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Verständnisloses Schweigen
Am Ende des Lichts stehst du, schaust gebannt, mich an. Kein Blinzeln, starrend erstarrt nur das Wasser am Kinn. Im eigenen Tempo fließt es bis zur Spitze hinab, fällt. Bewegung, Zucken und auf einmal bist du da. Dein Blick spricht Bände, währenddessen du meine Körpersprache nicht verstehst.
Umgebungsgeräusche werden monoton und dennoch unverkennbar. Das Herz ist pochend stehen geblieben. Der Atem drückt die Brust auf und ab, am Herzen vorbei. Der Notbedarf lässt mich überleben, wobei der Verstand scheiternd schreit. Das Licht ist unfassbar hell, sodass ich dein Gesicht, jedes Detail, entdecke. Umrisse schwimmen in meinem Blickfeld vorbei, aber dein Blick bleibt.
Kein lautes Wort, flüsternd suchst du Zuneigung. Verständnisloses, langatmiges Schweigen solang die Zweifel und Ängste, mit Anlauf, jede Hürde unserer Wände überqueren. Das Ziel ist in Sicht, als die Synapsen die Empfindungen schlagartig zurückholen. Die Zeit läuft schleppend und doch zu schnell, und bevor wir es merken werden die Umgebungsgeräusche unfassbar laut. Das Dröhnen im Kopf setzt der Atmung zu, aber lässt die Momentstarre nicht lösen. Dein starrender, ratsuchender Blick setzt mit jeder Minute weitere Gewichte auf meine Schultern. Während ich immer kleiner und runder werde, steigen parallel der Druck und die Trägheit. Bevor ich zusammenbreche, verschwimmst du als Umriss in meinem Blickfeld. Verschwimmst in meiner Erinnerung als klares, detailliertes, schwarzes Loch.
Deine Spucke wische ich mit meinem kalten, zitternden Handrücken weg. Atmen scheint leichter, die Synapsen geben nach.
Dein Blick geht, aber das Starren hat nicht aufgehört. Geschockte, angewiderte Gesichter begegnen meinen Augen. Hilfesuchend werde ich enttäuscht. Allein stehe ich von meinem Hocker auf, hebe meinen Arm von der Bar. Leise, unbemerkt, im Starren der Umgebung, verabschiede ich mich von den Menschen, verabschiede mich von mir selbst. Verabschiede mich an jegliche Erinnerung, was Anderen die Meinungsbildung über mich, in dieser Nacht, erleichtert. Ich hatte von vornherein keine Chance, nach dem was passierte, mit Sympathieträgern hinaus zu gehen.
Am nächsten Morgen, wache ich weinend, durch die morgendlichen Sonnenstrahlen, auf, stehe auf, lasse los, setze mich wieder hin.
Ich schreibe und hoffe, dass meine Verzweiflung irgendwo auf der Welt gefühlt wird. Das irgendjemand kommt und mich aus dieser Hilflosigkeit rettet. Irgendjemand soll sehen wie ich mich verändere. Irgendjemand, irgendetwas, irgendwann, am liebsten jetzt sofort und doch überhaupt gar nichts.
Der Übergriff macht mich so klein, dass ich unter der Bettdecke im eigenen Haus zurück bleibe und nie wieder das Dröhnen im Kopf, am Anfang des Lichtes mit verschwommenen Umrissen, vergesse. Nie wieder frei von der Last der Einsamkeit. Im verständnislosen Schweigen gefangen.