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Meine neue Suche nach den Worten

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12.04.2002
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Meine neue Suche nach den Worten

Göttin Danae
oder
Meine Neue Suche nach den Worten
(Eine Geschichte zur Bilderserie „Kreuzschlagung“ von Ben Marcato)

Schattengewächse wachsen düster mein Geaug entlang,
ich verschatte das Tier in mir
in ihrem Lichtbewurf vor dem Kreuzermeer der Gräber.
Dieses Dunkelspiel von Schatten
bewächst meinen Bauch in ein Neues Leid. Ich geile Traurigkeit!
Hey Schatten, ja du ... hey,
ja, lass Ihn wachsen ... leiden.

Dunkel bewegt sich ein fleischiger Wahn des Lebens. Das Fleisch reagiert am Licht, regiert ein Gieren, lässt ihn leben ... und dann sterben.

Der Wulst von Brust hebt und senkt sich in einem Neuen Rhythmus. Das Herz eines gemarterten Körpers schlägt Bumm-Bumm, Bumm-Bumm. Der Leiderleib bewegt sich zuckend, in schwabbernde Weichheiten zerfallend. Er zuckt von Ton zu Ton. Er zerschattet meinen Blick, und manchmal verirrt sich das Licht in die Dunkelheiten ihres geschundenen Leibs.

Mein Schwanz krankt sich einen Stierblick von Geilheiten entlang, er verdoppelt sich am doppelten Effekt der sich hebenden und senkenden Brust. Ihr gequältes, so stoßweise kommendes, röchelndes Atmen, das Anheben und Absenken der Brust ist Alles, was ich sehe, ... und versuche zu beschreiben, und dieses Gefühl, das so eine Kreuzigungsbewölbung einer ans Kreuz geschlagenen Göttin bei "Kriegern" dabei bewölben kann.

Ich zerkranke. Ich bekranke mich selbst. Ich vergrabe diesen Wahn ganz tief, um ihn gleich wieder auszugraben. Ich genieße ihr Gezitter, dieses Zucken der Muskeln im Todeskampf. Ein Krampf macht mich kurz zum "Krieger".

Ich bin krank. Ich bin so krank am Neuen Geist meiner Welt von Heute.

Ich schreibe ein Tier hinein in meine Hose, und das Alles Live. Versteht das Irgendwer? Ich bin ein Dichter, mitten heraus aus unserem elektronisch infizierten, wohlstandsvertierten Heute. Ich sitze fast täglich an meinem so und so teuren Computer und doch schreibe ich Alles Live. Versteht das heute schon Irgendwer? Live-Schreiben ist meine Antwort auf die reflexions-verunmöglichende Schnelligkeit meiner Zeit. Ich schnecke gierig nach der Alten Langsamkeit.

Danaes letzter Pupillenwurf verlächelt meinen kurzen Augenaufschlag. Ich schreibe, ja, ... ich schreibe ihr das schwere Kreuz auf ihren geschundenen und doch noch immer so wunderwunderschönen Leib. Und ich spüre dabei mein wieder so unheimlich und wieder so unzähmbar gewordenes Menschentier. Ich bin auf der Jagd nach Worten. Mein Gedankenschießgewehr schießt Stakkato nach den Worten. Ich jage den alten, aber vor Allem wohl den so neuen, noch unbekannten Worten hinterher. Mein Jagdinstinkt steht steil auf Anschlag. Ich bin ein Buchstabenjäger in dieser irren und doch auch wieder und noch immer so schönen Zeit von unserem Heute. Und ich schreibe Alles live.

Ich schreibe Rrrrhhh, ich schreibe das Grrrhhh in meine irre Zeit und amüsiere mich dabei. Ich gebe ja zu: ich bin krank, geisteskrank, so geisteskrank geworden an meiner Zeit. So irre krank.

Rrrrhhh, grrrhhh, ihre Haut ist einfach irre ... so irre weich, wie sonst nichts in dieser Welt. Erde, Erde, aufgerissene schwarze, braune, rote, gelbe, weiße Erde. Eine Haut ... soo zaaart ... soo lebendig ... so voller Wunder ... so nahrreich in ihren grünen Wiesen, Wäldern und Feldern. Ja selbst ihre Wüsten verdünen sich in ockerfarbenen Schönheiten sich entblößend in der Netzhaut unserer Augen. Und dabei vergrrrhhht sich ihre Haut nun an diesen meinen Augen, sie entführt sich nun selbst in wilde Zartheiten entloren hin und wieder zurück in den Zartschatten der im Strahl des Lichts sich verlierenden Zitterhaut eines Neuen Massentods. Ein geiles Doppelspiel. Ein irres Wunder an Irrheiten unseres so irren Lebens.

Bewegung, Bewegung, Bewegung. Alles bewegt sich nun in einem Neuen Bumm-Bumm. Bewegung, Bewegung, Bewegung. Alles fließt sachte, Alles verfließt im Bumm-Bumm. Die Hüfte verhüftet etwas mehr nach links. Ich lasse meine Augen gieren. Ich will fangen dieses Bild vom eklig Tod. Das ungeschützte Nackt der ans Kreuz genagelten Arme strahlt so heiliglich im Licht.

Die Kinder spielen nun wieder Tod. Hey Gameboy, o Gameboy, peng-peng nun, bumm-bumm und tot-tot. Die Drohnen umfliegen den geschändeten Leib, Geschoße, gehärtet mit dem Uran einer Neuen Zeit, DU-Raketen schlagen ein, zerfetzen Mutter Erde den ausgemergelten Leib, peng-peng nun, bumm-bumm und so strahlender Tod. Die Drohnen speien nun Feuer, Verwinseln und braundreckigen Kot. Die Bonesmen, die lachen, sie frohlocken, um Ölfelder zocken, legen die Pipeline dann, wie geplant, durch dann menschenleeres Land ... nach hier ... und werden reicher ... während der Rest der Welt in Armut versinkt. Versteht das heute schon Irgendwer?

Die Kinder des Friedensmenschen von Gestern, der nur an das Gute geglaubt, seine Söhne wie Töchter, sie haben gut getroffen. Sie sind ja alle soo guuut. Sie wurden ja soo gut erzogen, soo antiautoritär. Doch der Joystick, der Joystick, der lag auf dem Gabentisch ... zu Weihnacht, zu Ostern, zum Geburtstag und sonst, der sah kein Blut und kein Leid, drum hat er jetzt kein Herz dafür. Dieser Joystick, dieser Joystick, der hat sich nun tief in Seelen und Herzen gegraben, und der Finger, dieser Kinderfinger, der macht nun Peng-Peng und Bumm-Bumm. Und der Bonesman, der Bonesman im Weißen Haus, der hängt diesen Zeigefingern nun den Goldenen Joystick um. Bitte, glaub mir, der weiß, dieser Bonesman, der weiß ganz genau, wofür. Und die Kinder, die Kinder, die noch gar nicht begreifen, sie verschlenkern im Jubel die sauberen Hände, sie klatschen und toben, sie tanzen und lieben, sie leben ihr Leben einfach so weiter, wie bisher. Sie haben das Blut, sie haben das Leid nie gesehen. Und wenn sie dann endlich begreifen, dann bringen sie den Tod auch verzweifelt zu dir.

Wie beschreiben diese Bewegung, diese so nur Fingertanzbewegung eines Neuen Tods? Wie beschreiben diese Bewegung eines Neuen Massenmordtods, geboren aus gestern noch so zarten, feingliedrigen und noch so unschuldigen Kinderfingern? Wie beschreiben dieses Vielvielmehr an Bewegung, als bloß dieses sichtbare, kurze Fingerkrumm, die verfließen soll in eine Neue Wortbewegung meines Neuen Zynikums, meines Geschichtsgedichts, diesem Neuen Mehr als gestern noch Prosa und diesem Neuen Nochvielvielmehr als gestern noch bloß Gedicht? Es muss sein wie eine satirende Atombombenberührung der Sprache hinein implodierend in den Wahn dieser Neuen Zeit von Morgen.

Miss La Bumm, Miss D, Danae, Göttin Danae, o Urmutter Erde du, du Urmutter allen Lebens meiner Welt, bewege Dich, bewege Dich doch dort oben am Kreuz am Rande des Lichts, bezarte dieses Rhythmusgebäude, beliebe diesen Tonpalast der Zeit, dieses so Neue Peng-Peng und Bumm-Bumm.

Sei Kitsch mir, sei purer Kitsch der Worte, sei meinen Dichtergefühlen enteinzigtes Seelengedicht. Lass mich ertrinken in Deinem Wortherzgehäuse. Lass mich vereinsamt Dir sagen: Ich liebe Dich.

O Miss D, Miss La Bumm, Göttin Danae, unser aller Mutter Erde, sie bewegt sich noch zitternd, so zuckend dort oben am Kreuz am Rande des Lichts. O, wie beschreiben als Nichts von einem Dichter dieses Dein letztes Erzittern, dieses Dein letztes Verzucken, dieses Dein letztes Bewegungsgedicht?

Meine Dichterseele zerkrankt an seinem so hilflosen Ich. Ich wollte doch immer nur ein Maler sein, doch die zittrigen Hände wollten das nicht. Dabei wäre dann Alles viel leichter. Zumindest für mich. Einem Dichter, der seine Zeit ins Grab schreibt, dem verzeiht man nicht.

Doch ich bin bloß so ein kleines Nichts von einem wortsuchenden Dichter, der nur schreibt, was er so um sich sieht und riecht, und hört und fühlt, und sonst Nichts. Ich schreibe nur von den kleinen Dingen unseres Lebens, sowohl im Guten, wie auch im Bösen, über mehr schreiben, das kann ich nicht.

O, ... weiß jemand, wie schwierig das ist? Ich bin ja kein verwegener Träumer, der sich in Irrealitäten versteigt. Ich schreibe ja nur, was ich sehe und rieche, was ich höre und fühle, mehr Phantasie habe ich nicht ... und ich bin kein Maler, bloß ein armer, Buchstaben klaubender, an sich glaubender Dichter, und so einem verzeiht man nicht. Und so bleibt mir denn Nichts, als die Entsehung, Entriechung, Enthörung, Entfühlung, ... so bleibt mir denn nichts Anderes übrig, als die Entlarvung, die Entdichtung meiner Zeit von Heute und Morgen, zu mehr reichen meine phantasiearmen Worte nicht.

Ich liebe Dich, o meine Göttin Danae. Von Dir Mutter Erde, da komm ich, zu Dir Mutter Erde, da geh ich auch wieder hin. Doch wer, bitte, wer weiß heute schon noch ... Wer Du bist?

Danae? Unser Aller Göttin Danae? Mutter Erde! Warum denn sonst bekriegen Wir Dich? Warum nageln WIR DICH nun wieder ans Kreuz? Und vor Allem: Warum schweigen Wir Alle immer wieder so laut an Dich? Ich weiß es nicht.

© Copyright by Lothar Krist (29.11.2002)

Wer Interesse hat an der Kunst des Fotografen Ben Marcato findet einiges in meiner Homepage, u.a. auch einen Link auf seine Seite.
http://mitglied.lycos.de/LotharKrist6/9t_suche.htm

 

Hallo buji,

ich musste diese Geschichte schon mehrere Male lesen, um etwas halbwegs vernünftiges dazu schreiben zu können. Ob ich ihr dadurch gerechter werde weiß ich nicht.
Ich finde es allerdings erstanulich, was du aus dieser Fotoserie für Assoziationen gezogen hast.
Dein Text gefällt mir auf alle Fälle sehr viel besser als die dazu gehörigen Bilder.

Ein Mann klagt über die Welt, wie sie sich ihm darstellt, sucht nach Worten, die ihm das Unbekannte, das ihm Unfassbare greifbar machen können, und er verzweifelt daran.

Du findest sureale Worte, du findest einen sperrigen aber faszinierenden Text, der gut beschreibt, wie es verwirren kann, wenn die Sinne immer mehr und immer schneller mit Reizen überflutet werden. Du beschreibst schön, wie diese Reizüberflutung auf eine steteslatent oder offensichtlich vorhandene Geilheit zielt, und wie Dinge, die das Leben vereinfachen sollen, es für viele komplizierter machen.
Es bedarf nur noch einer Fingerbewegung um seelenlos Leben auszulöschen, das Spiel Computerspiel als Gewöhnung für den Ernstfall.
Es ist eine düstere Welt die du beschreibst, und es ist sicher ein Teil unserer Realität, und unserer Zukunft.
Du beschreibst eine entmenschlichte Welt, in der die Menschen zu Hause sind.

Und da begänne mein Widerspruch.

Denn der Text scheint mir auch eine wortgewaltige, faszinierende, tiefrgründige Formulierung des "Früher war alles besser" eines alten Mannes zu sein, der sich mit dem Leben nicht mehr auskennt, der nicht mehr Schritt halten kann, aber vor allem nicht mehr Schritt halten will, der sich weigert die Menschlichkeit in die neuen Möglichkeiten zu tragen, weil er die Möglichkeiten als das Übel sieht, und nicht die mangelnde Verantwortung mit ihnen umzugehen.
Auch eine Pistole bedarf nur der Bewegung eines Fingers um einen Menschen zu töten. In dieser Beziehung unterscheidet sie nichts von einem Computerspiel. Es sind die Werte, die Bestand haben, oder sich ändern, und alle Urteile, die wir über die Vereinsamung vor einem Bildschirm fällen können, können wir auch über jemanden fällen, der sich in der Welt von Büchern isoliert.

Dies ist sicher kein Forum, in dem das diskutiert werden sollte, aber dein Text regt zu dieser Diskussion an, insofern verzeih diesen kleinen Ausflug.

Es ist ja ein Kompliment, wenn ein Text zu einer Diskussion anregt, auch wenn ich, wie im Falle deiner Geschichte, nicht weiß, ob ich ihm gerecht geworden bin.

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim!

Danke für Deine Worte. Geht schon okay mit Deinem Diskussionsansatz, nur liegst Du ein wenig daneben, wenn Du meinst, es würde sich um das ""Früher war alles besser" eines alten Mannes handeln, der sich mit dem Leben nicht mehr auskennt, der nicht mehr Schritt halten kann, aber vor allem nicht mehr Schritt halten will, der sich weigert die Menschlichkeit in die neuen Möglichkeiten zu tragen, weil er die Möglichkeiten als das Übel sieht, und nicht die mangelnde Verantwortung mit ihnen umzugehen."

Es geht bloß um den Krieg und den kann Niemand für gut befinden, insb seine neuen Massenvernichtungsmöglichkeiten, die wohl Jedem/r heute Angst bereiten. Ich persönlich finde mich in dieser Welt von Heute sehr gut zurecht, ich habe mich ja 25 Jahre lang auf diese Zeit von Heute vorbereitet. Das Buch, zu dem diese Geschichte gehört, handelt ja von der Frage "Wo gehen wir jetzt hin"? Treiben wir jetzt unaufhaltbar in eine Neue Kriegszeit hinein? Haben wir hier im Westen das Ob eines Großen Krieges überhaupt noch in der Hand?

Aber Du hast sicher auch Recht, aus dem Text lässt sich eine gewisse Angst seines Autors sicherlich heraus lesen. Ich frage mich in letzter Zeit immer öfter: Hatte vielleicht George Orwell doch das richtige Gefühl, wenn er meinte, dass der Menschheit noch ein echter Big Brother bevorsteht, so Einer, der Alles will? Und wie bringen wir den dann wieder an? Es wird dann wohl verdammt eng werden, bei den irren Möglichkeiten, die so Einer heute hat.

Na ja, danke noch mal. Einen schönen Sonntag wünscht
buji

 

Hallo Buji,

die Wortkreationen sind einmalig, haben mir gefallen.

"Ich will fangen dieses Bild vom eklig Tod. "
"sei meinen Dichtergefühlen enteinzigtes Seelengedicht. "

waren einige der Passagen, die mir sprachlich sehr zugesagt haben.

Ich hab auch die Bilder dazu angesehen. Ich fand sie mehr ästhetische Aktaufnahmen, ziemlich kühl, nicht direkt kalt.

Wovon ich auf der Netzseite am meisten beeindruckt war, war das Bild, das Dein Sohn gemalt hat. Der hat ja irres Talent. Das könnte eigentlich auch in einem Museum hängen (ich bin zwar absolut kein Kunstknner, aber da steckt viel Talent dahinter).

 

Hi Echnaton!

Danke. Ja, ich denke, mein Jimi wird einmal der Maler, der ich immer sein wollte. Er liegt oft stundenlang auf dem Boden und malt. Ich kann mich dann an seiner Intensivität und Ausdauer gar nicht genug satt sehen. Und diese irre Detailtreue, und das schon mit 10 Jahren. Er malt jeden Muskelstrang, den er sieht, sogar die Adern.

Na ja, mal sehen, was aus ihm wird. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen, ich lasse ihn machen, was er will. Er hat meine ganze Unterstützung, was immer er einmal machen will.

Mit der Ästhetik der Aktaufnahmen hast Du recht. Gerade noch nicht kalt. Die Bilder haben mich sofort gefangen und inspiriert.

Leider musste ich die Fotos wieder entfernen. Ich habe den Fotografen davon benachrichtigt und er wollte es nicht, er meinte, er hätte sich bei seinen Bildern etwas anderes gedacht. Geht okay, also habe ich einen Link auf seine Seite gelegt. Leider weiß dabei der Leser nicht, welche Bilder ich ausgewählt habe. Schade, aber wahrscheinlich gefallen ihm meine Geschichten nicht. Kann ich verstehen, haha.

Liebe Grüße
buji

 

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