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Küchenlicht

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28.06.2021
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Küchenlicht

Das Küchenlicht brannte. Das Licht strahlte auf den Bürgersteig und in die Dunkelheit. Durch das kleine Küchenfenster konnte man zwei Schatten erkennen, sie beugten sich und gingen umher. Er stand unter dem tiefen Licht, das Schneidebrett vor sich und das Messer in der Hand. Geschmeidig wie immer glitt es durch die nasse Paprika. Gewohnt schob er sie mit der Seite des Messers vom Brett in eine Schale. Die Bewegungen liefen beinahe roboterähnlich und identisch ab. „Tagesschau?“ fragte Bärbel, nahm dabei die Fernbedienung schon in die Hand und drückte sie. Der Bildschirm flackerte kaltblau auf. Das Wohnzimmer grenzte direkt an die Küche. Er nickte, sie bemerkte es gar nicht. Wozu auch reden? Er würde gleich in dem Sessel einschlafen, geweckt werden und schlaftrunken in das Bett schleichen.

„Ich hab heute Klaus getroffen, als ich eine neue Birne für das Küchenlicht gekauft habe“. Stille. „Das Wetter bleibt unverändert grau mit Regen und wenigen Sonnenstunden“. Er hörte Schritte, wusste genau, dass der Salat auf den Wohnzimmertisch gestellt wird. Wortlos ging er zu seinem Sessel. Leere Blicke auf die Bildschirmröhre, die Stimmen werden nur von dem Geklapper des Bestecks unterbrochen. „Das Licht“ sagte sie, sah ihn dabei nicht an. Er stand auf, stellte seinen Teller vor sich auf den Untersetzer und ging in die Küche. Während er den Hand auf den Schalter legte, schaute er nach draußen. Eine Mutter ging mit ihren Kindern die Straße entlang, sie sangen dabei „Ich war noch niemals in New York, war noch niemals auf Hawai…“. Glücklich sehen sie aus, dachte er. Er betrachtete seine Hand auf dem Schalter, sah die Haare, die Adern und die Leberflecken.

„Klaus geht nach Amerika. Er hat eine Farm gekauft, will Viehzucht betreiben“. Es war still, das Licht brannte. „Im Anschluss sehen Sie eine Sondersendung zu den Langtagswahlen in Thüringen“. Das Licht strahlte auf seinen Arm, in der Ferne ging die Sonne unter, er spürte eine Hitze auf seiner Hand, Staub vermischte sich mit rinnendem Schweiß. Das Getrampel des Viehs wurde lauter und lauter, sein Herz schlug schneller. Ein Hund bellt, er schließt das Tor, es ist geschafft! Er klopfte den Staub von der Hose und den Händen, stieg in seinen orangenen Pick-Up und sein Blick schweifte über die Ferne, ein Ozean aus Blau und Weiß, die kahlen Felsen und die Schatten, die sie wurfen. Beim Herunterlassen des Fensters spürte er den immer noch warmen Wind, wie ein Tuch trocknete er den Schweiß und durchfuhr seinen Körper. Seine Gedanken kreisten um Countrymusik und ein kühles Bier.

„Hast du vergessen, wie man das Licht ausmacht?“, fragte sie und lachte für sich selber. Er schaute auf seine Hand, die mit ihren Flecken immer noch auf dem Schalter lag. „Klaus ist schon ein echt verrückter Typ“. Er löschte das Küchenlicht, ging langsam zu seinem Sessel, nahm seinen Teller auf. Zwischen den. Worten des. Sprechers konnte er noch den entfernten Gesang hören. „Ich war noch niemals wirklich frei…“

 

Hallo @Seicento !

Ich versuche mich mal an meiner ersten Bewertung hier auf der Seite.

Grundsätzlich hat mir deine Story gut gefallen, du beschreibst das Setting schlüssig und hast einen für mich passenden Einstieg gefunden.
Du beschreibst hier den monotonen Alltag bzw. den Ablauf während des Abendessens zwischen einem (Ehe-) Paar, was an den Formulierungen "wie immer, gewohnt, er wusste genau" etc. deutlich klar wird.

„Das Licht“ sagte sie, sah ihn dabei nicht an
Besonders gut gefällt mir diese Stelle. Zum Einen zeigt sie das Verhältnis der Beiden. Bärbel spricht den Satz nicht einmal zu Ende, soviel Mühe macht sie sich nicht, ein Bitte fehlt auch. Hier zeigt sich wie selbstverständlich die Beziehung bereits geworden ist und das das "Verliebtsein" schon einen Moment her ist.
Kurz danach kommt dann das Finale deiner Geschichte mit dem Schalter.

Er schaute auf seine Hand, die mit ihren Flecken immer noch auf dem Schalter lag.
Ich finde der Schalter hat hier eine starke Symbolkraft. So wie das Licht ausgeschaltet werden kann, könnte der Mann auch sein Leben ändern und sein Glück oder seine Freiheit wiederfinden.
Möglich wäre auch der Vergleich Licht-Dunkelheit sowie Verheiratet-Alleine und schlussendlich Verheiratet-Frei. Der Mann assoziiert somit die Beziehung zu Bärbel als Begrenzung von (seiner) Freiheit, zumindest verstehe ich das als Leser so.
Das Licht strahlte auf seinen Arm, in der Ferne ging die Sonne unter, er spürte eine Hitze auf seiner Hand, Staub vermischte sich mit rinnendem Schweiß.
Schöne Beschreibung dieser Sehnsucht, das Ausmalen von "was wäre, wenn", welche Möglichkeiten hätte ich, wenn ich (der Mann) an Klaus Stelle nach Amerika gehen würde?


Nun möchte ich noch ein bisschen Kritik dalassen :D

Das Licht strahlte auf den Bürgersteig und in die Dunkelheit
Hier schreibst du es ist dunkel draußen.
in der Ferne ging die Sonne unter, er spürte eine Hitze auf seiner Hand, Staub vermischte sich mit rinnendem Schweiß.
und hier habe ich erst nach dem dritten Mal lesen verstanden, dass diese untergehende Sonne bereits zu seinem -ich nenne es mal "Sehnsuchtstraum"- gehört. Vielleicht liegt es auch an mir, aber das war für mich unklar.

Während er den Hand auf den Schalter
die Hand

Eine Mutter ging mit ihren Kindern die Straße entlang, sie sangen dabei „Ich war noch niemals in New York, war noch niemals auf Hawai…“
Hier hätte ich mir nach mehrmaligem Lesen ein anderes Motiv für die Sehnsucht erhofft. Das fand ich etwas plump, zumal der Song zumindest in mir ein positives Gefühl weckt, was dann nicht zur erzeugten Stimmung passt. Vielleicht etwas am Aussehen der Mutter, ein Kleidungsstück oder wenn du beim Lied bleiben willst ein anderes?

„Klaus ist schon ein echt verrückter Typ“.
Hier ist meiner Meinung nach nicht klar, wer das sagt. Das hätte ich sehr wichtig gefunden das zu erfahren, da sich je nachdem wer das sagt die Geschichte nochmal ändert.

Er löschte das Küchenlicht
Hier finde ich die Formulierung nicht so gelungen, ich finde man kann eine Kerze oder eine Öllampe löschen aber kein elektrisches Licht?!


Danke für diesen Text, ich hoffe mein Feedback ist verständlich. Würd mich über eine kurze Rückmeldung freuen!

Gruß M

 

Hallo @Seicento,
danke für Deine Geschichte. Ich finde wunderbar, wie sie die Sehnsucht nach etwas Anderem, Besonderem, Aufregenderem als den immer gleichen Alltag beschreibt. Über das Paar selbst erfahren wir in der Geschichte ja nicht viel Genaues, wohl aber darüber, wie gewohnt und immer gleich alles ist, so dass bei ihm plötzlich Ausbruchsfantasien losgehen. Nur das allein finde ich auch wirklich erzählenswert, unabhängig davon, ob er wirklich unglücklich ist und seine Fantasien wirklich irgendwie umsetzen möchte. Es ist eine Geschichte, die bewegt, finde ich.

Ein paar Sachen sind mir aufgefallen:

Die Bewegungen liefen beinahe roboterähnlich und identisch ab.
Diesen Satz brauchst du meines Erachtens nicht, da Du im Satz vorher schon alles sagst. Wenn Du ihn dennoch stehenlassen möchtest, müsstest Du das identisch auf etwas beziehen. "... und identisch zu denen vom Vortag ab."
Er nickte, sie bemerkte es gar nicht. Wozu auch reden? Er würde gleich in dem Sessel einschlafen, geweckt werden und schlaftrunken in das Bett schleichen.
Das "gar" würde ich weglassen, "in dem" zu "im" zusammenfassen und "in das" ebenfalls zu "ins". Das würde einfach besser klingen.
„Ich hab heute Klaus getroffen, als ich eine neue Birne für das Küchenlicht gekauft habe“. Stille. „Das Wetter bleibt unverändert grau mit Regen und wenigen Sonnenstunden“. Er hörte Schritte, wusste genau, dass der Salat auf den Wohnzimmertisch gestellt wird. Wortlos ging er zu seinem Sessel. Leere Blicke auf die Bildschirmröhre, die Stimmen werden nur von dem Geklapper des Bestecks unterbrochen.
Den ersten Satz sagt sie, den zweiten der Fernsehapparat, nehme ich an? Das solltest Du irgendwie deutlich machen. Es würde dazu schon genügen, wenn Du direkt anschließend etwas beschreibst, was sie tut, z.B. "Sie strich Butter auf ihr Brot." oder so und nach dem zweiten Satz ein "tönte der Fernseher" o.ä. anfügst.
"wird" und "werden" müssen auch in der Vergangenheit stehen, da Du ja in der Vergangenheit erzählst.
„Klaus geht nach Amerika. Er hat eine Farm gekauft, will Viehzucht betreiben“. Es war still, das Licht brannte. „Im Anschluss sehen Sie eine Sondersendung zu den Langtagswahlen in Thüringen“.
Er will Viehzucht betreiben, klingt nicht so, wie man spricht, oder? "will Vieh züchten", fände ich überzeugender. Dass der nächste Satz aus dem Fernseher kommt, ist klar.
Licht strahlte auf seinen Arm, in der Ferne ging die Sonne unter, er spürte eine Hitze auf seiner Hand, Staub vermischte sich mit rinnendem Schweiß.
Hier beginnt der innere Film Deines Protagonisten, sehr schön. Das "eine" ist zu viel oder es müsste sich auf etwas beziehen, was Du noch beschreiben müsstest. Was für eine Hitze, eine, die... Aber ich glaube, das bräuchtest Du nicht, "eine" einfach weglassen.
Ein Hund bellt, er schließt das Tor, es ist geschafft!
Auch den inneren Film erzählst Du in der Vergangenheit, also musst Du auch dabei bleiben.
ein Ozean aus Blau und Weiß, die kahlen Felsen und die Schatten, die sie wurfen.
Mit diesen Farben assoziiere ich eine Meeres- oder winterliche Gebirgslandschaft, aber nicht eine trockene Ebene, in der Kühe grasen. Ist die nicht eher ockerfarben, gelblich?
Es muss "warfen" heißen.
Zwischen den. Worten des. Sprechers konnte er noch den entfernten Gesang hören. „Ich war noch niemals wirklich frei…“
Die Punkte hinter "den" und "des" weg.
Im Unterschied zu meinem Vorredner finde ich diesen Song gar nicht störend in Deiner Geschichte. Er impliziert zwar eine andere Stimmung als die des Viehhirten, war aber vielleicht der Anstoß zum Träumen für ihn, zuerst eine Reisefantasie, dann gar eine zum Aussteigen aus dem bisherigen Leben. Zum Schluss dann vielleicht sogar wieder eine unbewußte innere Frage: Vielleicht würde wenigstens eine Reise einmal gut tun?

Viele Grüße,
Palawan

 

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