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Alexanderplatz
Über diverse Leichen, die wie Konfetti auf dem Boden verstreut liegen, steigen wir hinweg. Leben, die so verschieden aussahen, sich hassten, sich liebten, sich verabscheuten, verehrten oder auch alles auf einmal. Nun liegen sie hier, alle vermischt. Und letztendlich alle gleich.
Wir gehen langsam aufeinander zu. Wie in Trance, schockiert von den Dingen, die wir gerade mit angesehen haben. Zwischen uns sind nur noch die blutüberströmten Straßenbahnschienen, schon strecken wir die Arme nacheinander aus.
Was wir hier tun, ist leichtfertig. Wer weiß, wie viele Menschen mit Schusswaffen sich noch hinter den Ecken verstecken. Doch wir können nicht anders. Wenn wir jetzt sterben, ist es auch egal. Aber lieber liegen wir uns in den Armen. Ein schützender Ort auf dem Schlachtfeld.
Die Zeit steht still. Niemand weiß, was in so einem Moment zu tun ist. Wie kann es weitergehen? Nur abwarten.
Der nächste Morgen bricht an. Pendler, Touristen, Kinder, Arbeiter strömen über den Platz. Manche würgen, erbrechen, schreien. Doch Zeit, innezuhalten, gibt es nicht.
Schon jetzt ist alles vergessen. Nur wir stehen noch hier. Arm in Arm, nicht mehr, als ein unbeachtetes Denkmal. Wir werden nie vergessen.