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Abendrot

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21.12.2015
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Abendrot

Das Telefon zeigt eine unbekannte Nummer, und das gefällt mir gar nicht. Schließlich bin ich ein gebranntes Kind. Telefonbelästigung. Keine schöne Sache, wenn man allein wohnt. Doch ich kann dem Klingelton nur selten widerstehen. Dazu bin ich viel zu neugierig. Wenn es wieder so ein ekelhafter Keucher ist, lege ich einfach auf.
Also nehme ich den Anruf an. Aber nur, weil es Montag ist, um zehn Uhr morgens, nach einem öden Wochenende, dessen Höhepunkt darin bestand, dass alle halbe Stunde die Halloween-Kinder klingelten, um "Süßes oder Saures“ zu verlangen.
"Guten Morgen“, sagt eine Männerstimme, "entschuldigen Sie bitte, aber spreche ich mit Christel Eberle? Ich bin Horst Gabler."
"Christel Eberle? Ja, so hieß ich früher mal. Aber wieso ... Horst, sagen Sie, Horst, bist du's?"
"Na, du hast ja schnell geschaltet. Bist immer noch fix und bestimmt fit wie ein Turnschuh."
Der Anruf reißt mich zurück in die Vergangenheit.
Horst, mein Studentenfreund aus dem ersten Semester. Ich hatte ihn mal gefragt, wie er auf mich aufmerksam geworden sei.
"Hübsche Beine. Ich saß hinter dir im Seminar. Du hattest sie immer um die Stuhlbeine geschlungen. Sah richtig sexy aus."
Wir hatten eine unbeschwerte Zeit zusammen, mit vielen Kneipenbesuchen und harmloser Knutscherei. Kurz bevor ich nach Westberlin abdampfte, erfuhr ich, dass er auch noch bei anderen Mädels auf der Pirsch war. Horst also, der Mehrspurige.
"Sag mal, hättest du nicht Lust zu einem Treffen? Wir könnten einen Stadtbummel machen und über alte Zeiten reden. Ich mache gerade eine Erinnerungstour ..."
"Allein? Hast du keine Familie?"
"Doch, zwei Töchter und ein Enkelkind ... Aber ... Meine Frau ist vor drei Monaten gestorben. Nächstes Jahr wollten wir Goldene Hochzeit feiern."
"Oh je, das ist hart … ich weiß, wovon du redest. Wo wohnst du eigentlich?"
"In Rottweil. Aber lass uns das in Ruhe besprechen. Wenn du mir deine E-Mail-Adresse gibst, kriegst du alles erzählt. Du hast doch eine? Jetzt muss ich packen. Ich fahre mit einer Freundin für eine Woche nach Schottland, da habe ich drei Jahre lang als Dozent gelebt."
"Wie du willst. Meine ist ganz leicht zu merken: Christel Punkt Eberle, Klammeraffe, web Punkt de. Da bin ich ja gespannt ..."
Das ist's fürs Erste. Ich wüsste zu gerne, wie er mich aufgespürt hat.

Beim Kaffeetrinken am Nachmittag erzähle ich meiner Schwester von Horst. Wir wohnen im gleichen Viertel, nur wenige Straßen auseinander. Seit sieben Jahren lebe ich jetzt allein in unserem Dreifamilienhaus. Seit Egons Tod. Oben ist alles vermietet. Ich wohne in der Fünfzimmerwohnung im Parterre. Ich könnte hier an eine Studentin vermieten , aber das will ich nicht, auch wenn die Stadtverwaltung immer wieder an uns ältere, alleinstehende Mitbürger appelliert.
"Ist ja nicht schlecht, wenn du mal wieder neue Leute triffst, auch wenn's eigentlich die alten sind. Wird bestimmt lustig. Will er hier Urlaub machen? Kannst ihn gerne zum Kaffee bei mir mitbringen."
Meine Schwester ist mindestens so neugierig wie ich.
"Ich weiß noch gar nichts Genaues. Jetzt ist er erst einmal eine Woche in Schottland, mit einer Freundin."
Meine Schwester zieht die Augenbrauen hoch, sie verkneift sich eine Bemerkung. Ich weiß aber, was sie gerne sagen würde.

Nach vierzehn Tagen beginnt ein lebhafter E-Mail-Verkehr. Das Wiedersehen verschieben wir aufs Frühjahr, wenn der Flieder wieder blüht, wie Horst, der alte Charmeur, scherzhaft formuliert. Er will ganz viel wissen aus meinem Leben, wie früher. Ich krame in alten Fotoalben, schüttle den Kopf über unsere damaligen langen Mähnen, meine riesengroße Brille und die Miniröcke. Bin das wirklich ich mit der Stoffwindel als Kopfschmuck und dem bodenlangen, geblümten Folklore-Kleid? Ach, das war natürlich ein paar Jährchen später, so um die Siebziger herum, als auch an unserer Uni etwas verspätet die Achtundsechziger auftauchten.
Einmal schickt Horst eine Liste zum Ankreuzen, da geht es um Fragen wie Musikgeschmack, Lieblingsgerichte und Lesegewohnheiten und, fett gedruckt, um Reiseziele. Über Geld oder anderes Hab und Gut will er von mir nichts wissen. Da erwähnt er nur, dass er nach seiner Pensionierung in seinem Haus wohne. Es sei viel zu groß für ihn allein. Wahrscheinlich werde er es seinen Töchtern und dem halbwüchsigen Enkel überlassen. Die könnten dann das Grundstück besser pflegen und er habe mehr Zeit für seine Reisen.
"Du reist auch gern, oder? Ich habe ein Häuschen am Lago Maggiore. Nichts Besonderes, aber mit wunderbarem Blick auf den See. Am schönsten ist es dort, wenn die Kamelien blühen. Ach Christel, das ist ein Plätzchen, wo man vergisst, dass man alt ist. Ich freue mich so auf das Treffen im Frühjahr. Kannst du mir mal ein neueres Foto schicken? Ein älteres von dir habe ich gegoogelt. Unverkennbar Christel! Du warst da zu einer Lehrerfortbildung auf der Comburg."

'Altwerden ist nichts für Feiglinge'. Das Buch steht in meinem Bücherschrank, meine Schwester hat es mir neulich geschenkt. Ganz ehrlich, ich habe es noch nicht gelesen. Ich weiß auch so, wie es sich anfühlt. Mir geht es ja gesundheitlich ganz gut, aber meine Schwester sitzt teilweise im Rollstuhl, und ich bewundere sie dafür, wie sie ihren Alltag meistert, sich im Behindertenrat engagiert und sogar noch Auto fährt, obwohl sie zwei Jahre älter ist als ich.
"Du könntest wirklich mehr unter die Leute gehen, es gibt genügend Angebote", sagt sie und ärgert sich, wenn ich ihre Einladung zu einer Vernissage oder einem Theaterbesuch ablehne. Wir wohnen im selben Viertel, nur ein paar Straßen auseinander. Über meinen E-Mail-Kontakt mit Horst amüsiert sie sich.
"Pass auf", sagt sie, ganz große Schwester, "der sucht 'ne neue Frau. Aber dein Horst wird nicht aus Rottweil wegziehen, da geh ich jede Wette ein. Da hat er schließlich seine Kinder."
"Er ist nicht mein Horst. Du spinnst, wie kommst du denn auf so eine Idee? Klar, es ist schon ein wenig verrückt, was der alles wissen will. Aber der Mann ist halt ein wenig sentimental. Vor allem möchte er sich neu sortieren, glaube ich. Das kann ich verstehen. Am Geld scheint es nicht zu scheitern." Schon aus Prinzip muss ich ihr widersprechen.
Aber jetzt hat mir meine Schwester einen Floh ins Ohr gesetzt. Wollte ich wirklich noch einmal eine Bindung eingehen? Horst hat ebenso wie ich eine langjährige Ehe geführt, in guten wie in schlechten Tagen, ganz altmodisch. Er erzählt offenherzig davon. Er scheint ein Familienmensch zu sein. Aber Bilder schickt er nicht und ich trau mich nicht, danach zu fragen. Es gibt nur ein Foto aus Studentenzeiten von ihm, darauf ist ein schlaksiger Junge mit abstehenden Ohren und spitzbübischem Grinsen zu sehen. Ich kann mich an kräftig zupackende Hände erinnern und an überraschende Küsse in der Mensa. Keine Ahnung, wie er heute aussieht. Im Internet finde ich zwar einen Bericht über seine Pensionierung am Gymnasium, aber kein Foto.

Was wäre, wenn … Das Grübeln darüber beschert mir schlaflose Nächte. Ein enges Zusammenleben, womöglich Sex, alles jagt mir Schauer über den Rücken. Ich lebe nun schon so lange allein.
Andererseits ... Oh Gott, hört das denn niemals auf, die Sehnsucht nach Körperkontakt, nach Zärtlichkeit? In meinem Leben fehlen Kinder und Enkel, und Haustiere habe ich wegen meiner Tierhaarallergie auch nicht. Ich selber finde mich im Umgang mit Fremden ziemlich spröde, manchmal abweisend. Und trotzdem lasse ich zu, dass das Bild von einer neuen Partnerschaft immer schärfere Konturen gewinnt. Tagträume. Vor dem Spiegel inspiziere ich mich von oben bis unten. Ob er meine Beine immer noch sexy finden würde? Krampfadern habe ich jedenfalls keine. Miniröcke hängen allerdings keine mehr im Kleiderschrank, der dringend eine Generalüberholung nötig hat, besonders wegen der Unterwäsche. Was Seidiges wäre natürlich hübscher. Ich seufze. Klar ist mir jedenfalls, dass sich festes Fleisch mit glatter Haut genussvoller streicheln lässt.
Ich fange an, den Umzug nach Rottweil zu planen. Meine Schwester macht sich Sorgen um mich. Sie nennt mich abwechselnd naiv und verrückt.

Am sechsten Januar finde ich einen Brief von Horst im Briefkasten.
"Das Internet ist mir abhanden gekommen, deshalb bemühe ich wieder einmal die Briefpost", schreibt er, "bitte entschuldige, dass ich eine Weile nichts von mir hören ließ. Ich möchte dich immer noch im Frühjahr besuchen. Allerdings werde ich nicht alleine kommen. Ich habe mich nämlich verlobt, mit der Freundin, die mich nach Schottland begleitet hat, du erinnerst dich sicher. Meine Töchter sind ganz aus dem Häuschen, sie finden, dass ich ihnen eine große Sorge abgenommen habe. Alleinleben ist nichts für mich, das weiß ich nun. Zuletzt bin ich wohl allen ein wenig auf die Nerven gegangen mit meinen ständigen Besuchen. Stell dir vor, ich habe sogar eine frühere Schülerin gefragt, ob sie mich heiraten will! Aber jetzt ist alles gut.
Es bleibt hoffentlich bei unserem Treffen im Frühjahr? Meine Verlobte und ich könnten den Besuch in unsere Reise an den Lago einbauen.
Herzlichst Horst mit Andrea, die dich wahnsinnig gerne kennenlernen möchte."

Ich weiß noch nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Oder mich schämen. Habe ich mich verrannt, weil der Wunsch nach einem Neuanfang übermächtig wurde? Horst hat ja keinerlei Andeutungen gemacht. Zum Glück verzichtet meine Schwester auf Kommentare wie "Ich hab’s ja gleich gesagt" und lässt mich meine Enttäuschung in Ruhe verarbeiten.
Der Brief liegt auf dem Nachttisch. Er ist schon ganz zerknittert, weil ich ihn immer wieder lesen muss. Hat Horst mit meinen Gefühlen gespielt oder ist er völlig ahnungslos, was er bei mir angerichtet hat? Unfassbar, mit welchem Tempo er sich in eine neue Zweisamkeit geflüchtet hat! Ob seine Ehe wirklich so toll war? Nicht mal das Trauerjahr hat er eingehalten. Und diese Freundin Andrea … die war sofort zur Stelle.
Ich erkenne, da standen schon andere in den Startlöchern, raffinierter als ich und mit Heimvorteil. Carpe diem. Und ich bin eine dumme, sentimentale Kuh, die glaubt, fünfzig Jahre ließen sich einfach so beiseite schieben.
Der Zorn lässt mich nachts in der dunklen Wohnung herumwandern auf der Suche nach Baldriantee und Lavendelkissen. Lies nochmal, suche nach Spuren, ob sich Horst lustig macht. Nein, tut er nicht. Mein Gott, ich glaube, der ist so naiv wie ich.
Meine Schwester hatte Recht, Horst suchte eine neue Frau, aber ich bin durchgefallen oder er hatte mich gar nicht im Visier, sondern forschte nur nach Spuren der Jugend. Wer weiß, ob ich nicht eine große Enttäuschung erlebt hätte. Und etwas Gutes bleibt. Ich weiß jetzt viel mehr über mich selber.

Nach einigen Wochen breitet sich ein Gefühl von Erleichterung aus.
Eines ist sicher, dieses Jahr werde ich die Weihnachtsfeier der Stadt für die Ü70 nicht auslassen, sondern mir ein schickes Outfit gönnen und den Platz neben einem weißhaarigen, tief gebräunten Silver Ager erobern, der gerne auf Reisen geht. Und Andrea will ich auf jeden Fall kennenlernen.

 

Liebe @wieselmaus

kurze, knackige Geschichte mit deinen bekannten Protas, Themen und Einschüben. ("Lehrer, "Achtundsechziger" :D), die deine Geschichten ausmachen.

Ich habe die Kommentare nicht gelesen, kann sein, dass da was Doppeltes kommt ...

Der Anruf reißt mich in die Vergangenheit zurück. Das Telefon zeigt eine unbekannte Nummer, und das gefällt mir gar nicht.
Das klingt, als wüsste sie schon vorher, dass der Anruf sie in die Vergangenheit zurück reißen würde, obwohl ja nur eine unbekannte Nummer anruft ... :confused:

Doch ich kann dem Klingelton nur selten widerstehen. Dazu bin ich viel zu neugierig. Wenn es wieder so ein ekelhafter Keucher ist, lege ich einfach auf.
Hehe. Die Neugier.
Da fällt mir meine Oma an, die früher mal solche Anrufe von einem keuchenden Kerl bekommen hat. Bis sie dann ins Telefon rief: "Besorg es dir mit dem Ofenrohr!". Da war es vorbei mit den Anrufen. Ich vermisse meine Oma :shy:

Horst, mein Studentenfreund aus dem ersten Semester. Ich hatte ihn mal gefragt, wie er auf mich aufmerksam geworden sei.
"Hübsche Beine. Ich saß hinter dir im Seminar. Du hattest sie immer um die Stuhlbeine geschlungen. Sah richtig sexy aus."
Hier würde ich keine wörtliche Rede mache, da man das mit dem aktuellen Telefonat verwechseln könnte.

Meine ist ganz leicht zu merken: Christel Punkt Eberle, web Punkt de.
Und wo ist das Klammeräffchen @? ;)

Oben ist alles vermietet. Ich wohne in der Fünfzimmerwohnung im Parterre. Ich könnte untervermieten, aber das will ich nicht, auch wenn die Stadtverwaltung immer wieder an uns ältere, alleinstehende Mitbürger appelliert.
Was könnte sie untervermieten? Die 5-Zi.whg., in der sie lebt? Wieso denn? Könnte sie nicht nach oben ziehen?
Oder sind die Wohnungen oben genauso groß? Keine Schräge?

die Achtundsechziger
Da ist es wieder! :D

Einmal schickt Horst eine Liste zum Ankreuzen, da geht es hauptsächlich um Fragen wie Musikgeschmack, Lieblingsgerichte und Lesegewohnheiten und, fett gedruckt, um Reiseziele.
Das ist ja einer.
Hat er sich wohl von den Liebesportalen abgeschaut, der Schlawiner.

Mir geht es ja gesundheitlich ganz gut, aber meine Schwester sitzt im Rollstuhl, und ich bewundere sie dafür, wie sie ihren Alltag meistert, sich im Behindertenrat engagiert und sogar noch Auto fährt, obwohl sie zwei Jahre älter ist als ich.
Ich finde, der Bezug passt nicht ganz sauber.
Sie fährt Auto, obwohl sie zwei Jahre älter ist, finde ich nicht den einzigen Grund. Viel mehr, dass sie auch im Rollstuhl sitzt.

Wir wohnen im selben Viertel, nur ein paar Straßen auseinander. Über meinen Email-Kontakt mit Horst amüsiert sie sich.
Aufkommendes Alzheimer? Das hat sie doch schon kurz vorher erzählt. :Pfeif:

Ich weiß noch nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Oder schämen. Habe ich mich verrannt, weil der Wunsch nach einem Neuanfang übermächtig wurde? Horst hat ja keinerlei Andeutungen gemacht.
Die Arme.

Hat Horst mit meinen Gefühlen gespielt oder ist er völlig ahnungslos, was er bei mir angerichtet hat?
Ich würde mir wünschen, ahnungslos.
Zweifeln lässt mich aber seine Abfrageliste ... :hmm:

Wer weiß, ob ich nicht eine große Enttäuschung erlebt hätte. Und etwas Gutes bleibt. Ich weiß jetzt viel mehr über mich selber.
Sehr gut, dass sie was mitnimmt.

Eines ist sicher, dieses Jahr werde ich die Weihnachtsfeier der Stadt für die Ü 70 nicht auslassen, sondern mir ein schickes Outfit gönnen und den Platz neben einem weißhaarigen, tief gebräunten Silver Ager erobern, der gerne auf Reisen geht. Und Andrea will ich auf jeden Fall kennenlernen.
Na, also! Die richtige Reaktion.

Gutes Ende. Gute Geschichte. Gerne gelesen.

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi @wieselmaus ,

ich habe deine Geschichte tatsächlich schon vor einer Weile gelesen, aber einfach nichts gewusst, was ich dazu sagen soll. Wirklich wissen tue ich das noch immer nicht, aber man kann es ja versuchen :lol:.

Der Anruf reißt mich in die Vergangenheit zurück. Das Telefon zeigt eine unbekannte Nummer, und das gefällt mir gar nicht. Schließlich bin ich ein gebranntes Kind. Telefonbelästigung. Keine schöne Sache, wenn man allein wohnt. Doch ich kann dem Klingelton nur selten widerstehen. Dazu bin ich viel zu neugierig. Wenn es wieder so ein ekelhafter Keucher ist, lege ich einfach auf.

Direkt der erste Absatz hat etwas. Ich hatte sofort ein Bild von deinem Prot.

Christel Punkt Eberle, web Punkt de.

Hat sicher schon jemand weiter oben nachgefragt, aber ich suche das jetzt nicht extra raus. Schreibst du das aus, weil es ein Telefonat ist? Ich finde es cool, dass du die wörtliche Rede an dieser Stelle so ernst nimmst.

Ich wohne in der Fünfzimmerwohnung im Parterre. Ich könnte untervermieten, aber das will ich nicht, auch wenn die Stadtverwaltung immer wieder an uns ältere, alleinstehende Mitbürger appelliert.

Oh Gott. Klar, das unterstreicht die Einsamkeit und den Isolationswillen deines Prots. , aber ein bisschen unsympathisch wird sie mir jetzt trotzdem schon :lol:.

Und trotzdem lasse ich zu, dass das Bild von einer neuen Partnerschaft immer schärfere Konturen gewinnt. Tagträume.

Ich schätze, einige Sachen ändern sich nie.

Ich weiß noch nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Oder schämen. Habe ich mich verrannt, weil der Wunsch nach einem Neuanfang übermächtig wurde?

Same here.

Ich finde deine Geschichte super schön geschreiben, nicht zu aufdringlich, aber dennoch "räumlich" genug, dass ich mir alles fein vorstellen kann. Der Grund, warum ich mich mit dem Kommentar zurückgehalten habe, war, weil das Thema "Sex und Partnersuche im Alter" für meine achtzehn Jahre einfach ein wenig zu, naja, fern war. Ging mich halt so gar nichts an, ich hatte keine Ahnung, was ich dazu beitragen sollte. So tatsächlich drüber nachgedacht habe ich noch nie.
Und doch bin ich froh, sie gelesen zu haben. Denn es ist ja gerade eines der Elemente beim Lesen von Geschichten, sich in fremde Welten mitnehmen zu lassen. Und das hast du super hinbekommen.

Liebe Grüße
Michel

 

Hallo @GoMusic ,

kurze, knackige Geschichte mit deinen bekannten Protas, Themen und Einschüben.

Ich schreib halt über das, worin ich mich auskenne. Derzeit ist es "Leben im Alter". Die meisten werden das auch erleben ...

Das klingt, als wüsste sie schon vorher, dass der Anruf sie in die Vergangenheit zurück reißen würde, obwohl ja nur eine unbekannte Nummer anruft ... :confused:

Ja, das ist ein Knackpunkt. Aber weil ich den Anfangssatz so knackig finde, möchte ich nicht so gern drauf verzichten, wo erste Sätze doch so wichtig sind ... Vielleicht habe ich auch noch einen Geistesblitz.
Hier würde ich keine wörtliche Rede mache, da man das mit dem aktuellen Telefonat verwechseln könnte.

Der vorhergehende Satz im PQP zeigt eigentlich, dass es erinnerte wörtliche Rede ist. Inhaltlich ist es so gemeint: Christel hat ein phänomenales Gedächtnis für wörtliche Reden anderer Leute. Aber nur für die, die ihr wichtig erscheinen. Mit dieser "Begabung" geht sie anderen Leuten schwer auf die Nerven (ihrer Schwester zum Beispiel). Du wirst sicher Situationen kennen, wo man mit "aber du hast gesagt" jeden Streitpartner schachmatt setzen kann ...

Und wo ist das Klammeräffchen @? ;)

Muss sie das im Telefonat mitsprechen? Wer ein Emailkonto hat, weiß das doch.

Was könnte sie untervermieten?

Hast Recht, als Eigentümerin kann sie nicht untervermieten. Gemeint war, ein Zimmer in ihrer großen Wohnung. Das ist ein Ärgernis in Städten, wo es viele Studenten gibt, aber auch anerkannte Asylanten, Azubis usw.

Gutes Ende. Gute Geschichte. Gerne gelesen.

Was will ich mehr? Danke für dreimal "G" und viel Erfolg bei der Punktevergabe.

Gruß wieselmaus


Hallo,@Meuvind


ich habe deine Geschichte tatsächlich schon vor einer Weile gelesen, aber einfach nichts gewusst, was ich dazu sagen soll. Wirklich wissen tue ich das noch immer nicht, aber man kann es ja versuchen :lol:.

Denn es ist ja gerade eines der Elemente beim Lesen von Geschichten, sich in fremde Welten mitnehmen zu lassen. Und das hast du super hinbekommen.

Das hast du schön gesagt. Und eins ist sicher: Irgendwann kommst du auch in die Situation ;)
Vielleicht schaust du schon mal um dich, gibt es eine Oma oder einen Opa??

aber ein bisschen unsympathisch wird sie mir jetzt trotzdem schon :lol:.

Ja, mir auch. Vielleicht ist es Altersstarrsinn bei Christel. Und sie hat keine Kinder oder Enkel.

Ich schätze, einige Sachen ändern sich nie.

Ganz, ganz wichtige Erkenntnis. Fluch oder Segen, das musst du selber rausfinden.

Der Grund, warum ich mich mit dem Kommentar zurückgehalten habe, war, weil das Thema "Sex und Partnersuche im Alter" für meine achtzehn Jahre einfach ein wenig zu, naja, fern war.

Und doch bin ich froh, sie gelesen zu haben.

Meine zwölfjährige Enkelin hat den Text gelesen, weil ein Ausdruck der Geschichte zufälligerweise auf dem Esstisch lag (für ihre andere Oma).
Anna hat so reagiert: "Oma!:thumbsup::thumbsup::thumbsup:"

Vielen Dank für deinen Kommentar, der mich richtig gerührt hat.

Herzlichst
wieselmaus

 

Liebe „Challenger“,

ich habe meinen Text nochmals überarbeitet, für alle, die es interessiert. Allmählich fehlen mir die Kräfte zum Kommentieren. Vielleicht gibt‘s nochmals einen Anlauf zwischen den Jahren. Allen ein schönes friedliches Fest und Erfolg im neuen Jahr, was immer ihr euch wünscht.

wieselmaus

 

Hallo @wieselmaus,

ich nehme die Überarbeitung gerne zum Anlass, mal vorbeizuschauen.

Und ich lese und lese. Was soll ich sagen? Dein Erzählton hat mich gleich im Griff, irgendwo tief im Hinterkopf vergraben fragt einer "Na, und jetzt?", weil das alles so alltäglich daherkommt, eben so, als würde die Autorin in ihr Tagebuch schreiben, ganz für sich, aber da bleibt er auch, vergraben im Hinterkopf, stören tut mich dieser Umstand nämlich nicht.

Ich erwarte also nichts, was mich vom Hocker reißt, um ehrlich zu sein, nur eine nette Alltags-Anekdote. Hellhörig werde ich das erste Mal hier:

Wir wohnen im selben Viertel, nur ein paar Straßen auseinander.

, weil die Christel das schon zum zweiten Mal erwähnt. Beim ersten Mal habe ich es mir nämlich "angestrichen", weil ich dachte: Klänge "nur ein paar Straßen voneinander entfernt" nicht besser? Na, aber so ist das halt, wenn man plaudert, da erwähnt man auch mal was doppelt, muss ja nichts heißen.

Und dann werde ich auf noch auf eine andere Weise hellhörig. Weil ... Dieses Plaudergefühl, ich glaube, das kam auch daher, dass ich mir da nach den anfänglichen Schilderungen keine stürmische Romanze oder ähnliches vorstellen konnte. Wie alt mögen die wohl sein - nicht mehr die Jüngsten auf alle Fälle - was werden die schon tun, außer Kaffee trinken und Kekse essen? Ignorantes Jungspunddenken, ich weiß, wird mir dann auch besonders deutlich, als du mich tiefer in Christels Kopf eindringen lässt:

Oh Gott, hört das denn niemals auf, die Sehnsucht nach Körperkontakt, nach Zärtlichkeit?

Aber vielleicht ist das ja gar kein ignorantes Jungspunddenken, wahrscheinlich hätte Christel ja ganz ähnlich gedacht wie ich, wenn sie diese Geschichte gelesen hätte, und trotzdem hat sich der (leicht eingestaubte) Schalter dann doch noch mal umgelegt. Kann man halt nichts gegen tun, zum Glück, vielleicht? Schön zu sehen jedenfalls, dass sie nicht daran zugrunde geht, dass sie was Gutes aus der "Enttäuschung" ziehen kann.

Für meinen Geschmack wäre das hier ja schon ein schönes Ende gewesen:

Nach einigen Wochen breitet sich ein Gefühl von Erleichterung aus.

, aber vielleicht ist es auch gut, diesen Geisteswandel dann noch "in Aktion" zu sehen, im schicken Outfit auf der

Weihnachtsfeier der Stadt für die Ü 70

(sagt mir nicht ganz zu, diese Schreibweise, vielleicht eher Ü70?)

Es fällt mir ein bisschen schwer, hier ein Fazit zu ziehen. Ich mag die Geschichte. Der Erzählton ist megaentspannt und unaufgesetzt und es hat Gedanken ans Älterwerden und Jungbleiben in mir wachgerufen, es hat also was ausgelöst, obwohl es fast so wirkt, als ob du den Ball bewusst flachgehalten hast - ich meine ... Es hätte zu der stürmischen Ü70-Romanze kommen können. Es hätte zum dramatischen Zusammenbruch kommen können aufgrund der Enttäuschung, dass nichts aus den Träumereien wurde. Stattdessen schickst du Christel mit hocherhobenem Haupt ganz ohne Casanova am Arm auf die Weihnachtsfeier, ein versöhnliches Ende, das genug Raum lässt, die Sache weiterzuspinnen: Vielleicht gibt's ja einen Hermann auf der Weihnachtsfeier. Bereit wäre die Christel bestimmt, und wenn nicht, auch egal. Ich glaube, sie kommt auch so ganz gut zurecht.

Kleinigkeiten noch:

Sag mal, hättest du nicht Lust zu einem Treffen?

Empfinde ich als etwas unnatürlich, "hättest du nicht Lust, dass wir uns mal wieder treffen?" oder so gefiele mir besser.

Email-Verkehr

Die "Email" taucht später noch mal auf, das lässt mich aber eher an die "Emaille" als an den elektronischen Brief, die "E-Mail" denken.

Schöne Feiertage und bis bald,

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Bas ,

schön, von dir zu lesen. Und schön, dass dir die überarbeitete Version gefällt.

Und ich lese und lese. Was soll ich sagen? Dein Erzählton hat mich gleich im Griff, irgendwo tief im Hinterkopf vergraben fragt einer "Na, und jetzt?", weil das alles so alltäglich daherkommt, eben so, als würde die Autorin in ihr Tagebuch schreiben, ganz für sich,

Hm, das scheint allmählich mein Markenzeichen zu sein, immer schön sachte daherkommen und dann die kleinen Widerhaken setzen. Mich freut's, die großen Dramen sind nicht (mehr) mein Thema. Hat den Nachteil, dass nicht alle Leser sich auf leise Spurensuche begeben wollen. aber einige schon. Und das freut mich.

Hellhörig werde ich das erste Mal hier:

, weil die Christel das schon zum zweiten Mal erwähnt.

Der Erzählton ist megaentspannt und unaufgesetzt und es hat Gedanken ans Älterwerden und Jungbleiben in mir wachgerufen, es hat also was ausgelöst, obwohl es fast so wirkt, als ob du den Ball bewusst flachgehalten hast - ich meine ... Es hätte zu der stürmischen Ü70-Romanze kommen können.

Die stürmische Romanze oder der Kuschelsex, das darf sich jede(r) nach gusto vorstellen. In Alterswohnheimen soll es ja auch zu tödlichen Eifersuchtsdramen kommen. Also, das Thema wird sicher immer aktueller. Die Alten sind oft total fit und unternehmungslustig. ;)

Kleinigkeiten noch:

Empfinde ich als etwas unnatürlich, "hättest du nicht Lust, dass wir uns mal wieder treffen?" oder so gefiele mir besser.


Hier wollte ich zwei Ziele erreichen: Erstens die etwas gestelzte Art des alten Oberstudienrats und zweitens das mehrdeutige Wort "Lust", mit dem sich Christel jetzt auseinandersetzen muss.

Danke für deinen einfühlsamen Kommentar. Hast du eine Oma in deiner näheren Umgebung?.

Herzlichst
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

zwo kleine Anmerkungen sollte ich noch vor Toresschluss geben zu Deiner kleinen emanzipatorischen Geschichte, wie Frau E. lernt, zu ihrem Alter zu stehn (und die Ü 70 besucht)

Sollte hier

Der Anruf reißt mich zurück in die Vergangenheit.
"Guten Morgen“, sagt eine Männerstimme, "entschuldigen Sie bitte, aber spreche ich mit Christel Eberle? Ich bin Horst Gabler."
nicht der einführende Satz („Der Anruf ...“), der zugleich ein erklärender Satz ist, erst nach dem Anruf erfolgen, fühestens nach diesem
"Christel Eberle? Ja, so hieß ich früher mal. Aber wieso ... Horst, sagen Sie, Horst, bist du's?"
meine ich.

Und hier

Ich weiß noch nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Oder schämen.
Ist "schämen" nicht immer ein "sich schämen"?

So viel (oder wenig) vom stillen Beobachter

Friedel

 

Lieber @Friedrichard,

danke fürs nochmalige Kommentieren.

In der neuen Version, die ich vor zwei Tagen eingestellt habe, ist der alte erste Satz schon mal nach hinten verschoben worden. Ich folge jetzt deinem Vorschlag, da steht er er auf jeden Fall richtig. War halt am Anfang so ein Darling von mir, von wegen Eyecatcher ..
Auch muss es natürlich „sich schämen“ heißen. Es geht hier ja nicht um „fremd schämen“ .

Ich freue mich darüber, dass du die Geschichte emanzipatorisch findest.
Viele hätten wohl lieber eine schöne „Altersromanze“ gelesen. Aber du weißt ja, meine Protagisten finden nur selten das romantisch verklärte Liebesglück ...

Bei der diesjährigen Ü70 Weihnachtsfeier sang der hiesige Männergesangsverein (keiner unter sechzig) das schöne Lied „Bajazzo“, ein Klassiker für MGVe. Auf YouTube zu hören. Nicht wenige waren zu Tränen gerührt.

Ich wünsche dir schöne Weihnachtstage mit kleinen, fröhlichen Kindern , die ihrem Opa kluge Fragen stellen.

Herzlichst
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wieselmaus,

lange Strecken des Textes dachte ich, dass sich Horst als Heiratsschwindler entpuppt. Da war ich doch dann sehr froh, als sich die Tagträumerei im Sande verlaufen hat. Einerseits.

Es hatte so etwas Teeniehaftes, wie Christel Realität und Wunschdenken nicht mehr richtig in der Spur hatte. Anscheinend hat diese Horst-Episode (die keine war) in ihr wieder den Drang nach Neuem erweckt - und somit hat sie dadurch gewonnen.

Was mir aufgefallen ist:

Bin das wirklich ich mit der Stoffwindel als Kopfschmuck und dem bodenlangen, geblümten Folklore-Kleid?
Mittlerweile kann ich ja auch schon auf jahrzehnte alte Fotos zurückgreifen. Aber ich würde mich nie so etwas fragen, sondern hätte sofort ein Déjà-vue zu der Situation im Kopf. Denn natürlich weiß man, dass man es ist und somit dieses Foto mit dem Motiv als rhetorische Frage abzutun, finde ich schade. Da könnte man mehr rausholen.

Gerne gelesen, diese Irrungen der Christel.

Liebe Grüße
bernadette

 

Alter schützt vor Torheit nicht, ist man versucht zu denken.

Hallo @wieselmaus
Ich gebe zu, mit dem Thema deiner Geschichte bin ich nicht ganz warm geworden. Mir ist das (noch) fremd. Dennoch, eine durchaus aparte Geschichte und ich finde es gut, dass du ein Thema ansprichst bzw. anschreibst, was viele wahrscheinlich in die unendlichen Weiten ihres Unterbewusstseins verschieben. Einsamkeit im Alter und die Hoffnung, das doch noch mal etwas "geht". Sie fühlt sich geschmeichelt, natürlich. "Sah richtig sexy aus." Und dann beginnt dieses Sich-etwas-ausmalen, was wohl keine Altersgrenzen kennt. Ebensowenig wie die Enttäuschung, wenn das bunte bemalte Bild Risse bekommt. Insofern ist mir das alles dann doch nicht so fremd ;). Was ich schön finde, ist, dass sie aus dem ganzen etwas Positives zieht. Nicht den Mut verliert. Den Rücken durchdrückt und weitermacht. Jetzt erst recht!
Du schreibst sehr gut lesbar. Locker, leicht. Für mich hätte die Geschichte etwas "tiefer" sein können. Ich hätte gern mehr über Christel erfahren, ihre Vergangenheit, ihre momentane Situation.
Warum zum Beispiel ist sie ein "gebranntes Kind"? Enkeltrick am Telefon?
Aber auch so war es eine angenehme Leseerfahrung.
Ich schau dann ja auch immer nach dem Challenge-Thema. Du hast nach meinem Empfinden das "Was dann?" als eben diese Vorstellung von einem Neubeginn, einem Leben zu zweit "trotz" Alters. Wann wird ja wohl noch träumen dürfen, oder so ähnlich.
Wie gesagt, Alter schützt vor Torheit nicht. Und das ist wohl auch ganz gut so.
Danke fürs Einstellen.

Beste Grüße,
Fraser

 

Liebe @wieselmaus ,
dieses Jahr bin ich einfach nicht so richtig aus den Pantoffeln gekommen, zu viel zu tun, zu sehr auf anderen Planeten unterwegs :) ein paar Kommentare, die mir am Herzen liegen, will ich aber doch noch loswerden.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Sie ist einerseits so ein wenig vorsichtig und behäbig, und das ist jetzt nicht negativ gemeint, sondern sie hat so einen gewissen Charme und ich versuche nur, den für mich zu fassen mit diesen Vokabeln.
Hübsche Details ansonsten und der besondere wieselmaushumor. Das liest sich einfach angenehm.
Gleichzeitig ist sie aber auch recht schnell die Geschichte. Lustig fand ich das. Jedenfalls an der für mich entscheidenden Stelle. Das geht so rasch, dass sie doch von der Idee eingefangen wird, dass eine neue Partnerschaft etwas für sie sein könnte. Ich meine vom Typ her ist sie vermutlich doch ganz das Gegenteil und gar nicht offen für Neues. Allerdings auch ein neugieriges Weibstück. (Von daher fand ich, aber das jetzt nur anbei, den Anfangsabsatz gar nicht so überflüssig. Der zeigt mir eingentlich recht deutlivch von welchen Ambivalenzen sie getrieben wird.)
Trotzdem hat es mich einfach gewundert, dass sie sich so schnell von diesen Horst-Avancen "einfangen" lässt. Gut gemacht finde ich da allerdings, dass der Horst auf seine etwas täppische Art so sehr mit der Tür ins Haus fällt, so dass man gleich fünfmal die Augen rollt. Dass er so übertrieben auf Suche ist, den kann man nicht ernsthaft wollen, wenn man nicht selbst eine Seite in sich noch einmal spüren will, die er anrührt. Aber er ist nur Auslöser für diese Sehnsucht, nicht Grund. Und das, finde ich, bringst du recht schön raus durch die Gegenüberstellung der Charaktere und ihrer jeweiligen Motivlage. Es ist ja etwas in ihr, das ihr ein wenig verloren gegangen ist. Die Lust, sich schön zu machen, sich zu spüren. Das hast du gut eingefangen, durch die Charaktere wie gesagt, die Gewichtung deiner Eckdaten, die Struktur und die Bauweise der Geschichte.
Trotzdem - ist jetzt einfach eine Anregung von mir oder so eine Idee, ich hätte das einfach mal gerne gelesen, wie das klingt, wenn man stärker reingeht in diesen Gefühlszustand, ihn viel stärker zeigt. Ich weiß es nicht, wieselmaus, was besser für die Geschichte wäre, und eh bist du der Chef vons Janze, mich hätte es einfach nur interessiert, wie es geklungen hätte, einfach so zum Vergleichen.
Was das Thema betrifft - jaaa, das gabs ja auch noch - da finde ich, hast du das ganz toll gelöst. Hier ist das Was Wenn, was dann so richtig schön auf den Punkt gebracht.
Viele Grüße von hier nach da von Novak

 

Liebe @bernadette ,

Gerne gelesen, diese Irrungen der Christel.

Danke, liebe bernadette, für das eindeutige Statement.

Es scheint auch so, als ob ich für dich Christel ausreichend charakterisiert habe, so dass du ihren Irrungen und Wirrungen leicht folgen konntest.

Was mir aufgefallen ist:
Mittlerweile kann ich ja auch schon auf jahrzehnte alte Fotos zurückgreifen. Aber ich würde mich nie so etwas fragen, sondern hätte sofort ein Déjà-vue zu der Situation im Kopf. Denn natürlich weiß man, dass man es ist und somit dieses Foto mit dem Motiv als rhetorische Frage abzutun, finde ich schade. Da könnte man mehr rausholen.

Ja, dir würde (noch) wahrscheinlich jede erlebte Situation unverfälscht und komplett im Gedächtnis bleiben. Mit zunehmendem Alter entschwindet das eine oder andere. Es kommt gar nicht so selten vor, dass in Gesprächen mit gleichaltrigen Weggefährten Erinnertes ganz anders oder gar nicht gespeichert ist. Da kann man richtig in Streit darüber geraten.
Hier ist das alte Foto durchaus als Auslöser für eine rhetorische Frage interpretiertbar, man kann diese Sequenz aber auch als großes Erstaunen der Prota darüber ansehen, was für einen langen Weg sie zurückgelegt und wieviel von ihrer provokanten Art sie aufs Eis gelegt hat. Vielleicht ist ihr Entschluss, sich nochmals ins (Liebes-)getümmel zu stürzen, diesem Erstaunen über sich selbst geschuldet.
Ich wünsche dir, dass du immer alle Facetten deiner Persönlichkeit im Gedächtnis behalten kannst. Und ja, Fotos aus alter Zeit können höchst unterhaltsame, komische und tragische, Szenen kreiieren. Als Idee habe ich dies schon einmal verwendet, in einer meiner ersten Geschichten (Magie).

Danke sehr für deinen Kommentar und wehe, du sagst das Treffen im Januar ab. Ich freue mich sehr.
Fröhliche Weihnachten mit Schäufele und Kartoffelsalat und Sonnewirbele.
wieselmaus

 

und wehe, du sagst das Treffen im Januar ab.
:eek: wie kommst du denn da drauf?

Schäufele und Kartoffelsalat und Sonnewirbele
hehe, das hatten wir, mal vom grünen Salat abgesehen, gestern schon :lol:

 

Lieber @Fraser,

Ich gebe zu, mit dem Thema deiner Geschichte bin ich nicht ganz warm geworden. Mir ist das (noch) fremd

Insofern ist mir das alles dann doch nicht so fremd ;).

So kann es gehen, ich kenne diese Erfahrung. Besonders wenn es um eine Thematik geht, um die man vielleicht bisher einen Bogen gemacht hat. Im Fernsehen sind Geschichten über "Alte" gerade en vogue. Warum wohl? "Vielleicht gilt der folgende Satz immer noch: "Jeder will alt werden, aber keiner will es sein." (Martin Held)
Ist ja auch interessant, dass ältere Frauen jünger sind als alte Weiber ... Was wohl @Friedrichard dazu meint?

Für mich hätte die Geschichte etwas "tiefer" sein können. Ich hätte gern mehr über Christel erfahren, ihre Vergangenheit, ihre momentane Situation.

Hier im Forum habe ich gelernt, dass in eine Geschichte nur gehört, was unbedingt notwendig ist. Hier also wäre es die Frage, ob Christels sozialer Hintergrund mehr zu ihrer Charakteristik beiträgt. Früher hätte ich selbstverständlich meine Prota und deren Umfeld ausführlicher dargestellt. Ich bin aber ziemlich sicher, da hätte ich wieder kürzen müssen. Und du weißt ja, dass dies schmerzhaft ist. Schließlich haben wir jede Menge Darlings im ausführlichen Beschreiben und im Erzählen untergebracht. Ich finde es sehr schwierig, hier die Balance zu halten.

Warum zum Beispiel ist sie ein "gebranntes Kind"? Enkeltrick am Telefon?

Sie hat Erfahrungen mit Stalkern ("ekelhafter Keucher") und unerwünschten Geschäftemachern. Der Enkeltrick kommt bei ihr nicht in Frage, sie hat keine Enkel. Außerdem ist sie hoffnungslos neugierig. Das ist ein Hinweis, dass sie im Unterbewusstsein doch auf etwas Unerwartetes hofft. Irgendeine Art von "Gewinn".

Danke für den wohlwollenden Kommentar und beste Grüße zum Jahresende.

wieselmaus

 

Was wohl @Friedrichard dazu meint?
Wächst man rein und denkt wehmütig, dass man mal - leichtbauweise, untergewichtig - schneller war als Armin Harry (aber nur auf 75 m, 7,4 sek.) und als echter Alt-68er sag ich mir, Hosea Che D. ist inzwischen auch Fuffziger ...

So - schöne Tage diese Tage euch beiden und bis denne

Friedel

 

Liebe @Novak,

Hübsche Details ansonsten und der besondere wieselmaushumor. Das liest sich einfach angenehm.

Das gefällt mir natürlich: Wieselmaushumor. Wenn ich bloß wüsste, worin er besteht.:confused:

Ich meine vom Typ her ist sie vermutlich doch ganz das Gegenteil und gar nicht offen für Neues. Allerdings auch ein neugieriges Weibstück.

Ich schätze, das Verschlossene hat sie erst erworben. Sie erzählt ja gar nicht, wie ihre Ehe so gewesen ist, außer halt langjährig;).

(Von daher fand ich, aber das jetzt nur anbei, den Anfangsabsatz gar nicht so überflüssig. Der zeigt mir eingentlich recht deutlivch von welchen Ambivalenzen sie getrieben wird.)

Ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich den Satz verschieben oder ganz löschen sollte. Zuerst schrieb ich "katapultierte sie in ihre Jugend zurück". Das war mein allererster Einfall zu dieser Geschichte. So zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens.

Trotzdem hat es mich einfach gewundert, dass sie sich so schnell von diesen Horst-Avancen "einfangen" lässt.

Das Überfallartige war mir wichtig. Ein frontaler Angriff auf ihre Abwehrstellung.

Aber er ist nur Auslöser für diese Sehnsucht, nicht Grund. Und das, finde ich, bringst du recht schön raus durch die Gegenüberstellung der Charaktere und ihrer jeweiligen Motivlage. Es ist ja etwas in ihr, das ihr ein wenig verloren gegangen ist. Die Lust, sich schön zu machen, sich zu spüren. Das hast du gut eingefangen, durch die Charaktere wie gesagt, die Gewichtung deiner Eckdaten, die Struktur und die Bauweise der Geschichte.

Ja, so war es gedacht. Ich weiß nicht, ob du alle Kommentare verfolgt hast, aber bei @TeddyMaria (#15) habe ich sehr ausführlich Struktur und Bauweise erklärt. Ich hatte den Ehrgeiz, was Neues auszuprobieren. Du scheinst den Versuch als halbwegs gelungen zu betrachten. Das ist ein tolles Weihnachtsgeschenk.

ich hätte das einfach mal gerne gelesen, wie das klingt, wenn man stärker reingeht in diesen Gefühlszustand, ihn viel stärker zeigt.

Da hast du recht. Ich selber wäre gespannt, ob ich da noch eine tiefere Ebene erreichen könnte. Dazu muss der Text aber wieder längere Zeit in die Kochkiste. Aber ja, es reizt mich schon, das auszuprobieren.

Was das Thema betrifft - jaaa, das gabs ja auch noch - da finde ich, hast du das ganz toll gelöst. Hier ist das Was Wenn, was dann so richtig schön auf den Punkt gebracht.

Hm, bei vielen Texten hier habe ich das Gefühl, dass sie das Thema nur so ungefähr im Auge haben. Vielleicht liegt es daran, dass das Thema als Ellipse formuliert wurde, die verschieden aufgelöst werden kann. Es ist eben ein Unterschied mit Folgen, ob man es so versteht:

Was ist dann, wenn dies und jenes passiert ist?
oder so:
Was wäre dann, wenn dies oder jenes passiert wäre?

Es freut mich, dass du das Thema nicht für verfehlt hältst;). Danke für diesen schönen Kommentar.

Herzlichst
wieselmaus

 

Liebe @wieselmaus

Der Text hat mir gefallen. Ich könnte mir den gut in einem Sammelband vorstellen, mit Geschichten übers Älterwerden. Also, die Thematik finde ich wichtig, und ich lese da auch heraus, dass dich nicht nur der psychologisch-individuelle Aspekt interessiert, sondern auch der gesellschaftliche, wie du es ja unter meiner Geschichte erwähnt hast. Da hättest du vielleicht noch eine zweite Aussenperspektive einsetzen können, eine jüngere Stimme, die findet, dass sich das nun wirklich nicht gehört, das Schwärmerische und gar das Sexuelle in diesem Alter. Aber auch so kommt die Thematik gut zum Tragen und hat mir einen Denkanstoss gegeben.

Ich fand den Text nicht so gemütlich, wie ich das anderen Kommentaren entnommen habe, show vs. tell war für mich ebenfalls kein grosses Thema. Dennoch denke ich, dass der Text sprachlich zackiger sein könnte, mit einem besonderen Augenmerk auf die Dialoge. Ich versuche mal exemplarisch zu zeigen, was ich meine:

"Sag mal, hättest du nicht Lust zu einem Treffen? Wir könnten einen Stadtbummel machen und über alte Zeiten reden. Ich mache gerade eine Erinnerungstour ..."
"Allein? Hast du keine Familie?"
"Doch, zwei Töchter und ein Enkelkind ... Aber ... Meine Frau ist vor drei Monaten gestorben. Nächstes Jahr wollten wir Goldene Hochzeit feiern."
"Oh je, das ist hart … ich weiß, wovon du redest. Wo wohnst du eigentlich?"
"In Rottweil. Aber lass uns das in Ruhe besprechen. Wenn du mir deine E-Mail-Adresse gibst, kriegst du alles erzählt. Du hast doch eine? Jetzt muss ich packen. Ich fahre mit einer Freundin für eine Woche nach Schottland, da habe ich drei Jahre lang als Dozent gelebt."

Nimm vor allem mal den letzten Satz. Fünf Informationen in einem Satz. Die Informationsdichte in deinen Sätzen ist allgemein manchmal hoch, du ziehst oftmals zwei, drei Informationen zusammen. Dann Horsts Erklärungen, Erinnerungstour, lass es uns in Ruhe besprechen, aber jetzt muss ich packen. Dabei willst du den Leser packen und zeigen, hey, dieser Horst ist forsch unterwegs, ruft an und will ein Treffen, kurz nach dem Tod seiner Frau, zack, bumm.

Seit sieben Jahren lebe ich jetzt allein in unserem Dreifamilienhaus. Seit Egons Tod. Oben ist alles vermietet. Ich wohne in der Fünfzimmerwohnung im Parterre. Ich könnte hier an eine Studentin vermieten , aber das will ich nicht, auch wenn die Stadtverwaltung immer wieder an uns ältere, alleinstehende Mitbürger appelliert.

Auch hier sehr präzise Informationen. Hier könntest du zum Beispiel einfach schreiben, seit Egons Tod wohne ich ... Da würdest du dem Leser auch noch etwas Raum offen lassen.

Meine Schwester zieht die Augenbrauen hoch, doch sie verkneift sich eine Bemerkung. Ich weiß aber, was sie gerne sagen würde.
Er will ganz viel wissen aus meinem Leben, wie früher.
Einmal schickt Horst eine Liste zum Ankreuzen, da geht es hauptsächlich um Fragen wie Musikgeschmack, Lieblingsgerichte und Lesegewohnheiten und, fett gedruckt, um Reiseziele.
Ein älteres von dir habe ich gegoogelt. Ungefähr zwanzig Jahre alt. Du warst da zu einer Lehrerfortbildung auf der Comburg."

Das lese ich als Zeichen für die Bestrebung, genau zu bleiben, logische Gegensätze klar zu machen, relaitiverende Präzisierungen einzufügen, damit alles hieb- und stichfest ist. Aber zum Beispiel beim Foto, das wäre es doch gerade witzig, Horst sagen zu lassen, zwanzig Jahre. Und der Leser hat Kopfkino, überlegt sich, wie der das wohl so genau weiss.
Zum "doch". Das lässt sich sehr häufig durch ein "und" ersetzten und beschert dem Leser das schöne Gefühl, einen Gegensatz zu entdecken.

Ansonsten ist das wirklich sehr angenehm zu lesen, du führst den Leser souverän durch die Geschichte. Einzig hier habe ich etwas gestutzt:

nach einem öden Wochenende, dessen einziger Höhepunkt darin bestand, dass alle halbe Stunde die Halloween-Kinder klingelten, um "Süßes oder Saures“ zu verlangen.

Das beisst sich ein wenig, wie ich finde.

Insgesamt habe ich den Text gerne gelesen, liebe wieselmaus

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber @Peeperkorn, ich danke dir, dass du dich meiner Geschichte gewidmet hast.

Der Text hat mir gefallen. Ich könnte mir den gut in einem Sammelband vorstellen, mit Geschichten übers Älterwerden.

Das freut mich natürlich, es wird aber wohl eher darauf hinauslaufen, dass die Geschichte im Archiv verschwindet.

, ... sondern auch der gesellschaftliche, wie du es ja unter meiner Geschichte erwähnt hast. Da hättest du vielleicht noch eine zweite Aussenperspektive einsetzen können, eine jüngere Stimme, die findet, dass sich das nun wirklich nicht gehört, das Schwärmerische und gar das Sexuelle in diesem Alter.

Ja, das wäre ein schöner Kontrapunkt. Ich werde eventuell eine längere Bearbeitung ins Auge fassen, brauche aber erst etwas Abstand. Ich müsste prüfen, wie das mit meinem Konzept ( in #15 genauer ausgeführt) zusammenpasst. Ich bin immer noch unsicher darüber, ob dann der Text nicht aufgebläht würde. Im Moment befinde ich mich gerade im "Kürzungsmodus.":hmm:

Dennoch denke ich, dass der Text sprachlich zackiger sein könnte, mit einem besonderen Augenmerk auf die Dialoge.

. Die Informationsdichte in deinen Sätzen ist allgemein manchmal hoch, du ziehst oftmals zwei, drei Informationen zusammen.

Auch hier sehr präzise Informationen. Hier könntest du zum Beispiel einfach schreiben, seit Egons Tod wohne ich ... Da würdest du dem Leser auch noch etwas Raum offen lassen.

Das lese ich als Zeichen für die Bestrebung, genau zu bleiben, logische Gegensätze klar zu machen, relaitiverende Präzisierungen einzufügen, damit alles hieb- und stichfest ist.

Ich fasse diese kritischen Hinweise einmal zusammen, weil ich glaube, hier handelt es sich um das gleiche Problem.

Bei diesen Textpassagen handelt es sich um Christels Erinnerungen, selektiert und komprimiert, keinesfalls um Abbildungen der realen Dialoge. Christel merkt sich nur das, was sie für wichtig hält und da gibt es auch Wiederholungen. Aalte Leute denken manchmal so. Echte Dialoge würde ich anders schreiben, mit mehr atmosphärischen und auch redundanten Elementen, eben so, wie Menschen in realen Situationen sprechen.
Das Analysieren hilft am Ende Christel, aus der Wahnvorstellung herauszufinden. Es sollte als wesentlicher Bestandteil von Christels Denkweise verstanden werden. Ich verstehe aber, dass lebendige Dialoge die meisten Leser eher überzeugen würden. Darüber muss ich noch nachdenken.

Zum "doch". Das lässt sich sehr häufig durch ein "und" ersetzten und beschert dem Leser das schöne Gefühl, einen Gegensatz zu entdecken.

Danke für den Hinweis, ich werde gleich nochmals durch den Text gehen.


Das beisst sich ein wenig, wie ich finde.

Danke. Ich habe "einzige" gestrichen.

Vielen Dank für deine Mühe. Die Anregungen sind gespeichert für eine Neufassung.

Viele Grüße und einen schönen Silvesterabend mit ganz viel guten Prophezeiungen (Bleigießen!) für 2019.

wieselmaus

 

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