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Alles gut

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03.07.2017
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Alles gut

Ein Tropfen Schweiß rinnt zwischen meinen Schulterblättern hinab und juckt wahnsinnig. Ich würde mich gerne kratzen, aber ich hänge zwischen Wand und der Blase und kann mich kaum bewegen.
Mittlerweile ist das Atmen anstrengend geworden. Den Brustkorb kann ich nicht mehr komplett ausdehnen, und je weniger ich es kann, desto mehr möchte ich es.
Mein Rücken wird an die taubengraue Wand des Wohnzimmers gedrückt, die Wand zwischen der Tür zum Flur und dem Schreibtisch aus Spanplatte und den zwei Böcken. Es ist nicht die schlechteste Wand für meine Gefangenschaft, denn schräg gegenüber befindet sich das Fenster zum Hof und ich habe Blick auf die Magnolie und Frau Heller, wenn sie auf ihrem Balkon die Petunien gießt.
Die Magnolie ist heute traurig. Die Blüten strahlen nicht so wie an den Tagen zuvor, die Haussperlinge sitzen müde auf den Ästen und stecken die Köpfe unter die Flügel. Ich würde gerne nachschauen, was los ist, nur leider kann ich mich keinen Zentimeter bewegen, noch nicht einmal im Nacken kratzen. Mir gelingt es, den Zeigefinger der linken Hand zu knicken und mit den Zehen zu wackeln, was mich allerdings beides nicht weiterbringt.
Die Blase vor mir schimmert blau und wirft helle Reflexe an die Decke. Mittlerweile reicht sie von einer Zimmerseite zur anderen und alles, was ich sehe, sehe ich durch blauen Dunst. Vielleicht wirken deswegen auch die Farben der Magnolie gedämpft. Die Müdigkeit der Spatzen lässt sich dadurch nicht erklären.

Vor zwei Wochen, als Evi das letzte Mal hier gewesen ist, da passte die Blase gerade noch in den alten Bollerwagen, ein riesiger blauer Hubbel, umspannt von einer dicken, durchsichtigen Hülle. Er quoll über das Holz und meine Schwester schlug die Hand vor den Mund. Die Haut unter ihren Augen war so fein, dass ich kleine Äderchen sehen konnte. Auch sie waren blau.
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. „Geht es dir gut?“
Sie schlug die Hand weg, schüttelte sich, sodass sich noch mehr Strähnen aus dem Pferdeschwanz lösten. „Ob es mir gut geht? Mir?“ An ihrem Hals krochen rote Flecken empor.
„Du musst dir helfen lassen!“, sagte sie und zeigte auf die Blase, als wenn man sie übersehen könnte.
Ich schüttelte den Kopf. „Alles gut. Mach dir meinetwegen keine Sorgen.“ Der Holz des Bollerwagens knackte.
„Gar nichts ist gut!“ Evi schrie jetzt, die Flecken hatten ihre Wangen erreicht. „Du sitzt in dieser Wohnung fest. Wie lange soll das noch so weiter gehen?“
„Ich lass mir alles liefern. Das geht schon.“ Ich lachte. „Eigentlich mal ganz angenehm, so faul zu sein.“
Evi öffnete den Mund, schloss ihn und kniff die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Plötzlich liefen Tränen über ihre Wangen. „Scheiße“, murmelte sie.
Ich nahm sie in den Arm, strich ihr über den Rücken, bis sie sich ausgeweint hatte. Sie schniefte und löste sich von mir.
„Versprich mir, dass du dir helfen lässt. Von alleine wird die Blase nie kleiner.“
Ich nickte und schaute aus dem Fenster. Draußen ging Frau Heller mit ihrem Labradoodle Daisy spazieren. Wer kümmerte sich um den kleinen Hund, solange ich in der Wohnung festsaß?
„Ich schicke dir die Website von einem Experten. Der kommt sogar hier hin. Aber du musst es auch wollen.“
Frau Heller humpelte ein wenig, ihre Arthrose war sicherlich schlimmer geworden.
„Thea? Hörst du? Du musst es wollen!“
Ich schaute meine Schwester. „Mach dir keine Sorgen.“
Sie seufzte. „Ich hab dich lieb. Melde dich, wenn es was neues gibt.“
Evi schloss die Tür und der Bollerwagen zersplitterte unter dem Gewicht der Blase.

Sie schmeckt etwas salzig. Wie Meerwasser, das man sich aus den Haarsträhnen saugt. Ich habe versucht, ein Loch in die dicke Haut zu beißen. Aber es ist sinnlos. Ich habe noch nie davon gehört, dass eine Blase bei irgendwem irgendwo auf der Welt kaputt gegangen wäre.
Aber sie ist warm. Ich fühle mich wie in der Umarmung eines liebenden Menschen, der einen etwas zu fest umarmt und nach zwei Sekunden, die einem die Luft rauben, wieder loslässt. Die Blase hat keinen Grund loszulassen.
Wie wird es sein, wenn ich die letzte Luft ausatme und keine Kraft mehr für einen neuen Atemzug habe? Wie lange wird es dauern, bis die Blase schrumpft, nachdem ich gestorben bin?
Evi wird weinend an der Tür stehen und warten müssen, bis sie mich beerdigen kann.
An dem Grab unserer Eltern schluchzte sie so sehr, dass sie keine Kraft mehr hatte zu stehen. Ich war da und hielt sie, biss die Zähne zusammen, als sich ihre Fingernägel in meine Haut bohrten.
Ich überlege, wann ich das letzte Mal geweint habe. Auf der Beerdigung musste ich stark sein. Und unsere Eltern sind so gestorben, wie sie es sich immer gewünscht hatten. Gemeinsam. Sie hätten niemals uralt und schwach werden wollen, dabei zusehend wie Freunde und Bekannte nach und nach verschwinden. Auch wenn es für uns schwer gewesen ist, für die beiden war es das Beste und dann kann ich mich nicht beschweren.
Ich bin gesund und die Menschen, die ich liebe sind es auch. Ich habe einen Job und eine Wohnung. Mir geht es besser als einem Großteil der Menschen auf diesem Planeten, wie kann ich mich da beschweren? Wie könnte ich da weinen? Verhöhne ich damit nicht nicht die, die kaum etwas zu essen für ihre Kinder auftreiben können, oder die, die kein Dach über dem Kopf haben und kaum wissen, wie sie die nächsten Tage überstehen können? Es gibt für mich keinen Grund zu weinen.
Der Druck der Blase ist mittlerweile so stark, dass mein Kopf in einem unangenehmen Winkel zur Seite gedrückt wird. Ich würde ihn gerne von rechts nach links bewegen, nur kurz um die Halsmuskulatur zu entspannen. Das Fenster kann ich nur noch aus den Augenwinkeln sehen.
Das einfallende Licht ist wärmer geworden. Das Farbspiel erinnert mich an einen Sonnenuntergang am Meer. Meine Augen sind müde, ich schließe sie. Die Blase ist weich und warm. Ich schmiege mich an ihre Haut und es ist, als wäre es meine eigene.

Die Welt ist blau.
Ich schwimme und fühle mich frei, so leicht wie schon lange nicht mehr. Die Blase ist verschwunden und ich kann schwimmen, wohin ich will. Dort drüben glitzert und funkelt es. Langsam näher ich mich diesem Spiel aus Licht und Farben, bewege nur ganz leicht meine Hände und Füße und genieße es, mein Gewicht nicht selbst tragen zu müssen.
Ich schaue hinter mich und sehe, dass das Wasser dort dunkel und trüb ist. Wie eine schmutzige Wand ragt es empor.
Mit kräftigen Schwimmbewegungen versuche ich mich davon zu entfernen, aber jedes Mal, wenn ich einen Blick nach hinten werfe, ist das Dunkel näher. Es scheint, als würde sich der Dreck an einer Stelle verdichten, fast als wäre dort jemand.
Ich schwimme schneller und plötzlich wird mir bewusst, dass mein letzter Atemzug lange her ist. Meine Lunge brennt und richte mich nach oben, in der Hoffnung noch rechtzeitig an die Oberfläche zu kommen.
Etwas umschlingt meinen Knöchel. Ich strample und trete, aber schaffe es nicht, mich zu befreien, und anstatt mich der rettenden Oberfläche zu nähern, werde ich wieder in die Tiefe gezogen.
Ich schaue nach unten. Eine Frau schwimmt unter mir, ihre Hand umklammert mich, die langen braunen Haare schweben im Wasser. Dann schaut sie hinauf und der Blick, der mich trifft, ist so traurig, dass ich zusammenzucke.
Die Augen sind meine, aber darunter liegen dunkle Ringe, die Wangen sind blass und eingefallen. Ich lasse mich zur ihr herabsinken, bis wir auf einer Höhe schweben.
Wir halten uns an den Händen und ich kann ihren Blick kaum aushalten. Er dringt in mich ein und wühlt und bohrt. Es tut weh und ich bin kurz davor loszulassen, um wegzukommen von diesem Schmerz.
Ich will ihr sagen, dass alles gut ist. Aber das stimmt nicht. Gar nichts ist gut. Ich habe ihr das angetan.
Wir nehmen uns gegenseitig in die Arme, ich lege meinen Kopf an ihre Schulter und sie ihren an meine und wir weinen.

Ich japse und huste, drehe mich würgend vom Rücken auf die Knie und erbreche einen Schwall blaues Wasser auf die Holzdielen meines Wohnzimmer. Mein Körper verkrampft immer wieder, ich würge, obwohl nichts mehr da ist, das aus mir herauskommen könnte. Tränen und Rotze tropfen an meiner Nase hinunter. Meine Arme zittern, können mich kaum halten, nach der Schwerelosigkeit des blauen Meeres.
Meine Eltern sind tot.
Sie kommen nie mehr wieder. Papa kann mich nicht mehr in den Arm nehmen, Mama nicht mehr mit mir im Schwarzwald wandern. Wie konnten sie uns das antun und so früh sterben? Evi und ich waren viel zu jung, um uns um alles zu kümmern.
„Wieso habt ihr uns allein gelassen?“, brülle ich und winde mich vor Schmerzen. Ich lasse mich auf den Boden fallen und liege dort zusammengekrümmt wie ein Embryo.
Jemand klingelt, gleich mehrmals hintereinander. „Thea?“ Es ist Evi. Sie klopft energisch gegen die Wohnungstür. „Thea, was ist los bei dir?“ Die Tür wird aufgeschlossen und Evi stolpert ins Wohnzimmer.
Sie wirft sich neben mich auf den Boden, schlingt die Arme um mich. „Ich bin da. Ich bin für dich da.“
Ich atme ihren Geruch ein und bin so dankbar, dass sie da ist. „Mir geht es nicht gut“, sage ich.
Evi streichelt mir über den Rücken. „Ich weiß.“

 

Moin @Nichtgeburtstagskind , nimmst du auch Vorschuss-kommentare? Einen richtigen schaffe ich erst morgen früh, aber ein "super spannend" und "richtig gerne gelesen" will ich dir doch gleich da lassen. Ich war so neugierig, nach deiner kryptischen Anfrage im Discord, aber ich finde es gelungen, lässt mich jetzt über die Bedeutung grübelnt (im positiven Sinne) zurück - meckern werde ich morgen (nur Kleinkram)

 

Oh, wie sehr ich mich freue, @greenwitch !! Vielen Dank! So einen Vorschusskommentar nehme ich sehr gerne. Da kann ich beruhigt schlafen. :kuss:

 

Hallo NGK,
ich habe deine Geschichte auch gestern schon gelesen und war sehr beeindruckt. Bei mir bleibts bei einem kurzen Vorschusskommentar. Ist eine echt supergeile Geschichte. Die Idee ist faszinierend. Gleichzeitig fremd und wiederum auch vertraut, als stünde die Blase für etwas, das jeder hat, seine Seele, sein Innerstes, ich weiß es nicht, jedenfalls etwas das schwillt und einen unfähig macht, weiterzumachen, wenn zu viel von einem verlangt wird und man sich nicht mehr traut zu weinen. Aber wehe, man präsentiert die Bürde, nein, sie muss schön verborgen bleiben oder wird ein Fall für Sensationslust oder obskure Heilsbringer. Oder natürlich Experten. Aber ein gesundes Verhältnis zur Belastung gibt es nicht. Seine Blase muss jeder mit sich abwickeln. Da steckt viel drin in dieser Geschichte. Und nicht nur das, sie ist auch gut geschrieben.
Die tanzenden Kaugummi- Scherben- und Seifenblasenkreise hab ich für mich unter der Rubrik "seltsam" verbucht. Und sie einfach so für mich hingenommen, ohne zu hinterfragen, woher die nun stammen mögen. Ich fand das Kaleidoskopartige daran gut.
Ein winziger Einwand, am Anfang dachte ich, der Mann hilft ihr beim Ausprobieren eines BHs, du kannst dir vorstellen, wie sehr mich dann der Bauchgurt aus dieser Vorstellung wieder rausgekickt hat. Aber wenn es nur ich bin, die anfangs kurz denkt, sie wäre in einem Dessouladen, dann machts nichts.
Und das hier hab ich noch en passant aufgesammelt:

Thea verstand nie, was sie sagten, aber es war schön sie hören.
... aber es war schön, sie zu hören.
Thea strich über ihre weiche Haut, trat einen Schritt zurück.
Da kurz vorher die Wangen des alten Mannes erwähnt werden, ist der Bezug nicht ganz klar. Ich würde es deutlicher machen.
Sie schimpft, heulte, schrie.
schimpfte
„Ich schick dir den Link zur der Praxis“, sagte Evi.
zur

Schöne, spannende Geschichte.
Lieben Gruß von Novak

 

Hey @Nichtgeburtstagskind

Thea fasste mit beiden Händen an die Träger.
Der Mann zuppelte an den Bändern, zog den Bauchgurt straffer.
Thea lächelte und nickte.
Der Mann mit den braunen Locken stand nun hinter ihr und wackelte an dem Rucksack.
Thea machte einen Ausfallschritt zur Seite.
Kopfschüttelnd trat er vor sie.
Der Mann roch nach Deo, sein T-Shirt nach Schweiß, der beim Waschen nicht herausging.
Thea ging zu der Bank, auf der sie ihre Jacke und den Jutebeutel abgelegt hatte. Sie nahm die Tasche und hielt sie auf.
Der Mann schaute hinein. Er legte die Hand auf den Mund, schaute Thea erschrocken an.
Der Mann biss auf seine Unterlippe, an der er wohl mal ein Piercing hatte, das kleine Loch war noch nicht zugewachsen.
Thea lächelte.
Die Dialogbegleitungen des ersten Abschnittes wirken auf mich etwas statisch, sowohl formal wie auch inhaltlich. Fast nach jeder Dialogzeile folgt einer der oben zitierten Sätze, die fast alle gleich beginnen. (Überhaupt hast du im Text sehr viel SPO, und sehr viele Sätze, die mit Thea beginnen. Ich würde schauen, ob du nicht das eine oder andere Mal den Namen durch ein "sie" ersetzen kannst.) Inhaltlich werde ich - nachdem ich den ganzen Text ein paar Mal gelesen habe - aus den Gewichtungen, die du hier setzt, nicht so recht schlau. Warum legst du so viel Wert auf das Aussehen und das Verhalten des Verkäufers, der in der Geschichte gar nicht mehr vorkommt? Am Ende ist das die am besten (von aussen) beschriebene Figur der Geschichte, braune Locken, Loch in der Unterlippe, verschwitztes T-Shirt, Muttermal neben der linken Augenbraue. Ich dachte zunächst, dass das vielleicht die Beobachtungsgabe Theas demonstrieren soll, aber das spielt ja in der Geschichte ebenfalls keine Rolle. Vielleicht magst du diese Redebegleitungen noch mal überdenken, eventuell könnte man etwas mehr Gewicht auf Theas Empfindungen und Gedanken legen. Ist der Rucksack gross genug? Was wird der Typ denken, wenn er merkt, wofür ich ihn brauche? So weit ist es gekommen, hat Evi recht, wenn sie sagt, das sei keine Lösung? Ich wäre da glaub näher bei der Figur. So habe ich die Szene als eher sachlichen und etwas mechanischen Einstieg in eine Alltagsgeschichte gelesen und auch in der Folge hatte ich Schwierigkeiten, Kontakt zu Thea aufzunehmen.

Die Tränen tropften auf seine hellbraunen Wildlederschuhe.
Die Szene am Grab habe ich gerne gelesen, das hier war mir allerdings etwas zu drüber. Ich habe mir dann gedacht, okay, der Text ist mit "seltsam" getaggt und im Nachhinein denke ich mir, okay, das ist ja das Thema der Geschichte, aber beim ersten Lesen bin ich gestolpert.
Die Blätter tanzten, umkreisten Thea, prasselten in ihr Gesicht, stoben auseinander.
Das wirkt eher komisch, wenn ich mir das konkret vorstelle.
Thea entfernte sich, drehte ihr Gesicht zur Sonne und genoss die Wärme.
Der Satz kam für mich etwas aus dem Nichts. Weshalb auf einmal das Geniessen?
Draußen ging Frau Schwarz vorbei mit ihrem kleinen Labradoodle Daisy. Wer wohl jetzt mit dem Hund spazieren ging, während Frau Schwarz arbeiten musste?
Ein ziemlicher Fremdkörper im Text. Alles ernst, Konflikt und so und da läuft Labradoodle Daisy vorbei.
Eigentlich hatte sie Thea dazu gezwungen zu funktionieren. Ihr war keine Wahl geblieben. Was wäre aus ihnen geworden, wenn Thea sich auf den Fußboden gelegt und geweint hätte?
Das Ende hat mich nicht so recht überzeugen können. Da wird viel erklärt und behauptet, und zwar ein bisschen im Nachhinein. Ich habe aus dem Text nämlich das "Funktionieren" als Thema nicht herauslesen können. Es gibt die Friedhofszene, aber das ist ja nicht aussergewöhnlich, dass die Schwester keine Zeit für die Grabpflege hat. Ich frage mich auch, was genau Thea tut, um die Geschichte zur Aulösung zu bringen. Schon bei der Darstellung der Blase in der Strassenszene beobachtet sie und bleibt passiv. Sie handelt nicht. Und am Ende wächst die Blase und Thea rechnet mit dem Tod (Fürchtet sie ihn? Wäre er eine Erlösung? Bringt sie keine Kraft auf, sich dagegen zu stemmen?) und dann macht sie sich ein paar Gedanken (die vor allem auch dem Leser erklären, was es mit dieser Blase auf sich hat) und schon platzt das Ding. Ich glaube, da könnte man dramaturgisch noch ein paar Stellschrauben drehen. Die Grundidee, diese Veräusserlichung und Vergegenständlichung eines inneren Zustands gefällt mir nämlich gut. Womit ich etwas Mühe habe, aber das ist nur ein Detail, sind die Zahlenangaben. Der Text hat ja was von magischem Realismus. Würde im südamerikanischen Text stehen, wie schwer aufs Gramm genau die Blase (und damit natürlich das von ihr symbolisierte) ist, habe ich mich gefragt. Oder hast du da eine konkrete Absicht damit verbunden, die ich nicht durchschaue?

Typos:

aber es war schön sie hören.
zu
Sie hockte sich und klaubte Blätter von der Erde.
hin

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind

ich habe Deine Geschichte gern gelesen. Interessanter Text, ein wenig strange, aber gerade dadurch hat er mich fasziniert. Der Text ist flüssig geschrieben, wirft während dem Lesen Fragen auf (die Du am Ende auflöst). Sehr spannend. Ich kann Nähe zu der Prota aufbauen, begleite sie gerne. Die Metapher mit der Blase finde ich sehr interessant. Ich habe sie zwar auch nicht dem "Funktionieren" zugeordnet, aber es als Last der Seele interpretiert. Finde, das ist ein sehr gelungenes Bild.

Hier ein paar Leseeindrücke:

hea zog ihre Jacke über, wuchtete den Rucksack auf ihre Schultern und schloss den Bauchgurt, um ihre Schultern zu entlasten. Die Buche raschelte.

Anfangs frag ich mich natürlich ständig, was sie da mit sich rumschleppt.

Sie schimpft, heulte, schrie.

schimpfte

„Wenn's hilft.“ Die Frau zuckte mit den Schultern. „Deine Blase könnte ja auch mal wieder ein paar Gramm weniger vertragen.“

Und auch hier bin ich fasziniert und frag mich, was es damit auf sich hat.

Ein Mädchen zog ihre Schwester hinter sich her, in Richtung des Spektakels. „Schau, wie riesig die ist! Hast du so eine große schon mal gesehen?“ Die Schwester schaute auf ihr Handy.

Hier hab ich mich gefragt, woher Thea wissen will, dass die beiden Schwestern sind. Sehen sie sich so ähnlich?

ie Blase zerplatzte und spuckte Thea auf die Holzdielen des Wohnzimmers.
Sie japste nach Luft, zitterte vor Anspannung und Schmerzen. Irgendwann versiegten die Tränen, das Adrenalin ließ nach. Zurück blieb Erschöpfung.
Lange blieb Thea dort liegen, fühlte ihren Körper und die Dielen unter sich. Sie starrte an die Decke und stellte erstaunt fest, dass sie lächelte.

Ich war ehrlich froh, dass Thea überlebt hat. Was für eine Erleichterung.

Wirklich eine sehr interessante und überraschende Story!

Liebe Grüße und ein sonniges Wochenende,
Silvita

 

Liebe @Novak ,

wie schön, dass du vorbeischaust.

Da steckt viel drin in dieser Geschichte. Und nicht nur das, sie ist auch gut geschrieben.
Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt. Und das du auch einiges daraus mitnimmst, das sehr in die Richtung geht, was ich damit erreichen wollte.
Und sie einfach so für mich hingenommen, ohne zu hinterfragen, woher die nun stammen mögen. Ich fand das Kaleidoskopartige daran gut.
Perfekt! Ich war mir echt unsicher, ob das nicht alles zu viel ist. Die Blase an sich ist ja schon schwer zu greifen und man muss sich erstmal durch die Geschichte wühlen, um zu verstehen, was da los ist. Dieses "Beiwerk" wie die Kaugummis und Glasscherben verwirren dann vielleicht noch einmal zusätzlich. Um so schöner, dass es bei dir funktioniert. Ich wollte eine Welt schaffen bei der Realität und Fantasy verschwimmen und wo auch nicht immer klar ist, was wirklich passiert und was vielleicht auch nur in Theas Fantasy. Wie das dann am Ende gelesen wird, hängt ja auch immer wieder von den Lesenden selbst ab.

Ein winziger Einwand, am Anfang dachte ich, der Mann hilft ihr beim Ausprobieren eines BHs, du kannst dir vorstellen, wie sehr mich dann der Bauchgurt aus dieser Vorstellung wieder rausgekickt hat.
Ups. :D Kann ich mir vorstellen, dass das erstmal merkwürdig war. Ein BH mit Bauchgurt ... Sind allerdings nur drei Zeilen, bis das klar wird. Mal schauen, ob ic ham Anfang einfach noch hinzufüge, dass es um einen Rucksack geht.

Vielen Dank für dein Feedback. Hat mich sehr gefreut! Den Kleinkram habe ich angepasst.

Liebe Grüße,
NGK


=========

Lieber @Peeperkorn,

freut mich sehr, dich hier zu lesen.

Die Dialogbegleitungen des ersten Abschnittes wirken auf mich etwas statisch, sowohl formal wie auch inhaltlich.
Stimmt, ohne die Dialoge dazwischen wirkt das wirklich sehr statisch. Danke für den Hinweis. Das schaue ich mir nochmal an.

Warum legst du so viel Wert auf das Aussehen und das Verhalten des Verkäufers, der in der Geschichte gar nicht mehr vorkommt?
Ich dachte zunächst, dass das vielleicht die Beobachtungsgabe Theas demonstrieren soll, aber das spielt ja in der Geschichte ebenfalls keine Rolle.
Vielleicht magst du diese Redebegleitungen noch mal überdenken, eventuell könnte man etwas mehr Gewicht auf Theas Empfindungen und Gedanken legen. Ist der Rucksack gross genug?
Dass der Blick von Thea weg auf andere führt ist so gewollt. Diese Beobachtungen anderer Personen zeigen eines der Probleme von Thea. Sie ist bei anderen Menschen sehr aufmerksam, nimmt viel wahr von ihren Problemen oder Nöten. Aber sie richtig den Blick eben nicht auf sich selbst. Und das genau ist ja auch ihr Problem. Sie macht sich keine Gedanken um sich, gesteht sich nicht ein, dass es ihr vllt nicht gut geht.
Die Szene am Grab habe ich gerne gelesen, das hier war mir allerdings etwas zu drüber. Ich habe mir dann gedacht, okay, der Text ist mit "seltsam" getaggt und im Nachhinein denke ich mir, okay, das ist ja das Thema der Geschichte, aber beim ersten Lesen bin ich gestolpert.
Das gehört mit zum magischen Realismus. Wenn der Leser sich etwas wundert, passt das schon. Denn natürlich ist das drüber, dass da die Tränen tropfen und Furchen in die Wangen graben. Solange der Stolperer nicht zu groß ist, kann ich damit leben.
Das wirkt eher komisch, wenn ich mir das konkret vorstelle.
Da bin ich mir nicht sicher, ob die Stelle so verstanden wird, wie ich es gedacht hatte. Die Blätter verhalten sich hier nicht natürlich. Es war eher so der Gedanke, dass die Eltern die Blätter aufwirbeln und in Theas Gesicht pusten, um sie wachzurütteln. Das passiert ja in dem Moment, als sie Evi in Schutz nimmt und so tut als würde ihr das alles nichts ausmachen.
Vielleicht müsste ich hier noch etwas dazu packen, um die Stelle deutlicher zu machen.
Der Satz kam für mich etwas aus dem Nichts. Weshalb auf einmal das Geniessen?
Das sollte zeigen, dass Thea krampfhaft alles zum Guten wendet.
Ein ziemlicher Fremdkörper im Text. Alles ernst, Konflikt und so und da läuft Labradoodle Daisy vorbei.
Auch hier. Thea will sich nicht damit auseinander setzen, dass sie ein Problem hat. Ihr Leid ist nicht wichtig. Sie macht sich lieber Gedanken um das Wohl der Nachbarin.
. Ich habe aus dem Text nämlich das "Funktionieren" als Thema nicht herauslesen können.
Ich denke, dass diesen Text jeder auf eine sehr persönlich Weise liest. Deswegen will ich auch gar nicht so sehr vorgeben, was genau das Thema sein soll. Aber mein Gedanke dahinter war eher wie ungesund es ist, negative Gefühle nicht zuzulassen und das man sich eingestehen kann, wenn man mal schlecht drauf ist oder es einem nicht gut geht.
Das scheint bei dir leider gar nicht angekommen zu sein. Ich bin mir gerade aber auch unsicher, was ich am Text verändern könnte, um das zu ändern.
dann macht sie sich ein paar Gedanken (die vor allem auch dem Leser erklären, was es mit dieser Blase auf sich hat) und schon platzt das Ding.
Nein, sie macht sich nicht nur Gedanken. Sie gesteht sich ein, dass es ihr nicht gut geht bzw nicht gut ging. Und genau das ist der Punkt. Zu sagen, dass man traurig ist, zu weinen, wütend, enttäuscht sein, das reicht schon, um die Blase zu verkleinern.
Der Text hat ja was von magischem Realismus. Würde im südamerikanischen Text stehen, wie schwer aufs Gramm genau die Blase (und damit natürlich das von ihr symbolisierte) ist, habe ich mich gefragt.
Freut mich sehr, dass das mit dem magischen Realismus geklappt hat. Das mit der Grammzahl ist eine gute Frage. Ich wollte den Lesenden irgendwie die Verkleinerung der Blase deutlich machen, ohne zu viel zu beschreiben. Und das ist natürlich wie die ganze Aktion in der Fußgängerzone sehr plakativ. Deswegen dacht ich, dass es irgendwie dazu passt.

Sie hockte sich und klaubte Blätter von der Erde.
Ich habe das hin bewusst weglassen, irgendwie fand ich, dass es stört an dieser Stelle. Und ich glaube, hocken ohne hin ist an dieser Stelle nicht falsch.

Vielen Dank für dein Feedback. Ehrlich gesagt habe ich genau so eine Verwirrung bzgl des Textes erwartet. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, ob das funktioniert. Ob ich zu viel oder zu wenig erkläre. Ob die verschiedenen surrealen Elemente den Texte nicht überfrachten. Ob da nicht verloren geht, was ich eigentlich erzählen will.
Da der Text von einigen aber genau so gelesen wird, wie ich es erhoffte, bin ich erstmal erleichtert. Ich weiß, dass ich nicht alle Lesenden erreichen kann und ich bin gerade wirklich unsicher, was ich verändern kann, um auch dich abzuholen, ohne andere Lesende dabei zu verlieren.
Ich werde da noch weitere Kommentare abwarten, vielleicht kommt da ja noch eine Erleuchtung bei mir.

Liebe Grüße,
NGK


==========


Hallo fleißige @Silvita,

Interessanter Text, ein wenig strange, aber gerade dadurch hat er mich fasziniert. Der Text ist flüssig geschrieben, wirft während dem Lesen Fragen auf (die Du am Ende auflöst). Sehr spannend.
Es freut mich wirklich sehr, das zu lesen! Es ist das erste Mal, dass ich einen solchen Texte schreibe. Sonst sind meine Texte eher straight forward, und dieser Texte erschließt sich erst am Ende richtig.
Super, dass du trotz der Fragen (oder gerade deswegen) dran geblieben bist. Die Dosierung, wann ich welche Informationen rauslasse, war für mich die größte Herausforderung.
Die Metapher mit der Blase finde ich sehr interessant. Ich habe sie zwar auch nicht dem "Funktionieren" zugeordnet, aber es als Last der Seele interpretiert.
Ja, so kann man es auf jeden Fall lesen. Mein Gedanke dahinter war, dass es einen kaputt macht, wenn man negative Gefühle nicht zulässt und dass diese irgendwann raus müssen. Die Blase versinnbildlicht hier die Ansammlung dieser negativen Gefühle, die irgendwann so groß wird, dass man nicht mehr leben kann. Das kann man auf jeden Fall als "Last der Seele" sehen.
Ich bin echt glücklich darüber, dass du den Text so liest. :herz:
Hier hab ich mich gefragt, woher Thea wissen will, dass die beiden Schwestern sind. Sehen sie sich so ähnlich?
Guter Punkt. Zwei Mädchen in unterschiedlichem Alter, da geht man wahrscheinlich schnell davon aus, dass es Schwestern sind. Ich schau mal, ob ich einfach zwei Mädchen draus mache.

Vielen Dan für deinen Kommentar. Ich wünsche dir auch noch ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hey @Nichtgeburtstagskind

Aber mein Gedanke dahinter war eher wie ungesund es ist, negative Gefühle nicht zuzulassen und das man sich eingestehen kann, wenn man mal schlecht drauf ist oder es einem nicht gut geht.
Das scheint bei dir leider gar nicht angekommen zu sein. Ich bin mir gerade aber auch unsicher, was ich am Text verändern könnte, um das zu ändern.
Doch, doch, das ist schon angekommen. Auf der intellektuellen Ebene sogar eher schon zu deutlich, für meinen Geschmack wird das Bild am Ende zu sehr erläutert und rationalisiert, sodass es seine Vieldeutigkeit verliert und die eher simple Aussage übrig bleibt, die du hier explizit machst. Emotional hat es mich wenig angesprochen, weil ich zuwenig von Thea mitbekomme. Zum Beispiel habe ich das hier ...
Sie ist bei anderen Menschen sehr aufmerksam, nimmt viel wahr von ihren Problemen oder Nöten.
... überhaupt nicht mitgeschnitten. Für mich beschreibt sie den Verkäufer rein äusserlich (Muttermal, Piercing, braune Haare) und sagt, dass er nicht gut riecht. Was hat das mit Nöten und Problemen zu tun? Empathie konnte ich hier nicht herauslesen. Ähnlich bei der Szene mit dem Hund. Du fragst, was du am Text ändern könntest, um ihn auch für mich zugänglich zu machen. Ich glaube, wenn du Thea noch stärker als empathischen und nicht bloss wahrnehmenden und beschreibenden Menschen zeigen würdest, würde mir das helfen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind

Es freut mich wirklich sehr, das zu lesen! Es ist das erste Mal, dass ich einen solchen Texte schreibe. Sonst sind meine Texte eher straight forward, und dieser Texte erschließt sich erst am Ende richtig.
Super, dass du trotz der Fragen (oder gerade deswegen) dran geblieben bist. Die Dosierung, wann ich welche Informationen rauslasse, war für mich die größte Herausforderung.

Das ist schön und da freu ich mich auch.
Ich finde, das mit der Dosierung hast Du genau richtig umgesetzt. Das Experiment ist Dir definitiv gelungen.

a, so kann man es auf jeden Fall lesen. Mein Gedanke dahinter war, dass es einen kaputt macht, wenn man negative Gefühle nicht zulässt und dass diese irgendwann raus müssen. Die Blase versinnbildlicht hier die Ansammlung dieser negativen Gefühle, die irgendwann so groß wird, dass man nicht mehr leben kann. Das kann man auf jeden Fall als "Last der Seele" sehen.
Ich bin echt glücklich darüber, dass du den Text so liest.

Super, dann hab ich das gut interpretiert. Einfach ein toller Text!
Das ist schön :thumbsup:

Guter Punkt. Zwei Mädchen in unterschiedlichem Alter, da geht man wahrscheinlich schnell davon aus, dass es Schwestern sind. Ich schau mal, ob ich einfach zwei Mädchen draus mache. Vielen Dan für deinen Kommentar. Ich wünsche dir auch noch ein schönes Wochenende.

Super :)

Ich wünsche Dir einen schöne Woche und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 

Hallo @Peeperkorn

Auf der intellektuellen Ebene sogar eher schon zu deutlich, für meinen Geschmack wird das Bild am Ende zu sehr erläutert und rationalisiert, sodass es seine Vieldeutigkeit verliert und die eher simple Aussage übrig bleibt, die du hier explizit machst.
Oh, okay. Das ist dann wohl meiner Sorge geschuldet, dass man den Text nicht versteht, weil er nicht deutlich genug wird. Du meinst also, dass ich die Erklärung zB die der ungeweinten Tränen herauslassen sollte? Anderseits ist dir nicht klar geworden, wieso sich Thea befreien kann. An anderer Stelle ist es also zu wenig.


Für mich beschreibt sie den Verkäufer rein äusserlich (Muttermal, Piercing, braune Haare) und sagt, dass er nicht gut riecht. Was hat das mit Nöten und Problemen zu tun? Empathie konnte ich hier nicht herauslesen.
Ähnlich bei der Szene mit dem Hund.
Hab da jetzt länger drüber nachgedacht und auch versucht etwas zu ändern. Aber ich sehe diese Textstellen einfach anders.
Thea sagt ja eben nicht, dass der Mann stinkt. Der Mann riecht nach Deo, das T-Shirt nach Schweiß. Das könnte ich weiter ausführen, aber das wäre mir dann an der Stelle zu viel. Thea nimmt den Mann dadurch in Schutz.
Und bei dem Hund macht sie sich Sorgen um ihre Nachbarin.

Für mich ist Thea ein Mensch, der die Menschen sieht, genau hinschaut. Was man dann mit diesen Details macht, ist dann auch dem Leser überlassen. Ich möchte eben nicht schreiben, dass sie sich sorgt, sondern es über diese detaillierten Beschreibungen zeigen.
Vielleicht bin ich damit auch total auf dem Holzweg. Momentan möchte ich es erstmal so lassen. Aber ich behalte deine Punkte im Hinterkopf.

Nochmal vielen Dank und viele Grüße,
NGK

 

Hey @Nichtgeburtstagskind

Du meinst also, dass ich die Erklärung zB die der ungeweinten Tränen herauslassen sollte? Anderseits ist dir nicht klar geworden, wieso sich Thea befreien kann. An anderer Stelle ist es also zu wenig.
Ja, die ungeweinten Tränen wären meine ersten Streichkandidatinnen. Ich bin natürlich auch nicht sicher. Kann man im Nachhinein immer sagen, lass das mal weg. Aber ich würde es mal weglassen und dann zwei, drei Leuten zu lesen geben, die die erste Version nicht kennen. Der zweite Punkt ist diffiziler. Ich hab das etwas salopp formuliert: Macht sich ein paar Gedanken. Dass in diesem Denkprozess einiges abgeht und sich entwickelt, das stimmt natürlich schon und am Ende steht das Eingeständnis, von dem du sprichst. Es ist schwierig zu erklären, was ich meine, aber mir ist eine Wende hin zur Auflösung, eine Klimax, die sich hauptsächlich im Kopf der Prota abspielt, irgendwie zu reibungslos und zu schnell. Du hast ja die Entäusserung, die Blase. Das Eingeständnis müsste daher meiner Meinung nach in irgendeiner Form in direkter Auseinandersetzung mit der Blase erfolgen. Da wäre noch eine stärkere Interaktion möglich, finde ich. In der Geschichte zerplatzt ja am Ende die Blase, weil Thea dagegen schlägt. Ganz konkret bringt also ihre Wut die Blase zum Platzen. Das fühlt sich für mich nicht ganz stimmig an, es passt nicht zur Einsicht, dass Trauer zugelassen werden muss. Ich glaube, ich hätte den Schluss gerne etwas ausgedehnter gelesen, vielleicht schlägt Thea gegen die Blase, merkt aber, dass sie dadurch nur noch stärker wird. Erst in dem Moment, da sie innerlich loslässt und ihrer Trauer Raum gibt, wenn sie eigentlich den Kampf gegen die Blase aufgibt, da wird diese auf einmal kleiner. Wie gesagt, schwierig. Ich kann nur wiederholen, dass das Ende für mich in gewisser Hinsicht zu introvertiert, zu gedankenlastig ausgefallen ist.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

„Und wie sitzt er?“, fragte der Mann mit dem Muttermal neben der linken Augenbraue.
Thea fasste mit beiden Händen an die Träger. „Gut.“
„Warten Sie mal.“ Der Mann zuppelte an den Bändern, zog den Bauchgurt straffer. „Bei diesem Modell findet jeder eine passende Einstellung!“
Thea lächelte und nickte.
„Wo wollen Sie denn wandern?“ Der Mann mit den braunen Locken stand nun hinter ihr und wackelte an dem Rucksack.
Thea machte einen Ausfallschritt zur Seite. „Ich geh nicht wandern. Ich brauch den Rucksack für den Alltag.“

Der Einstieg ist sehr verwirrend. Einmal der Mann mit dem Muttermal, dann der Mann mit den braunen Locken - sind das zwei unterschiedliche Typen? Nee, es ist doch der Verkäufer. Ist ein wenig umständlich eingeführt alles. Dann auch Wortwahl: Zuppeln. Da denke ich sofort an BRIGITTE oder so. Meine Meinung ist: solche Worte haben in einem literarischen Text einfach nix zu suchen. Das ist wie: Der Killer tapste über den Flur.

Das Verkaufsgespräch wirkt auch vollkommen konstruiert. Ein Verkäufer würde immer die Meta-Ebene suchen, das lernt man in jedem halbwegs guten Training, also wo koppelt die Erfahrungswelt des Kunden an die des Verkäufers an, und sei es eine erfundene? Damit erzeuge ich eine Vertrauensbasis. Der Verkäufer würde also demnach eher fragen: "Wo gehen Sie wandern?" oder: "Gehen Sie auch wandern?" Auch, dass er einfach an den Gurt fasst, wirkt schon etwas übergriffig. Er würde fragen: "Darf ich ihnen das einstellen", oder: "Ich helfe ihnen mal, schauen Sie, so funktioniert das mit den Gurten." Der Mann dringt in ihre sozial intime Zone ein, da wird nachgefragt, also so mache ich das: "Ich muss sie jetzt anfassen, ist das in Ordnung für Sie?" Dann: Ausfallschritt. Da denke ich an das Boxtraining mit 14. Thea geht zur Seite. Warum wird da der Schritt so sehr betont? Verstehe ich nicht.


Kopfschüttelnd trat er vor sie. „Dann würde ich Ihnen einen anderen empfehlen. Dieser hier ist doch viel zu umständlich für jeden Tag.“
„Ich brauche viel Volumen. Das ist das wichtigste.“
„Wenn ich fragen darf, was wollen Sie denn transportieren?“ Der Mann roch nach Deo, sein T-Shirt nach Schweiß, der beim Waschen nicht herausging.
„Klar, dürfen Sie fragen.“ Thea ging zu der Bank, auf der sie ihre Jacke und den Jutebeutel abgelegt hatte. Sie nahm die Tasche und hielt sie auf.
Der Mann schaute hinein. „Die ist ja riesig!“ Er legte die Hand auf den Mund, schaute Thea erschrocken an. „Tut mir leid. Das war unhöflich.“
„Nicht schlimm. Ich hab mich schon dran gewöhnt. Nur die Baumwolltasche wird langsam unbequem.“
„Verstehe.“ Der Mann biss auf seine Unterlippe, an der er wohl mal ein Piercing hatte, das kleine Loch war noch nicht zugewachsen. „Ich hole Ihnen noch ein Modell mit einer besseren Polsterung.“
Thea lächelte. „Das ist lieb.“
Kopfschütten ist eine negative Reaktion. Er müsste nicken und so etwas sagen wie: "Das ist schon eine gute Wahl, aber ich würde ihnen dann diesen hier empfehlen, weil ..." Diese Frage, was sie transportiert, schon etwas cocky und würde man auch subtiler machen. Es ist doch klar, was sie transportiert, wenn sie den Rucksack jeden Tag benötigt: die Dinge des Alltags. Dann: Wie kann Thea feststellen, dass der Mann nach Deo riecht, sein Shirt aber nach Schweiß, der beim Waschen nicht herausgeht? Woher weiß sie das und wenn sie das weiß, wie riecht dieser Schweiß? Woran erkennt sie diesen Umstand? Und eben hat sie noch einen Schritt zur Seite gemacht, von ihm weg, aber jetzt kann sie genau riechen, wie seine Haut riecht? Müsste sie da nicht viel näher dransein an ihm?

Insgesamt spüre ich ich hier in diesem Dialog die Konstruktion. Das wirkt auch etwas hölzern.

Der Mann schaute hinein. „Die ist ja riesig!“ Er legte die Hand auf den Mund, schaute Thea erschrocken an. „Tut mir leid. Das war unhöflich.“
„Nicht schlimm. Ich hab mich schon dran gewöhnt. Nur die Baumwolltasche wird langsam unbequem.“
„Verstehe.“ Der Mann biss auf seine Unterlippe, an der er wohl mal ein Piercing hatte, das kleine Loch war noch nicht zugewachsen. „Ich hole Ihnen noch ein Modell mit einer besseren Polsterung.“
Thea lächelte. „Das ist lieb.“
Hier wird ein Geheimnis aufgemacht, aber gleichzeitig entwickelt sich daraus nichts. Was ist in der Tasche?, will man wissen, aber der Absatz gibt keine Antwort, das muss er auch nicht, aber es sollte schon eine Art Konflikt andeuten, eine Art Steigerung, es sollte dem Leser den Text insofern schmackhaft machen, dass er die Offenbarung des Geheimnisses unbedingt erfahren will.

Der Wind frischte auf, riss Laub von der Buche. Die Blätter tanzten, umkreisten Thea, prasselten in ihr Gesicht, stoben auseinander. Schließlich hingen sie kurz in der Luft und rieselten dann auf die frische Erde. Thea seufzte, strich ihre Haare hinters Ohr und säuberte das Grab erneut.

Regen prasselt. Sand rieselt. Irgendwie kriege ich das nicht mit Laubblättern zusammen. Vielleicht die Wortwahl überdenken.

Neben dem Wasserhahn ein paar Meter weiter stand eine Gießkanne. Thea ging darauf zu, schaute auf, als der Kies knirschte. Ein weinender, alter Mann kam näher, die Tränen hatten tiefe Furchen in seine Wangen gegraben. Thea strich über die weiche Haut in ihrem Gesicht, trat einen Schritt zurück.
„Wollten Sie nicht?“ Die Tränen tropften auf seine hellbraunen Wildlederschuhe.
„Nehmen Sie ruhig.“ Thea entfernte sich, drehte ihr Gesicht zur Sonne und genoss die Wärme.
Eine andere Gießkanne wurde zurückgestellt, Thea füllte sie auf und goss die Pflanzen am Grab ihrer Eltern.
„Bis Mittwoch. Ich freue mich auf euch.“
Thea zog ihre Jacke über, wuchtete den Rucksack auf ihre Schultern und schloss den Bauchgurt, um ihre Schultern zu entlasten. Die Buche raschelte.
Die Tränen sind aber nicht zufällig aus Salzsäure? Tränen graben Furchen in Wangen, vielleicht etwas zu krass, oder? Thea scheint ja recht kalt zu sein. Würde man hier nicht mal fragen: "Ist alles okay bei ihnen?" Ich meine, sie steht da auf dem Friedhof, alter, weinender Mann kommt an, und sie so: Nee, machen sie mal, ist schon okay und dreht sich dann weg in die Sonne und genießt die Wärme.

Zuende gelesen. Joah. Für mich geht das in die Richtung magischer Realismus. Mir wird nicht klar, wofür die Blase genau steht. Wodurch wächst sie, wird sie kleiner? Warum kann sie sie einfach zu Hause lassen? Warum muss sie die mitnehmen, was bringt ihr das, warum spielt diese Blase eine so gewichtige Rolle? Die Absätze wirken auch vollkommen separiert voneinander, da baut nichts auf dem anderen auf. Ein Geheimnis wird angedeutet im ersten, im zweiten wird ein Grund für das Anwachsen der Blase gefunden (nehme ich mal an, die toten Eltern) und dann im dritten erst wird geklärt, also gezeigt, was diese Blase ist. Dann im letzten Absatz mit Evi wird mir das alles nochmal erklärt. Ich würde die ganze Geschichte nur mit dem Verkäufer ablaufen lassen. Dass dem Leser aus dem Beratungsgespräch klar wird, was die Blase ist und warum sie angewachsen ist. So wirken die Abschnitte einfach wie aus dem Himmel gefallen, als ob du deiner eigenen Idee nicht ganz vertrauen würdest. Verstehe mich nicht falsch - diese Blase, absolute geile Idee, aber die Geschichte löst dieses groteske Element nirgendswo ein, finde ich. Du willst gleichzeitig einen Grund finden, die Blase dem Leser irgendwie zeigen und dann diese ganze Sache noch auf den Charakter individualisieren - ist etwas viel, und wirkt auf mich unausgegoren und unzusammenhängend. Ich glaube, du kannst da auf deiner Idee vetrauen und es in einer Szene zusammenbringen, ich glaube, es würde die Geschichte konsequenter machen, stringenter.

Gruss, Jimmy

 

Vielen Dank schonmal für deinen Kommentar, @jimmysalaryman ! Ich muss da nochmal was Zeit in den Text stecken, die ich gerade nicht habe. Ich melde mich!

Liebe Grüße,
NGK

 

Liebe NGK,

ich habe keine Kommentare gelesen, bin also jungfräulich an den Text.


„Und wie sitzt er?“, fragte der Mann mit dem Muttermal neben der linken Augenbraue.
Thea fasste mit beiden Händen an die Träger. „Gut.“
„Warten Sie mal.“ Der Mann zuppelte an den Bändern, zog den Bauchgurt straffer. „Bei diesem Modell findet jeder eine passende Einstellung!“
Thea lächelte und nickte.
„Wo wollen Sie denn wandern?“ Der Mann mit den braunen Locken stand nun hinter ihr und wackelte an dem Rucksack.
Thea machte einen Ausfallschritt zur Seite. „Ich geh nicht wandern. Ich brauch den Rucksack für den Alltag.“
Kopfschüttelnd trat er vor sie. „Dann würde ich Ihnen einen anderen empfehlen. Dieser hier ist doch viel zu umständlich für jeden Tag.“
Ich finde den Einstieg als Leser sehr anstrengend. Beim ersten Satz schon. Das Muttermal neben der linken Augenbraue ... hmm. Ich weiß ja noch gar nicht, um was es geht - was sitzt wo? - und muss mich schon um ein Muttermal an der linken Augenbraue kümmern. Da wird meine Aufmerksamkeit auf was sehr Unwichtiges gelenkt, bevor ich überhaupt weiß, um was es geht.
Die Formatierung macht es nicht leichter, weil mir nicht klar wird, wer was in der Situation sagt.
Ach ... nun erst kapiere ich, dass Thea den Rucksack kauft.
Ich dachte, der Kunde fragt Thea, wie der Rucksack sitzt. Thea als Verkäuferin testet den Sitz am Gurt und sagt dann: Gut, (das passt für sie) ... so mein Verständnis.
Erst bei der Aussage: Ich geh nicht wandern ... wird mir klar, dass Thea die Kundin ist.
Beim zweiten und dritten Lesen wird mir alles klar, aber ich wollte dir meinen ersten Eindruck trotzdem mitteilen. Vielleicht kannst du da noch ein wenig im Detail justieren.

Ein weinender, alter Mann kam näher, die Tränen hatten tiefe Furchen in seine Wangen gegraben.
Das Alter oder die Lebensumstände graben tiefe Furchen - aber Tränen? Für mich kein stimmiges Bild.
Schultern und der Rücken schmerzten, obwohl der Hüftgurt stramm saß.
Die Schultern und der Rücken
oder
Schultern und Rücken

Sie streckte die Arme in den Himmel und schrie wieder. Immer schriller wurde der Schrei, so schmerzhaft, dass Thea sich zurückhalten musste, die Ohren nicht zuzuhalten.

Durch "immer" wird eine Abfolge suggestiert, also hat sie mehrfach geschrieen, insofern würde ich "wurden die Schreie" bevorzugen.

Ihr Oberkörper bebte, die blonden Locken flossen über die dunkelblaue Jacke.
flossen passt für mich als Bild nicht, das müssten dann extrem glatte Haare sein. Locken wellen oder winden sich über die Jacke.
Als der Mann bei den nächsten Zuschauern stand, stopfte sie ihn in die Jackentasche.
Stopfte sie den Mann in die Jackentasche? Ich denke doch den Flyer, oder?

Ja. Hmm. Ich interpretiere in die Blase eine Zeit der Trauer, in der man Realitäten nicht mehr richtig wahrnimmt. Mitgenommen hat mich der Text nicht, da hat mir Stringenz gefehlt.
Mehr kann ich dazu für den ersten Eindruck nicht sagen, aber vielleicht kannst du aus meiner Gleichgültigkeit auch was mitnehmen.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo @jimmysalaryman

vielen Dank für deine Gedanken zu meinem Text.

Der Einstieg ist sehr verwirrend.
Ich hab den ganzen ersten Absatz rausgenommen. Irgendwie hat der für die Geschichte überhaupt nichts gebracht und eher vom eigentlichen Thema abgelenkt.
Hier wird ein Geheimnis aufgemacht, aber gleichzeitig entwickelt sich daraus nichts.
Ja, ich wollte ein Geheimnis aufmachen, allerdings eher in dem Sinne, dass es ja für Thea und ihre Welt selbstverständlich ist. Wieso sollte man so etwas erklären? Der Leser bekommt die Informationen dazu erst im Laufe der Geschichte. So der Plan. Ich wollte bei diesem Text ausprobieren, wie viel ich weglassen kann ohne dass es zu anstrengend wird und es trotzdem für den Leser interessant ist.
Regen prasselt. Sand rieselt. Irgendwie kriege ich das nicht mit Laubblättern zusammen. Vielleicht die Wortwahl überdenken.
Die Blätter werden gelenkt, nämlich von den Eltern. Sie zeigen dadurch ihren Unmut. Da finde ich diese Verben eigentlich ganz passend. Bin mir aber generell nicht sicher, ob diese Stelle so gelesen wird wie von mir gedacht.
Die Tränen sind aber nicht zufällig aus Salzsäure? Tränen graben Furchen in Wangen, vielleicht etwas zu krass, oder?
Das ist einer der Punkte, die zum magischen Realismus gehören. Ob das dann tatsächlich so ist oder Thea nur so sieht, das bleibt offen.
Für mich geht das in die Richtung magischer Realismus.
Puhh, zum Glück war das doch etwas erkennbar. Ich glaube, das Problem ist, dass nicht klar wird was dazu gehört und was nicht und die Leser deswegen verwirrt sind. Wie ich das klarer machen soll, weiß ich leider noch nicht.
Mir wird nicht klar, wofür die Blase genau steht. Wodurch wächst sie, wird sie kleiner? Warum kann sie sie einfach zu Hause lassen?
Die Blase ist für mich die Vergegenständlichung der negativen Gefühle, egal ob Trauer, Wut, Neid. Verdrängt man diese, wächst die Blase.
Dass man diese mit sich rumtragen muss, das ist einfach so. Man darf sich nicht weit von ihr entfernen. Da möchte ich aber gar nicht ins Detail gehen.
Die Absätze wirken auch vollkommen separiert voneinander, da baut nichts auf dem anderen auf.
Hmm, eigentlich war schon geplant, dass die Abschnitte aufeinander aufbauen. Die Blase wächst, der Leser erkennt immer mehr was die Blase ist und warum Thea die Probleme mit ihr hat.
So wirken die Abschnitte einfach wie aus dem Himmel gefallen, als ob du deiner eigenen Idee nicht ganz vertrauen würdest.
Ach, Vertrauen. Nee, bei dem Text bin ich mega unsicher. Da hab ich auch noch nie gedacht, dass der gut ist. Ich wollte einfach gerne wissen, was funktioniert, ob das überhaupt funktioniert was ich da vorhabe.
Ich wollte eine Geschichte über die negativen unterdrücken Gefühle schreiben, die sich der Elemente des magischen Realismus bedient. Ich wollte den Leser dabei vor ein Rätsel stellen, so dass sich dem Leser erst am Ende erschließt worum es wirklich geht.
Ich finde es toll, wenn sich Texte beim zweiten Mal ganz anders lesen, weil sich einem dann noch mehr eröffnet. Ich wollte ausprobieren, ob mir das gelingt.

Du willst gleichzeitig einen Grund finden, die Blase dem Leser irgendwie zeigen und dann diese ganze Sache noch auf den Charakter individualisieren - ist etwas viel, und wirkt auf mich unausgegoren und unzusammenhängend.
Ja, der Punkt das Thea auch noch so supersensibel sein soll und die Kleinigkeiten bei ihren Mitmenschen wahrnimmt - das ist zu viel. Besonders im Zusammenhang mit dem magischen Realismus verwirrt das nur. Und @Peeperkorn hat mich auch schon darauf hingewiesen, dass diese Idee auch nicht wirklich ausgearbeitet ist, also auch gar nicht das vermittelt, was sie sollte.

Aber mir ist nicht klar, wie ich die Blase ohne Bezug zu einer Person darstellen soll. Oder wie meinst du das mit dem "auf den Charakter individualisieren"?

Wirklich zufrieden bin ich noch nicht mit dem Text. Hab mir den die letzten Tag öfters angeschaut, hier und da was geändert. Aber am Ende wars immer doof. Bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich den Text anpasse.

Vielen Dank auf jeden Fall für dein Input. Hilft mir einiges einzuordnen.

Liebe Grüße,
NGK

=========


Hallo @bernadette

schön, dich hier zu lesen.

Ich finde den Einstieg als Leser sehr anstrengend.
Ja, da wollte ich zu viel. Der erste Abschnitt ist raus. Der hat eh nichts für die Geschichte getan.

Das Alter oder die Lebensumstände graben tiefe Furchen - aber Tränen?
Ja, tatsächlich die Tränen. Das ist dem magischen Realismus geschuldet, dessen Elemente ich hier verwenden wollte. Ob die se Furchen dann wirklich da sind oder Thea sie so sieht, das bleibt offen.

Ich interpretiere in die Blase eine Zeit der Trauer, in der man Realitäten nicht mehr richtig wahrnimmt. Mitgenommen hat mich der Text nicht, da hat mir Stringenz gefehlt.
Die Blase ist für mich die Vergegenständlichung der negativen Gefühle, egal ob Trauer, Wut, Neid. Verdrängt man diese, wächst die Blase. Aber ich denke, da hat jeder eine andere Interpretation, was ja generell nichts schlechtes ist.
Ich möchte auch, dass da ein gewisser Spielraum bleibt. Ich möchte nicht alles erklären. Trotzdem muss ich es natürlich irgendwie schaffen, dass ich den Leser mitnehme. Da fehlt mir momentan noch das Gefühl für die richtige Dosierung an der richtigen Stelle. Aber das ist genau das, was ich mit dem Text probieren wollte. Wieviel Informationen benötigt der Leser?

Dein Feedback hat mir also auf jeden Fall geholfen! Kleinkram hab ich auch teilweise angepasst.

Vielen Dank und liebe Grüße,
NGK

 

@Nichtgeburtstagskind

Liebe NGK,

da hat sich ja viel verändert, seit ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen habe. Die Szene im Geschäft ist ganz raus und du hast mehr Hinweise auf die Trauer. Ich habe das gerne gelesen. Vielleicht weil diese Geschichte so etwas Freundliches, Hilfreiches ausstrahlt. Und die Idee mit der Blase gefällt mir sehr, weil das sowas Sinnliches hat, bisschen eklig, faszinierend. Und dass diese Blasen so selbstverständlich zu dieser Welt dazu gehören, das Surreale. (Ist das eigentlich gleich, "surreal" und "magischer Realismus"? lt. wiki würde ich eher denken, dass du hier surreal schreibst?)
Ich lese das so, dass Thea die Trauer beim Tod ihrer Eltern nicht zeigen konnte, dass sie glaubte, sie müsse für ihre Schwester da sein. Für ihre eigene Trauer war kein Raum. Jetzt kommt sie da irgendwie nicht mehr heraus. Sie hat die Haltung, dass es peinlich ist, Gefühle zu zeigen, wie der alte Mann auf dem Friedhof und sie ist in ihrer Rolle der Starken gefangen. Aber dahinter steckt vielleicht auch die Angst, von ihren Gefühlen überrollt zu werden, weil sie spürt, wieviel sich da angestaut hat und auch, weil sich da noch ein Ärger auf die Schwester drin versteckt. Diese unterdrückten Gefühle trägt sie in ihrer Blase.
Aber auch andere Menschen haben ihren Schmerz, Gefühle, die sie in Blasen ansammeln, weil sie sich nicht erlauben, sie auszudrücken. Richtig gut gefällt mir der Titel. Seit einigen Jahren hört man das ständig. "alles gut". Und zwar oft gerade mit so einem abwehrenden Charakter. Es passt genau zu deiner Protagonistin.

Thea stellte den schweren Rucksack auf die Bank neben dem Grab. Dann hockte sie sich und klaubte Blätter von der Erde.
hockte sich hin ?
Auf einem Podest neben ihr lag die Blase und schimmerte im Sonnenlicht. Darunter eine digitale Anzeige: 8714 Gramm.
Die Frau riss sich ihre Jacke vom Oberkörper, schmiss sie auf den Boden, trampelte darauf herum. Sie schimpfte, heulte, schrie.
Thea rieb sich über den steifen Nacken und schaute sich um. Ein paar Meter weiter stand ein Paar. Die Frau schien amüsiert zu sein, der Mann angeekelt. „Wie kann man so was in der Öffentlichkeit machen? Sie liegt da ganz nackt und ungeschützt.“
„Wenn's hilft.“ Die Frau zuckte mit den Schultern. „Deine Blase könnte ja auch mal wieder ein paar Gramm weniger vertragen.“
Tolle Stelle. Hier geht es für mich darum, sich zu zeigen. Ich muss auch an MeToo denken, wo sich viele Opfern lange geschämt haben. Coole Idee mit der digitalen Anzeige. Man ist beim Lesen so zwischen Fremdschämen und Respekt für die Frau, denn es scheint ja immerhin zu nützen und der "esoterische Kram" ist durchaus heilsam.
Der Zopf sah traurig aus, ihre Schwester aufgebracht. Am Hals und an der Wange waren rote Flecken.
„Jetzt sag mir, wo die Blase ist!“
Thea legte ihre Hand auf Evis Oberarm. „Alles gut.“
Die Schwester schilderst du sehr gut und konkret, finde ich. In ihrer Weigerung, sich von der Schwester helfen zu lassen, liegt auch schon die Wut, die sie später auf sie hat.
echten Arm zu bewegen, ihn in Richtung ihres Körpers zu ziehen. Nein. Nur die Finger konnte sie noch krümmen und wieder strecken.
Thea hing fest zwischen der hellgrau gestrichenen Wand ihres Wohnzimmers und der Blase.
Sie konnte durch sie hindurch sehen. Die Möbel auf der anderen Seite des Raums waren verschwommen, ein Foto mit lachender Evi unscharf.
Tolle Situation, wie sie da hängt, bewegungsunfähig. Depression, niedergedrückt.

Die Blase war weich und warm. Thea fühlte sich geborgen. Sie schmiegte sich an die Haut, es war, als wäre es ihre eigene.
Schön, wie so ein Kippbild, die Blase ist bedrohlich, belastend und zugleich warm und vertraut. Wie eine ordentliche Neurose halt so ist.
Sie schlug mit der Faust danach, schlug gehen die Wände der Blase.
gegen
Sie hätte gerne geweint. Sie würde immer noch gerne weinen. Machte es hier einen Unterschied? Kurz vor dem Tod, umgeben von ihren ungeweinten Tränen?
Theas Schultern zuckten. Sie schluchzte und Luft drang durch ihren Mund nach draußen, waberte vor ihr durch die Blase. Ihre Leichtigkeit machte Thea wütend.
Mit den "ungeweinten Tränen", das ist mir hier zu erklärend.
Die Blase zerplatzte und spuckte Thea auf die Holzdielen des Wohnzimmers.
Das geht dann doch recht schnell.
Lange blieb Thea dort liegen, fühlte ihren Körper und die Dielen unter sich. Sie starrte an die Decke und stellte erstaunt fest, dass sie lächelte.
Und weil das jetzt so schnell gegangen ist, würde ich es gut finden, wenn sie nicht gleich wieder lächelt. Lass sie doch ruhig noch traurig sein, wo sie es endlich mal darf. Es gibt ja so die Vorstellung von Katharsis und dann ist alle Last weg. Meistens ist es ja nicht so einfach und die Eltern sind nun einmal tot. Ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht das Bedürfnis hat, Evi anzurufen.

Kennst du die Kurzgeschichten von Michael Ende "Der Spiegel im Spiegel"? Sie sind sehr düster und surreal. Vielleicht auch inspirierend, wenn du dich hier weiter versuchen willst. Ist aber lange her, dass ich sie gelesen habe, ich bin mir nicht sicher.

Liebe NGK, spannend, was du ausprobierst.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Chutney

wie schön, dass du noch vorbeischaust.

da hat sich ja viel verändert, seit ich die Geschichte zum ersten Mal gelesen habe. Die Szene im Geschäft ist ganz raus und du hast mehr Hinweise auf die Trauer.
Ich sitze ja eigentlich gerade an einer kompletten Überarbeitung. Keine Ahnung, ob die besser wird … Bei der Einstiegsszene hab ich mich irgendwann selbst gefragt, was die da noch macht.

Ich habe das gerne gelesen. Vielleicht weil diese Geschichte so etwas Freundliches, Hilfreiches ausstrahlt. Und die Idee mit der Blase gefällt mir sehr, weil das sowas Sinnliches hat, bisschen eklig, faszinierend.
Das freut mich sehr. :) Und verunsichert mich auch. Wie viel sollte ich da ändern, um den Text besser zu machen? So richtig zufrieden bin ich noch nicht. Aber irgendwie ist das auch ein ganz anderer Text, als das was ich sonst schreibe. Schwierig für mich einzuschätzen.

Ist das eigentlich gleich, "surreal" und "magischer Realismus"?
Ich bin da kein Experte, aber ich würde sagen, dass das nicht das gleiche ist. Während surreal für mich auch etwas unheimliches hat, trägt der magische Realismus das Innenleben der Protagonisten nach außen.
Kennst du die Serie „Jane the Virgin“? Ich bin ein großer Fan und hatte Lust auch solche Elemente in einer Geschichte einfließen zu lassen. Aber ich hab mich da glaube ich etwas verzettelt, da die Blase ja etwas reales ist.

Ich lese das so, dass Thea die Trauer beim Tod ihrer Eltern nicht zeigen konnte, dass sie glaubte, sie müsse für ihre Schwester da sein. Für ihre eigene Trauer war kein Raum.
Ja, das passt schon gut. Für mich ist Thea generell ein Mensch, der negative Gefühle ablehnt, diese einfach nicht zulässt.

Seit einigen Jahren hört man das ständig. "alles gut". Und zwar oft gerade mit so einem abwehrenden Charakter. Es passt genau zu deiner Protagonistin.
Super, dass du so liest. Das ist für mich dieser Kern der Geschichte. Toxic Positivity nennt sich das. Manche Menschen geben einem das Gefühl man dürfte nie traurig sein, nie schlechte Laune haben. Anderen Menschen geht es schließlich noch schlechter. Wenn es danach ginge, dürfte sich wohl kaum jemand in Mitteleuropa je beschweren. Aber wie heißt es so schön: Ohne Schatten kein Licht. Und ohne die negativen Gefühle auch keine Positiven.

hockte sich hin ?
Ich gebe auf. :D Du bist nicht die erste, die das anmerkt. Ich war irgendwie der Meinung, dass es auch ohne geht, aber da war ich wohl auf dem Holzweg.

Tolle Stelle. Hier geht es für mich darum, sich zu zeigen. Ich muss auch an MeToo denken, wo sich viele Opfern lange geschämt haben. Coole Idee mit der digitalen Anzeige. Man ist beim Lesen so zwischen Fremdschämen und Respekt für die Frau, denn es scheint ja immerhin zu nützen und der "esoterische Kram" ist durchaus heilsam.
Auch das freut mich sehr, da die Stelle ja nicht nur gut ankam. Diese öffentliche Zurschaustellung seiner Gefühle ist bestimmt nicht für jeden der richtige Weg, aber sie zeigt auf jeden Fall, dass damit viele Menschen Probleme haben und dass es Wege gibt sie zu lösen.

Mit den "ungeweinten Tränen", das ist mir hier zu erklärend.
Das geht dann doch recht schnell.

Hier hab ich noch keinen guten Weg gefunden. Ich stimme dir und anderen Kommentatoren zu. Da muss noch etwas mehr her an dieser Stelle. Aber da Thea ja fast bewegungsunfähig ist, kann sie ja kaum mehr machen, als zu denken. Und dann komm ich eben ins erklären … Vielleicht könnte ich hier eher mit Rückblenden arbeiten.

Ich war mir einfach super unsicher, ob man überhaupt versteht, was ich meine, aber da kann ich wohl doch etwas mutiger werden.

Und weil das jetzt so schnell gegangen ist, würde ich es gut finden, wenn sie nicht gleich wieder lächelt. Lass sie doch ruhig noch traurig sein, wo sie es endlich mal darf.
Ich hatte gedacht, dass sie ja bereits in der Blase alles rauslässt und rausschreit und dadurch ja erst befreit wird. Und nach Schatten gibt es dann eben Licht. Aber wahrscheinlich müsste ich die Szene einfach etwas verlängern, um das am Ende glaubwürdig zu machen.

Ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht das Bedürfnis hat, Evi anzurufen.
Das finde ich eine schöne Idee. :shy:

Kennst du die Kurzgeschichten von Michael Ende "Der Spiegel im Spiegel"? Sie sind sehr düster und surreal. Vielleicht auch inspirierend, wenn du dich hier weiter versuchen willst.
Hört sich interessant an! Danke für den Tipp. :)

Vielen Dank für deine Gedanken, Chutney. Die werden mir bei der Überarbeitung sicher helfen.

Liebe Grüße,
NGK

 

Endlich bin ich dazu gekommen, diesen Text zu überarbeiten. Er hat sich ziemlich verändert.

Vielleicht hat ja nochmal jemand Lust ihn zu lesen. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Nichtgeburtstagskind ,

die Story habe ich zum ersten Mal gelesen, Kommentare habe ich mir jetzt erst mal nicht angesehen (um mich nicht beeinflussen zu lassen); also einfach ein Leseeindruck. Hier die mir wichtigsten Punkte halbwegs ungeordnet, dafür in Reihenfolge :D

1. Das wirkt auf mich gut und mühevoll geschrieben.

2. Für mich ist die Handlung unvollständig bzw. die Wandlung. Ich erkenne sozusagen diesen Traum (ich lese das so) der diese Art Auflösung des Konfliktes bzw. die Entfesselung des Schmerzes und die beginnende Heilung auslösen soll, nicht als valide an, weil es in meiner Lesart keinen Grund hin zu dieser Entwicklung gibt bzw. ich die Gründe nicht sehe. Es könnte sein, dass du den Abschluss eines emotionalen Prozesses, eines Trauerns hin zum Übertritt in eine nächste Phase schilderst. Wodurch dieser Übertritt (der sich für mich in dem Traum manifestiert) augelöst wird, ist mir aber unklar. Denn der Traum ist nicht der Auslöser, sondern die Folge eines auslösenden Momentes.

3. Spannend finde ich, was man sich alles als Übersetzung für diese "Blase" überlegen kann. So sollte es sein, finde ich, bei solchen symbolischen, gleichnishaften Elementen. Man projiziert das Eigene darauf. Gut gemacht.

4. Vieles ist für mich ziemlich abstrakt und vage formuliert. Das finde ich weder schlecht noch gut, dass ist bei so offenen Texte, denke ich, einfach der Fall. Ähnlich ging es mir bei Noli me tangere von Linktoflink. Unterm Strich ist es halt einfach etwas schwieriger zu lesen; dafür ist man selber mehr am arbeiten, was ja durchaus etwas Gutes ist.

So viel oder wenig erstmal.
Lieben Gruß
Carlo

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind,

ich würde sagen, dass ich sprachlos bin, aber ich kann noch schreiben. :) Der Einstieg beginnt schon spannend. Die Protagonistin ist in ihrer Wohnung von einer Blase eingeklemmt, die ständig wächst. Sie scheint es gelassen zu nehmen und ich wundere mich, warum es ihr nichts ausmacht, dass sie bald sterben wird.

Das hier:

„Versprich mir, dass du dir helfen lässt. Von alleine wird die Blase nie kleiner.“
ist bedeutungsschwer und hilft mir, das Rätsel zu lösen. Die Blase ist ihre Traurigkeit. Die Trauer, die Tränen, die sich über den Tod ihrer Eltern anstauen. Sie gibt sich nach außen, als wäre alles in Ordnung, aber das ist es nicht.

Die Frau in der Blase könnte sie selbst oder ihre Mutter sein - das würde bedeuten, dass sie sich selbst Schuld am Tod ihrer Eltern gibt, doch darauf gibt es sonst keine Hinweise, also ist sie es selbst. Durch die Selbsterkenntnis lösen sich die Tränen und sie rettet sich selbst vor dem Tod, anstatt an ihrer Trauer zu ersticken. Aus eigenem Antrieb.

Wunderbare Geschichte, spannend, bedeutungsvoll und mit einer dezenten Lehre. Hat mir bestens gefallen.

Viele Grüße
Jellyfish

 

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