis morgen und schon gar nicht für immer, ich werde dir keine Dosen kaufen auf denen Katzen abgebildet sind, und ich werde dir auch keinen Namen geben."

das war wirklich gut.
gruß
daigz

 

öhm, falls ich bei dir anecke, wenn ich rechtschreibfehler aufdecke, dann gib mir bitte bescheid, und ich werde es mir merken, diese bei deinen geschichten zukünftig zu übersehen, oki? ;)

 

@ Alex

Zuerst einmal möchte ich loswerden, dass ich auf Tiergeschichten total abfahre. Und auf gut geschriebene – und unter diese Kategorie fällt deine Story – ganz besonders.

Schön wären ja Fortsetzungen – das hätte ich Maus auch schon bei ihrer Katzengeschichte vorgeschlagen ... ich hoffe, dass da noch was kommt.

Mach mir eine kleine Freude – da bringe ich jetzt ganz unverschämt und mit der Holzhammer-Methode Weihnachten ins Spiel – und schenk mir eine Fortsetzung. Danach darfst du auch unbegrenzt blutrünstige Sachen schreiben, soviele du willst, hehe. :D

Aber bitte ... zuerst ... eine kleine Fortsetzung ... :shy:

Bein Lieblingssatz:

Auf Samtpfoten war mir der Kater übers Dach gefolgt, er setzte sich neben mich und wir sahen gemeinsam dem Sonnenuntergang zu.

Gruß
Liz

 

Die Geschichte läßt sich gut runterlesen, das läuft, meine ich, aber inhaltlich finde ich die KG mit den Schlittenhunden, die auf den masturbierenden Polarforscher urinieren 10x geiler.

 

Hallo Schnecken!
nein, was isses schön! Ich muß nur etwas den Kopf nach hinten legen, dann läuft der Honig besser runter.

@ Killerkind:
Wenn du nochmal Künstler sagst, schnapp ich leider über. Ich werde dann allen erzählen ich bin trotz meines enormen Erfolges auf dem Teppich geblieben, und das erste Mal in meinem Leben Kaviar probieren.


@ Barde:
Depp, ich habe das tatsächlich so gemeint wie´s geschrieben war. Keinerlei Ironie im Spiel. Ich schwör´s.

@Liz:
Gott das ist ja hinreißend, Liz. Ich hab´s echt nicht geplant, aber wie soll ich solch nettem Bitten widerstehen-

@ Peter M.:
Na, ist ja auch eine ganz andere Schiene.
Geiler ist es sicher. Das sag ich aber niemand. ;-)

VIELEN DANK FÜR´S LESEN UND FÜR DIE SCHÖNEN KOMPLIMENTE, GELD- UND SACHSPENDEN NEHME ICH JEDERZEIT ENTEGEGEN. :-) alex.

 

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