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Urban Legends - Die Vogelscheuche
Jede Stadt hat ihre Geschichte.
Um jeden Ort ranken sich ganz individuelle Legenden über blutige Schicksale, verlorene Seelen und die absolute Hilflosigkeit im Angesicht des Todes.
Es sind Legenden wie die, des Skinned Tom's aus Kalifornien, der für einen sexuellen Fehltritt mit seiner Haut bezahlen musste und seine zwischenweltliche Existenz fortan damit fristete, selbigen Tribut von ebenfalls straffällig gewordenen Ehebrechern einzufordern.
Es sind die Geschichten wie die, des geistig zurückgebliebenen Jungen irgendwo in Südamerika, der ohne eine klare Vorstellung für den Unterschied zwischen Leben und Tod seine Mutter erwürgt, die ihn im geheimen großgezogen hatte um ihn vor seinem gewalttätigen Vater zu schützen.
Und es sind vor allem auch die Berichte, wie die des Candymans, der in einem Zeitraum von 2 Jahren nicht weniger als 27 Jungen und junge Männer folterte, vergewaltigte und ermordete, bis er selbst den Tod fand.
Es sind die Geschichten die uns Menschen den Spiegel vorhalten um uns die Grausamkeiten dieser Welt aufzuzeigen, die dank hilfreichen Erfindungen wie Kultur und Gesellschaft langsam aus unserem Bewusstsein gerückt wurden.
Es sind Geschichten ... wie diese.
Victor Downey kam als Kind eines Bauernehepaares zur Welt dass alles andere als wohlhabend war, aber ein beträchtliches Stück Land ihr eigen nennen durfte.Doch mit seiner Geburt begann auch die Leidengeschichte des jungen Victor Downey der mit schrecklichen Missbildungen der Wirbelsäule zur Welt kam, so dass ein aufrechter Gang für ihn beinahe unmöglich wurde, womit ihm schon bei der Geburt die Chance genommen wurde jemals ein normales Leben führen zu können.
So wuchs der früh benachteiligte Victor abseits von allen neugierigen Augen in der Abgeschiedenheit des alten Grundstückes auf dass seinem Vater gehörte. Es lag auf einem großen Hügel und es gab dort eine ganze Menge Felder, die von seinem Vater, Robert Downey eigenhändig bestellt wurden. Was Sie nicht selbst essen konnten, das verkaufte sein Vater beim Wochenmarkt in der Stadt, wo er einmal an jedem Wochenende alleine hin fuhr, während Victor stets an der Seite seiner Mutter blieb die sich größte Mühe gab ihren Sohn so gut wie nur möglich zu erziehen. Sie brachte ihm lesen und schreiben bei und versuchte ihn zu einem guten Christen zu erziehen. Doch das Leid der Downeys hörte nicht auf. Denn schon bald stellte ein Arzt, der in den jungen Jahren Victors regelmäßige Hausbesuche bei den Downeys machte fest, dass Victor, neben seinen körperlichen Missbildungen noch Anzeichen eines unterentwickelten Verstandes aufwies, die genetisch bedingt und damit nicht zu korrigieren waren.
Es wurde zunehmend schwerer für die Downeys. Während die Mutter sich weiterhin die größte Mühe gab ihrem Sohn die Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken die er verdiente, so war sie doch dem emotionalen Druck nicht immer gewachsen. und verschloss sich oft stundenlang in ihrem Schlafzimmer. Für den kleinen Victor war dies die schlimmste Zeit... Denn dann war er jedes mal völlig allein in dem alten Holzhaus und fühlte sich ... einsam. Dennoch war er froh dass zumindest sein Vater nicht hier war. Denn wenn er von der Arbeit kam, dann sah er so böse aus und holte sich immer diese Flasche, mit der scheußlichen, hellbraunen Flüssigkeit aus dem großen Glasschrank im Wohnzimmer. Victor wusste dass es scheußlich schmeckte. Denn als er einmal allein war hatte er einen Schluck davon probiert und musste ihn sofort wieder ausspucken, weil es so sehr im Hals brannte. Er verstand nicht warum sein Vater dieses Getränk so sehr mochte dass er immer eine halbe Falsche davon trank wenn er nach hause kam.
Nein, er mochte seinen Vater nicht sonderlich. Und er glaubte, sein Vater mochte ihn auch nicht sonderlich. Aber das war schon in Ordnung so lange er Mama noch hatte.
Er verstand auch nicht warum Papa immer so laut wurde wenn er nach hause kam. Wenn Mama gerade im Schlafzimmer war, dann kam es oft vor, dass Papa wie wild gegen die Türe hämmerte und Worte rief die er nicht verstand, und wenn seine Mutter gerade nicht im Schlafzimmer war, dann kam es vor dass plötzlich beide laut wurden und er auf die Veranda geschickt wurde. Aber auch auf der Veranda waren die Stimmen seiner Eltern immer noch so laut dass es ihm fast in den Ohren weh tat.
Aber dort, auf der Veranda blieb er nicht lange. Denn Mama hatte ihm auf einem ihrer gemeinsamen Spaziergänge auf ihrem großen Grundstück einen Ort gezeigt wo er hin gehen soll, wenn es ihm in den Ohren weh tat. Ja, er wusste, dass seine Mama wirklich klug sein musste, um ihn so gut verstehen zu können. Er ging also eines Tage als es besonders schlimm in seinen Ohren wehtat und folgte genau dem Weg, den seine Mutter ihm gezeigt hatte, nach rechts, an den Büschen vorbei, durch das dunkle Dickicht der Bäume, über die kleine Lichtung, vorbei an dem alten Felsen, über die kleine Holzbrücke, die er mit seiner Mutter zusammen gelegt hatte, bis zu den Maisfeldern, hinter denen sich der Boden direkt ins Tal absenkte. Dort , bei den Maisfeldern war es wirklich wunderschön. Doch das schönste von allem, war die Vogelscheuche, am nahe gelegenen Rand der Maisfelder. Diese Vogelscheuche hatte er gemeinsam mit seiner Mama gebaut und dort aufgestellt damit er sie immer besuchen konnte.
Er mochte die Vogelscheuche. Sie war ihm lieber als alle drei Spielzeuge die er besaß.
Denn er fand, dass die Vogelscheuche ein bisschen aussah wie seine Mama, was wohl vor allem an den blonden Haaren aus Stroh lag. Und manchmal, wenn er alleine hier war, dann nannte er die Vogelscheuche sogar "Mama".
Das einzige was er an diesem Ort nicht mochte waren die Raben. Nein, er mochte die Raben überhaupt nicht. Denn sie waren schwarz. Und Mama sagte immer die schwarzen sollte man alle verjagen.
Aber was noch schlimmer an diesen Raben, schlimmer als ihre Farbe, war , dass sie jedes Mal wenn sie kamen, die Vogelscheuche kaputt machten, oder manchmal sogar irgendetwas einfach mitnahmen. Einmal waren es ein paar Strohhaare, ein anderes Mal war es die Feder, die er in die Hutschnur gesteckt hatte und einmal war es sogar ein Knopf von der Hose. Am Anfang mochte er es nicht wenn diese Vögel seine geliebte Vogelscheuche kaputt machten. Doch mit der Zeit gefiel es ihm auf dem Grundstück nach Ersatzteilen zu suchen und ein bisschen damit zu basteln, bis er die Vogelscheuche wieder hergerichtet hatten und jedesmal sah die Vogelscheuche hinterher besser ja seiner Mutter sogar ähnlicher.
So wuchs der kleine Victor langsam heran. Jedoch wuchs lediglich sein, sich immer stärker verkrümmender Körper, während sein Verstand in einem frühkindlichen, naiven Stadium verharrte.
Doch das störte ihn kaum, solange er noch seine Mama und seine Vogelscheuche hatte. Der malte er nun hin und wieder mit blauer Farbe, die er in der Scheune hinter dem Haus gefunden hatte, einen blauen Kreis um das linke Auge. Denn schließlich sollte die Vogelscheuche ja immer genau so aussehen wie seine Mama, auch wenn er nicht genau verstand woher Mama immer diese blauen Kreise hatte. Immerhin war Papa jetzt nicht mehr so oft da. Er trank seinen Kratzsaft jetzt lieber tagsüber und schlief danach eine ganze Weile. Victor freute sich darüber, weil seine Mama deshalb mehr Zeit für ihn hatte. Auch wenn sie sich dafür immer öfter im Schlafzimmer einschloss.
Er erinnerte sich daran dass er seine Mama einmal gefragt hatte was sie denn immer allein im Schlafzimmer machen würde. Sie hatte geantwortet sie würde dort immer weinen.
Er hatte danach nicht mehr gefragt, denn er wollte seiner Mama nicht sagen dass er dieses "weinen" nicht kennt. Denn schließlich wollte er Mama ja beweißen dass er ein kluger Junge war.
An diesem Tag hatte Victor zufällig einen roten Knopf gefunden. Er wusste nicht woher er kam, aber er gefiel ihm. Es war schon spät und weil es gerade regnete, legte er den Knopf unter sein Kopfkissen und wollte schlafen gehen, damit er morgen früh aufstehen konnte um den Knopf irgendwo an seiner Vogelscheuche unterzubringen, auch wenn er noch nicht genau wusste, wo. Victor konnte jedoch nicht einschlafen. Zuerst dachte er, es sei der Regen gewesen, dann dachte er es wären die Schritte seines Vaters gewesen der wohl gerade aufgewacht sein musste, was er irgendwie lustig fand.
Aber als es still wurde und er trotzdem noch nicht einschlafen konnte, beschloss er dass er wohl doch nicht bis morgen warten könne, so aufgeregt wie er wegen seinem neuen, roten Knopf schon war. Also stand Victor ganz leise auf, zog behutsam den roten Knopf unter seinem Kopfkissen hervor, zog sich schnell ein paar Schuhe an und schlich sich, so leise und vorsichtig wie es ihm nur möglich war aus dem Haus heraus. Der Boden sank mit einem schmatzen unter ihm ein, als er den ersten Schritt von der Veranda tat, so stark hatte es bereits geregnet. Vorsichtig watete er durch den Schlamm nach rechts bis zu den Büschen, durch das dunkle Dickicht der Bäume, über die kleine Lichtung, vorbei an dem alten Felsen, über die kleine Holzbrücke, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Doch etwas war in dieser Nacht anders. Der junge Victor hörte Schritte, schmatzende, schnelle, Schritte, die über den nassen Boden marschierten. Furchtsam schlich Victor rückwärts, zurück bis zu dem alten Felsen, in dessen Schatten er sich vor den herannahenden Schritten versteckte.
In Gewissheit um die Sicherheit seines Verstecks lugte er vorsichtig hinter dem alten Felsen hervor um einen kurzen Blick zu erhaschen, wer sich hier noch so spät bei den Maisfeldern herumtrieb. In einem kurzen Moment, in dem der Mond besonders hell zu scheinen schien, erkannte er seinen Vater, der mit starren Gesichtszügen und einem roten Kanister in der Hand zurück zum Haus zu schwanke.. Victor wollte keinen Ärger bekommen, darum rief er seinem Vater nicht zu und hoffte das er ihn nicht bemerkte. Als Victor sich sicher war, dass sein Vater bereits weit hinter der kleinen Lichtung sein musste, trat er aus seinem Versteck hervor und setzte seinen Weg zu den Maisfeldern fort.
Doch bereits aus der Ferne, als er gerade über die kleine Holzbrücke balancierte, bemerkte er dass irgendetwas nicht stimmte. Er erkannte einen hellen, roten Schimmer bei den Maisfeldern.
Eine innere Stimme ließ den jungen Victor immer schneller werden, bis er schließlich so schnell lief, wie er es konnte, so schnell, dass seine Glieder im schmerzten,so schnell dass seine Rückenwirbel bei jedem Schritt fast aus der Ummantelung seines Körpers heraus zu brechen schienen.
Als er schließlich keuchend bei den Maisfeldern angekommen war erkannte er es. Seine Vogelscheuche. Die Vogelscheuche die doch seiner Mama so ähnlich sah, stand in Flammen.
Sie loderte, von Kopf bis Fuß und erzeugte einen grässlichen Geruch, der nach dem alten Traktor seines Papas roch. Es durchfuhr ihn. „ Papa“ , dachte er, als er herumfuhr und sich schnell auf den Rückweg machte. Vielleicht konnte er seinen Papa noch einholen, der würde schon helfen können.
Auch wenn er sich fragte warum es seinem Papa nicht aufgefallen war dass die Vogelscheuche brannte. Schnell lief er zurück. Schneller als er jemals von den Maisfeldern zurückgelaufen war. Als er an den Büschen vorbei kam hörte er schon die Stimme seines Papas. Und auch wenn sie laut und undeutlich klang, war er froh, sie zu hören. Aber er hörte noch eine zweite Stimme. Es war die Stimme seiner Mutter. Er erkannte die Stimme, obwohl seine Mama nur zu schreien schien.
Er trat aus den Büschen hervor und wollte schon laut nach Hilfe rufen, als er plötzlich erstarrte.
Er musste mit ansehen, wie sein Papa, über seiner Mama kniete, die draußen, vor dem Haus im Matsch lag. Ihre blonden Haare, waren schon ganz dreckig. Und immer wieder schlug sein Papa mit seiner Hand auf Mamas Gesicht und rief undeutliche Dinge, die er kaum verstand.
Eigentlich verstand er fast nichts. Bis auf seinen Namen, den sein Papa sogar zweimal schrie.. Und wieder fuhr die Hand seines Vaters auf seine Mutter nieder. Victor fürchtete sich, denn seine Mama blutete. Er hatte noch nie gesehen dass seine Mama blutete. Dann sah sein Papa auf. Sie sahen sich direkt in die Augen. Sein Papa erhob sich, ließ Victors Mama einfach dort, im Schlamm liegen und ging, mit der Flasche voller Kratzsaft auf Victor zu. Sein Schritt war schwankend, ungleichmäßig.
Und ehe er den dritten Schritt vollenden konnte, stolperte er ... und fiel vor Victors Füßen in den Schlamm. Der junge Victor erstarrte. Und alles war still.
Es dauerte einen Moment bis Victor sich gefangen hatte und schnellen Schrittes zu seiner Mutter hinüber ging. Aber seine Mutter sagte nichts. Sie war eingeschlafen. Sie sah friedlich aus, wie sie so da lag, obwohl sie dreckig war und blutete. Verzweifelt versuchte Victor seine Mama aufzuwecken. Auch wenn er wusste dass sie dann immer ganz Böse wurde.
Er stand auf, ging zu seinem Papa und fragte ihn: " Papa, warum wacht Mama nicht mehr auf ?"
Doch alles, was er von seinem, am Boden ausgebreitet liegenden Vater als Antwort bekam war irres Gelächter und zwei Worte die sich Victor sofort ins Gehirn brannten: " Nie wieder".
Victors Augen wurden groß. Seine Muskeln spannten sich an und ohne zu wissen was er tat, ließ er sich auf dem Brustkorb seines Papas sinken. Er krallte sich mit beiden Händen, so fest er konnte am Hals seines Vaters fest. Er verharrte. Victors Vater strauchelte, versuchte seinen Sohn im Vollrausch von sich zu schütteln. Doch Victor verharrte. Er verharrte so lange, bis kein Ton mehr aus dem Hals seines verhassten Vaters quoll, er packte so fest zu dass seine Hand schon schmerzte.
Victor wusste nicht was er getan hatte. Aber nun war auch Papa eingeschlafen. Jetzt war es ganz ruhig. Keine Maschinen liefen in der Nacht, keine Stimmen ertönten auf den Feldern der Downeys, keine Krähen machten sich an den Maisfeldern zu schaffen. Die Maisfelder. Gerade als der Regen einsetzte, der kam um die Untaten der Nacht von den Körpern der Verstorbenen zu spülen erinnerte sich Victor.
Die Vogelscheuche. Ohne einen weiteren Gedanken an seine Mama oder seinen Papa stand er auf und machte sich, wie unter Schock auf den Weg nach rechts an den Büschen vorbei, durch das dunkle Dickicht der Bäume, über die kleine Lichtung, vorbei an dem alten Felsen, über die kleine Holzbrücke, bis zu den Maisfelder, die nun nur noch von einem alten, rußschwarzen Kreuz gehütet wurden.
Die Vogelscheuche war vollständig in Flammen aufgegangen. Nur der einsetzende Regen bewahrten das hölzerne Kreuz davor zu Asche zu werden. Immer noch taten Victor die Hände weh. Und seine Mama schlief. Und sein Papa schlief auch. Und die Vogelscheuche war kaputt. Und weil seine Hand ja eben so weh tat konnte er ja auch keine neue Vogelscheuche bauen die genau so aussah wie Mama....
Victor hatte seine Kräfte vollständig aufgebraucht. Die Verzweiflung nagte an ihm, setzte sich auf seine Schultern und ließ ihn vor den verkohlten Überresten der Vogelscheuche auf die Knie sinken.
Doch in diesem Moment, als ihm jede Hoffnung verloren schien, keimte in Victor ein Entschluss.... Ein Entschluss der so fest war, dass es ihm neue Kraft verlieh, ihn aufstehen ließ, ihn handeln ließ.
Mit aller Kraft stemmte sich Victor gegen das hölzerne Kreuz dass einmal das Gerüst der Vogelscheuche bezeichnete, bis das morsche Holz unter lautem, splitterndem und knacksen nachgab und mit dem stolpernden Victor auf die rußgeschwärzte Erde prallte.
Erneut erhob sich Victor, ließ das Kreuz dort, im Ruß liegen und machte sich auf den Heimweg zurück über die kleine Brücke, vorbei an dem alten Felsen, über die kleine Lichtung, durch das Dickicht und hinter den Büschen hervor, bis zu den Stufen seines Hauses, wo seine Mutter noch immer auf der nassen Erde lag als ob sie schliefe.
Unter Qualen sank Victor neben dem blutigen Leib seiner toten Mutter auf die Erde und verharrte dort, im Schatten seines Elternhauses den der Mond drohend über ihn warf , bis ihm plötzlich klar wurde dass es nun für immer still sein würde. Doch zum ersten Mal in seinem Leben zeigte ihm sich diese Stille nicht als rettende Zuflucht, die er aufsuchen konnte wenn er von Angst und Kummer gepeinigt, zerfressen zu werden drohte. Nein, diese Stille zeigte sich als ein zwieträchtiges, wildes Tier, lauernd.
Sei Blick wurde klar. Seine Entschluss fest. Mit festem Griff packte er das dürre Handgelenk seiner toten Mutter, erhob sich aus dem Dreck und zerrte ihren Leichnam weg vom Haus... Nach Rechts, an den Büschen vorbei, durch das dunkle Dickicht der Bäume, über die kleine Lichtung, vorbei an dem alten, Felsen, Über die kleine Holzbrücke, bis zu den Maisfelder, die nun nicht mehr von der Vogelscheuche behütet wurde die er doch so Liebevoll nach dem Vorbild seiner Mutter gestaltet hatte.
Eine Träne lief Victors Wange entlang und blieb unbemerkt. Müde werdend schleppte er das alte, rußige Kreuz herbei und legte es direkt über seiner Mutter auf den nassen Boden.
Eine zweite Träne suchte ihren Weg gen Boden als Victor erneut die Handgelenke seiner toten Mutter ergriff und ihren Körper behutsam auf dem Kreuz plazierte. Weitere Tränen flossen als er sich krümmte um an seine Hosentaschen zu gelangen in der er stets eine Hand voll Nägel mit sich führte.
Schnell wischte er sich mit dem dreckigen Hemd über die Augen, ehe er nach einem Stein griff, um mit diesem, schnell den ersten Nagel durch das tote Fleisch in das Kreuz zu schlagen.
Etwas geronnenes Blut trat aus der Wunde an ihrer Hand heraus, ehe auch die zweite Hand mit mehreren kräftigen Hieben auf dem Kreuz fixiert wurde. Er zog ihr die Schuhe aus. Denn er erinnerte sich wie frei sie sich immer fühle wenn sie die nackten Füße baumeln lassen konnte. Er zögerte kurz als er den dritten, etwas längeren Nagel an ihren Fußgelenken ansetzte. Doch dann trieb er mit präziser Gewalt auch den dritten und darauf auch den vierten Nagel durch das Fleisch bis in das alte Holz.
Er sank in sich zusammen als er den Stein beiseite warf. Er bemerkte kaum den Schmerz, den er durch einige missglückte Steinhiebe selbst verursacht hatte. Stattdessen nahm er einige heil gebliebene Seile zur Hand und band ihren Körper fest an das Kreuz, damit sie sich nicht von ihrem vorgesehenen Platz lösen konnte. Und als er das Kreuz in die senkrechte zog, das Kreuz mit weiteren Seilen in seiner Position befestigte und ihm langsam bewusst wurde was er getan hatte, da entfuhr ihm ein Schrei.
Ein Schrei der Liebe, ein Schrei der Wut, ein Schrei der Trauer, ein Schrei der Verzweiflung der noch über zwei Täler hallte, ehe er in der rauen Gebirgslandschaft verhallte.
Seit jener Nacht sind bereits viele Jahre vergangen. Und in all diesen Jahren wagte es noch kein Dorfbewohner den grauenhaften Tatort zu betreten. Denn der Fluch der Familie Downey soll noch immer auf ihrem Grundstück liegen, der jede neugierige Seele, mit Haut und Haar verschlingt. Denn nie wieder wurde ein Mensch, der jenen schicksalhaften Ort aufsuchte, wieder gesehen.
Denn auch wenn es wohl am wahrscheinlichsten ist dass der junge, hilflose Victor schon bald darauf an Hunger oder Durst zugrunde ging, so gibt es doch immer wieder Erzählungen von neugierigen Kindern aus dem Dorf die den jungen Victor gesehen haben wollen wie er in der Stille der Maisfelder saß und die Teile seiner geliebten Vogelscheuche, die von den Raben zerhackt, zerfressen und gestohlen wurden, durch frische Teile ersetze die er auf seinem Grundstück gefunden hatte.