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Zeitgerinnsel

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Zeitgerinnsel

Zeitgerinnsel


0 Uhr. 10 nach, 10 vor, 10 nach. 10 vor. 2 Uhr. 02:01 Uhr.

Lichtschuss im Ätherlichen beweglich. Zwischen zwei Spiegeln. Widersprüchlich im rhythmischen Herzschlag des Universums. Lichtreflexion. Rechtfertigung ist das Wie. Rhythmisch. Taktmesser gibt es mehr. Sechs Milliarden. Lichtpingpong.

Sie schlurft zum Stall. Eimer schüttelt Wasser, lässt es Wellen schlagen. Das Wetter ist reißerisch, zerstörerisch und wochenendlich mild. Handgereiche, Handgedanke, Handgemenge. Meins ist deins und deins ist die Zukunft. Bliebe das Wetter mild. Danke, Hände, nimm es. Das Wetter ist heute. Handgehäute. Gelecke. Morgen ist es wie in der Ferne. Gehen, sitzen, krümmen, liegen, nicht sein. Läßt sie sterben. Verflossen.

Es gibt keinen Äther. Realativ. Licht verschluckt. Gedehnt.

10 nach, 10 vor. 10 vor. 5 vor. Noch vier Minuten. Noch zwei. Noch 30 Sekunden. Noch eine Hundertstelsekunde.

 

Danke fürs Lesen und die Kommentare!

Zu Jo oder so: Wieso sollte ich meinen Leser mit dem Tagesablauf einer Bäuerin/Magd langweilen? Das mit der angenehmen Länge liest sich so: Länger hätte es nicht sein dürfen. Aber gut, ich nehme es mal als eine positive Anmerkung.

Zu Illu: Ich glaube, bei Dir ist in etwa die Athmosphäre, die ich vermitteln wollte, rübergekommen. Ich habe gar nicht versucht, dem Leser, das was ich gedacht habe, verständlich zu machen. Es ist eine Interpretation eines Musikstücks; mir kommt es in erster Linie auf die Form und auf das Gefühl an, das vermittelt wird, wenn es denn vermittelt wird. Natürlich hat jeder Satz einen Sinn. Aber es macht mir gar nichts aus, dass jeder Satz hier auch mehr als einen Sinn hat.

Freut mich, dass ihr den Text gerne gelesen habt.

 

Hallo Zaza,
ich habe deine Geschichte auch sehr gerne gelesen. Erfrischend anders. Das mit dem Sinn sehe ich genauso, auf die Wirkung kommt es an.
Auch deine Kreativität hinsichtlich der Neologismen ist beachtlich. Was mich ein wenig stört ist der Schluss. Ich kann nicht sehr viel mit anfangen und habe das Gefühl, dir wär nichts besseres eingefallen und du hättest den Kreis einfach nur schließen wollen. Das ist zumindest mein Eindruck, kann aber täuschen. Aber sonst, wirklich interessant. Liebe Grüße, Kuerbisbluete :-)

 

"Interpretation eines Musikstücks" war jetzt ein Stichwort für mich. Schon erinnert mich dieser Text sehr an den letzten Track auf Pink Floyds "Atom Heart Mother" (aus dem Jahre 1970). Auf dem Cover ist formatfüllend eine Kuh auf der Weide abgebildet, auf der Rückseite gar deren drei. Der gut zehnminütige Track beginnt und endet mit der Regelmäßigkeit eines tropfenden Wasserhahns. Dazwischen wechseln sich melodische Parts mit reinen Geräuschaufnahmen der Gruppenmitglieder beim Frühstück mit Cornflakes und Spiegeleiern ab.
Eine Umsetzung dieses Tracks sähe vielleicht ähnlich aus. Hier wie dort geht es um verstreichende Zeit (an einer Stelle heißt es: "...then we are ready for the gig...") und um alltägliche Handlungsabläufe, deren Anwesenheit vom Hörer medienbedingt nur akustisch wahrgenommen und interpretiert werden kann (schlurfende Schritte, Verzehr der Cornflakes usw.)

Hier aber kenne ich das zugrundeliegende Musikstück nicht. Ich habe nur den Text. Interessant finde ich den Versuch, die Spur vom sprachlichen zurück zum akustisch-melodischen Pendant zu verfolgen, um zu sehen, wie nahe ich seinem Ursprung kommen würde.
Wenn ich das mal eben versuche, erhalte ich folgende Assoziationsreihe:

---

pendelnde Regelmäßigkeit. Ruhe. Einfachheit.

plötzliche Unruhe ("Lichtschuss", "widersprüchlich"), bald wieder in Ruhe überfließend. Sterilität.

Einbruch ins Leben. Orientierungslosigkeit ("Handgereiche, Handgedanke, Handgemenge"). erneute, aber jetzt belebte Unruhe. Leben geht in den Tod über.

Ausbruch aus dem Leben. Auflösung des sterilen Seins. Vernichtung. Stille.

Ausgang. verblassen der Zeit.

---

 

Vielen Dank für eure interessanten Kommentare! Möglicherweise wird es den Text bald nicht mehr geben. Leif will ihn löschen, da sein Horizont die Erkennung und Anerkennung meines Expermentes als solches nicht zulässt.

Philo, Deine Anmerkungen finde ich besonders interessant. Tatsächlich handelt es sich um andere Musik. Mein Interesse für Pink Floyds Stück ist aber geweckt.

Kürbisblüte, nein, ich bin streng der Musik gefolgt und da hat sich dieses Ende ergeben. Also logisch ergeben. Anders ginge es nicht, wenn ich nicht gerade einen ganz anderen Aufbau wählen wollte.

Jo oder so, danke dann! Höre ich um so lieber.

 

Hey Za!

Hm, es ist schon lange her, dass ich deine Geschichte gelesen habe, eigentlich habe ich sie sofort gelesen als ich gesehen hatte, dass es was neues von dir gibt. In der Zwischenzeit hab ich über die Geschichte nachgedacht, sie vergessen, usw halt. Genug geschwafelt. Zur Feier des Tages heute gibt es die Kritik, bin gnädig.

Da ich irgendwann irgendwo halbsweg mitbekommen habe, worum es in deinem Experiment geht, halte ich mich in diesem Punkt zurück.

Die erste Zeile hat mich anfangs an eine Sanduhr erinnert. Weiß nicht genau, wieso, aber daran musste ich zuerst denken.
Danach folgt eine typische Zaza Geschichte, die man mindestens ein dutzend Mal lesen muss, bis man sie teilweise glaubt verstanden zu haben (oder auch gar nicht).
Der erste Absatz liest sich für mich wie ein Blick auf das Ganze: Universum, Erde, 6 Milliarden Menschen. Dann geht es um ein bestimmtes Individuum, das durch bestimmtes Handeln eine Kette von Ereignissen auslöst. Danach ein Wirrwarr an Sachen, Eindrücken – aus der ganzen Welt vielleicht? Ich weiß es nicht, bin mir nicht sicher.
Am Ende wieder diese Sanduhr-Verbindung (in meinen Augen), der Sand lässt nach, ist bald zerronnen, die Zeit (der Welt?) vorbei.

Nun, das sind so meine Eindrücke zu deiner Geschichte. Mensch, das war jetzt wirklich die letzte Geschichte von dir, die ich mir angetan habe, jedes Mal krieg ich ein paar graue Haare mehr.

Grüße
Al

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Zaza,

wie immer sehr interessant.

<<Lichtschuss im Ätherlichen beweglich. Zwischen zwei Spiegeln. Widersprüchlich im rhythmischen Herzschlag des Universums. Lichtreflexion. Rechtfertigung ist das Wie. Rhythmisch. Taktmesser gibt es mehr. Sechs Milliarden. Lichtpingpong.>>

Dazu kamen mir spontan eine Menge Gedanken aus dem Physikbereich. "Lichtschuss im Ätherlichen beweglich. Zwischen zwei Spiegeln." Das klingt ganz nach dem Beweis, dass es den Äther nicht gibt von Michelson-Morley.
"Widersprüchlich im rhythmischen Herzschlag" vermutlich, weil das Licht "gefangen" ist zwischen den Spiegeln und eigentlich keine Zeit vergehen dürfte, wenn man sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt? Gefangene Zeit?

Die emotionslose Betrachtung eines Wissenschaftlers.

Dann der "Bruch",

<<Sie schlurft zum Stall. Eimer schüttelt Wasser, lässt es Wellen schlagen. Das Wetter ist reißerisch, zerstörerisch und wochenendlich mild. Handgereiche, Handgedanke, Handgemenge. Meins ist deins und deins ist die Zukunft. Bliebe das Wetter mild. Danke, Hände, nimm es. Das Wetter ist heute. Handgehäute. Gelecke. Morgen ist es wie in der Ferne. Gehen, sitzen, krümmen, liegen, nicht sein. Läßt sie sterben. Verflossen.>>

Ich könnte mir hier ganz verschlüsselt ein Bild einer Beziehung bzw. Beziehungen im Allgemeinen vorstellen. Du leitest ja über mit "Taktmesser gibt es mehr. Sechs Milliarden.". Als Takt hier würde ich den Herzschlag des Menschen interpretieren.

(Wenn die Augen als Spiegel der Seele betrachtet werden, also "Lichtpingpong" auch zwischen zwei Seelen, Blicke austauschen vielleicht.)

Den Stallsatz kann ich nicht interpretieren.

"Wetter" als Metapher für Beziehungen der Menschen untereinander. "Handgereiche, Handgedanke, Handgemenge" als "gesellschaftliche Gesten (Kennenlernen) - Strategien zur Eroberung (Wunsch nach Berührung) - Krieg (Zeugung eines Kindes)" z.B.
"Meins ist deins und deins ist die Zukunft", kommt darauf an, wie rum man es nun liest. Könnte heißen: was mir gehört, ist deins, damit ist für dich die Zukunft gesichert. Kann auch gelesen werden als: Mir gehört, was dir gehört und das ist die Zukunft.
Ich würde sagen: das Sorgen für den anderen (der nichts hat oder sonstwie abhängig ist - Kind), der jünger ist bzw. mehr Überlebenschancen, also "die Zukunft hat", also nach der ersten Version interpretiert.
(Die Zweite würde bedeuten, dass der Schwächere ausgebeutet wird.)

" Bliebe das Wetter mild. Danke, Hände, nimm es. Das Wetter ist heute."
"Wetter" also als Bild für die Beziehungen. "Bliebe das Wetter mild." - es ist nicht gesichert, dass die Beziehungen gut bleiben.

"Handgehäute. Gelecke."
Häutung der Hände - der wahre Charakter hinter den gesellschaftlichen Floskeln kommt hervor? "Gelecke" - schwierig. Kriechen vor den Mächtigen?

"Morgen ist es wie in der Ferne."
Verblassende Erinnerungen?

"Gehen, sitzen, krümmen, liegen, nicht sein."
Der Werdegang des Menschen, laufen lernen, alt werden, sterben, zerfallen?

"Läßt sie sterben. Verflossen."
Ihr Leben (wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies eine Person ist) ist vorüber, niemand ist da, der sich erinnern kann. (Wenn "sie" die Erde sein könnte, so nimmt sie ja alle Menschen mit ins Grab.)

" Es gibt keinen Äther. Realativ. Licht verschluckt. Gedehnt."

Laut Wissenschaft (real) gibt es den Äther nicht. Vielleicht Erinnerungen, Gefühle der Menschen und die Irrelevanz für die wissenschaftliche Betrachtungsweise?

Ich grübel noch über die Zeit 2:01. Wenn man den Lichtschuss als Urknall nehmen wollte, wäre es ja 0 Uhr. Wenn man dies annimmt, weiß ich jetzt nicht, was genau um 2 Uhr passierte (nur, dass 2 Minuten vor 12 der Mensch auftaucht). Aber das ist nur so ein peripherer Gedanke.

Insgesamt würde ich das Gegenüberstellen der Zeitempfindung der Menschen und der Zeit im wissenschaftlichen Sinne interpretieren. (Ich wüsste gern, wer da in den Stall schlurft, aber vermutlich verrätst Du es nicht.)

(Das Stichwort "gedehnt" - Zeitdilatation?)

 

Ok, Vio hats im Großen gepackt: Habe mich für eine Prüfung (Raum-Zeit-Geometrie) mit Einsteins Relativitätstheorie beschäftigt. Michelson-Morley, Dilatation, Zeitbegriff/-empfindung und menschliche Beziehungen aus einer individuellen Perspektive (sie ist sie, wirklich nur eine sie) als Erbe, das schoß mir durch den Kopf. Zeit im realen Sinn und im menschlichen und die Einbettung eines menschlichen Lebens in dieser. Ja, darum gings mir.

Die Zeitangabe hat aus autorischer Einfallslosigkeit nichts zu bedeuten. Aber Du zeigst mir da ja einen Verbesserungsgedanken, den ich mal schön ausrollen werde.

Danke für die Kommentare!

P.S. Dafür schlag ich Dich, Al! Nie wieder einen Text von mir...

 

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