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Aldi forever!

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21.10.2003
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Aldi forever!

Meine Pose war die einer Siegerin. Mit erhobenem Kinn und stolz geschwellter Brust stand ich an der Kasse meines Lieblingsdiscounters und hatte es tatsächlich geschafft. Ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich beobachtete, wie meine klitzekleinen süßen Filzpantöffelchen für je 2.95 € das Paar, zwischen sechs Litern Milch und der 20er Vorratspackung Klopapier „extra weich“ dreilagig, langsam über das Band liefen. Ich verfolgte ihren Lauf und mein Blick war der einer Mutter, die gerade ihre einzige Tochter zum ersten Schultag entließ. Es war ein langer und beschwerlicher Weg bis hier hin gewesen, weiß Gott. Es hatte Verwundete gegeben, Verletzte, die unverrichteter Dinge wieder gehen mussten und Angefangenes nicht vollenden konnten. Menschen, die nach all den Strapazen, Mühen und Entbehrungen leer ausgegangen waren. Wie schrecklich! Ich gedachte eine kurze Minute all jener Opfer und bat um Vergebung meiner Sünden.
Aber man durfte nicht vergessen, wir waren schließlich im Krieg. Und im Krieg gab es keine Regel, außer der, zu überleben und stärker zu sein als der Gegner. Und ich war eine der Stärksten, das hatte ich bewiesen.
Plötzlich sah ich, wie die Hand der Frau hinter mir in der Schlange unauffällig, leicht tastend nach vorne griff und es sah fast so aus……Blitzschnell ließ ich die Trennstange für den nächsten Kunden auf das Band herunterschnellen. Es war noch nicht vorbei! Das wusste ich jetzt. Unsere Blicke trafen sich kurz und ich erkannte deutlich die lodernde Habgier des Feindes in ihren Augen.

Dies alles passierte an einem Mittwoch. Es hätte auch ein Freitag sein können, aber auf gar keinen Fall ein anderer Tag. Die ganze letzte Woche hatte ich in freudiger, aber auch nervöser Anspannung diesen Moment herbeigesehnt. Ich ging nicht unvorbereitet in diese Schlacht, nein, diesen Fehler machten nur Anfänger und Anfänger, das waren wir alle nicht.
Mit zusammengekniffenen Augen, zwei gefährlichen, ein Millimeter geöffneten Schlitzen, sondierte ich die Lage vor dem Geschäft. Die große Blonde mit der roten Goretexjacke und dem buschigen Pferdeschwanz war eine harte Nuss. Vorsicht also! Und die da, mit der grünen Bluse und den ausgebeulten Hosenbeinen, war das nicht die Metzgerin von nebenan mit dem besonderen Prädikat „Hauseigene Schlachtung“? Sie war´s. Die tellergroßen Hände und der muskelgestärkte Stiernacken verrieten Herkunft wie Gesinnung.
Ich atmete noch einmal tief durch und versuchte, die aufsteigende Panik in mir zu unterdrücken. Heute würde es nicht leicht werden. Nervös schloss ich fest die Hände um den Griff meines Einkaufswagens – eine Geste, die mich etwas beruhigte. Ich wusste, ich war nicht allein. Nur die absoluten Neulinge in dieser Branche stellten kurz vor dem Startschuss fest, dass sie ihr Märkchen für den Einkaufswagen, den Freund aller Hausfrauen, vergessen und noch nicht einmal einen Euro parat hatten. Ich lächelte mitleidig. Regel Nummer eins: Man konnte so eine Schlacht unmöglich ohne einen starken Partner gewinnen.
Was war das?! Was passierte denn gerade da vorne?! Die Türen öffneten sich, meine Güte, es war doch erst fünf vor neun. Gerade eben hatte ich noch einen Zeitvergleich mittels telefonischer Zeitansage vorgenommen. Verdammt! Mein ursprünglicher Plan hatte doch vorgesehen, durch rhythmisches Schieben des Wagens in die Hacken der Metzgerin, einen weiteren Platz in der Schlange der Wartenden gut zu machen.
Egal, ich war flexibel - einer meiner herausragensten Eigenschaften - es würde auch so gehen. Was jetzt folgen musste war Plan B.
Ich überhörte das schmerzvolle Aufheulen unter mir und kümmerte mich nicht weiter um die zusätzlichen Kilos, die nun das Schieben meines Wagens etwas beschwerlicher machten. Man würde den überflüssigen Ballast später noch entsorgen können.
Klar hatte ich mein Ziel vor Augen. Mit einem schnellen Hüftschwung passierte ich das Drehkreuz, vorbei an Kaffee, leckeren Kuchenkompositionen, Zartbitterschokolade – ich würde mich jetzt nicht verführen lassen – dann eine leichte rechts-links Schikane weiter geradeaus und…… Vollgas. Das ganze letzte Wochenende war ich mit meinem Mann die gesamte Strecke durchgegangen, jeder Winkel, jede Kurve war mir vertraut.
Mist! Die Goretexjacke fuhr Ideallinie und hängte mich in der 75 Grad starken, linkslastigen Schmalkurve geschickt ab. Das vorbeiziehende höhnische Lachen erzeugte Adrenalin in meinen Adern. Ich gab der graubestrumpften Rentnerin, die immer noch mit ihrem Flanellrock an meinem Einkaufswagen hing und deren Gratisfahrt jetzt vorbei war, einen Tritt und schmetterte eine höfliche Entschuldigung hinterher. Soviel Zeit musste sein. Ich war schließlich kein Unmensch, aber ich benötigte nun meine gesamten Kapazitäten.
Man stelle sich das vor:
Kuschelige, mit echtem Lammfell gefütterte Filzpantöffelchen für Kinder, in drei verschiedenen Farben und das alles nur für 2,95 €. Ich wusste wofür ich kämpfte!
Vor vielen Monaten hatte ich ein ähnliches Modell in einem Beilagenblättchen von Lidl für 3,50 € gesehen - auch schon mal für 3,25 €. im Sommerschlussverkauf - aber noch niemals für 2,95 €!!!

Ich hatte das Ziel im Visier. Nur wenige Auserwählte hatten es bis hier hin geschafft und ich war eine davon. Mit einem gezielten Stoß beförderte ich meinen metallgeflochtenen Kameraden auf Rollen gegen die Obstpalette und ein Netz saftiger Sonnenorangen fiel in den Wagen. Perfekt!
Während ich mit großen Schritten Anlauf nahm, um mit meinem über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Weit-Hoch-Hechtsprung die Menge zu überflügeln, erreichte meine geübte Hand noch das Acht-Düsen-Dampfbügeleisen für 15.95 € und ließ es mit einem gelungenen Wurf an der Dauerwelle einer Favoritin abbremsend in den Wagen gleiten. Lautlos sank sie zu Boden.
Mit meiner eigenen Landung blieb ich weit hinter meinen Bestnoten zurück. Ich war einfach zu sehr Profi, um das übersehen zu können. Die Metzgerin drückte sich vor mich und auch der Pferdeschwanz schaffte es, sich einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Sofort setzte ich meinen Hand-Dreh-Beuge-Griff ein, den mein Mann, ein erfahrener Heilsarmeesoldat, mir in qualvollen Stunden bis zur Perfektion beigebracht hatte.
Verfluchter Mist! Die Metzgerin mit den Tellerhänden kannte den Gegengriff. Sofort verschwand mein Kopf unter ihrer fleischigen Achsel. Himmel, Herrgott, die Luft in diesem Laden war auch schon mal besser gewesen.
Ich versuchte über meine Brille hinweg meine Kurzsichtigkeit auszunutzen und die Schuhgrößen der Pantoffeln, die nun direkt vor meiner Nase lagen, zu erkennen. Gleichzeitig probierte ich durch Verlagerung meines kompletten Gewichtes auf den Plattfuß der Metzgerin, meine begrenzte Luftzufuhr zu vergrößern.
Verflucht jetzt könnte ich das Bügeleisen gebrauchen – und am Besten noch Strom für die Dampfdüsen.
Ganz unverhofft fand ich plötzlich den Grund meiner schlaflosen Nächte inmitten des Gewühls. Sie lagen direkt vor mir, fast konnte ich sie berühren. Größe 29 und dann auch noch in zartem Rosa mit Blümchendesign. Es schien mir fast immer noch wie in einem Traum und ich konnte mein Glück kaum fassen. Sofort erfasste mein geübter Spürsinn fünf sorgfältig gefeilte „French“ lackierte Fingernägel, die sich in Richtung MEINER Filzpantöffelchen gruben. Nun galt es meine gesamten Kräfte zu mobilisieren, letzte Energiereserven frei zu setzten und alles zu geben.
Nach einem beherzten Schrei biss ich in das saftige Schweinepfötchen der Metzgerin, die daraufhin noch um einiges lauter schrie, griff die rosa Pantöffelchen in 29, täuschte die Flucht nach rechts vor, legte einen knackigen Bodycheck mit der Goretexjacke hin, die daraufhin den Weg kampflos freigab, wurde durch meinen Erfolg ermutigt auch noch nach den rotgemusterten Ersatzpantoffeln zu greifen, bemerkte, dass es sich um Größe 30 handelte, entschied mich kurz entschlossen sie für das nächste Jahr mitzunehmen, presste beide Paar Schuhe an mich und taumelte schließlich vor Freude strahlend zu meinem treuen Einkaufswagen zurück, der tapfer die Stellung gehalten hatte.
Welch ein Tag, welch ein Triumph!!

Während ich erschöpft, aber überglücklich, die Einkäufe in mein Auto sortierte, fiel mein Blick auf die Beilage, welche die Angebote der kommenden Woche ankündigte.
Flanell weiche Frotteeschlafanzüge für nur 9,95 €!!! Erstaunt riss ich die Augen auf und ein glückliches Lächeln überzog mein Gesicht.
Freunde, ich komme wieder. Schon bald!


Ich wünsche Euch noch einen schönen Einkauf. Wir sehen uns am Freitag im Aldi!
Bis dann

Sandra

 

Hallo Sandra,

da hast du ja eine tolle Leistung hingelegt, der super Hechtsprung und den Stiernacken zu besiegen!

Am Anfang hast du schon die Filzpantoffeln, und dann eroberst du sie erst, das hat mich etwas verwirrt.

Bei uns gibt es aber immer die Angebote am Mittwoch. Hoffentlich hast du richtig recherchiert.

Vielleicht bekommst du mal ein Einkauf von Aldi gratis, bei der Werbung!

Herzliche Grüße! Marion

 

Vielen lieben Dank für Deine Anmerkungen, Marion.
Der erste Absatz steht für einen kleinen Rückblick.
Ich stehe an der Kasse und erinnere mich mit den Worten: dies alles passierte an einem Dienstag ...... an gerade Geschehenes.

Bei uns gab es die Angebote früher auch Mittwochs und anfangs hatte ich es auch so geschrieben, aber es gab wohl eine Änderung, was das angeht, auf die mich mehrere begeisterte Aldieinkäufer aufmerksam machten. Also denke ich, dass es so korrekt ist.
Die Sache mit dem Gratiseinkauf finde ich übrigens eine wirklich gute Idee.
Dir noch einen schönen Tag und nochmals vielen Dank für Deine Zeilen

Sandra

 

Hi Sandy,

Witzige Geschichte, die Du da geschrieben hast. Besonders die Stelle mit dem ungleichen Kampf gegen die Metzgersfrau um die Filzpantoffeln :D

oder die war auch nicht schlecht:

Plötzlich sah ich, wie die Hand der Frau hinter mir in der Schlange unauffällig, leicht tastend nach vorne griff und es sah fast so aus……Blitzschnell ließ ich die Trennstange für den nächsten Kunden auf das Band herunterschnellen. Es war noch nicht vorbei! Das wusste ich jetzt. Unsere Blicke trafen sich kurz und ich erkannte deutlich die lodernde Habgier des Feindes in ihren Augen.

Zum Glück lebe ich in einem kleinen Idyll, wo mir solches "rugbyeske" Einkaufsverhalten vollkommen fremd ist.
Weiter so!

mfg stille Feder

 

Vielen Dank stille Feder,
ich freue mich natürlich sehr über Deine Mitteilung. Es gibt, glaube ich, nichts Schlimmeres, als der Versuch komisch zu sein und es nicht geschafft zu haben.
Und ein wenig Lachen tut doch immer gut!

Dir auch noch einen schönen Tag
Gruß

Sandra

 

Hi Sandy,

klasse Geschichte die du da geschrieben hast,lässt sich flüssig lesen und ist ziemlich witzig. An einigen Stellen musste ich schon ziemlich grinsen!

Verflucht jetzt könnte ich das Bügeleisen gebrauchen – und am Besten noch Strom für die Dampfdüsen.

Meine absolute Lieblingszeile :D

Aber eine Frage: gehts im Aldi echt so ab...?
Ich kaufe immer im Plus ein und da gehts ziemlich friedlich zu!

MFG Odin ;)

 

Moin Sandy,

Tut mir leid, aber ich kann mich meinen Vorrednern nicht ganz anschließen. Klar, an manchen Stellen hat mich die Geschichte schon amüsiert, weil du ein paar originelle Ideen eingebaut hast (Ideallinie am Wochenende einstudieren), aber das Thema an sich ist für meinen Geschmack einfach ausgelutscht.
Es gibt hunderte Geschichten, die sich mit Aldi auseinandersetzen - lahme Kassierer, rücksichtslose Furien am Mittwochmorgen, schreiende Kinder in der Schlange an der Kasse etc... alles einfach schon so oft dagewesen, daß mich die Thematik langweilt. Mag sein, daß ich dir Unrecht tue (und wie gesagt, stilistisch ist deine Geschichte gut geschrieben und inhaltlich auch alles andere als langweilig), aber das gewählte Thema spricht mich einfach nicht an.
An einigen Stellen hast du mit den für eine Humorgeschichte üblichen Übertreibungen mMn aber auch ein wenig zu sehr übertrieben und driften schon fast ins Alberne ab. Die mitgeschleifte Rentnerin oder auch der doppelt eingeschwungene Dreifachsalto über die staunende Menge hinweg zB ist für mich schon zu viel übertrieben, da deine Geschichte ansonsten eher reale Ereignisse schildert, also nicht abgehoben ist.

Dies alles passierte an einem Mittwoch. Es hätte auch ein Freitag sein können, aber auf gar keinen Fall ein anderer Tag.
Hier wurde mir der Beginn der Rückblende nicht ganz klar. Vorschlag: "Das alles begann schon am Morgen dieses Mittwochs" oder so in der Art. Irgendein zeitlicher Rückschritt sollte in diesem Satz stecken.

Das ganze letzte Wochenende war ich mit meinem Mann die gesamte Strecke durchgegangen, jeder Winkel, jede Kurve war mir vertraut.
Diese Stelle hat mir hingegen sehr gut gefallen.

Nur wenige Auserwählte hatten es bis hier hin geschafft und ich war eine davon.
Warum das? Deine Formulierung liest sich so, als würden wirklich nur wenige den Angebotsstand erreichen. Was passiert mit den anderen? Verhungern die unterwegs?

Insgesamt eine ganz gut geschriebene Geschichte, die mich aufgrund ihrer Thematik aber leider nicht vom Hocker gehauen hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo gnoebel,
ich schreibe schon lange Kurzgeschichten, ohne mich auf ein Genre festzulegen und ich habe bei dem Thema "Humor" immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man über nichts so sehr diskutieren kann, als darüber was lustig ist. Man kann zehn schlechte Kritiken bekommen und einer lacht sich halb tot über Geschriebenes und umgekehrt genau so. Ich kann nicht alle Geschmäcker treffen, drum sei mir nicht böse, aber ich lasse die Geschichte so wie sie ist.

Trotz allem, vielen Dank für Deinen Kommentar.

Gruß Sandy

 

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