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Gehirn - Jazz

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29.06.2003
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Gehirn - Jazz

Gehirn - Jazz (lasst Euch von dem Titel nicht abschrecken!)

Gehirn – Jazz

Ich bin mal wieder so weit, dass ich vor lauter Müdigkeit nicht schlafen kann. Es ist aber auch zum Kotzen, wenn ihr mal meine derzeitige Situation betrachtet: Einst bin ich gegangen zwischen Anfang und Ende und nun bin ich dem Ende so nah, dass der Anfang vom Ende das Ende bedeutet, da Ende und Anfang den Gang bilden, durch den ich gehe. Jenen Gang, der sich bis in meine Seele windet, mein Gehirn durchbohrt und mich schweigen lässt.
Und so hoffe ich auf das Ende vom Ende, da das Ende selbst schon längst begonnen hat: mit dem Anfang nämlich, da fing alles an.
Vielleicht ist das alles auch einfach nur zu viel verlangt, denn bisher haben sich derartige Wünsche nicht erfüllt. Nie. Aber es ist ja auch völlig egal, denn wer weiß schon, was die Wirklichkeit ist, wenn nicht ich? Heute werde ich es euch nämlich verraten:

Die Wirklichkeit ist lediglich ein Wort, hinter dem zum einen eine Idee und zum anderen eine Frage stecken. Die Idee ist die dreiste Behauptung, die Wirklichkeit sei das, was man ebenso Alltag mit gelegentlichen Abweichungen nennen kann, und die Frage ist die nach der Wahrheit, die dahinter steckt. Und da haben wir auch schon den Salat – bevor man sich nun etwas intensiver mit der Wirklichkeit auseinandersetzen kann, wird man mit der Wahrheit konfrontiert. Zu nichts kommt man hier, aber auch zu gar nichts wenn nicht zu der Wahrheit: Was ist denn das? Wahrheit? Schon wieder so ein längst vergessenes Fremdwort?
Oft wird leichtsinnigerweise die Wahrheit mit der Wirklichkeit verwechselt.
Vielmehr sollte man Wahrheit und Wirklichkeit jedoch miteinander kombinieren, denn wahr kann etwas erst sein, wenn es wirklich IST. Ohne Wirklichkeit keine Wahrheit und ohne Leben kein Tod. Abgesehen davon, dass es nicht einmal bewiesen ist, dass wir jemals auch nur daran gedacht haben, zu existieren.
Wer auf seine Existenz baut, hat schon verloren – das sind die Regeln. Du darfst dreimal würfeln und würfelst du eine sechs, so musst du aussetzen.
Fragst du jedoch nach Dingen wie dem „Sinn“, der „Wirklichkeit“ oder der „Wahrheit“, darfst DU nicht mehr mitspielen.
Wahn, Exzesse und Massengräber – all das spielt sich ab in deinem Schädel. Das ist einer der Gründe, warum du ausgetreten bist aus dem Spiel. Du hast Dein Gehirn sterilisieren lassen, damit keine Gedanken mehr geboren werden. Denn deine Gedanken quälen dich. Fast zu Tode hätten sie dich damals gequält, denn du (und damit wollte ich eigentlich sagen: ich) hast (habe) die Wahrheit gesehen.
Und die Wirklichkeit.
Und den Sinn des Wahns.
Und das raubte uns letztlich all unsere Kraft, bis auf ein kleines bisschen, das nun gerade noch ausreicht, um vor uns hinzuvegetieren.
Schade.
Manchmal war ich der festen Überzeugung, wir würden es schaffen. Aber das war einmal, denn heute ist alles anders und wir fragen auch nicht mehr so viel. Das hatte man uns ja damals schon verboten.
Heute vergessen wir es ganz, wir haben nämlich keine Zeit.

Wie spät ist es eigentlich?

 

Hallo, Zeitloop.

Vielleicht hättest du den Text in die Rubrik "Philosophisches" setzen sollen? Ich empfinde ihn als gelungenen Text über die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lebens, eine Frage, die sich wohl jeder von uns so stellt. Interessant und geeignet, länger darüber nachzudenken. Ich les das bestimmt noch ein paar Mal mehr. :)

Liebe Grüße

 
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Hi(gh)!

Ich sehe Dein Experiment so:
Die Wahrheit stellt (meist) ein momentanes Wissen dar. Die Wirklichkeit dagegen zeigt auf, dass (fast) nichts auf Dauer wahr ist.
Ich lese aus Deiner Geschichte daher Folgendes heraus:
Den Menschen wird dauernd irgend eine Wahrheit (eine Ideologie, eine Religion oder was auch immer) aufgezwungen, die noch dazu meist von einer (oder gar mehreren) anderen Wahrheit(en) (einer Gegenideologie -zB Faschismus - Kommunismus) "bekämpft" wird. Die Chef-Anhänger dieser "Wahrheiten" verbieten ihren jeweils Untergebenen das Denken, so dass am Ende nichts als Wirklichkeit (Krieg und Bürgerkrieg oder auch nur das bloße Herunterwirtschaften eines Systems so und so, somit ein kleiner Weltuntergang) heraus schaut.

Ja, ich hätte den (übrigens gelungenen) Text wahrscheinlich auch unter Philosophie platziert, obwohl er natürlich inhaltlich auch ein Gedankenexperiment über Sinn und Unsinn des Lebens darstellt.

Liebe Grüße
Lothar

 

hi Zeitloop!
auch von mir Lob für diesen Text. Das Experimentellste daran war für mich der Titel ;)
Aber das mag daran liegen, daß ich gerade guten Jazz höre, um mein Hirn frei von diesen Dingen zu bekommen, die Du beschreibst :D
um wieder kreativ zu sein und in Stimmung für's Schreiben zu kommen.

Ich fand die Frage nach dem Sinn des Wahns außerordentlich anregend und interessant und stimme zu: man muß das mehr als ein Mal lesen, um alles zu erfassen. Falls da ein Experiement dahintersteckt, das mir jetzt entgangen ist, wäre es klasse, wenn Du uns darüber aufklärst.

Lieben Gruß,

Frauke

 

Hallo!

Ein R I E S I G E S Sorry, dass ich mich jetzt erst melde... Mittlerweile ist dieser Thread bestimmt schon verstaubt aber ich wollte mich trotzdem noch ganz herzlich bedanken für das Lob und dafür, dass die Geschichte wohl doch etwas zu hinterlassen vermag....

Eine ganze Weile lang hatte sie niemand gelesen, geschweige denn eine Kritik/Lob - überhaupt 'ne Antwort- verfasst. Hatte nicht damit gerechnet, dass da noch was kommt. Aber siehe da: mehr Positives, als ich erwartet hätte. Danke.

Zeitloop

 

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