Schön,
dank Woltochinon,
mal wieder was von Dear zu lesen, und wär’s auch noch so verdampt lang her, die Geschichte kann – bin ich von überzeugt - gar nicht altern, wird eher aktueller denn vorm Fall der Liehmään Bros.,
liebe Gisanne,
da kann man gleich alles Gute wünschen, denn nach 32 Tagen sind ja gerade mal 8 ½ % des Jahres abgelaufen, der Geburtstag - immrehin drei Wochen her, ist auch nicht aus der Welt - und endlich ist der Winter auch im Pott angekommen (wenn auch gleich übertrieben, dass es durch Pullöverchen zieht) ... dass im Internetcafé erst mal ein Wodka fällig wurde ...
Selbst, wenn ich schon bissken 2007 zu gesagt hab, heute, im siebenten Jahrzehnt des Lebens, ist man nicht immer, aber doch gelegentlich reifer als im sechsten, und ich muss zu diesem kleinen Text aus der Experimentierküche wieder was zufügen, deckt es doch alles, was Handel und handeln ausmacht auf kleinstem Raum ab. Seit dem 16. Jhdt. nimmt nämlich durch die Substantivierung des Verbs handeln dessen Bedeutungsvielfalt ab und wird zunehmend aufs Wirtschaftliche / Kaufmännische (Waren[handel] zB) beschränkt – ein Zeichen wachsenden Einflusses der Ökonomie über die Säulen der Gesellschaft
(bin gerade über Hanna Arendts Totalistarismusstudien wieder auf die Sieben Säulen der Weisheit des TE Lawrence gekommen),
da hilft auch nicht mehr die scheinbare Erweiterung ins Juristische durch Umlautung zum Händel, dem Streit, der dann nur offenlegt, dass die Wirtschaft und insbesondere der Kaufmannsstand nicht unbedingt den breitbrüstig verkündeten westlichen Leitbildern entsprechen muss, werden doch mehr als gelegentliche Raufhändel mit Waffengewalt um Märkte („Handelsplätze“) geführt.
Den Goten war die Hand noch klangvoll eine handus [schon im Althochdeutschen nur noch hant], und die Etymologie vermutet den Ursprung der Wortbildung im –hinÞan [Þ = tie-aitsch der Angelsachsen], was greifen / fangen bedeute. Handus wäre also die Greiferin / Fasserin gewesen und der alte Stamm lebt noch in der Endung –hand[en] fort: abhanden (aus den Händen), allerhand (allseits = rechter + linker Hand), behände (bei der Hand), vorhanden (vor den Händen), zuhanden (zu den Händen) usw.
Zudem symbolisiert die Hand von Anfang an Gewalt, Besitz und doch zugleich Schutz über etwas.
Das Althochdeutsche, noch klangvolle hantalon bedeutet „befassen; berühren; bearbeiten“ und noch im Mittelhochdeutschen, nun schon unsere heutige Schreibweise handeln, wird die Bedeutung noch einmal erweitert: „mit den Händen fassen, berühren; [be]arbeiten, verrichten, vollbringen, tun; mit etwas verfahren; behandeln; bewirten“. All diese durch Ökonomie abgeschliffenen Bedeutungen lassen sich in der Geschichte finden, die dann um Mythisches erweitert werden. Denn Du weißt, dass Namen bei mir nicht Schall und Rauch sind und in Erzählungen auch bewusst gewählt werden sollten – was ich bei Dear einfach unterstell::
Lieber ein dämliches ‚Nein’, als handeln …,
denkt Lydia,
die Frau also, die aus Lydien in Kleinasien stammt.
Aufs Verb lassen sich alle genannten Bedeutungen einfügen incl. der eingeschränkten heutigen, die so tut, als wäre das Verb vom Handel abgeleitet. Wir wissen aber nun, dass das Verb wie der abgeleitete Begriff Handel von der Hand abstammt.
Aus dem antiken Lydien ist uns die Bezeichnung Krösus für Stinkreiche überkommen, doch wie dem König Krösus bringt der Lydia ein
elegante[r] Deal nachts am Hafen … nichts Dauerhaftes ...,
wie schon in der Beziehungs(kiste) zu Harry, der mich ein wenig an den genialen Hitchcock-Film Immer Ärger mit Harry denken lässt, aber ein Harry, der einfach nicht verschwindet wie die Filmleiche, sondern der lieber eine Erbsen- oder doch eher Linsensuppe löffelt –
und da war doch noch was …
Bekommt Lydia den Hals nicht voll?
Und hat Harry sein Erbe mit Lydia verspielt?
Die Geschichte bietet auf knappstem Raum in der Tarnung der Alltäglichkeit Anspielungen aus Geschichte und Mythos – mehr als man hier darstellen könnte, will man nicht zum Alleinunterhalter werden:
Schon Platon berichtet in einem Anfall von Fantasy von einem Hirten Gyges, der einiges vor Krösus Zeiten mit Hilfe eines unsichtbar machenden Ringes die Königin gewonnen und auf der Geliebten Verlangen hin den König von Lydien getötet habe.
Aber dem können David und Saul nicht entsprechen, selbst wenn David schon mal einen General in den Tod schickt, um an dessen Frau bequemer zu kommen ...
Tatsächlich wird durch Herodot ein Gyges vier Generationen vor Krösus genannt, der die Gattin seines ermordeten Vorgängers Kandaules nebst dem Reich übernahm, was zu genannter Erzählung geführt haben mag.
Um den sagenhaft reichen Krösus hingegen gibt es die Legende eines gewaltigen Irrtums: Krösus eroberte große Teile Kleinasiens. Doch wie das so geht bei mächtigen und reichen Leuten, die bekommen den Hals nicht voll. Delphi orakelte ihm, wenn er den Halys – d. i. im heutigen Anatolien der Kizilirmak, der länger ist, als der Rhein je vermessen werden kann – wenn er also den Strom überschreite, werde er ein großes Reich zerstören.
Was dann auch geschah. Bedauerlich für ihn: es war sein eigener Untergang wie der Lydiens.
Ja klar, das Linsengericht: Esau, der ältere Bruder des Jakob, verkauft dem Jüngeren für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht und somit das (damals noch) nomadische Erbe Abraham und Isaaks. Immerhin gilt er als Stammvater der Idumäer, die dann in den Nabatäern aufgingen und immerhin eine Petra - keine Lydia - schufen, wo nicht nur der Totentempel, sondern auch das Kloster Ed Deir verblüfft und staunen lässt.
Itzo bin aber erschöpft. Ist ja eh länger geworden als der Muttertext.
Gruß vom
Friedel
Nebst der Dudenredaktion
PS: Belgia ist inzwischen eine gestandene ältere Dame, die seit dem Tode Bingos nicht mehr ausbüxt – eigentlich schade, da wusste man noch, was man stundenlang zu tun hatte.