Hallo @Sammis und @Kerzenschein,
ich schaue mir den Text jetzt das erste Mal wieder an und setze in diesem Zuge eure Anmerkungen um. Ich kommentier mal für euch bei zusammen. Hier die Repliken auf einige eurer Punkte:
Seine graumelierten Haare trug er nach hinten gegelt. Er gab erst Günther die Hand, dann mir. Ich spürte, dass er das hier nicht erst seit gestern machte.
Anstatt seine könnte man auch die schreiben. Ist ja beinahe schon eine Glaubensfrage – wessen Haare sonst.
Woher kommt die Erkenntnis schon nach dem Handschlag? Ein fester Griff reicht schon aus?
In meinen Augen markiert die Stelle, dass der Erzähler aus einem anderen Milieu kommt.
Ein zweiter Mann kam um die Fahrerkabine getrottet
Später ist, glaube ich, die Rede von einem Transporter oder Bus. Da passt für mich Kabine nicht, die ich mir eher abgetrennt vorstelle, wie bei einem Kastenwagen mit Plane oder so.
Also formal ist das ein korrektes Wort, zumal die Kabine auch in einem Bus-Transporter i.d.R. abgetrennt ist. Die Alternativen sind auch nicht besser: "Führerhaus" oder "Fahrgastzelle"
“Wie war das, Toni?
“Doni!”, riefen Meda und der Mann gleichzeitig. “Doni!”
“Doni? Mit D?”
“Ja, genau. Doni! Alle Deutschen denken ja immer Toni”, sagte Meda. “Aber kommt von Liridon.”
“Doni also”, sagte Günther und Doni nickte lächelnd. “Doni!”
“Das ist so eine niedliche Form, verstehst du?”, sagte Meda. “So wie Günni für Güntöar.”
Dies Namensding gefiel mir gut – kann ich mich gut reinfühlen.
Nur überraschte mich später das gebrochene Deutsch, da hier die Sätze noch recht klar, fast schon komlpex sind.
Also eigentlich sollte es so sein, dass Doni praktisch kein Deutsch spricht und Meda ein Deutsch wie von jemandem, der erst mit über Zwanzig ins Land gekommen ist, aber auch schon zwanzig Jahre dort lebt. Meiner Erfahrung nach ist es dann, vor allem in der "Arbeiterklasse", ein Deutsch mit ein paar wiederkehrenden Fehlern und Eigenarten, die einfach bleiben.
“Natürlisch”, sagte Meda. “Dafür sind wir ja hier!”
Auch das hier passt für mich nicht ganz hierzu ...
Hier gibt es eine prinzipielle Schwierigkeit. Du liest den Satz wahrscheinlich "normal", ich höre ihn mit diesem ganz bestimmten Akzent und das ständige "ja" ist ein Füllwort, das eigentlich nicht passt. Darum ist es so eine signifikante Eigenart. Ich weiß aber auch nicht, wie ich das deutlich machen soll. Alles in verschriftlichem Dialekt schreiben wie "Güntöar"? Ist mir too much und ehrlich gesagt, ist das so ein eigenartiger Dialekt, den man kaum im Deutschen verschriftlichen kann.
Manche Worte wären ohne Hinweis des Erzählers auch unverständlich. So sagen die mir bekannten Albaner statt Andreas immer Andrea und sie sprechen das etwa so aus: Andräa – wobei das Ä kurz ist, also wie ein kurzes E gesprochen wird (wieder: kann man eigentlich nicht vol verschriftlichen).
Jetzt stell dir vor, eine männliche Figur heisst Andreas und ich schreibe: "Hallo, Andräa!" Da denkt jeder, ne Frau tritt auf. Oder Moritz, das würden sie ungefähr so aussprechen: Moiss. Henry wusste ich auch nicht so recht, wie schreiben. "Henwie" kommt dem am nächsten, aber das w ist auch hier eigentlich halb ein R, wird also zwischen Gaumen und Zunge gebildet
Vielleicht fällt ja jemandem was ein dazu.
“Danke, Güntöar, aber das will ja keiner mehr haben.”
“Will keiner mehr haben, oder?”
“Ist ja schade, normalerweise ist das eine schöne Regal. Gut gearbeitet! Massiv!”
“Der ist massiv!”
Handelt es sich dabei tatsächlich um
Massivholz, z.B. Nussbaum, hat das durchaus Wert und es gibt jede Menge Abnehmer selbst für kleine Posten. Ich denke, dass wüssten solche EntrümplungFüchse.
Ich habe nie erlebt, dass eine Wohnzimmerschrankwand abgebaut und verkauft wurde. Das ist das eine Möbelstück, das heutzutage gänzlich unverkäuflich ist – geradezu ein Symbol für die biedere Kleinkariertheit des (klein)bürgerlichen Wirtschaftswunderdeutschlands.
Im Schlafzimmer wurde über einen alten Bauernschrank und über eine Kommode dasselbe Urteil gefällt wie über die Schrankwand im Wohnzimmer.
Auch das leuchtet mir nicht ein. Weggeschmissen werden wohl alte Pressspanmöbel ...
Es ist für fast jeden schwer verständlich, aber antike Möbel lassen sich kaum noch handeln heutzutage. Fast in einem Atemzug zum Todesurteil wird immer erwähnt, dass die goldenen Zeiten für Antikes (70er, 80er, 90er) vorbei sind (vielleicht dreht sich der Wind gerade wieder etwas, aber in den Nuller- und Zehnerjahren war es so).
Generell gilt: Möbel sind schwer, aufwändig zu transportieren, nehmen viel Platz weg und stehen lange rum, bis sie verkauft werden. Das ist betriebswirtschaftlich also so ziemlich die schlechteste Lage. Nur ausgesuchte, seltene und wertvolle Stücke werden mitgenommen. Gewöhnliche Bauernschränke gibt es wie Sand am Meer – und schön aufarbeiten tut die auch niemand in diesen Kreisen.
Gut, aber gucken wir das ja gleich lieber noch einmal an.”
Das ist auch so ein Satz, der aus dem Rahmen fällt. Gibt es einige davon. Hast du Erfahrung mit Albanisch/Deutsch oder denkst du dir das aus? Ich habe keine, aber für meine Ohren klingt es nicht authentisch.
Wie würde es denn authentisch für dich klingen?
“Doch, eine Silberbrosche und eine schöne Damenglashütte
Was ist das denn? Hab ich noch nie gehört ...
Eine Damenuhr von Glashütte.
“Ja, machen wir Kette, ist besser.”
Mit drei Mann kommen sie gerade mal durch den Flur der Wohnung ...
Als "Kette" bezeichnet man auch, wenn einer die Sachen von der Wohnung in den ersten Stock trägt, einer dann vom ersten ins Erdgeschoss und einer von dort in den Wagen. Das tödlichste sind die Treppen, die will man so wenig wie möglich laufen.
Als sie weg waren, ließ ich es langsamer angehen. Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war. Ich fragte mich, wie es mit Mittagessen aussähe; Meda hatte dazu nichts gesagt. Die beiden hatten auch keine Brote dabei und somit nichts gegessen, seit wir uns vor Stunden getroffen hatten. Doni hatte seine Kippen liegenlassen und ich steckte mir eine an. Rauchend schritt ich die Wohnung ab. Bis auf das Bettgestell, die beiden Kartons und einige fertig gepackte Säcke war das Schlafzimmer leer, im Wohnzimmer standen noch ein paar Kleinigkeiten. Die Küche hingegen war ein Schlachtfeld. Alle Schränke waren offen, auf dem Tisch und auf der Arbeitsplatte lag allerlei Krimskrams herum, auf dem Boden standen halbvolle Säcke und eine große, schwarze Wanne voller Scherben. Im Bad war außer der Waschmaschine kaum etwas drin, nur ein Medizinschrank aus Kunststoff über dem Waschbecken und ein einfacher Unterschrank aus Holz darunter. Ich machte den Medizinschrank auf. Marcumar, das kannte ich, beim Rest klingelte nichts. Ich drückte die Kippe im Waschbecken aus und ging in die Küche. Fast alle Utensilien waren noch in Ordnung. Ich ging sie durch und stellte zur Seite, was ich gebrauchen konnte: eine Glaskaffeekanne mit Plastikgriff und einen Porzellanfilter von Melitta, der genau auf die Öffnung passte, einen Kräuterhobel mit Holzgriffen, eine Glasschale mit reliefierten Salatblättern und ein Stövchen. In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger, die entweder noch nicht angebrochen oder kaum verbraucht waren. Außerdem gab es darin allerlei Konserven, von denen ich mir ein paar herausnahm. Ich tat die Reiniger in den Putzeimer, die Küchensachen und die Konserven verstaute ich in einer Pappschachtel, nachdem ich sie in einen der Säcke geleert hatte. Dann stellte ich alles im Schlafzimmer neben die Heizung, damit es niemand wegwarf. Mein Magen knurrte jetzt förmlich. Ich ging zurück in die Küche und öffnete den Eisschrank, in dem zu meiner Freude zwei Packungen mit Minipizzen lagen. Sie waren schon abgelaufen, aber sahen noch tadellos aus, also räumte ich den Ofen aus und stellte den Regler auf 220. Ich war noch am Essen, als Meda und Doni zurückkamen. Sie lachten mich erst einmal aus, weil ich mir die Pizzen gemacht hatte, doch dann sagten sie, dass das eigentlich eine gute Idee gewesen wäre. Essen wäre ja zu schade zum Wegwerfen. Meda guckte selbst auch noch einmal in den Eisschrank, fand aber nichts Brauchbares mehr. Also gingen die beiden an einer Frittenbude was essen, ich machte mit dem Packen weiter.
Jetzt wurde es wirklich zäh weiterzulesen ...
Bitte nicht falsch verstehen, das ist gut geschrieben – aber doch viel
belangloses Zeug ... Tut mir leid, aber von hier an habe ich nur noch quergelesen.
Das hier scheinen mir die entscheidenden Sätze zu sein.
Es sah alles noch so aus, als würde gleich jemand in den Flur treten und uns in die Stube bitten.
Ein älterer Herr, der mit seinem angeleinten Hund vorbeispaziert kam, blieb stehen und betrachtet die Szenerie kopfschüttelnd. Plötzlich war es mir sehr unangenehm, dass wir die persönlichen Sachen einer Toten so achtlos vors Haus schmissen.
Ansonsten erinnerte nichts mehr an die Person, die hier bis vor ein paar Wochen ihr Leben verbracht hatte. Innerhalb von einem Arbeitstag hatten wir Frau Jammerzen ausradiert.
Auf dem Rückweg von der Kippe zog ich Bilanz. Was war geblieben? Eine Brosche, eine Uhr, ein Bettgestell, eine Miele-Waschmaschine, ein Kühlschrankmotor, ein Sideboard, eine Truhe, ein paar Haushaltsgegenstände und die Kleinigkeiten, die Herr Jammerzen mitgenommen hat – ein Leben, neun Posten.
Sie in alltäglichem zu verstecken halte ich für eine gute Idee! Nur muss das so viel sein? Da stimmt mir das Gleichgewicht nicht – ohne die Challenge hätte ich vermutlich abgebrochen. Den Schluss finde ich wiederum klasse! Das bringt es auf den Punkt.
Obwohl du gut geschrieben hast, komme ich nicht so rein in deine Geschichte. Das liegt daran, dass für mein Empfinden der Text extrem lang ist, indem viel Unwichtiges angesprochen wird, was den Text nicht weiterbringt bzw. für mein Empfinden belanglos ist. Der Text ist mir im Gesamten zu überfrachtet.
Dass der Text noch zu lang ist, weiß ich. Das wird noch gekürzt und gestrafft, dafür hast du ja schon dankenswerterweise hilfreiche Anregungen gegeben.
Der Punkt ist generell aber, dass ich in dem Text eigentlich nicht nur von der vom Balkon fliegenden Oma erzählen will – à la: Ja, ja, erst kommt das Leben, dann kommt dann Tod. Oder so ausgedrückt:
Was bleibt am Ende von einem gelebten Leben übrig? All das, was für die verstorbene Person wichtig und von Bedeutung war und was ihr Leben ausgemacht hat, ist innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht und für alle anderen bedeutungslos, bis auf ein paar Kleinigkeiten.
Das ist nicht mein alleiniges Fazit, ich habe da noch viel mehr verarbeitet oder vielleicht besser gesagt: Ich wollte das Thema (Ableben) aus mehr Blickwinkeln unter die Lupe nehmen. Vielleicht zu viel gewollt, aber für mich persönlich das eigentlich Spannende. Diese ganzen anderen Aspekte werden in den scheinbar belanglosen Passagen angesprochen.
Auf Grund der wenigen Kommentare kann ich gerade nicht entscheiden, ob ich dieses Ziel auf jeden Fall verfehle oder ob es zumindest einige Leser gibt, die diese Aspekte erkunden (wollen). Sie jetzt hier zu nennen wäre witzlos, darum bleibt mir nur Abwarten und Beobachten :-)
Dann ging er am Tresen unsere Kaffee bezahlen. Ich folgte ihm und zog mein Portemonnaie heraus.
Dann ging er
zum oder
an den Tresen. Müsste der Satz nicht generell so heißen:
Dann ging er zum Tresen, um unseren Kaffee zu bezahlen ...?
Ich schreibe tendenziell eher, wie man spricht. Niemand sagt:
Ich gehe jetzt gerade mal darüber, um unseren Kaffee zu bezahlen ... Man sagt:
Ich geh da drüben mal grad unsere Kaffee bezahlen.
Und warum zieht er sein Portemonnaie, wenn er doch von vornherein davon ausgeht, dass der andere beide Kaffee bezahlt?
Günther steht einfach auf und geht unangekündigt bezahlen, als Selbstverständlichkeit. Der Erzähler kennt die Konvention nicht, läuft hinterher und bietet an, Günther das Geld wiederzugeben – im Grunde ist da ja auch ne Konvention: Jemand zahlt einfach, man selbst nimmt das nicht als Selbstverständlichkeit hin und holt als Geste sein Portmonnaie raus, nur damit der andere sagen kann: Passt so! – Danke!
Ist aber auch ne Machtgeste irgendwo: Der Chef zahlt, der Adjutant dankt. Der Chat hat das Geld, der andere muss es sich verdienen und sei es durch Höflichkeit und Dankbarkeit.
Ich war das allererste Mal dabei und wusste noch nicht, wie die Dinge laufen.
Das
erste Mal. Es gibt nur ein erstes Mal.
Wenn man es schon besser weiß, sollte man es wirklich besser wissen
https://www.duden.de/rechtschreibung/allererste
Sorry, das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, weil es mich absolut triggert, wenn Leute auf eine Richtigkeit von Sprache pochen. Es gibt keine per se korrekte Sprache, es gibt nur eine Konvention (die übrigens nicht im Duden verbrieft ist, gestandene Germanisten verachten den Duden geradezu).
Die Sprecher einer Sprache legen durch ihren Gebrauch selbst fest, was richtig und was falsch ist, und hier ist alles im steten Wandel: Das heißt, wenn alle "allererstes Mal" sagen oder "aufoktroyiert", dann ist das nicht eigentlich falsch, sondern einfach ein normales, gebräuchliches Wort, das aus einem Grund entstanden ist und das die Sprecher offensichtlich so benutzen wollen.
Im zweiten Stock machten wir halt. Günther drückte auch hier auf die Klingel und eine laute Schelle drang durch die braune Wohnungstür.
Hier habe ich gestutzt, ob die Farbe der Wohnungstür relevant ist?
Ich habe es spezifiziert, weil heutzutage eher keine braunen Wohnungstüren mehr verbaut werden. Es zeigt das Alter des Hauses an und auch die Wohngegend. So war das jedenfalls gedacht.
Der Flur war schlauchförmig und dunkel. Er knipste das Licht an.
Hier bezieht sich das
er auf den Flur, also knipst der Flur das Licht an
.
Auch hierzu muss ich leider zurück klugscheissen
1. Es ist nirgendwo als Regel definiert, dass sich ein Personalpronomen nur auf den vorangegangenen Satz bezieht – es wird immer im Kontext gelesen und wie umfangreich der ist, entscheidet sich im Einzelfall.
2. Du willst mir ernsthaft sagen, dass du die Stelle gelesen hast und dir dachtest: Der nicht mal wirklich gegenständliche Flur wird hier personifiziert und zum Agens und drückt auf einen Lichtschalter – Moment mal, wie soll das denn gehen, ach ja, es geht um Günther! Was für ein Kuddelmuddel!!!
Günther machte mit der Hand eine streichende Geste in der Luft.
Diese Geste konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Hilfreich wäre ein Vorschlag, wie es besser wäre.
Meda drückte die Türen der vom Flur abgehenden Zimmer auf und warf einen Blick hinein, während wir weiter durch ins Wohnzimmer gingen.
... während wir weiter ins Wohnzimmer gingen.
Wie oben: So spricht man eben.
Ich warf einen Blick ins Fach mit den Büchern. “Meyers Konversations-Lexikon” stand auf dem Rücken einer Reihe mit Ledereinband, daneben, in einem ebenso antiquierten Look, “Die schönsten Sagen des klassischen Altertums” und drei Bücher von einem Johannes Mario Simmel. “Es muss nicht immer Kavier sein”.
Diese Stelle hier ist für mich beispielhaft dafür, wie der Text mit unnötigen Informationen überfrachtet ist. Es spielt für mich keine Rolle, welche Bücher im Regal stehen, die stehen so gefühlt bei 2/3 der Leute im Regal. Sie sind nichts Persönliches, lassen also die Verstorbene mir als Leser nicht näher kommen. Ich erfahre nichts über sie, außer dass sie diese Bücher, wie viele andere auch, mal gelesen hat oder auch nicht. Und die Titel der Bücher spielen keine weitere Rolle für das Geschehen.
Das sehe ich vollkommen anders, wobei das vermutlich daran liegt, dass ich jünger bin als du? Ich kann deinem Leseeindruck natürlich nicht widersprechen und will hier nicht meinen Text rechtfertigen -- mir geht es um Objektivität und die Frage, ob etwas so ist, wie ich es schreibe, oder eben nicht (deine These):
In meinem Bekanntenkreis hat mit 100-prozentiger Sicherheit niemand diese Bücher im Regel stehen – mich selbst eingeschlossen. Sie stehen für eine Zeit und für eine Schicht, die im Grunde nicht wirklich gelesen hat. Es sind quasi Alibibücher, weil man ein paar Bücher haben muss.
Insofern ist das vielleicht nicht hochpersönlich für die Figur, die in der Wohnung gewohnt hat, aber ordnet sie einer ganz bestimmten Zeit und Klasse zu – in meinen Augen. Und diese beiden Aspekte – Zeit und Klasse – sind für mich absolut wesentlich für den Text: Sie definieren nämlich das Leben und den Tod dieser bestimmten Person.
Im Wohnzimmer sah ich mir die Dinge in der Schrankwand genauer an. Die Anlage war von Loewe und ich überlegte, ob ich nach den Lautsprechern fragen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Eigentlich brauchte ich sie nicht und sie waren wirklich sperrig. Ich öffnete ein Fach mit einer Klappe und fand die Hausbar samt einer Auswahl an Gläsern. In einem Fach weiter oben waren Fotos aufgestellt. Eines zeigte ein mittelaltes Paar, das vor den Pyramiden in Ägypten posierte und in die Kamera strahlte. Der Mann trug ein enges Hemd mit breitem Kragen, um seinen Hals hing eine silberne Kamera, die Frau hatte eine große Sonnenbrille mit weißem Gestell auf der Nase und eine aufgebauschte Frisur. Das Foto hatte einen starken Gelbstich, wahrscheinlich war es irgendwann in den Siebzigern oder frühen Achtziger aufgenommen worden
Auch hier wieder, das Fette kann m.E. getrost raus, es ist belanglos. Für mich kommt mehr Fahrt auf, wenn es gleich mit den Fotos weitergeht.
Auch hier: Die Loewe-Anlage ist ein Detail, das die vergangene Zeit markiert, das Nachsinnen über das Mitnehmen ist für mich geradezu ein Teil des Kerns der Textaussage und die Hausbar wird später in der Handlung wieder relevant. So sehe ich das, aber vielleicht liege ich damit falsch. Bräuchte mehr Feedback, um das einschätzen zu können.
In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger,
Was ist ein Aufnehmer? Ich denke mal ein Bodenwischer oder Wischmopp?
Nur mal aus Interesse: Warum kommentiert man so etwas? Was kann der Autor dafür, dass du ein Wort nicht kennst? Zumal du es dir anscheinend mühelos erschließen konntest?
Zwischenzeitlich kam eine Speditionsfirma das Bettgestell abholen. Ich warf jetzt nichts mehr von Balkon, obwohl wir uns damit viele Wege gespart hätten. Den beiden sagte ich, ohne die Matratze als Puffer wäre das doch zu laut.
Auch hier der komplette Absatz ...
Da steckt sehr viel Bedeutung drin: Der Erzähler bleibt aus Respekt vor der alten Frau bei seiner Entscheidung, obwohl es Nachteile für ihn und die anderen hat. Gleichzeitig macht er im Gespräch mit ihnen seine wahre Motivation aus Gründen nicht transparent.
Wenn man solche Stellen streicht, nimmt man dem Text an Subtilität und zweiter und dritter Ebene in meinen Augen. Die Annahme ist hier natürlich, dass die Leser auch in dieser Tiefe über den Text und seine Bedeutung nachdenken, was vielleicht illusorisch ist.
Ich weiß nicht, wie andere Autoren das machen, aber ich stelle mir immer vor, dass meine Texte einem Deutsch-LK in einer Prüfung zur Interpretation vorgelegt werden. Sie sollen also auch noch etwas offenbaren, wenn man sie systematisch untersucht und nicht nur einmal durchliest. Alles andere ist für mich irgendwo Trivialliteratur. Vielleicht die falsche Herangehensweise, vielleicht sogar gerade kontraproduktiv. Keine Ahnung.
Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war.
Da war mein erster Gedanke: hat er in die Hosen gemacht? Ich weiß es immer noch nicht. Und ist das wichtig?
Werde es wohl streichen, aber für mich war es sehr wichtig. Erstens ist der Text ja stark autobiografisch und gerade das Schwitzen im Bereich Schoss und Po ist in Arbeitsklamotten sehr unangenehm. Dazu war ja hier auch dein erster Gedanke: Sieht aus, als hätte er in die Hose gemacht. Ergo: Stell dir vor, wie gerne man so durch die Gegend läuft! Das zeigt für mich an, was körperliche Arbeit alles beinhaltet und was der Schreibtischtäter gar nicht auf dem Schirm hat.
Sie würden auch den übrigen Boden entfernen und die vergilbten Tapeten von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen. Sie würden die Fliesen von den Badezimmerwänden kloppen, das Waschbecken abschrauben und die Badewanne herausreißen. Dann würden sie neue Becken und Armaturen einsetzen, neue Böden verlegen und die frisch tapezierten Wände weiß streichen. Ein neutraler Raum würde entstehen, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.
Auch hier ist es mir viel zu detailliert. Jeder weiß, wie so eine Renovierung abläuft und das mechanische Aufzählen nimmt die Melancholie dieser Stelle. Stattdessen hat man den ganzen Aufwand und die Arbeit vor Augen, genau das Gegenteil von dem, was du erreichen wolltest.
Vielleicht: Sie würden das vergangene Leben von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen
und die übrigen Räume aushöhlen, bis ein neutraler Raum entstehen würde, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.
Das ist die Art von Kommentar, die einem weiterhilft! Sinnvoll aus dem Text heraus begründet mitsamt konkretem Verbesserungsvorschlag. Damit kann ich was anfangen. Unironisch: Merci Beaucoup!
Meda kurbelte das Fenster runter und reichte ihm die Hand. Ich sah einen zusammengefalteten Zwanziger.
“Hallo, wie geht’s denn heute?”
Der Mann griff kurz zu und ging nicht auf die Floskel ein. “Was haste?”
Den Zwanziger konnte ich nicht einordnen. Wieso gibt Meda ihn dem Typen? Für was? Müsste nicht der Typ den Zwanziger Meda geben für die Elektrogeräte?
Kommt das echt nicht rüber? – Sie trennen den Müll nicht, obwohl sie sollten, und schmeißen alles gegen Schmiergeld auf eine normale Müllkippe!
Gerne noch mal: Vielen Dank und bis später mal, mache mich demnächst an die erste Verbesserungsrund.
Freundliche Grüße
HK