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Übermal es einfach, mein Schatz

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20.07.2015
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Übermal es einfach, mein Schatz

Die Leiter stank nach alter Farbe.
Er tunkte den Pinsel in den Eimer und begann, die Wand weiß zu streichen.
Die Worte auf der Wand protestierten nicht, obwohl er das Gefühl hatte, sie seien lebendig. Er fuhr hoch und runter; eine bleiche Schicht legte sich über die Filzstiftlinien. Angst verblasste unter weißer Farbe. Wut wurde übermalt. Verzweiflung abgedeckt.
So einfach war es also, dachte er.
Die Scherben des Fotorahmens hatte er schon zusammengekehrt, den vollgekritzelten Spiegel, aus dem ihn nur Stücke seines Spiegelbildes anschauten, abgehängt. Die Überreste der Stereoanlage lagen noch im Zimmer. Zerschnittene, rote Kabel. Zerbrochene CDs.
Hoch und runter, weiße Farbe auf schwarzen Wörtern. Verschwand tatsächlich alles? Deckte die Farbe nicht bloß ab? Ließ sie die Worte verschwinden, wie sie aufgetaucht waren?
Damals, als er die Schreie seiner Mutter gehört hatte. Schloss er sich in seinem Zimmer ein, kauernd auf dem Boden, die Ohren mit Papiertaschentüchern verstopft. Dann waren die Worte gekommen. Erst eines. Angst.
Und dann in Scharen, immer mehr, das Zimmer schließlich vollgekritzelt mit seinen Albträumen.
Seine Mutter war nicht wütend geworden. Er sah den Bluterguss unter ihrem Make-up, die blauen Flecken auf ihren Armen und die Verzweiflung unter ihrem Lächeln.
„Übermal es einfach, mein Schatz.“
Und das hatte er getan.
Das Weiß blendete ihn, als er von der Leiter hinunterstieg. Der Eimer fast leer.
Den Müll hatte er inzwischen aufgesammelt, das zerrissene Laken weggeworfen, die zerstochene Matratze stand auf dem Sperrmüll.
Lächelnd kam seine Mutter ins Zimmer und umarmte ihn. Sein Vater stand hinter ihr im Türrahmen.
„Jetzt ist alles gut, mein Schatz.“

 

Hallo Weltenläufer,

es freut mich sehr, dass dir die KG gefällt und dich erreicht hat :D
Sie wurde ja bereits ein bisschen überarbeitet, wobei mir die Wortkrieger mit ihren Kommentaren sehr geholfen haben.

Das Lächeln ist nicht genug, findest du?
Ich überlege gerade, wie man ihre Verzweiflung besser ausdrücken könnte. Aber ein "verzweifeltes" Lächeln scheint mir dann so... ich weiß nicht. Ein bisschen zu sehr das "richtige" Wort. Es geht bei der Geschichte ja mehr darum, was nicht gesagt wird... die Wörter verschwinden unter der Farbe (aber natürlich tun sie das nicht); Alles ist gut (aber natürlich ist es das nicht). Die grausame Realität, wie du schon gesagt hast...
Ein weiteres Detail vielleicht? Ich denke da an eine weitere Verletzung, aber die hab ich schon genug angedeutet, finde ich.
Nun, mir fällt sicher noch etwas ein. Ein verlorenes Lächeln vielleicht?

Auf jeden Fall, schön, dass du meine Geschichte gelesen hast :) und danke für deinen netten Kommentar.

Liebe Grüße

Lucinda

 

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