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Heimweg

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27.06.2001
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Heimweg

Jetzt zieht wieder der Holzrauch durch das Dorf.
Durch die frühe Finsternis fliehen schwarze Schemen an das warme Feuer.
Ich ziehe mit ihnen.
Der Nebel schluckt unsere Tritte und die Laternen stoßen nur eine kleine Klarheit in den Abend.

Ich gehe den längsten Weg und meine einzige Erwartung ist der Raum, den ich mein Zuhause nenne und dessen Schlaf ich mit meinem Dasein erwecke.
Noch begrüßt mich hier die Alltäglichkeit. Die Post serviert keine Sensationen; nichts, was mein Leben aus den Angeln heben könnte.
Der Aschenbecher birgt das Gestern in sich, winkt mit meinen letzten Stunden.
Die Zeitung droht mir mit ihren Schlagzeilen und verheißt mir nichts Besseres in ihrem weiteren Innenleben. Dumpfe Hilflosigkeit und Wut auf die Herren dieser Welt befällt mich bei dieser Ansicht.
Ich sehe weg. Verschiebe auf später.
Setze mich vor das leere Papier und erinnere mich an Heute.
Darf und will nicht vergessen, was ich gesehen und gespürt habe.

Eine Straße in der Stadt.
Ich bewege mich in dem Moloch von Häusern, Verkehrsknotenpunkten; Stadt eben, und doch:
In einer dieser Straßen fällt mich das Leben an.
Jemand niest ein paar Mal lustvoll und der Klang schallt durch die Häuserfluchten. Jeder kann es hören. Doch kein hundertfaches "Gesundheit" kommt zurück. Die Köpfe bleiben versteckt unter der Motorhaube.
Die Szene ist klar beleuchtet, jedes Gesicht unverfälscht zu sehen, jede Geste, jeder Schritt.
Nichts bleibt versteckt, nur das Leben hinter den heruntergelassenen Jalousien.
Jeder Hund würde sich hier beschnuppern bei der Begegnung und so Freund oder Feind bestimmen.

Aber die Menschen gehen alleine, grüßen sich nicht; die eigene Rasse ist ihnen suspekt.
Ein Blick, eine Berührung birgt unbekannte Gefahren.
Was tun wir uns?
Tragen wir nicht alle nur das Leben in uns?

Ein Staunen rührt mich an und ein Unbegreifen, daß ich selbst nicht genau hinsehe, nicht jeden begrüße und anlächle, dem ich begegne, keine Worte austausche außer beim schnellen Zigarettenkauf; nicht mal kurz nach dem Befinden frage in ein abgehärmtes Gesicht.
Welche Scheu hält auch mich zurück vor Gesten und Worten, die vielleicht für einen kurzen Augenblick ein warmes Erkennen auslösen?
Vielleicht brennt danach das Feuer im Heim ein wenig fröhlicher und ein Lächeln mehr wäre in dieser Welt.

So fahre ich später nach Hause, gehe meinen Weg mit den anderen im diffusen Licht und rufe - endlich angekommen - einen mir lieben Menschen an.

 

Vor allem die zweite Hälfte der Geschichte fand ich sehr gut. Der Anfang ist aber etwas schwer zu deuten (Erst das Dorf und dann die Stadt/unsere Schritte und dann bloß ein Ich). In Deinem Profil steht aber, daß Du mehr Poesie schreibst, insofern denke ich man muß die Geschichte eher vom Gefühl her interpretieren.

 

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