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Klavierspielen

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07.05.2019
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Klavierspielen

Wenn du Milliarden von Euro auf der Bank liegen hast, und dir ein einziger Euro davon abgezogen wird, würdest du es überhaupt bemerken? Wahrscheinlich nicht. In Deutschland leben etwa Dreiundachtzig Millionen Menschen. Acht Milliarden sind es auf der Welt. Und der Verlust von nur einem Menschen verändert dein ganzes Leben. So war es auf jeden Fall bei mir. Nichts ist mehr dasselbe ohne Mama. Mein Lieblingsessen schmeckt einfach nur blöd. Den Song, den ich schon seit Jahren rauf und runter hörte, finde ich blöd. Mein liebstes Hobby, das Klavierspielen, macht keinen Spaß, ist halt blöd.

Wenn du in deine Heimatstadt wiederkommst, wirst du höchstwahrscheinlich enttäuscht. So ist es gerade auf jeden Fall bei mir. Damals waren hier überall Bäume und Büsche im saftigen grün, jetzt nur noch komisches Gestrüpp. Wo früher glückliche Menschen stolzierten, gehen nun unfreundliche Gesichter entlang. Die Spielplätze, die früher gefüllt waren mit kindlichen Gelächtern, ... da weiß ich nicht was ist. Da gehe ich nicht entlang.

Am liebsten würde ich im Bett bleiben, jeden Tag, ganzen Tag. Einfach durch TikTok oder Instagram scrollen, oder aus der riesigen Auswahl der Streaming-Dienste irgend einen Film anwerfen. Von mir aus sogar das Fernsehen. Mir ist alles lieb, solange mein Kopf nicht in der Lage ist selbst zu arbeiten. Denn wenn er es tut, reicht ihm schon nur eine Millisekunde aus um Gedanken zu fabrizieren, und das ist blöd. Ich will nicht denken. Wenn ich denke, dann vermisse ich. Und etwas zu vermissen, was nicht wiederkommen kann, ist sinnlos, tut weh und ist somit blöd. Deswegen habe ich Tunnel erbaut, tief in meinem Inneren. Dort verstaue ich das ganze Zeug und begrabe es. Bloß blöd, dass mein Kopf es ausbuddeln will, sobald ich denke. Also denke ich nicht.

Außer jetzt, jetzt denke ich an Mama. In meiner Brust brodeln Gewitter und aus meinen Augen kommen sie heraus. Brennend und schmerzend, als wären es Tränen aus Lava. Jemand zieht an meinem Herzen, versucht es in Stücke zu reißen. Ist dieser Jemand meine Trauer? Ich überlege umzudrehen. Ich will nicht auf den Friedhof. Das ertrage ich nicht. Lange kann ich der Trauer nicht mehr entgegen kämpfen, dann ist mein Herz nur noch ein Stück Fetzen.

Wenn du schon traurig und vollkommen aufgelöst am Grab deiner Mutter ankommst, dann lässt dich höchstwahrscheinlich alles kalt. So, ist es bei mir aber nicht. Denn trotz der ganzen Tränen entdecken meine Augen Papa dort stehen. Plötzlich überrumpelt mich ein Heimatgefühl, und ich werde wieder zum Kind, während ich mich in seine Arme stürze. Sie umschlingen mich und drücken mich an seine Brust. Ich schluchze. Er schluchzt. Wir schluchzen zusammen. Meine Tränen sind nicht schmerzhaft, wie noch vor wenigen Minuten, eher fühlen sie sich an wie ein langersehnter Regen. Ich verspüre ein warmes Gefühl, welches sich überall in meinem Körper ausbreitet. Gleich werden wir zu Papa in die Wohnung gehen, seinen hausgemachten Kuchen essen, Kaffee trinken, Fotoalben durchblättern und über Mama reden. So viele schöne Erinnerungen. Und dann, dann spiele ich ihm auf dem Klavier was vor, das mag er doch so gerne.

 

Hm, tja, @xxxanna,

also, das Thema ist nicht neu, trifft uns alle oder hat es schon getroffen. Mehrmals sogar. Was gibt es in deinem Text (aus meiner Sicht eher ein Tagebucheintrag, Selbstreflexion, Verarbeitung etc.) für eine - vielleicht andere - Perspektive? Keine. Was nicht schlimm ist, wenn ich mehr über die Menschen erführe. Und das ist dann die nächste Ebene einer erzählten Geschichte. Wenn ich am Lagerfeuer eine Geschichte erzähle, kann ich mit meiner Stimme, dem Knistern des Feuers, Pausen, Tonlage usw. Spannung und Abwechslung erzeugen. Aber hier wird gelesen. Ist das Erzählte ein - für uns - Allerweltsthema - nicht für die Protagonistin natürlich - dann solltest du uns mehr Eindrücke von den Menschen bieten. Alles andere ist dann für uns nur Rätselraten. Wir brauchen einen empathischen Zugang. Das lässt uns nahe an Mama, Papa und Tochter herantreten. Das ist dann der Schlüssel, der ein Allerweltsthema interessant macht.

Gibt aber noch einige andere Dinge, die wichtig sind. Alles habe ich nicht angeführt, aber das Folgende:

Damals waren hier überall Bäume und Büsche im saftigen grün, jetzt nur noch komisches Gestrüpp
'... in saftigem Grün ...', wobei es ja nicht immer saftig grün ist, von wegen Jahreszeiten. Es war dann wohl der Augenblick, als sie die Heimat verließ - oder so, aber schon das ein Anknüpfungspunkt für Details und Nähe. Das solltest du nutzen. Und dann ist absolut unklar, was 'komisches Gestrüpp' ist. Und WO das komische Gestrüpp ist? Im Biergarten? Am Bahnhof? In der ganzen Stadt? Details, nachvollziehbare Beschreibungen, das ist eine Tür zum Text.

waren mit kindlichen Gelächtern
'... mit kindlichem Gelächter ...' oder '... mit Kinderlachen ...'

Am liebsten würde ich im Bett bleiben, jeden Tag, ganzen Tag
Wie könnte man das ein wenig auffrischen?
Am liebsten würde ich im Bett bleiben. Jeden Tag. Den ganzen Tag.
Mal abgesehen davon, könnte man es anders schreiben, was ich auch täte, aber du sitzt am Lagerfeuer und alle sind gespannt. Du erzählst es so:
Am liebsten wäre ich im Bett geblieben. -Pause- Jeden Tag! -Pause- (du guckst alle der Reihe nach an, dann: Den ganzen Tag! -Pause-
Du siehst, auf was ich hinauswill. Hör dir Geschichtenerzähler an, Hörbuch, Podcast. Wie intonieren sie den Text. Sind es Durchschnittsworte aber spannend erzählt? Das versuchst du auch. An manchen Stellen MUSS man als Autor*in feilen, schrauben, sich selbst laut vorlesen.

Mir ist alles lieb, solange mein Kopf nicht in der Lage ist[KOMMA] selbst zu arbeiten. Denn wenn er es tut, reicht ihm schon nur eine Millisekunde aus[KOMMA] um Gedanken zu fabrizieren, und das ist blöd.
Aber davon abgesehen, wir denken immer. Auch wenn es belangloses Zeug ist. Ein Teil unseres Hirns denkt immer. Leg den Schwerpunkt eher auf die Ablenkung und ob sie gelingt. An dieser Stelle können bspw. Bilder der gemeinsamen Zeit kommen, Details, bring uns die Beziehung näher.

Lange kann ich der Trauer nicht mehr entgegen kämpfen
Lange kann ich der Trauer keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Oder: Lange werde ich der anrollenden Trauer keinen Widerstand mehr leisten können. Oder: Lange kann ich gegen die Trauer nicht mehr ankämpfen.

Wie oben geschrieben ist es nicht korrekt.

So, ist es bei mir aber nicht
Komma muss weg an der Stelle.
Denn trotz der ganzen Tränen entdecken meine Augen Papa dort stehen.
'... entdecken meine Augen Papa.' Fertig. Der Rest ist nicht korrekt. Oder: '... sehen meine Augen Papa dort stehen.'

während ich mich in seine Arme stürze. Sie umschlingen mich und drücken mich an seine Brust.
Du siehst schon, was gemeint ist. Wortwiederholung. Jemand soll dir den Text vorlesen oder nimm die Vorlesefunktion des PC oder was du verwendest. Da erkennst du ziemlich schnell, wo es hapert.

Okay, also du kannst hoffentlich nachvollziehen, was ich meine. Das Setting kannst du so lassen. Das bietet genug Stoff für die Schlüsselstellen, über die wir Leser*innen einsteigen können. Eine der ersten Schlüsselstellen sind Namen. Ohne Namen sind wir Menschen fast nichts.

Grüße
Morphin

 

Hallo @xxxanna

Ich steige mal gleich ein, was mir so aufgefallen ist:

Wenn du Milliarden von Euro auf der Bank liegen hast, und dir ein einziger Euro davon abgezogen wird, würdest du es überhaupt bemerken?
Den Einstiegssatz finde ich komplett unpassend, sogar aus mehreren Gründen.
1. "Wenn ich Milliarden auf dem Konto habe" - Und schwupp hattest Du mich als Leser verloren, denn ich habe es nicht.
2. Du setzt den Fokus auf "Geld", was ich für das eigentliche Thema des Textes unpassend finde.
3. Du unterstellst, dass man bei einer Menge an Geld einen Euro übersieht? Ich glaube wenn man so viel Geld hat, hat man so viel Finanz-Expertiese (z.B. nen Steuerberater), dass einem sogar ein fehlender Cent auffällt. D.h. aus meiner Sicht passt der Vergleich nicht.
Wahrscheinlich nicht.
Und die Unterstellung mir als Leser gegenüber verfestigst Du hier nochmal.
Mein Lieblingsessen schmeckt einfach nur blöd. Den Song, ...
Leider musste ich an "ohne-Dich-ist-alles-doof" von sheepworld denken, was das Thema etwas ins "niedliche" gezogen hat. Weiß nicht, ob das von Dir gewollt war?
Wenn du in deine Heimatstadt wiederkommst, wirst du höchstwahrscheinlich enttäuscht.
Und wieder so eine Unterstellung mir als Leser gegenüber. Ich mag es nicht, weil das sehr Klischeehaft rübergeballert kommt - ohne "Erklärung".
Am liebsten würde ich im Bett bleiben, jeden Tag, ganzen Tag
ich denke beim "ganzen Tag" fehlt ein "den", sonst liest sich das komsich.
Denn wenn er es tut, reicht ihm schon nur eine Millisekunde aus um Gedanken zu fabrizieren, und das ist blöd.
"schon nur" liest sich komisch. "Füllwörteroverkill" :) Am besten wenigstens eins davon streichen. (meien Meinung)
Jemand zieht an meinem Herzen, versucht es in Stücke zu reißen. Ist dieser Jemand meine Trauer?
Das fand ich einen schönen Ansatz in Deinem Text. Schade, dass Du diesen Gedanken nicht weiter vertiefst.
Wenn du schon traurig und vollkommen aufgelöst am Grab deiner Mutter ankommst, dann lässt dich höchstwahrscheinlich alles kalt. So, ist es bei mir aber nicht
Und wieder eine Unterstellung, dass mich etwas kalt lassen würde! Hälst Du mich als Leser für kaltherzig? Weil ich gerade nicht trauere??
Denn trotz der ganzen Tränen entdecken meine Augen Papa dort stehen.
Das "Denn" suggeriert, dass das eine Erklärung dafür sein soll, dass Dich das nicht kalt lässt - ich verstehe es aber nicht.
Und dann, dann spiele ich ihm auf dem Klavier was vor, das mag er doch so gerne.
Den Schluss finde ich ok, fast versöhnlich ;)

Sorry, mich hat Dein Text nicht so gepackt, obwohl er ein paar gute Ansätze hat und das Thema ja für jeden Leser Potential bietet, das es (fast) jeden trifft.

ich hoffe, Du kannst mit meiner Rückmeldung etwas anfangen
Gruß
pantoholli

 

Hallo @pantoholli und @Morphin!
Danke, dass ihr euch die Zeit nahmt für meine kleine Geschichte. Eure Kritik hab ich mir zu Herzen genommen, und sie ist mir eine große Hilfe. Ich werde den Text nochmal überarbeiten und würde mich freuen, wenn ich euch in der Kommentarspalte noch mal begegne :-) Wobei ich vorab sagen muss, fürs Lagerfeuer wird sie dennoch nicht geeignet sein, sondern für einen ruhigen Moment...

Liebe Grüße, eure Anna

 

Hallo @xxxanna

Ich geh da voll d'accord mit meinen Vorrednern. Mich hat der Einstieg ebenfalls abgeschreckt, eher eine unglückliche Metapher mit der Milliarde. Könntest du streichen, ohne dass der Text verliert. Im Gegenteil.

Jo, ansonsten eine weitere Episode der Trauerbewältigung, nix aufregend neues.
Was mich da mehr aufwühlt:

Ich werde den Text nochmal überarbeiten und würde mich freuen, wenn ich euch in der Kommentarspalte noch mal begegne

Ich glaube, andere würden sich auch darüber freuen, wenn sie dir in ihren "Kommentarspalten" begegnen würden.
Nur mal so zum Nachdenken über Geben und Nehmen.

Und somit Willkommen bei den Wortkriegern,
Gruss dotslash

 

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