Liebe Lucinda,
ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen, also: Willkommen im Forum.
Ich fand den Titel deiner Geschichte eigentlich lustig - hatte etwas in der Richtung lockere Beziehungs-Kurzgeschichte mit lustiger Pointe erwartet.
Was ich dann eigentlich las, war doch sehr düster - und das mag ich am allerliebste! (Melancholie und so ... Irgendwie ist meine sadistische Ader doch sehr ausgeprägt, )
Ich fand die Idee sehr gut. Und auch, wie du es am Ende auflöst, denn zuerst dachte ich, da steckt vielleicht Vandalismus von Fremden (Mobbing, Ausländerhass, Homophobie oder sowas) dahinter.
Es hat alles in allem etwas schwerfällig Trauriges, wie er da so vor sich hinmalt.
Aber (nun kommt leider ein dicker Aber): Am Stil seh ich noch einiges, das man nicht so einfach übermalen kann.
Das liegt schon am Ablauf der Geschichte. Der Erzählzeitraum ist ja an und für sich sehr kurz, du verbringst die meiste Zeit damit, ein Bild zu beschreiben. An und für sich nicht schlecht, im Gegenteil. Aber gute "Bildbeschreibungen" sind echt kniffelig.
Hauptsählich geht es ja darum, was er schon aufgeräumt hat und was er noch nicht aufgeräumt hat. Da wiederholst du dich sprachlich ziemlich oft oder es wird so verschachtelt, dass man als Leser zwischen gelangweilt und verwirrt hin und her schwebt.
Da dein Text sehr kurz ist, würd ich dir einfach mal linear aufzeigen, was mir aufgefallen ist:
Die Leiter stank nach alter Farbe und nach einer Zeit, als sein Vater in einem dreckigen Hemd, die Wohnung allein weiß angestrichen hatte.
Vor allem durch das zweimal "nach"wirkt der Satz sehr sperrig. Wenn du ihn etwas umschreibst, wird das aber ein super Einstiegssatz für deine Kurzgeschichte:
"Die Leiter stank nach alter Farbe und einer Zeit, als/in der sein Vater in dreckigen Hemd die Wohnung angestrichen hatte."
Das mit dem "allein" ... Hm ... Du wolltest eigentlich sagen: Der Vater hat die Wohnung im Alleingang weiß gestrichen?
So, wie du es vor "weiß" stellst, fand ich es ein wenig seltsam (man hätte es auch deuten können als: Er hat die Wohnung nur weiß gestrichen und in keiner anderen Farbe).
Du hast schon eine sehr reduzierte Geschichte, also wenig Infos (aber die Infos, die du hast, sind alle gut plaziert und passend, also hier auch nochmal ein Lobpunkt am Rande
), deshalb: Ist es wichtig, dass der Vater das alleine gemacht hat? Und dass er die Wohnung weiß gestrichen hat? Oder kommt man auch ohne die Infos aus? Ich würde fast sagen ja ...
Denn im nächsten Satz kommt schon wieder weiß:
Er tunkte den Pinsel in die weiße Farbe und begann auf der Wand auf und abzustreichen.
Um einen Gegensatz zu dem Protagonisten und dem Vater herzustellen, könntest du auch formulieren: "Nun war er es, der den Pinsel ..." usw.
Außerdem Rechtschreibung: "auf der Wand auf und ab zu streichen"
Die Worte auf der Wand protestierten nicht, obwohl er immer das Gefühl gehabt hatte, sie seien lebendig.
Den Satz fand ich richtig toll, da kommt total viel rüber!
Die Scherben des Fotorahmens hatte er schon zusammengekehrt, den Spiegel, an den er die Wörter so zahlreich gekritzelt hatte, dass ihn bloß klitzekleine Stücke seines Spiegelbilds ansahen, hatte er abgehängt.
Das zweite "hatte" kannst du ersatzlos streichen, damit lockert sich der Satz enorm auf.
Ich würde darauf verzichten, so genau darauf einzugehen, was er "schon" und was er "noch nicht" aufgeräumt hat; das ist, wie gesagt, sehr antrengend für den Leser, und ich hatte nicht das Gefühl, dass es große Bedeutung hat, dass der Spiegel nicht mehr hängt aber dafür die kaputte Stereoanlage noch rumliegt. Oder irre ich?
Beschreib einfach das Chaos um ihn herum, denn der nächste Abschnitt war doch nicht sehr elegant:
Die Überreste der Stereoanlage hatte er noch nicht zusammengekehrt. Die zerschnittenen roten Kabel lagen noch im Zimmer zerstreut wie dünne Innereien. Zerbrochene Cds daneben. Zuvor war er in eine getreten und hatte auf die Fließen geblutet, die er zuvor mit Reiniger von den schwarzen Worten befreit hatte.
Hoch und runter, weiße Farbe auf schwarzen Wörtern. Vielleicht verschwand ja tatsächlich alles. Vielleicht konnte die Farbe ja nicht bloß abdecken. Vielleicht konnte sie die Wörter ja tatsächlich verschwinden lassen, so wie sie aufgetaucht waren.
Rechtschreibung: CDs statt Cds
Da sind immer ziemlich viele Wortwiederholungen, meist zweimal das gleich Wort pro Satz; lies dir das mal laut vor, dann merkst du, wie's dir selber auch besser gefällt. Das wirkt so sehr redundant auf mich.
Inhaltlich und abgesehen von den zweimal "ja tatsächlich" (von denen du eigentlich keines brauchst, wenn wir streng sind), fand ich den zweiten Abschnitt sehr gut.
Die Gedanken bzw. die Absichten und die "Spaltung" des Protagonisten hast du sehr scharfsinnig und empathisch erfasst. Du sagst da mit wenigen Sätzen sehr viel.
Das Weiß blendete ihn beinahe, als er von der Leiter hinunterstieg.
Das ist jetzt absolut subjektiv - ich sehe auch ein, dass es eine gewisse Symbolik enthält - aber dass blendende Weiß fand ich ein wenig zu viel. (Ist ja normale weiße Farbe und nicht radioaktiv oder so?)
Du hast eine sehr einfühlsame, subtile und empathische Art, das zu beschreiben und die oben genannten Stellen, die ich gut fand, die hab ich genannt, weil ich sie richtig gut fand (um das nochmal zu betonen).
Das, was ich angemerkt hab, ist hauptächlich ein Problem von: Überarbeiten, Text ausfeilen, Erfahrung was gut klingt. Es hilft auch, sich seine Texte mal vorzulesen und dabei kritisch jedes Wort zu überdenken, ob das unbedingt notwendig ist oder nur ein Füllwort.
Ansonsten: Schöne Szene.
Liebe Grüße
Tell