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- 08.05.2023
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- Anmerkungen zum Text
Nachdem ich die Tage meinen ersten Text veröffentlicht habe, möchte ich euch nunmehr meine aktuelle Geschichte vorstellen. Ich habe mich sehr über die Rückmeldungen zu "Obsession" gefreut und mir einige Notizen für Zukünftiges gemacht
Unerwarteter Besuch
Schock. Eindeutig stand er unter Schock. Oder würden Sie sich anders fühlen, blickten Sie an sich herab und sähen überall Blut? Ok, vielleicht würde manch einer schreien, wieder andere würden hysterisch lachen. Er jedoch stand wie erstarrt, die Augen weit aufgerissen. Einzig seine blutigen Hände zitterten. Wie war er nur da reingeraten?
Momentaufnahmen der letzten Stunden zogen an ihm vorbei. Stunden, die ihn gefühlt um Jahre haben altern lassen. Ob er ihr schmerzverzerrtes Gesicht je wieder vergessen würde? Auch ihre Schreie hallten noch immer in seinen Ohren nach.
Aufgefallen war sie ihm wie immer direkt. Da war sie wieder, die alt vertraute Anziehung. Hübsch war sie. Wie eh und je. Sie strahlte seit längerer Zeit förmlich von innen heraus. Als er bemerkte, dass sie Probleme beim Öffnen der Türe hatte, beschleunigte er seine Schritte, um ihr galant mit einer angedeuteten Verbeugung die Tür zu öffnen.
"Bitte sehr, die Dame. So spät noch unterwegs?", sprach er charmant. Er kam nicht umhin, die zarte Röte ihrer Wangen zu bemerken. Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn, ein einzelner fand langsam seinen Weg ihren Hals hinab in ihr Dekolleté. Erregung durchfuhr ihn.
Schüchtern blickte sie zu ihm auf, ein Lächeln im Mundwinkel.
"Vielen Dank! Ich hatte noch ein paar Zutaten für das Abendessen vergessen." Demonstrativ hob sie eine Einkaufstasche.
Auf ihrem Weg zum Aufzug des Appartements schielte er immer wieder zu ihr. Sie waren allein, seine Aufregung wuchs mit jedem Schritt in Richtung der engen Kabine. Auch hier gab er ihr wieder den Vortritt. Die Türen schlossen sich, der Aufzug setzte sich langsam in Bewegung. Gerade als er die Hand nach ihr ausstrecken wollte, gab es plötzlich einen Ruck und der Aufzug stand still. Erschrocken sah ihn an: "Oh mein Gott, wir müssen Hilfe rufen!"
Scheinbar gelassen betrachtete er die Notrufanlage. "Tut mir leid, die Anlage ist defekt und bei meinem Handy ist zudem der Akku leer." Ihre aufkeimende Panik ließ ihn nicht unberührt. Er hörte, wie sich ihr Atem beschleunigte, sah, wie ihre Augen hektisch hin und her zuckten. Sie konnte nicht fassen, in welcher Situation sie sich befand. Ihre mentale Pein ging in körperliche Schmerzen über. Krämpfe schüttelten sie. Sie ließ die Tasche fallen, umarmte sich selbst. "Ausgerechnet jetzt! Was passiert hier? Wir müssen hier raus. Ich halte es nicht mehr aus!“
Er legte sanft eine Hand an ihren Hals und hauchte ihr besänftigend zu: "Schhh, Schhh, bald ist es vorbei, nur die Ruhe."
Verzweifelt begann sie um sich zu treten, krümmte sich vor Schmerzen und schrie: “Hilfe! Zur Hilfe! Holt uns hier raus!“ Als sie das Blut bemerkte, welches unaufhörlich aus ihr floss, wurden ihre Schreie animalisch, sie schluchzte, weinte, warf sich hin und her, um den schrecklichen Schmerzen zu entkommen, während er mit seinem Griff nicht nachließ. Sie hatte Glück. Hilfe sollte schon bald nahen. Der Hausmeister hatte die Schreie vernommen und umgehend Polizei und Rettungsdienst verständigt.
Als die Aufzugtür geöffnet wurde, hörte man von Innen nur noch leises Weinen und sanftes Murmeln. Das Bild, welches sich den Anwesenden bot, sollte allen noch lange in Erinnerung bleiben. Frau Martin hielt noch immer ihre blutverschmierten Arme schützend um ihren Körper. Sie wurde umgehend ins Krankenhaus verbracht, während er noch immer unter Schock wie angewurzelt dastand, mit weit aufgerissenen Augen. Er hatte gerade die Geburt seines Sohnes miterlebt.