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Nicht nur die Wurst hat zwei

Team-Bossy a.D.
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23.02.2005
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Nicht nur die Wurst hat zwei

„Herzlichen Glückwunsch!“
Was möchte man als Fahrschüler denn sonst vom Prüfer hören außer diesen Worten?

Das Auto hielt an und der Fahrlehrer samt Prüfer kamen auf den gut besuchten Imbißstand zu.
Es war Mittagspause.

„Schön, dann eben eine mit Senf...“.
Michi schaute auf die Bratwurst, die er mir verständnisvoll bestellt und umgehend in die Hand gedrückt bekommen hatte.
„Sonst hast du aber keine Wünsche?“, fragte er mit einem schrägen Grinsen.
Meine Blicke wanderten zum Tresen der Imbißbude und blieben an dem Senfeimerchen hängen.
Ich spürte, wie sich der Achselschweiß beidseitig einen Weg nach unten suchte.
„Wär’ nur schon alles vorbei“, stöhnte ich leise.
„Mach’ doch kein Drama draus“, versuchte mich Michi zu beschwichtigen.
Wir gingen einige Schritte und ich erzählte mehr von meiner Prüfungsangst.
„Am meisten Schiss habe ich davor, links und rechts zu verwechseln, da helfen nicht einmal irgendwelche Eselsbrücken“, jammerte ich vor mich hin.
Er schaute mich mitleidig an.
„Auf’s Klo sollte ich auch“.
Meine Stimmung wurde immer mieser.

Ein anderer Leidensgenossen, der die Fahrprüfung auch noch vor sich hatte, saß nur mit einer neongrünen Badehose bekleidet auf der Parkwiese unter einer großen Buche.
„Tsss...“, kam es aus Michis Mund, während er den Kopf leicht schüttelte.
„Hast du mir mal eine Ziggi?“, fragte ich ihn wahrscheinlich vergeblich.
Normalerweise rauche ich nicht, aber an einem solchen Tag ist nichts normal.
„Damit habe ich schon lange aufgehört“.
„Weißt du noch, wie ich früher immer Nägel gekaut habe?“, sinnierte er.
„Bist du denn bei stressigen Angelegenheiten nie mehr nervös, Bruderherz?“, fragte ich ihn grinsend.
Ich schob eine letzte Hand voll Gummibären in meinen Mund.
„Ich brauche jedenfalls nicht dauernd was zum futtern, wenn ich eine Prüfung vor mir habe“, erklärte er mir mit fast bedauerndem Blick auf die leere Tüte Haribo, die in meiner Jackentasche verschwand.
„“Bei diesem Thema sind wir uns wirklich nicht ähnlich“, meinte Michi lächelnd.
„Ich find’s jedenfalls prima, dass du hier mit dabei bist, wenn ich doch jetzt schon so fix und fertig bin“, sagte ich und war froh, nicht alleine diese Warterei durchstehen zu müssen.
„Es liegt mir ja viel daran, dass du den Führerschein schaffst – wenn ich doch mindestens ein Jahr ohne bin“, sagte mein Bruder mit einem spitzbübischem Grinsen im Gesicht.

 

Hallo bernadette,

ein interessantes Experiment, ein gelungenes Experiment :thumbsup:
Hat mir gefallen - und ich frage mich schon die ganze Zeit, warum ich nicht auf diese Idee gekommen bin :(

Nicht ganz so gut gefallen hat mir die Ausarbeitung der Geschichte. Es gibt einige Sätze, die meiner Meinung nach stilistisch nicht sehr schön formuliert sind. Nach dem ersten Lesen, bevor ich das Experiment gefunden hatte, dachte ich, dass diese Formulierungen zwingend für das Experiment nötig seien. Nachdem ich dann aber das Experiment entdeckt hatte, war mir klar, dass man diese Sätze auch anders formulieren kann. Ein Beispiel:

Das Fahrschulauto hielt an und der Fahrlehrer samt Fahrschulprüfer kamen auf den gut frequentierten Imbißstand zu.
Das liest sich nicht schön. Drei mal taucht die Vorsilbe "Fahr" auf. Warum nicht: Das Auto hielt an und der Fahrlehrer samt Prüfer kamen auf den gut frequentierten Imbissstand zu.
Der Leser wird dennoch wissen, um welches Auto und um welchen Prüfer es sich handelt.

Auch der nächste Abschnitt enthält eine nicht so schöne Formulierung

Michi schaute auf die Bratwurst, die er mir verständnisvoll bestellt hatte und umgehend in die Hand gedrückt bekam.
Wie kann ich etwas verständnisvoll bestellen? Und irgendwie stimmt etwas mit den Zeiten nicht. Ich glaube, es müsste heißen: Michi schaute auf die Bratwurst, die er mir bestellt und umgehend in die Hand gedrückt bekommen hatte.

Ein letztes Beispiel

Meine Blicke wanderten zum Tresen der Imbißbude und stierten auf das Senfeimerchen.
Blicken können nicht stieren - es ist die Erzählerin, die stiert. Vorschlag: Meine Blicke wanderten zum Tresen der Imbissbude und blieben an dem Senfeimerchen hängen.

Dann sind mir noch ein, zwei Vertipper aufgefallen.

Was möchte man als Fahrschüler denn sonst vom Prüfer hören ausser diesen Worten?
außer
Am meisten Schiß
Schiss
Normalerweise rauchte ich nicht,
Normalerweise rauche ich nicht... Allgemeingültige Aussagen, die über den Zeitrahmen der Geschichte hinausgehen, werden immer im Präsenz geschrieben.

Fazit: Klasse Idee für ein Experiment, an der Umsetzung könnte jedoch noch gefeilt werden.

Gruß
George

 

Hi George,

danke für deine Kritik :) . Schön, dass schon mal einer dahinterkam.
Ja, du hast mit deinen Einwänden recht :). Ich war so in das Experiment vertieft, dass ich die Sprache etwas vernachlässigt habe :crying: .

Ich werde deine Vorschläge zum größten Teil übernehmen und nochmal nachsehen, was sich darüberhinaus stilistisch verbessern läßt.

Lieber Gruß
ber

 

Hi George,

Wie kann ich etwas verständnisvoll bestellen?

Ich meinte das so, dass der Bruder Verständnis für ihre Gelüste hat.
Wenn es am Satzanfang stünde, wäre es vielleicht klarer:
>>Verständnisvoll bestellte er...<<..oder auch nicht :confused:

Ist das falsches Deutsch :D ?

Lieber Gruß
ber

 

Hallo Bernadette,
ich schließe mich George an. Das Experiment ist gut geworden.
Gut finde ich auch, daß keiner von euch die chose bisher erklärt und aufgelöst hat, sollen die anderen doch auch ein wenig nachdenken.
Eine Kleinigkeit noch: Soll es nicht Leidensgenosse (ohne "n") heißen?
Gruß
Murxi

 

Hi Murxi,

danke für deine Kritik :) .

Eine Kleinigkeit noch: Soll es nicht Leidensgenosse (ohne "n") heißen?
Gruß
Murxi

Natürlich! Danke. Es waren erst mehrere, die litten ... ;)

Lieber Gruß
ber

 

@ murxi

Genau! Zwar hat es mich gereizt (wie immer), das Experiment aufzulösen, aber dadurch würde doch der Reiz des Ganzen verloren gehen. Schön, dass Du ebenfalls nichts verraten hast ;)

@ Bernadette

Mir ist schon klar, dass Michi Verständnis (substantiv) für seine Schwester hat - aber das sagt dieser Satz nicht aus. Der Satz, so wie er dort steht, sagt aus, dass Michi verständnisvoll (adjektiv) eine Wurst bestellt hatte. Bezieht sich das Substantiv noch auf seine Schwester, so bezieht sich das Adjektiv auf die Handlung. Aus dem Verständnis für die Schwester ist eine verständnisvolle Bestellung geworden. Und das ist nicht nur schlechtes Deutsch, das ist einfach nicht möglich.

Ich habe diesen "Fehler" früher auch immer wieder gemacht, bis mich eine befreundete Schriftstellerin aufforderte, verständnisvoll den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Danach sollte ich den Telefonhörer verständnislos in die Hand nehmen. Danach gefühllos. Dann glückselig. Und zwar jeweils mit der gleichen Mimik - denn das Adjektiv sagt ja nicht aus, wie ich schaue, sondern wie ich den Hörer in die Hand nehme. Um es kurz zu machen: Es ist nicht möglich. Daraufhin gab mir diese Freundin den wirklich guten Rat, meine Texte immer auf überflüssige Adjektive hin zu untersuchen.
In Deinem Fall würde ich "verständnisvoll" streichen, denn um das Verständnis für seine Schwester (korrekt) einzubringen, müsstest Du den Satz komplett umschreiben. Meiner Meinung nach ist es auch gar nicht nötig, dieses Verständnis explizit zu erwähnen. Das Michi Verständnis für die Ängste seiner Schwester hat, ergibt sich bereits aus dem Text, viel mehr sogar noch aus dem Subtext. Was uns zu einer weiteren Frage führt, die sich Schriftsteller stellen sollten: Wieviel muss ich dem Leser mitteilen, wieviel soll/darf der Leser sich selbst zusammenreimen? Ich für meinen Teil finde Bücher, in denen mir alles gezeigt, alles gesagt wird, langweilig. Aber das führt jetzt, glaube ich, zu weit. Dafür könnte man einen eigenen Thread eröffnen, wenn nicht sogar eine eigene Rubrik.

Ich hoffe, ich konnte einigermaßen erläutern, was mich an der verständnisvollen Bestellung gestört hat.

Liebe Grüße
George

 

Lieber Schorschl ;) ,


Ich hoffe, ich konnte einigermaßen erläutern, was mich an der verständnisvollen Bestellung gestört hat.

Das hast du wirklich prima gemacht, danke :).
Ich hoffe, das ist für die Zukunft in meinem Hirn drin.
Nun werde ich werde dieses Wort verständnisvoll ( :sealed: ) löschen :D.


Lieber Gruß
ber

 

Hi bernadette,
ich musste wirklich lange nachdenken, ehe ich hinter das Experiment kam. Vor allem die Überschrift hat mich darauf gestoßen. Und ich muss sagen: Es ist dir wirklich super gelungen. Auch wenn man die Geschichte mit dem Wissen nochmal *richtig* liest, fügt sich alles wunderbar zusammen und es entstehen so oder so keine Logiklöcher, wunderbar. Die eher durchschnittliche Sprache empfinde ich nicht als so tragisch, es ging hier ja primär um das Experimentieren mit Sprache, und das ist dir toll gelungen. :)

Gruß,
Neph

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernadette,

Ich war schon nahe dran, dir eine PM zu schreiben, weil ich einfach nicht erkannt habe, wo das Experiment sein soll. Auch die Überschrift half mir da nicht sehr weiter.
Aber mein Ehrgeiz kam dann zum Vorschein und ich habs jeden Tag dutzend Male gelesen bis ich's endlich begriffen hatte!

So stell' ich mir persönlich ein gelungenes Experiment vor: man darf einen Text halt nicht gleich auf den ersten Blick erkennen. Dir ist das jedenfalls hervorragend gelungen und ich glaube, ich habe noch nicht mal meine eigenen Texte so oft gelesen, wie "Nicht nur die Wurst hat zwei" ... :D

Prima gemacht!

Liebe Grüße
Malachy

 

@ Neph,

Danke für dein Lob :).


Die eher durchschnittliche Sprache empfinde ich nicht als so tragisch, es ging hier ja primär um das Experimentieren mit Sprache,

ja, aber umso schöner wäre es natürlich gewesen...vielleicht überarbeite ich das ganze mal in einer ruhigen Stunde. Aber ich wollte das Ding einfach irgendwann ins Netz stellen, um herauszufinden, wie ihr darauf reagiert :D.

@ Malachy

Aber mein Ehrgeiz kam dann zum Vorschein und ich habs jeden Tag dutzend Male gelesen bis ich's endlich begriffen hatte!

... und ich glaube, ich habe noch nicht mal meine eigenen Texte so oft gelesen, wie "Nicht nur die Wurst hat zwei" ...


:D :D
Bei meinem anderen Experiment habe ich Malinche den Schlaf geraubt, dir die wertvolle Tageszeit. Du scheinst ein Mensch mit großem Durchhaltevermögen sein ;).

Danke für deine lieben Worte :).

@ all

Schön, dass euch das Experiment gefallen hat, ich werde mich weiter bemühen. Ideen sind einige da, aber die Umsetzung :Pfeif:

Lieber Gruß
ber

 

Hallo bernadette!

Falls du ein schadenfreudiger Mensch bist, dann darfst du dir jetzt ins Fäustchen lachen, denn ich verzweifle demnächst. :bonk: Komme mir ziemlich dumm vor, es noch nicht herausgefunden zu haben!
Spätestens übermorgen bekommst du ein Mail von mir, wenn ich's nicht herausgefunden habe...

Gruss
sirwen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi sirwen,

Komme mir ziemlich dumm vor, es noch nicht herausgefunden zu haben!

Du hast doch Malachys Kommentar sicher gelesen :D :

Hand auf's Herz: Hast du den Text schon öfters wie deine eigenen durchgelesen - dutzende Male am Tag ;) ?

Jetzt gönn' dir mal ein :bier: oder einen :wein: oder :kaffee: und machs nicht zu kompliziert.
Du bist auch nicht dumm, dir muss nur die Idee kommen, wie ...(Rest in PM).

Lieber Gruß
ber

 

:idee: :idee:

Tolles Experiment! Gelungen, danke für den Tipp! Jetzt gibt es keine schlaflosen Nächte mehr... :D

Gruss
sirwen

 

Dante schrieb:
:idee: Fünf Minuten Hirnschmalz! Ich bin guuut! :D
Hi Dante,

da war ich gestern Nacht an einer Brasilianischen Nacht und fand es unglaublich, wie sich die männlichen Brasilianer profilieren und feiern lassen - aber die gibt es wohl auch in Düsseldorf :D :D :D.

Vielen Dank für deine Kritik und dein Lob ;).

Lieber Gruß
ber

 

Hi sirwen,

Jetzt gibt es keine schlaflosen Nächte mehr... :D

Jedenfalls nicht wegen mir :D.
Bin ich froh, dass du es geschafft hast ;) !

Lieber Gruß
ber

 

Hallo bernadette!

Ich verirre mich nun zum zweiten Mal in die Experimente-Rubrik.
Tja, was soll ich schreiben...
Dein Text war schwach. Äußerst schwach. Stilistisch kann man da noch einiges herausholen.

Die experimentellen Aspekte einer Geschichte können sich über die Form und den Inhalt, vielleicht sogar darüber hinaus erstrecken.
Hm, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich dieses Experiment als mißlungen ansehen kann. Sorry für diese harten Worte. Ich finde es öde.

Gruß

 

Hi flashbak!

Hm, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich dieses Experiment als mißlungen ansehen kann. Sorry für diese harten Worte. Ich finde es öde.

Mit deinen harten Worten kann ich gut leben, da mir selbst bewußt ist,
stilistisch kein Highlight abgeliefert zu haben :) .

Auch mit der Gefahr, dich falsch einzuschätzen - und wenn das so ist, möchte ich mich schon vorab entschuldigen :) - kann ich leider auch nicht ganz den Gedanken verdrängen, dass du das Experiment als solches gar nicht erkannt hast. Zwei Tatsachen lassen mich das vermuten:

Du hast dich in Experimente verirrt ;), hast also mit solchen Texten nicht oft zu tun und du erwähnst in deiner Kritik mit keinem Wort das Experiment als solches, sondern beziehst dich nur auf den Text.

Falls du es doch erkannt hast, nehme einfach zur Kenntnis, dass ich hier im übertragenen Sinn kein "Um-die-Ecke-gedacht", sondern nur ein banales Kreuzworträtsel abgeliefert habe ;) .

Lieber Gruß
ber

 

@bernadette

Dein Experiment ist ja im Grunde nichts anderes als "der Chirurg, der seine Zulassung verloren hat, weil er kein Blut sehen kann" oder "der Pilot der Flugangst hat". Also mE nicht unbedingt originell. Da ich mich jetzt aber schon zum wiederholten Male mit der Geschichte auseinandergesetzt habe, kann ich sie zumindest nicht mehr als "öde" bezeichnen.

Gruß

P.S.: Im übrigen musste ich schon um die Ecke denken. So banal war's nun auch wieder nicht ;)

 

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