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Taxi - Ein Forums-Experiment

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19.08.2002
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Taxi - Ein Forums-Experiment

Irgendwann bin ich mal in Gedanken auf die am Ende des Textes vorherrschende Situation gestossen, und habe mich gefragt, wie es -realistisch- weitergeht. Was machhen die Menschen da? Wenn ihr also Ideen habt, schreibt es bitte, muss ja keine ganze Story sein, nur ein paar Sätze, wie es weitegeht, und warum ihr glaubt, das die Charaktere so handen würden.

Wenns zulang ist, kann ich vielleicht nochmal eine neue kürzere Version schreiben (unausgeschmückt) die nur aufs Ende fixiert ist.

Taxi

Sie geht an der Truhe vorbei, diese Woche braucht sie kein Eis mehr kaufen. Sonst war es immer alle, doch nun ist es Herbst. Also gleich weiter... Ein paar Jogurts, nur nicht die mit Stachelbeere. Ihr Blick geht starr, folgt dem Pfad. Immer auf den Boden, immer auf die Fliesen, die es letzte Woche auch waren. Auf die Fugen dazwischen. Nun die Milch, verdammt, die ist wieder aus. Natürlich haben sie im Lager noch welche. Aber die Verkäufer merken selten rechtzeitig, was fehlt. Schon wieder wurde die Routine durchbrochen... Wo ist der nächste Verkäufer? Am Ende eines Regals steht eine kleine junge Frau im Kittel, sie blickt senkrecht zum Regal, obwohl es dort zuende ist... Sie eilt auf die Frau zu. „Entschuldigung...“ Da bemerkt sie, was die Frau an diese Stelle brachte: Die Regalkante gab gerade den Blick auf einen jungen Mann frei, der ihren Satz in ihrem Sinne beendete: „...bitte die Vollmilch wiederauffüllen?“ Doch die Verkäuferin war jetzt abgelenkt: Ihr Kopf hatte sich Nele zugewandt. Nele stoppte abrupt, versuchte Entschuldigung auszudrücken. Die Verkäuferin hatte jetzt verstanden. Sie wandte sich wieder an den Mann, während sie „Ich kümmere mich drum.“ ausspuckte, musste sie bemerken, dass ihr Gesprächspartner auch abgelenkt wurde. Er sagte „Vielen Dank.“ ohne die Marktangestellte anzublicken. Diese setzte sich daraufhin in Gang. Bevor ihre Schüchternheit sie wieder in den Griff bekam, legte Nele kurz ein Lächeln auf, von der Komik der Situation überrumpelt. Sie drehte sich um, steuerte rasch ihren Einkaufswagen an. Was er jetzt hinter ihr tat, blieb ihr verborgen.
Und die Routine ging jetzt weiter, nur im Hinterkopf war sie bereit zur Ausnahme, zurück zum Milchregal, wenn es wiederbefüllt wäre, und dort würde vielleicht, aber das bedachte sie nicht weiter und so ging sie den imaginären Einkaufszettel entlang, Eier, Ketchup, eingeschweißtes Fleisch. Sie bedachte wie jedes Mal die Beleuchtung der Fleischtheke mit der Erklärung, warum das Licht so Rosa ist, um zum Milchregal umzudrehen: Noch hatte sie es im Blick. Die junge Frau war zurück, sie riss die Folien der Packungen auf, gleich würde sie die Milch in den Regalplatz einsetzten. Doch da hinter dem Paletten-Wagen stand er; und er überwachte die Ausführung der Logistikaktion, langsam drehte sein Kopf am Kühlregal entlangblickend in die waagerechte,
und gleich würde er sie haben. Und Nele war verloren, jede hektische Reaktion, jetzt bereits in seinem Sichtfeld, würde seine Aufmerksamkeit erregen. So wurde sie zum selbstverständlichsten gezwungen: Sie ließ den Wagen los, und eilte direkt auf ihn zu; ihren Blick jedoch auf das Milchregal geheftet. Dass war dumm, denn nun gab es kein Entrinnen, sie war fast an der Milch, und er, der schon gewartet hatte stand noch hinter dem Palettenwagen. Sie griff schnell zu, zwei Packungen, drehte sich um. Und sie dachte an Neid, Neid auf ihn, der einfach da an die Milch heran ging, die ewigen Sekunden um den dummen Palettenstapel voller dummer Voll- und H-Milch herum, und sie sich besehen konnte, wie gerne hätte sie einfach geradeausgeblickt beim Gehen, in sein Gesicht beim Aufnehmen. Aber sie waren verschiedene Menschen, damit gab sie sich zufrieden, als sie die bergende Sicherheit ihres Einkaufswagens erreichte. Bezahlend an der Kassen vorbei, entnervt nahm sie den Laden verlassend die grantige Parole aus dem Lautsprecher war, deren Ende sich schon brutal in ihr Gehirn eingebrannt hatte: „Ihr Kaufland: Echt billig, echt Geld gespart!“

Mami hat nicht so viel Geld, also fährt er Taxi. Jede Nacht ein paar Stunden, denn für ein Auto reicht das Bafög sonst nicht.
Wieder Nieselregen, dauerhafter. Wieder ein Job. An der großen Strasse hält er an der Busbucht, vor der Kneipe steht sein Gast schon bereit. Ein angetrunkener Exfreund. Frank fährt gerne die Kneipengänger, solange sie den Wagen nicht voll kotzen. Denn wenn sie noch klar genug sind, haben sie immer viel zu erzählen. Abends schreibt er dann eine Art Tagebuch mit sozialpsychologischem Touch. Heute würde er schreiben: „Exfreund: Dieser arme Kerl war echt mitgenommen. Hat mich echt betroffen gemacht.“, wenn es nach seinem einfachen Glauben ginge. Doch diese einfache Charakterbeschreibung wird er noch aufgeben müssen. Der Exfreund war erst eine Woche Ex, und er hatte in dieser nicht viel gemacht. Nun hatte er jedoch eine Kneipe besucht. Und das war ihm nicht gut bekommen. Aber er war der Meinung, dass es nur eine Lösung gab: Er musste es noch mal versuchen. Der Alk hatte ihm die Härte ausgeprügelt, weinerlich sehnte er sich nach Versöhnung. Es ging raus aus dem Zentrum, und viele Natriumdampflampen waren über sie hinweggegangen, und hatten sich in den Tropfen auf der Scheibe gebrochen, ehe sie aus der Stadt raus waren. Doch das Ziel einige Kilometer ausserhalb war noch nicht einmal ein Vorort. Es war ein Haus, ein einzelnes. Eine alte, aus groben Sandsteinen gesetzte Brücke führte den Zug über die Strasse, und direkt an der Trasse stand das merkwürdige Haus, das nicht mal den Schrankenwärter beherbergen konnte, als es noch keine Brücke gab, da es sicher viel neueren Datums war. Nur ein paar Straßenlaternen gab es hier. Vor dem Haus ein unordentlicher Vorgarten mit flachen Hecken, deren mehrere Lücken Frank unsicher machten, wo der Eingang war. Er hielt an der letzten. Der Exfreund bat ihn zu warten, wenn er erfolglos wäre, würde er sofort zurückkommen. Ein brauchbares Trinkgeld stimmte Frank zusätzlich zum Mitleid gnädig. Der Freund eilte hinaus; die Strasse zurück, nahm den mittleren Durchbruch in den Vorgarten, wie Frank noch im Spiegel wahrnahm. Dann blickte er über die Armaturen, die vielen Lichter, die jetzt hier seine Welt waren. Die grüne Anzeige des Radios, das bernsteinfarben illuminierte Mobiltelefon in der Haltevorrichtung, den grell-roten Taxameter und die fahle Handbremswarnleuchte. Er hörte wage Stimmen, an der Haustür war es wohl zu einer lautstarken Diskussion gekommen. Die Frau wurde immer lauter; aber unter dem Prasseln des Regens konnte er dennoch nichts verstehen. Er verlagerte den Blick nach draußen, die Tropfen brachen Straßenlaternen, Reflektionen seiner Scheinwerfer, und die ferne Lampe am Haus, die zu betrachten ihn eine Verrenkung seines Halses abverlangte. Durch den Wasserschleier hindurch meinte er, im Licht die Silhouette einer Person auszumachen, eine glänzende Kontur, vom Gegenlicht der Türlampe gezeugt, unter der Ohnmacht des Freundes erzitternd. Sie wurde deutlicher, denn er trat auf dem Weg zurück, sich distanzierend. Denn aus dem Türrahmen kam ein Schatten, der jetzt auch eine Kontur bekam. Die Kontur irritierte ihn. Sie war sehr laut; doch noch immer verstand er es nicht. Vielleicht war es nicht deutsch? Dann redete der Freund wieder, lange, nicht so laut. Sie warf gelegentlich lautsstarke Proteste ein, und als Frank damit begann, den Spiegel auszurichten, um seinen Hals zu schonen, nahm er ein seltsames Geräusch war. Wie gestochen fuhr in seinem Auto herum; es schien als hätte irgendetwas daraufgeschlagen, aber für das Blech war es irgendwie zu dumpf. Es war niemand zu sehen, obwohl er den Eindruck hatte, irgendwas in seiner Nähe blitzen zu sehen. Er fuhr abermals die nahe Umgebung ab, aber ihm viel niemand auf. Erst in der Ferne, bei seinem Pärchen! Der Ex war jetzt wieder allein. Und sein schräg gegen den Boden gestreckter Arm hielt eine chromglänzende Pistole.
Diese Waffe, die durch das Zittern der haltenden Hand, die Laternen reflektierend, nervös aufblitzte, wirkte jetzt wie der Feind ihres Besitzers; der Finger rang verzweifelt mit dem Abzug. Frank hörte auf zu denken. Er bemerkte einen tauben Krampf, der sich wummernd in seinen Hals einzog. In ihm aufsteigende Hitze verhinderte erfolgreich, dass er die Situation bewusst analysierte. Endlich ging das Geglitzer weg; es blieben nur die Lichter, die in der Wagenscheibe reflektierten, und die Waffe war verschwunden, der Ex ging nun wie ein beregneter Briefträger den Weg zurück in Richtung Straße. Bis er dann den Wagen erreichte, hatte Frank noch gar nichts erreicht. Er hatte sich lediglich soweit gebracht, seinen Kopf wieder geradeaus zu richten, um den Freund keines Blickes zu würdigen. Doch dieser wollte jetzt aber gerne nach Hause.
„Fahr zu’“, sagte der Freund, sich zitternd und spritzend in die schwarze Lederrückbank plumpsen lassend. Frank war nur noch heiß, sonst tat er nichts. Er öffnete den Mund, um vieles zu sagen; aber es blieb ihm im trockenen Halse stecken. Die Taubheit wurde jäh durchbrochen, er spürte wieder seinen linken Arm. Denn eine Hand zog daran. „Fahr ich selbst.“, keifte der Freund bestimmt, jetzt an der leise geöffneten Fahrertüre stehend. Unkontrolliert stieg Frank heraus, wankend auf die Strasse. Der Nieselregen stach auf seine heiße Stirn ein. Das langsam abnehmende Pochen in seinem Kopf blendete in das Wummern des Auspuffs über; die roten Lichter in die regenblinzelnde Schwärze der Nacht.
Frank fühlte sich so allein wie nie zuvor. Nervös atmend, stand er mit leicht geöffneten Mund im Dunkeln im Nieselregeln. Zuerst ruckte seine linke Hand ein Stück nach oben, hielt inne; fiel wieder nach unten. Denn die Hoffnung war (nach Sekundenbruchteilen bereits) der Gewissheit gewichen, dass das Telefon natürlich nicht in seinem Mantel war. Es war in der Halterung, die jetzt längst wieder ferne Laternen reflektierte. Dann schloss er seinen Mund. Denn hier war niemand, der ihm helfen konnte. Benommen wandte er sich dem einzigen Stück Zivilisation zu; dem Haus. Seine Augen klebten prompt an der Hecke mitten im Vorgarten, so sehr er sich bemühte geradeaus zu sehen. Er stolperte den ruppigen Gehweg entlang; Meter für Meter nah an den gleißend nassen Blättern vorbei. Seine Anspannung dämpfte sich nur kurz, als er beim ersten Durchbruch vorbeikam, und nichts sah. Doch dann näherte er sich dem zweiten; senkrecht zur Haustür; und die Blätterwand brach jäh ab. Er sah Füße. Normalerweise sieht der Mensch gerne Gesichter; doch das war von Haaren bedeckt. So war er bei den Füßen gelandet. Er trat näher. Als er fast auf einer Höhe war, meinte er eine Bewegung zu erkennen... Vielleicht war es auch nur ein Regentropfen, doch dass erlöste ihn: Er blickte auf; geradewegs auf die Tür fixiert, und ging am Rand des Weges, größten Abstand zu ihr haltend, voran. „Ich hol Hilfe.“, rief er, wobei „Hilfe“ schon mehr in einem Murmeln versank; mangels der Gewissheit, das sie ihn noch hören würde. Sie reagierte prompt; um ihn erschreckt, obwohl nicht viel von ihr verstehend, innehalten zu lassen: „Ich hab kein Telefon.“ Frank ging wieder los, während er zu verstehen versuchte. Der Erfolg hielt ihn dann abermals an: „Kein Telefon?“ Überrascht über sein keifendes Wort trat er dennoch in den Windfang ein. Nun auch noch mit einigen Sekunden erfolgloser Suche nach dem Lichtschalter konfrontiert, schenkte er ihren mühsamen Worten dann doch Vertrauen und wendete sich um.
...

 

Dafür gibt es demnächst das Experimente-Forum. Bis dahin bitte keine Fortsetzungsgeschichten etc. veröffentlichen.

 

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