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Geschichtslos glücklich
Hallo Ampelmännchen2005,
ich habe deine Geschichte trotz ihrer Länge bis zum Ende gelesen, muss dir allerdings sagen, dass sie mich nicht wirklich überzeugt hat. Wirklich kalt gelassen hat sie mich allerdings auch nicht.
Der Einstieg ist für meine Begriffe sehr vielversprechend. Du bringst die Gefühle des Barkeepers ausgezeichnet rüber und die Idee mit dem Tequila finde ich zwar fast etwas flapsig, aber immerhin originell. Es wird eine sehr lebendige Stimmung aufgebaut und das gefällt mir schon recht gut.
Nie hatte sie geglaubt, dass etwas Derartiges ihr einmal widerfahren könnte und eine Gänsehaut kroch prickelnd über ihren Körper.
Abgesehen davon, dass ich den Satz etwas holprig finde, hast du hier jählings einen Perspektivwechsel, denn bisher haben wir die Geschichte ja aus Ferdinands Blickwinkel erfahren. Jetzt kommt auf einmal dieses Mädchen. Ich denke auch, du solltest ihr einen Namen geben.
Im Lauf der Geschichte springst du dann immer wieder zwischen ihr und Ferdinand hin und her, das hat zur Folge, dass ich mich weder mit ihr noch mit ihm richtig identifizieren kann, weil beide einfach viel zu oberflächlich bleiben.
Mit weitaufgerissenen Augen starrte er auf das, was vor ihm aus der Dunkelheit auftauchte. „Oh mein Gott“, hauchte er.
Mal ehrlich, diese Szene haben wir alle schon so oft in einem billigen Horrorfilm gesehen, das kannst du doch besser.
wie ein Ork, der sich im Regen verlaufen hatte
An dieser Stelle bist du für meine Begriffe ohne mich über eine rote Ampel gelaufen. Wieso denn ein Ork? Das ist doch keine Fantasy-Geschichte, oder? Ich reagiere immer etwas allergisch auf Orks, dafür kannst du auch nichts, aber ich bin grundsätzlich der Ansicht, dass du dieses Bild nicht nötig hast.
Ab der Stelle mit dem Beil sackt die Geschichte schließlich ins Bodenlose ab. Der Plot ist ab da wirklich nicht mehr neu und erschreckend vorhersehbar. Ein paar Logikfehler sind dir da auch unterlaufen. Wie kann er z.B. den Cadillac starten, wenn Joey noch bewusstlos ist? Da solltest du noch mal rüber gehen.
Die Reaktion des Mädchens fand ich dann auch überhaupt nicht nachvollziehbar. So handelt eine Comicfigur, aber du schreibst hier eine Kurzgeschichte. Es wäre also gut, wenn du deinen Charakteren noch etwas mehr Tiefe gibst und auch dafür sorgst, dass der Leser sich in sie einfühlen kann. Am Anfang hast du das ja relativ gut hinbekommen. Nur etwa ab der Hälfte jagst du so schnell durch die Handlung, dass absolut keine Atmosphäre mehr aufkommen kann.
Mit der Auflösung bin ich überhaupt nicht glücklich. Die ist so lieblos hingekliert, dass ich fast das Gefühl habe, du hattest keine Lust mehr.
Trotz des Plots und dieser Mängel glaube ich, dass deine Geschichte noch eine ganze Menge Potential hat. Gut hat mir der Hinweis auf die Eichhörnchensymbolik gefallen oder die Episode mit der Schokolade
„Crème Caramel? Wahnsinn!“ Sie lächelte selig
Wenn du noch ein bisschen an deinen Charakteren schleifst, die Handlung überdenkst und ausbaust, von den Klischees Abstand nimmst, mehr Stimmung aufbaust und grundsätzlich mehr „show, don’t tell“ mit reinbringst und das Ende vielleicht ganz neu umschreibst, dann denke ich, aus der Geschichte könnte durchaus noch ein ganz solider Text werden. Orthographisch ist sie schon flüssig zu lesen und Grammatikfehler hast du auch keine. Von daher denke ich, du schaffst es, da noch eine Menge herauszuholen.
Liebe Grüße,
ciao
Malinche