Küchenlicht
Das Küchenlicht brannte. Das Licht strahlte auf den Bürgersteig und in die Dunkelheit. Durch das kleine Küchenfenster konnte man zwei Schatten erkennen, sie beugten sich und gingen umher. Er stand unter dem tiefen Licht, das Schneidebrett vor sich und das Messer in der Hand. Geschmeidig wie immer glitt es durch die nasse Paprika. Gewohnt schob er sie mit der Seite des Messers vom Brett in eine Schale. Die Bewegungen liefen beinahe roboterähnlich und identisch ab. „Tagesschau?“ fragte Bärbel, nahm dabei die Fernbedienung schon in die Hand und drückte sie. Der Bildschirm flackerte kaltblau auf. Das Wohnzimmer grenzte direkt an die Küche. Er nickte, sie bemerkte es gar nicht. Wozu auch reden? Er würde gleich in dem Sessel einschlafen, geweckt werden und schlaftrunken in das Bett schleichen.
„Ich hab heute Klaus getroffen, als ich eine neue Birne für das Küchenlicht gekauft habe“. Stille. „Das Wetter bleibt unverändert grau mit Regen und wenigen Sonnenstunden“. Er hörte Schritte, wusste genau, dass der Salat auf den Wohnzimmertisch gestellt wird. Wortlos ging er zu seinem Sessel. Leere Blicke auf die Bildschirmröhre, die Stimmen werden nur von dem Geklapper des Bestecks unterbrochen. „Das Licht“ sagte sie, sah ihn dabei nicht an. Er stand auf, stellte seinen Teller vor sich auf den Untersetzer und ging in die Küche. Während er den Hand auf den Schalter legte, schaute er nach draußen. Eine Mutter ging mit ihren Kindern die Straße entlang, sie sangen dabei „Ich war noch niemals in New York, war noch niemals auf Hawai…“. Glücklich sehen sie aus, dachte er. Er betrachtete seine Hand auf dem Schalter, sah die Haare, die Adern und die Leberflecken.
„Klaus geht nach Amerika. Er hat eine Farm gekauft, will Viehzucht betreiben“. Es war still, das Licht brannte. „Im Anschluss sehen Sie eine Sondersendung zu den Langtagswahlen in Thüringen“. Das Licht strahlte auf seinen Arm, in der Ferne ging die Sonne unter, er spürte eine Hitze auf seiner Hand, Staub vermischte sich mit rinnendem Schweiß. Das Getrampel des Viehs wurde lauter und lauter, sein Herz schlug schneller. Ein Hund bellt, er schließt das Tor, es ist geschafft! Er klopfte den Staub von der Hose und den Händen, stieg in seinen orangenen Pick-Up und sein Blick schweifte über die Ferne, ein Ozean aus Blau und Weiß, die kahlen Felsen und die Schatten, die sie wurfen. Beim Herunterlassen des Fensters spürte er den immer noch warmen Wind, wie ein Tuch trocknete er den Schweiß und durchfuhr seinen Körper. Seine Gedanken kreisten um Countrymusik und ein kühles Bier.
„Hast du vergessen, wie man das Licht ausmacht?“, fragte sie und lachte für sich selber. Er schaute auf seine Hand, die mit ihren Flecken immer noch auf dem Schalter lag. „Klaus ist schon ein echt verrückter Typ“. Er löschte das Küchenlicht, ging langsam zu seinem Sessel, nahm seinen Teller auf. Zwischen den. Worten des. Sprechers konnte er noch den entfernten Gesang hören. „Ich war noch niemals wirklich frei…“