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Gefrorenes Lächeln

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09.09.2015
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Gefrorenes Lächeln

Während Tabea den Schlüssel umdreht, fällt ihr Blick wie jeden Tag zuerst auf den Slogan der Eingangstür: Wir verschenken ein Lächeln. Sie schüttelt den Kopf über ihre Inkonsequenz. Sie hatte wieder mal nicht nein sagen können, als ihr vom Wochenblatt das Werbepaket angeboten wurde: Vier Anzeigen in der Adventszeit, eine davon kostenlos und als Bonbon dieser überflüssige, kitschige Aufkleber, der ihr wie ein Mahnmal ihrer Schwäche erscheint. Morgen würde sie ihn eigenhändig abkratzen.

Augenblicklich schlägt ihr der vertraute Geruch nach teuren Klamotten und edlem Leder entgegen. Der lichtgraue Marmor, das blitzende Chrom, die Spiegel an den Wänden lassen sie frösteln. Sie erfasst ihr Spiegelbild und übt ein Lächeln, das mehr einem Zähnefletschen gleicht, aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung. Tabea hat große Lust, auf dem Absatz umzudrehen, doch die kleinen und großen Pflichten binden sie an ihr Geschäft. Sie richtet die Dekoration im Fenster, zupft an den Pullovern, schließt die Kasse, fährt mit dem Zeigefinger über einen Glasboden. Staubfrei. Auf Britt ist Verlass. Die tägliche Routine gewährt Tabea eine Galgenfrist, bis sie ihr Büro betreten muss.

Ein Klopfen unterbricht sie. Jan steht draußen und tritt von einem Bein aufs andere.
Tabea wundert sich, denn eine klare Absprache lautet: Keine Treffen im Geschäft.
Sie lässt ihn schnell ein und schließt die Tür wieder ab. „Das ist aber eine Überraschung.“ Sie lächelt ihn an und ihre Augen leuchten. „Hattest du Sehnsucht nach mir?“
„Hallo, Liebes!“ Jans Gesicht wirkt schmaler und blasser als sonst.
„Komm, wir gehen ins Büro!“, sagt sie und zieht ihn mit sich.
Keine gute Idee, wie Tabea zu spät bewusst wird. Das Chaos auf ihrem Schreibtisch gleicht dem in ihrem Leben. Lose Merkzettel und Lieferscheine liegen kreuz und quer. Das Sahnehäubchen ist ein Stapel ungeöffneter Briefe, deren Inhalt Tabea gar nicht kennen will. Die Unordnung sabotiert ihr Harmoniebedürfnis, dennoch bringt sie es nicht fertig, den Berg abzutragen. Und jetzt ist ihr die Zettelwirtschaft einfach nur peinlich.
Wenn Jan sich an dem Durcheinander stört, dann kann er es gut verbergen. „Komm mal her!“
Er schließt sie in seine Arme. Sie klammert sich für einen Augenblick fest an ihn, dann befreit sie sich aus der Umarmung. „Ich mach uns schnell ’nen Kaffee!“ Hastig räumt sie ein paar Papiere vom Besucherstuhl.
Jan winkt ab: „Nee, lass mal! Hab’ wenig Zeit.“
„Und trotzdem kommst du her?“
„Bea, Liebes, ich muss dir was sagen. Wegen heute Abend, das wird leider nichts. Bei uns zuhause ist die Hölle los.“ Mit einem Mal wirkt er gehetzt.
„Das verstehe ich nicht!“ Ihr Herz rast.
„Lotti weiß von uns. Keine Ahnung, woher. Sie hat mir gestern eine Szene gemacht, hat völlig überreagiert.“
Tabea schluckt, für einen Moment ist sie sprachlos, doch sie fängt sich schnell und sagt:
„Früher oder später war doch damit zu rechnen, dass Charlotte Wind von der Sache kriegt.“
„Ja, schon, aber sie hat getobt wie eine Irre. Sie hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen.“
„Was hättest du ihr denn gesagt?“
„Das spielt doch jetzt keine Rolle. Bea, hörst du? Sie hat gedroht, sie wird nicht dulden, dass du weiter mit mir rumvögelst.“
„Rumvögelst?“ Das Wort wirft sein Echo von den Wänden zurück. „Bisher dachte ich, es ist mehr für dich? Ein Irrtum?“
„Bea, wie kannst du so was sagen? Du weißt, du bedeutest mir viel.“
Tabea könnte wetten, noch vor Wochen, als er sie nach allen Regeln der Kunst umgarnt hat, hätte er noch alles anstelle von viel gesagt und stöhnt auf. „Und wie soll das weitergeh’n?“ Sie konnte das Zittern ihrer Stimme nicht verhindern.
„Ich muss Charlotte zur Vernunft bringen. Sie läuft völlig neben der Spur. Ich red’ mit ihr, heute Abend.“
Über Tabeas Nacken kriecht die Angst, doch sie muss die Frage aussprechen. „Und? Was wirst du ihr sagen? Dass ich deine große Liebe bin, dass wir gemeinsam ein neues Leben beginnen wollen? Dass ich im Bett tollere Kunststücke kann als sie?“
„Tabea, sei nicht so zynisch, das steht dir nicht. Aber so einfach ist das nicht. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit.“
„Jan, ich brauch’ keine Nachhilfe in Mathe. Ich will wissen, wo du stehst. Vielleicht ist es gut so, dass deine Frau Bescheid weiß.“ Der Raum schwankt, Tabea stützt sich an der Wand ab. Lieber Gott, denkt sie, bitte lass Jan zu mir stehen, lass ihn um uns kämpfen.
„Wenn es so weit ist, finde ich die richtigen Worte.“
„Du hast Angst vor einer Entscheidung, stimmt’s?" Ihr ist speiübel.
„Nein.“ Er will ihr über die Wange streicheln, doch sie schiebt seine Hand weg.
„Es ist besser, wenn du jetzt gehst, ich habe noch zu tun.“ Aufrecht und mit versteinerter Miene steht sie im Büro.
„Ich melde mich, morgen.“ Jans Augen schimmern feucht, doch Tabea weiß nicht, ob sie ihrer Wahrnehmung trauen kann. Sie sieht ihm nach, wie er mit hängenden Schultern den Laden durchquert und sie flüstert in die Stille: „Feigling.“ Das könnte es gewesen sein. Sie wäre kein Einzelfall einer kaltgestellten Geliebten. Die klassische Auflösung der klassischen Affäre. Sie will schreien, stattdessen wischt sie den Krempel mit einem einzigen Handstreich vom Schreibtisch. Dann sinkt sie kraftlos auf den Bürostuhl.

Ihr Blick wandert zu der Sprüchesammlung an der Pinnwand. Sie hatte damit begonnen, alle Aphorismen, die sich mit dem Thema Lachen in allen Lebenslagen befassen, zusammenzutragen und an die Wand im Büro zu heften, als ihr klar wurde, dass dieses Geschäft ihre Freude am Leben erstickte. Lachen und Lächeln als Medizin gegen Alltagsfrust. An dem Zitat Eine starke Frau schafft es zu lächeln, egal wie nah sie den Tränen ist bleibt sie kleben. Ja, ja, denkt sie bitter, alle Energie nur darauf richten, dass die Fassade keine Risse bekommt.

Britt erscheint gut gelaunt im Büro. Als sie den mit Papieren übersäten Fußboden sieht, sagt sie: „Oh, du hast mit Aufräumen begonnen. Gute Idee. Aber das Licht ist noch gar nicht an?“
„Hab’ ich vergessen. Kommt eh keiner.“
„Sei nicht so pessimistisch! Drüben bei Elektronik-Busch ist schon ein Gewimmel. Wenn die alle bei uns einkaufen kommen, kriegen wir die Kasse nicht mehr zu.“ Sie hängt ihr Mäntelchen auf einen Kleiderbügel.
„Wenn? Die Zeit der SOS-Geschenke zu Weihnachten ist vorbei, das wissen wir doch. Wenn heutzutage unterm Baum nicht irgendein elektronischer Schnickschnack piept, dann fällt das Fest der Liebe ins Wasser.“
„Mein Schatz kriegt einen Duft von mir. Du weißt schon, der, der mich ganz wuschig macht und die Liebe ist gerettet.“ Sie zwinkert Tabea zu.
„Verstehe.“ Ein bisschen erinnerte sie Britt mit ihrer Unbekümmertheit an sich selber, aber das war in einem anderen Leben.
„So, jetzt Licht an, Musik laut und Tür auf.“ Britt schwingt die Hüften und trällert: „Muss nur noch schnell die Welt retten.“

Tabea schaltet ihr Laptop ein, dann macht sie sich ans Aufräumen, öffnet Brief für Brief. Abwechselnd schielt sie zu den Aphorismen an der Wand und auf ihre Armbanduhr. Ein Geschenk von Jan. Jan. Das Ziehen in ihrer Brust wird unerträglich.

Im Verkaufsraum dudelt leise weihnachtliche Musik: Jose Feliciano wünscht aufgekratzt Feliz Navidad. Durch die angelehnte Tür hört sie, wie Britt in das Lachen einer Kundin einstimmt. Die Kasse rattert leise.

Das Läuten des Telefons bricht in ihre Gedanken ein. Sie hofft, Jan sei am anderen Ende der Leitung.
„Tabea Waller. Was kann ich für Sie tun?
„Krone hier. Sie wollten sich melden. Wie lang soll ich denn noch warten?“
Mist, denkt Tabea, den Krone hab’ ich ganz vergessen. „Ach, Herr Krone? Guten Tag. Ich hätte Sie heute noch angerufen. Geht es Ihnen gut?“ Tabea braucht Zeit, um sich zu sammeln. Sie räuspert sich, sucht nach den passenden Worten.
„Heute? Sie wissen schon, wie spät es ist? Hören Sie, Frau Waller, ich hab’ keine Zeit für Smalltalk. Ich will wissen, wie der Zinnober weitergehen soll?“
„Es ist, wie ich befürchtet habe, die Firma erkennt Ihre Reklamation nicht an. Man hat mir den Anzug wieder zurückgeschickt.“ Sie betrachtet den Karton, der noch in der Ecke steht. „Es tut mir leid, dass die Sache nicht in ihrem Sinne verlaufen ist. Ich schlage vor, Sie holen die Teile so schnell als möglich ab.“ Tabea könnte sich ohrfeigen, dass sie in Stresssituationen so wenig diplomatisches Geschick besitzt.
„Einen Teufel werde ich tun!“
„Wenn Sie möchten, können Sie das Schreiben der Firma gerne einsehen.“ Und wenn du einmal hier bist, denkt sie, küsse ich dir die Füße, wenn du mich lässt.
„Was soll ich mit dem Schreiben? Ich will einen Anzug, der nicht nach einer Minute wie ein Kartoffelsack aussieht. Oder noch besser: Sie behalten den Schund und geben mir mein Geld zurück.“
Genau diese Entwicklung hatte sie befürchtet. Kühl sagt sie: „Das werde ich gewiss nicht tun. Dazu bin ich nicht verpflichtet.“ Sie konnte den Anzug nur in die Kleiderspende geben.
„Das werden wir ja sehen. Ich habe das Recht, für mein gutes Geld knitterfreie Ware zu bekommen. Nur damit Sie’s wissen: Ich werde meinen Anwalt einschalten.“
Tabea lacht auf. „Bei diesem Streitwert.“ Der Mann verliert gerade den Verstand.
„Ihnen wird das Lachen auch noch vergehen.“
„Ich schlage vor, wir bleiben sachlich“, will Tabea einlenken, aber am anderen Ende ist niemand mehr, der sie hören könnte.
Tabea schließt die Augen. Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes. Eines, in dem nicht das Streben nach Geld und Erfolg regiert.

Britt steckt den Kopf zur Tür herein. „Hab grad Abrechnung gemacht, is’ gar nicht so schlecht heute.“ Dann stutzt sie: „Is’ was passiert? Du wirkst so geknickt.“
„Ja, Fidel ist gestorben“, sagt Tabea.
„Und?“ Britt zuckt die Schultern. „Menschen sterben eben.“
„Nein. Ja. Quatsch. Der Krone hat grad angerufen, wegen der Rekla. Er pocht auf das oberste Menschenrecht: Knitterfreiheit. Jetzt will das ausgebuffte Schlitzohr seinen Anwalt auf mich hetzen.“ Ein bitteres Lächeln umspielt ihren Mund.
„Und ich werd’ unter Eid aussagen, dass ich ihn beim Kauf auf die Knitterneigung der Ware hingewiesen habe.“ Sie streckt zwei Finger in die Höhe. „Euer Ehren, werd’ ich sagen, der Kunde Krone konnte mir kaum zuhören, weil er Mühe hatte, nicht in meinen Ausschnitt zu fallen.“ Britt kichert. „Mach’ dir nicht so viel Gedanken“, sie schnappt sich den Staubsauger und tänzelt davon. „Nichts wird so heiß gegessen, wie’s gekocht wird. Warten wir’s ab, ob der alte Sack seinem Anwalt auf den Sack …“ Ihre letzten Worte werden vom Motorengeräusch verschluckt.

Nur ein paar Pappbecher, die vom eisigen Wind über die Bürgersteige getrieben werden, stören die morgendliche Ruhe. Tabea zieht die Schultern hoch. Sie biegt um die Ecke und der Schriftzug springt sie an. Abrupt bleibt sie stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Alles in ihr weigert sich, das zu glauben, was sie sieht. Mit blutroten Buchstaben quer über die gesamte Schaufensterfront geschmiert: Dir wird das Lächeln bald vergehen!
Sie lockert ihren Schal, weil sie das Gefühl hat, er schnüre ihr die Luft ab.
Die Gedanken schießen wie Pfeile durchs Hirn. Charlotte, Krone, Scheißkerl, Hexe. Ein erbärmlicher Versuch, sie einzuschüchtern. Und schon spürt sie, wie ihre guten Vorsätze, den Tag zuversichtlich anzugehen, im Gully unter ihr versickern.
Britt kommt durch die schmale Gasse der Weihnachtsbuden angefegt, ihr blonder Pferdeschwanz wippt. „Hallo! Wartest du auf mich?“ Dann erfasst sie das Geschmiere, bekommt tellergroße Augen und sagt im Tonfall eines Kindes, das zum ersten Mal einen Lichterbaum sieht: „Wer macht denn so was?“
„Gute Frage, nächste Frage“, sagt Tabea.
„Und wie kriegen wir die Sauerei weg?“
„Komm, lass uns reingehen!“
Als sie die Eingangstür öffnen, werden sie vom Klingeln des Telefons empfangen.

Aufgelegt. Auf dem Display erkennt Tabea Jans Nummer. Drei Anrufe in Abwesenheit. Wahrscheinlich will er mir mitteilen, dass er sich von Charlotte scheiden lassen wird.
Als es wieder läutet, ist sie sofort am Apparat. „Jan, gut, dass du anrufst“, sagt sie mit beschleunigtem Pulsschlag.
„Bea, Liebes, es tut mir so leid. Deine Schaufenster, Charlotte steckt dahinter.“
„Ich hab’s befürchtet, doch ich kann’s nicht glauben.“ Tabea ist, als hätte man ihre Gedanken in eine Zwangsjacke gesteckt.
„Bea, sag doch was!“
„Da kann ich ja von Glück reden, dass da nicht steht: Das Vögeln wird dir bald vergehen!
„Ich schick' dir gleich ’ne Firma, die das entfernt“, sagt Jan.
„Tu’ das! Danke. Jan, ich glaub', ich hab' mich wie eine Idiotin benommen.“
„Da bist du wohl nicht die Einzige.“
„Jan? Bist du noch da?"
„Klar.“
„Jan, lass uns über die Feiertage zusammen wegfahren!“

Tabea entdeckt Britt im Schaufenster. Sie richtet die Auslage, als ob es jetzt noch darauf ankäme, faltenfreie Klamotten zu präsentieren.
„Es kommt heute noch jemand, wegen dem Schweinkram da“, sagt Tabea mit einer Kopfbewegung zur Scheibe.
„Schade eigentlich. Passt doch gut zu unsrer Weihnachtdekoration.“ Sie streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr und lacht. „Auf jeden Fall sind wir im Gespräch.“
„Ja, ja, Hauptsache, der Umsatz wird angekurbelt.“
„Ach übrigens, bevor ich’s vergess’“, Britt fummelt ein verknittertes Zettelchen aus ihrer Jeans und reicht es Tabea wie ein kostbares Geschenk. „Für dich.“
Tabea liest: Wer nicht lächeln kann, sollte den Laden zumachen. Manchmal auch, wer wieder lächeln will, Karl Heinz Karius, dann schmunzelt sie. „Ja, darauf bin ich schon selber gekommen.“

 

Hey peregrina,

ich finde den Ansatz - wir Lächeln, obwohl uns gar nicht danach ist - ja hübsch. Doch das hat was. Das ist so Dienstleistungshamsterrad unserer Zeit, und nicht nur da, auch in Politik und Wirtschaft und ... wird einfach weggelächelt. Bei so viel Lächeln müssten eigentlich alle froh sein. Und ich hasse übrigens dieses aufgesetzte Kunstlächeln, ich finde es furchtbar das Personal dazu zu verdonnern. Es wirkt viel zu oft unecht und tut beiden Seiten nicht gut. Auch der Kunde fühlt sich verarscht. Meine Meinung. Ich hasse es. Ich mag keine Restaurants, Hotels, Läden mit diesem schiefen Dauergrinsen. Ich mag auch nicht gern angelogen werden und so wirkt es aber oft auf mich.

... fällt ihr Blick wie jeden Tag zuerst auf den Slogan der Eingangstür: Wir verschenken ein Lächeln. Und wie jedes Mal denkt sie, dass er an Dämlichkeit kaum zu überbieten sei.

:gelb:

Sie erfasst ihr Spiegelbild und übt ein Lächeln. Es entgleist, noch gleicht es einem Zähnefletschen, aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung.

Alles in Fett finde ich irgendwie nicht treffend. Sie überprüft ihr Spiegelbild oder anders - aber erfassen ... mir will das nicht das richtige Verb hier sein.

Und das andere - auch schräg, nicht gut, nicht schlecht, schon klar worauf Du hinaus willst, aber mich hat es rausgehauen in dieser Formulierung.

Tabea könnte wetten, noch vor Wochen, als er sie nach allen Regeln der Kunst umgarnt hat, hätte er noch alles anstelle von viel gesagt und stöhnt auf. „Und wie soll das(Kein Zeilenumbruch)
weitergeh’n?“ Sie konnte das Zittern ihrer Stimme nicht verhindern.

Ihr Blick wandert zu der Sprüchesammlung an der Pinnwand. Sie hatte damit begonnen, alle Aphorismen, die sich mit dem Thema Lachen in allen Lebenslagen befassen, zusammenzutragen und an die Wand im Büro zu pappen, als ihr klar wurde, dass dieses Geschäft ihre Freude am Leben erstickte.

Fand ich gut!

„Mein Schatz kriegt einen Duft von mir. Du weißt schon, der, der mich ganz wuschig macht und die Liebe ist gerettet.“

Hehe - Aromatherapie für die Liebe - hübsch

„Was soll ich mit dem Schreiben? Ich will einen Anzug, der nicht nach einer Minute wie ein Kartoffelsack aussieht. Oder noch besser: Sie behalten den Schund und geben mir mein Geld zurück.“

Ich frag mich, warum sie das Telefonat so fertig macht. So Leute gehören doch zum täglichen Geschäft. Umtausch ist nicht, weil bereits getragen, damit kommt sie überall durch. Den Rest des Ärgers dem Kunden geschenkt.

Tabea schließt die Augen. Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes. Eines, in dem nicht das Streben nach Geld und Erfolg regiert.

Sehr schön. Nur den Erklärsatz bräuchte es eigentlich nicht.

Mit blutroten Buchstaben quer über die gesamte Schaufensterfront geschmiert: Dir wird das Lächeln bald vergehen!

Hier kommt zum ersten Mal Spannung auf. Wäre die Rekla-Szene nicht so lang, käme sie etwas früher und ich glaub, das wäre gut.

Als es wieder läutet, ist sie sofort am Apparat. „Jan, gut das du anrufst“, sagt sie mit beschleunigtem Pulsschlag.
„Bea, Liebes, es tut mir so leid. Deine Schaufenster, Charlotte steckt dahinter.“

Hoppala - und sofort schiebst Du die Auflösung hinterher. Schade.

Auch, wenn ich die Telefonszene zu lang finde, ist die Geschichte am Ende kurz geraten. Ich mein, die Frau hat so gar keinen Grund mehr zum Lächeln, der Laden kotzt sie an, der Liebhaber läuft weg ... alles in ihrem Leben schreit: Da gibt es nix zu Lächeln. Schön wäre, wenn es da mehr auf und ab gäbe, bisschen mehr Wendepunkte oder überhaupt einen. Gibt ja keinen. Läuft alles linear auf Null zu. Ist hübsch, aber da bleibt bei mir dann auch nicht viel hängen. Ich muss als Leser nicht viele Emotionen investieren. Bisschen Mitleid (wenn überhaupt) und gut. Aber das macht am Ende das Leseerlebnis für mich doch aus. Nicht der Plot., sondern wie intensiv ich die Geschichte erlebt hab, Hoffnung, Enttäuschung, Wut, ... je mehr ich empfinde, je komme ich der Geschichte. Es fehlen Wendepunkte ;).

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo peregrina

Zunächst etwas Kleinkram:

Dann erfasst sie das Geschmiere, bekommt tellergroße Augen und sagt im Tonfall eines Kindes, dass zum ersten Mal einen Lichterbaum sieht

das

„Jan, gut das du anrufst“, sagt sie mit beschleunigtem Pulsschlag.

dass (und ein Komma davor).

Sie schüttelt den Kopf über diese Gedanken, die täglich im Kreis drehen, behäbig wie ein antikes, knarrendes Kinderkarussell. Und auch über ihre Inkonsequenz. Sie hatte nicht nein sagen können, als ihr die Weihnachtsaktion vom Wochenblatt angeboten wurde. Vier Anzeigen, eine davon kostenlos, genau wie dieser kommerzielle Kitsch auf Glas. Nun springt ihr der Aufkleber als Morgengruß entgegen und sie nimmt ihn als Mahnmal für ihre Schwäche.

Ich habe keine Ahnnung, worum es hier geht. Ich habe die Passage dreimal gelesen.

Ich hatte Mühe mit der Geschichte. Sie ist solide geschrieben, ohne Frage. Aber sie hat mich fast völlig kalt gelassen - auch die Figuren. Der erste Grund hat mit mir zu tun, und nicht mit der Qualität des Textes: Mich interessiert die Thematik nicht sonderlich und ich habe Mühe, Mitleid für Tabeas, ich sag's mal drastisch, Wohlstandsprobleme aufzubringen. Ist vielleicht selbst eine Art von Wohlstandsverwahrlosung, wenn mich solche Themen nicht beschäftigen, keine Ahnung.

Der zweite Grund hat mit dem Plot zu tun. Mir geschieht insgesamt zu wenig, zu wenig Spannungsaufbau, der dann die Wendepunkte erlauben würde, die Fliege angesprochen hat. Wenig Entwicklung hin zu einem Fluchtpunkt. Auch ich hatte das Gefühl, einen Auszug aus einem grösseren Ganzen zu lesen.

Der dritte Grund hat damit zu tun, dass es im Text für meinen Geschmack zu viel Tell hat. Viele Situationen werden geklärt, die Gefühle werden benannt, da wird genau definiert, was los ist, auch in den Dialogen. Einige Stellen dazu:


Der Raum strahlt Verschwendung aus.

Tabea hat große Lust, auf dem Absatz umzudrehen, doch die kleinen und großen Pflichten binden sie an ihr Geschäft.

Die Unordnung sabotiert ihr Harmoniebedürfnis, dennoch bringt sie es nicht fertig, den Berg abzutragen. Und jetzt ist ihr die Zettelwirtschaft einfach nur peinlich.

„Früher oder später war doch damit zu rechnen, dass Charlotte Wind von der Sache kriegt.“

Tabea könnte wetten, noch vor Wochen, als er sie nach allen Regeln der Kunst umgarnt hat, hätte er noch alles anstelle von viel gesagt und stöhnt auf.

Tabea, sei nicht so zynisch, das steht dir nicht.

Ich will wissen, wo du stehst.

Lieber Gott, denkt sie, bitte lass Jan zu mir stehen, lass ihn um uns kämpfen.

Ja, ja, denkt sie bitter, alle Energie nur darauf richten, dass die Fassade keine Risse bekommt.

Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes.

Jede einzelne Stelle ist an sich nicht problematisch, aber in der Summe hatte ich das Gefühl, das mir das vorgekaut wird, was ich eigentlich beim Lesen gerne entdecken möchte.

Es ist klar, dass du schreiben kannst und es ist auch klar, dass du feine Beobachtungen schildern kannst, das habe ich auch schon in anderen Geschichten von dir gesehen. Ich finde, du solltest deinen Lesern diesbezüglich mehr vertrauen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo peregrina,


deine Geschichte liest sich munter runter, das schon mal vorneweg.
Und das Challengethema hast du wunderbar in Angriff genommen und gut gemeistert.

Allerdings habe ich so ein paar Bemängelungen anzubringen:

Insgesamt ist das eine recht seichte Geschichte vom Plot her. Sicherlich, es muss und darf und soll auch seichte Geschichten geben, mit weniger Tiefgang. Gar keine Frage und es gibt auch genügend Leserschaft für solche Geschichten.
Aber mir (persönlich) fehlte da doch ein bisschen mehr an Aussage, an Aufmerken.

Die Britt ist ein wenig zu aufdringlich munter und fröhlich in ihrem Auftreten. Es wirkt auf mich überzogen. Das Problem bei der Kürze einer Kurzgeschichte ist immer, dass man einerseits die Brüchigkeit der Charaktere nicht stundenlang ausbreiten kann, wie in einem Roman, man also gar nicht den Platz hat, andererseits der Leser genauso intensiv an den charakterlichen Eigenschaften der Figuren interessiert ist, wie bei einem Roman.

Derjenige Autor, dem es genial gelingt, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Geschichte, die richtigen skizzenhaften Charakterzüge eines Protagonisten und anderer Figuren zu zeichnen, vor dem kniet man nieder. Ich finde einerseits gut, dass Britt eine klare Persönlichkeit hat, die man in dem Text erkennt. Das ist dir schon sehr gut gelungen. Aber es ist einfach zuviel davon in ihr drin.

Tabea dagegen bereitet mir Kopfschmerzen, denn sie wirkt auf mich charakterlich unaufgeräumt, aber nicht in der Form, wie wir Menschen halt sind, sondern in der Form, dass ich denke, da hat der Autor seine Aufräumarbeiten nicht erbracht.
Ich weiß nicht, was sie eigentlich will. Vielleicht weiß sie es selbst nicht, aber dann hätte man das noch deutlicher und sicherlich auch einfach darstellen können.
Was ist sie? Die Geliebte Jans, die darauf wartet, dass er sein künftiges Leben mit ihr führt? Oder ist sie die Geliebte, die sich ihrer Position schon so sicher ist, das sie fest davon ausgeht, dass ihre Zukunft diejenige zusammen mit Jan sein wird? Oder weiß sie selbst noch nicht so genau, was sie will? Und warum weiß sie es dann nicht?
Ich bin da ein wenig hin und her gedriftet und hoffte auf eine Erklärung.

Und insoweit war dann die nachfolgend zitierte Passage, die ja die Aufklärung bringen soll, für mich eine Enttäuschung.


An dieser Stelle mogelst du dich durch den Plot, gerade da, wo es für mich spannend geworden ist, nämlich hier:

Bea, sag doch was!“
„Da kann ich ja von Glück reden, dass da nicht steht: Das Vögeln wird dir bald vergehen!“
„Ich schick' dir gleich ’ne Firma, die das entfernt“, sagt Jan.
„Tu’ das! Danke. Jan, ich glaub', ich hab' mich wie eine Idiotin benommen.“
„Da bist du wohl nicht die Einzige.“
„Jan? Bist du noch da?"
„Klar.“
„Jan, lass uns über die Feiertage zusammen wegfahren!“

Ab der Zeile, in der sich Tabea als Idiotin bezeichnet, fangen meine Fragezeichen an. Wieso meint sie, sie sei eine?
Weil sie hofft, Jan liebe sie, dabei ist er nur auf eine aussereheliche Beziehung aus?
Dementsprechend frage ich mich, wer noch Idiotin ist? Meint Jan damit seine Frau? Oder redet er nur etwas umgangssprachlich und meint sich damit?
Und worauf soll sich dann seine Idiotie beziehen?
Denn dass seine Frau wohl berechtigterweise ausrastet, wenn sie erfährt, dass er sie betrügt, kann man kaum als idiotisches Benehmen einnorden. Auch wenn sich jeder Fremdgänger von Herzen wünscht, dass der betrogene Partner gelassen und "normal" mit der Situation umzugehen versteht, so ist die Norm ja eher eine Eifersuchtshandlung.
An dieser Stelle frage ich mich also ganz intensiv, wie dieser Jan gestrickt ist.
Er kommt übrigens von allen Dreien am blassesten rüber.

Und was soll dies?

„Jan? Bist du noch da?"
„Klar.“
Willst du Spannung aufbauen? Indem du das Gespräch anhältst?
Sozusagen einen winzigen Telefoncliffhanger erzeugen?
Der würde sicherlich an dieser Stelle passen, aber das liegt an all meinen Fragen, die ich zu diesem Zeitpunkt habe.
Man sagt immer, dass eine Geschichte nur das an Worten enthalten sollte, was sie voranbringt. Bringen diese beiden Sätze der Geschichte etwas, würde ich dich jetzt die Regel etwas weiter ausgelegt, fragen.

Der letzte Satz dieses Telefonats ist zwar inhaltlich unzweifelhaft. Aber in welchem Kontext steht er?
Ist das Tabeas Resümee zur gesamten Situation? Also sie hat quasi gewonnen, Jan wird sein künftiges Leben mit ihr verbringen? Und dieser Satz stellt das dar? Wenn ja, dann frage ich mich aber, woraus ich das vorher hätte erkennen können?
Oder ist das Tabeas Bitte an Jan, um sich wenigstens jetzt beweisen zu lassen, dass er ausschließlich zu ihr hält?
Du siehst, ich bin an dieser Stelle sehr uninformiert.

Da ich nicht die anderen Kritiken gelesen habe, weiß ich nicht, ob nur ich so blind bin oder ob noch andere Leser auch Fragen hatten. Das vermag ich also nicht zu beurteilen.

Zum Titel möchte ich noch anmerken, dass er zwar passt, gar keine Frage, dennoch ein wenig arg schlicht daher kommt. Gäbe es nicht die Möglichkeit für dich, ihn spannender zu formulieren? Wenn du dem Lächeln noch etwas hinzufügst, könnte der Titel vielleicht an Attraktivität gewinnen. Schließlich soll er ja den Leser animieren, diese Geschichte anzuklicken.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bea Milana,

sorry! Es hat doch etwas länger gedauert mit der Antwort auf deinen Komm.

Und auch über ihre Inkonsequenz. Sie hatte nicht nein sagen können, als ihr die Weihnachtsaktion vom Wochenblatt angeboten wurde. Vier Anzeigen, eine davon kostenlos, genau wie dieser kommerzielle Kitsch auf Glas. Nun springt ihr der Aufkleber als Morgengruß entgegen und sie nimmt ihn als Mahnmal für ihre Schwäche.
Hm, ich lese den Absatz mehrmals, nur erschließt sich mir nicht der Sinn zwischen einer Weihnachtsaktion (vier Anzeigen), einem Mahnmal der Schwäche und einem Aufkleber.
Da hab ich doch glatt mal versucht, den Einstieg mit fremden Augen zu lesen und was soll ich sagen, wenn ich nicht wüsste, was ich ausdrücken wollte, würd’ ich’s auch nicht begreifen. Da besteht ernstlich Handlungsbedarf.
Schon klar, sie ärgert sich darüber die Anzeigen abgeschlossen zu haben, sie kosteten wahrscheinlich viel Geld. Aber warum ärgert sie sich über den Spruch Wir verschenken ein Lächeln an der Tür? Der ist doch nett und freundlich und die Kunden mögen so etwas sicher.
Der Spruch ist an die Anzeigen gekoppelt, ein Werbepaket quasi. Sie ärgert sich in erster Linie über die Kosten dieser Aktion, in zweiter darüber, dass sie umsatzmäßig nichts bringt. Und obwohl sie das befürchtet hat, hat sie sich breit schlagen lassen und das ist das Mahnmal der Schwäche. Sie meint auch, dass der Spruch außerdem überflüssig ist, weil Freundlichkeit Voraussetzung im Handel sein sollte. Viel Inhalt, viel Verwirrung, viel Grund, den Absatz zu straffen.

Das Problem ist, du beschädigst deine Figur gleich am Anfang. Eine Boutiquenbesitzerin, die zu Beginn sagt, sie will kein Lächeln verschenken, weil der Spruch dämlich ist, macht sich keine Freunde. Vor allem mit dem Hintergrund, dass im Büro Aphorismen ihre Wände zieren, erscheint mir das unschlüssig. Ich frage mich, warum sie den Spruch nicht abreisst, wenn sie sich so darüber ärgert.
Dass ich die Figur beschädige, hab ich so noch nicht gesehen. Wobei ich generell keinen Wert darauf lege, dass mein Personal sympathisch daherkommt. Nur ganz so missverständlich darf die Prota nicht sein.
Sie will ja gerne ein Lächeln verschenken, aber halt ein aufrichtiges, und das kann sie nicht mehr, das sollte die Ausgangssituation sein.
Ich dachte eigentlich, die Sammelei der Aphorismen im Büro drückt recht klar aus, in welchem Schlammassel Tabea feststeckt. Sie braucht die Sprüchlein, um sich selber eine Art Zuspruch zu geben, weiterhin durchzuhalten, weil sie nicht den Mut hat, andere Wege zu gehen. Ich muss das alles noch mal auf die logischen Aspekte abklopfen (oder mich klarer ausdrücken).
Vielleicht bringt es schon Deutlichkeit, wenn ich den Einstieg etwas klarer formuliere.

Ein weiteres Problem sehe ich durch diese Charakterisierung zum Ende. Denn dort wird ja genau dieser Spruch konterkariert: Dir wird das Lächeln bald vergehen!
In Wirklichkeit ist ihr das Lächeln doch schon längst vergangen, oder?
Ja, das ist genau die Aussage. Das Lächeln ist ihr schon vergangen.
Aber der/die Schreiberin weiß doch nicht, wie es in Tabea aussieht. Tabea hält sich doch nach außen noch ganz tapfer.

Ich würde es spannender finden, wenn du von einer Frau erzählst, die versucht, eine Fassade aufrecht zu erhalten, während in ihr die Verzweiflung brodelt,…
eigentlich dachte ich, dass ich das so übermittelt habe
… und all das am Ende zusammenbricht. Vielleicht ist sie eine Frau, die gelernt hat, immer lächeln zu müssen und vor lauter Dauerlächeln nicht mehr kann.
Da wüsste ich auf Anhieb nicht, wie der Zusammenbruch aussehen sollte
Mit anderen Worten, ich würde den Anfang in Bezug auf deine Figur ändern und damit das Gefälle erhöhen.
Da wüsste ich jetzt gar nicht, wo und wie ich den Hobel ansetzten sollte. Aber vielleicht klingelt’s noch, wenn ich hinter meine Unlogik geklettert bin. Ich denke nämlich, dass ich mir im Augenblick die Sicht auf das Übel selber verstelle und dass ich beim weiteren Überarbeiten nur noch mehr verschlimmbessern würde.

Den ersten Absatz / Telefonat mit dem Kunden Krone finde ich überflüssig und langweilig erzählt, zumal im Absatz danach das Telefonat nochmal reflektiert wird (eine unnötige Dopplung, wie ich finde.) Es sagt zwar etwas über den Ärger aus, den Bea mit manchen Kunden hat, aber sie wirkt hier unsouverän. Du sagst ...
Tabea könnte sich ohrfeigen, dass sie in Stresssituationen so wenig diplomatisches Geschick besitzt.
aber im weiteren Verlauf des Gesprächs wirkt sie auf mich unprofessionell, unsymphatisch, überfordert.
sie ist ja auch völlig überfordert

Gibt es nicht etwas Stärkeres, das du einsetzen kannst? Vielleicht eine fehlende oder eine beschädigte Lieferung für eine Hochzeit, die nicht rechtzeitig ankommt wegen Regenguss in Bangladesh oder Konkurs in Taiwan oder etwas anderes aufregenderes, existenzielleres ... etwas wo ihr wirklich das Lächeln vergeht?
Das mag eine berechtigte Frage sein. Aber Tabea braucht keine Naturkatastrophen, um aus der Bahn geworfen zu werden. Es ist eben genau der tägliche Kleinkram, an dem sie verzweifelt. Natürlich sehe ich ein, dass es für den Leser spannendere Lektüre gibt als eine Unterhaltung über eine Reklamation. Ich schau da noch mal drauf.

Solche Kunden wie Krone sind zwar unangenehm, aber er ist mit Sicherheit nicht der Erste, der ihr auf die Nerven geht.
Das ist ja das Dilemma, alles geht ihr auf die Nerven.

Normalerweise müsste sie den Anzug doch umtauschen, oder?
Soweit ich weiß, Umtauschpflicht nur im Falle einer Beschädigung der Ware, es wäre reine Kulanz ihrerseits. Der Kunde wurde ja im Verkaufsgespräch darauf aufmerksam gemacht, dass das Material knittert (Britt deutet das an). Und Geld zurück ist gar keine Option.

Menschen, die im Service, Callcentern und Dienstleistungssektor arbeiten, sind geschult darin, solchen Nervensägen mit einem "Lächeln" zu begegnen. Kundenfreundlichkeit eben.
Keine Frage. Aber das klappt auch nicht immer.

Warten wir’s ab, ob der alte Sack seinem Anwalt auf den Sack …“
2 x Sack.
Britt darf das sagen, dem Erzähler hätt’ ich die Dopplung nicht gestattet.

„Bea, Liebes, es tut mir so leid. Deine Schaufenster, Charlotte steckt dahinter.“
Erstaunlich, wie schnell Jan das herausbekommen hat! Tut mir leid, auf mich wirkt das unglaubwürdig.
Schade, das ist so ziemlich das Einzige, was sich simpel erklären lässt. Die Ehefrau hat es ihm erzählt, weil sie stolz auf ihre Tat ist. Könnte Jan diese Info plappern lassen, aber dann ist auch nicht gesagt, dass es dir dann plausibeler erscheint.

Fazit: Ich tue mich ein wenig schwer mit deiner Protagonistin und mit der Konstruktion deiner Geschichte.
Liebe Bea, da stehst du nicht alleine. Generell scheint es so zu sein, dass die Diskrepanz zwischen den Infos, die der Autor geben will, und den Infos, die beim Leser ankommen, noch sehr groß ist. Die Geschichte in der Urfassung hatte ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Nach der Überarbeitung hat sie … andere Macken. Im Moment bin ich gar nicht sicher, ob mir nicht das ganze Konstrukt einstürzt, wenn ich außer dem verzwickten Einstieg noch mehr verändere.

Geschrieben ist sie flüssig und unterhaltsam und ich habe sie gerne gelesen, wenn ich auch nicht richtig warm mit ihr werden konnte. Das Thema "Lächeln" finde ich sehr schön!
Danke für die freundlichen und kritischen Worte, für deine Zeit und dafür, dass ich dein Wissen ausbeuten darf.

Liebe Grüße
peregrina


Hallo Fliege, Peeperkorn, lakita,

danke für eure aufwendigen, mich doch sehr nachdenklich stimmenden Kommentare.
Gerne würde ich ausführlich auf sie eingehen und denke, dass ich morgen die Gelegenheit haben werde.

Bis dahin liebe Grüße,
peregrina

 

Hallo peregrina,

ich habe keine anderen Kommentare gelesen, also sorry, wenn ich mich wiederhole.

Vier Anzeigen, eine davon kostenlos, genau wie dieser kommerzielle Kitsch auf Glas. Nun springt ihr der Aufkleber als Morgengruß entgegen und sie nimmt ihn als Mahnmal für ihre Schwäche.
Das verstehe ich überhaupt nicht. Die Anzeigen sind geschalten, okay, aber den Aufkleber, den kann man doch wegziehen, oder? Wo ist das Problem? Oder ist die Protagonistin so blöd?

Augenblicklich schlägt ihr der vertraute Geruch nach teuren Klamotten und edlem Leder entgegen.

Das sind Behauptungen, die haltlos sind. Teure Kleidung riecht nicht anders als durchschnittlich teure. Es ist höchstens das Umfeld (besser parfümierte Verkäuferinnen und Kundinnen und ein anderes Ambiente in solchen Designerläden), die ein besseres Dufterlebnis bescheren. Auch riecht edles Leder nicht besser - es sieht nur anders aus.

aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung
Das passt für mich überhaupt nicht zur Situation, dass sie ungern in dem Laden ist. Was geht sie dann schon eine Stunde davor dahin?

Sie richtet die Dekoration im Fenster,
:hmm: weil die Kunden in die Schaufenster stapfen und die Kleidung von den Schaufensterpuppen reißen?

zupft an den Pullovern
:shy: - also entweder müssen die neu einsortiert werden oder man kann sie so liegenlassen - aber rumzupfen?

schließt die Kasse

:hmm:

macht nur Sinn, wenn das Wechselgeld zuvor reingekommen ist


„Das spielt doch jetzt keine Rolle. Bea, hörst du? Sie hat gedroht, sie wird nicht dulden, dass du weiter mit mir rumvögelst.“
„Rumvögelst?“ Das Wort wirft sein Echo von den Wänden zurück. „Bisher dachte ich, es ist mehr für dich? Ein Irrtum?“

Logikfehler. Seine Frau spricht von Rumvögeln, nicht er.


Mir ist da zuviel Ladengeschäft und zuwenig inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie man sich als Geliebte fühlt, die sich in ihrer Rolle komplett unwohl fühlt. Da lese ich keine Emotionen, nein, da geht es auch noch um Materielles wie eine Uhr. Dann diese völlig unprofessionelle Handhabe mit dem Kunden der Knitterware; die ist als Geschäftsführerin völlig untauglich.

Sorry, mit mir hast du wahrscheinlich einen sehr kritischen Leser, der auch noch im Einzelhandel groß geworden ist und viel im Verkauf tätig war.

Die Geschichte hat für mich keinen richtigen roten Faden - entweder läßt du Bea als Geschäftsinhaberin agieren oder als gefrustete Geliebte, aber diese Mischung tut keiner der Rollen gut, die Bea in deiner Geschichte einnehmen muss.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

ich finde den Ansatz - wir Lächeln, obwohl uns gar nicht danach ist - ja hübsch. Doch das hat was … Auch der Kunde fühlt sich verarscht. Meine Meinung. Ich hasse es. Ich mag keine Restaurants, Hotels, Läden mit diesem schiefen Dauergrinsen. Ich mag auch nicht gern angelogen werden und so wirkt es aber oft auf mich.
Da sind wir uns einig: Es gibt nichts Schöneres, als Menschen zu begegnen, die mit wirklicher Freude ihrem Job nachgehen. Das merkt man als Gegenüber logischerweise.

Sie erfasst ihr Spiegelbild und übt ein Lächeln. Es entgleist, noch gleicht es einem Zähnefletschen, aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung.
Alles in Fett finde ich irgendwie nicht treffend. Sie überprüft ihr Spiegelbild oder anders - aber erfassen ... mir will das nicht das richtige Verb hier sein.
Auf dem Satz hab ich ’ne Weile rumgekaut. ERFASSEN lass ich mal stehen, weil ÜBERPRÜFEN eine gezielte Handlung der Prota wäre, ERFASSEN ist mehr zufällig und bei dieser Gelegenheit übt sie gleich mal ein Lächeln.
Und das andere - auch schräg, nicht gut, nicht schlecht, schon klar worauf Du hinaus willst, aber mich hat es rausgehauen in dieser Formulierung.
ENTGLEISEN ist jetzt verschwunden, ZÄHNEFLETSCHEN muss wegen des Bezugs zur den archaischen Ursprüngen bleiben. Jetzt lautet der Satz:
Sie erfasst ihr Spiegelbild und übt ein Lächeln, das mehr einem Zähnefletschen gleicht, aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung.

"Mein Schatz kriegt einen Duft von mir. Du weißt schon, der, der mich ganz wuschig macht und die Liebe ist gerettet.“
Hehe - Aromatherapie für die Liebe – hübsch
Den Satz mag ich auch, weil er so was von doppelbödig ist…

„Was soll ich mit dem Schreiben? Ich will einen Anzug, der nicht nach einer Minute wie ein Kartoffelsack aussieht. Oder noch besser: Sie behalten den Schund und geben mir mein Geld zurück.“
Ich frag mich, warum sie das Telefonat so fertig macht. So Leute gehören doch zum täglichen Geschäft. Umtausch ist nicht, weil bereits getragen, damit kommt sie überall durch. Den Rest des Ärgers dem Kunden geschenkt.
Erstens ist sie sehr angeschlagen (auch wenn ich das im Text nicht vermitteln kann). Dieser tägliche Kleinkram ist in der Summe nicht nur nervig, sondern wirkt zerstörerisch.
Zweitens gibt sich der Händler in solchen Fällen gerne der Illusion hin, wenn Kunde zufrieden, dann kommt er auch wieder. Tabea ahnt schon, dass sie einknicken wird.

Tabea schließt die Augen. Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes. Eines, in dem nicht das Streben nach Geld und Erfolg regiert.
Sehr schön. Nur den Erklärsatz bräuchte es eigentlich nicht.
Im Prinzip zu viel erklärt, sehe ich jetzt auch. Aber maria.meerhaba fand den Satz so schön und sie hat mir einen Punkt versprochen. Ergo, den Satz muss ich so lassen :lol:

Mit blutroten Buchstaben quer über die gesamte Schaufensterfront geschmiert: Dir wird das Lächeln bald vergehen!
Hier kommt zum ersten Mal Spannung auf. Wäre die Rekla-Szene nicht so lang, käme sie etwas früher und ich glaub, das wäre gut.
Wir nähern uns dem eigentlichen Problem (für mich als solches erkennbar) der Geschichte. Ich hab eine KG mit einem unausgereiften Plot ins Rennen geworfen, hab mir eingeredet, ich kann eine gewisse Spannung erzeugen, wenn ich zwei Konfliktchen einbaue und nach dem Farbattentat den Leser grübeln lasse, wer ist denn nun der Schmierfink. Tabea hab ich sofort erkennen lassen (in Ursprungsversion), das konnte nur der Kunde Krone sein. Das war von mir ein übler Versuch von Lesermanipulation, so durchsichtig, dass mich viele Kommentatoren belächelt haben. Dann kam die Überarbeitung des Textes, von mir aus auch Verschlimmbesserung des Textes.

Als es wieder läutet, ist sie sofort am Apparat. „Jan, gut das du anrufst“, sagt sie mit beschleunigtem Pulsschlag.
„Bea, Liebes, es tut mir so leid. Deine Schaufenster, Charlotte steckt dahinter.
Hoppala - und sofort schiebst Du die Auflösung hinterher. Schade.
In meinen Augen schieb ich bei dieser neuen Version gar nix, ich lasse Jan nur aussprechen, was alle Leser schon wussten, nämlich es kann nur Frau Charlotte gewesen sein. In der ersten Variante stand das Rekla-Gespräch ja am Anfang, hatte aber keinen Einfluss auf die Spannungskurve.

Lass mich mal meine eignen Erkenntnisse zusammenfassen. Ein unausgegorener Plot, der leider zu stark auf das Challenge-Motto ausgerichtet war, wurde auch nach der Umstellung der Abschnitte nicht spannender. Ich konnte zwar mit mehr Glaubwürdigkeit punkten, hab aber bei der Geschichte völlig aus den Augen verloren, dass so eine KG auch bestimmten Konstruktionsgesetzen was Höhe- und Wendepunkte anbelangt, unterliegt. Was deine nachfolgende Einschätzung nur untermauert.

Auch, wenn ich die Telefonszene zu lang finde, ist die Geschichte am Ende kurz geraten… Schön wäre, wenn es da mehr auf und ab gäbe, bisschen mehr Wendepunkte oder überhaupt einen. Gibt ja keinen. Läuft alles linear auf Null zu.
Ist das jetzt das Gleiche, wie plus minus Null? Das wäre dann fatal! Ich meine wegen der Investition an Zeit und Herzblut :confused: sowohl von meiner Seite als auch von deiner.
Ist hübsch, aber da bleibt bei mir dann auch nicht viel hängen... Aber das macht am Ende das Leseerlebnis für mich doch aus. Nicht der Plot., sondern wie intensiv ich die Geschichte erlebt hab, Hoffnung, Enttäuschung, Wut, ... je mehr ich empfinde, je komme ich der Geschichte. Es fehlen Wendepunkte :D .
Steck ich mir für dir nächste Geschichte hinter den Spiegel: EMOTIONEN, WENDEPUNKTE, HÖHEPUNKTE.

Liebe Fliege, ich danke dir für deine interessanten Gedanken und deinen Zeitaufwand fürs Lesen und Kommentieren.
Ich werde noch etwas grübeln und knobeln, nicht zuletzt darüber, ob ich das HÜBSCH im Sinne von gewöhnlich oder da verbirgt sich doch wahre Schönheit dahinter, interpretieren kann.

Liebe Grüße und frohe Festtage wünscht peregrina


Hallo Peeperkorn,

danke für deinen Kommentar, das war ja wieder spannend, deine Überlegungen zu diesem …, sagen wir mal, überaus ausgereiften Text zu erfahren.

Der Kleinkram ist Flüchtigkeit, trotzdem Dankeschön dafür.
Aber schon wird’s ernst.

Sie schüttelt den Kopf über diese Gedanken, die täglich im Kreis drehen, behäbig wie ein antikes, knarrendes Kinderkarussell... angeboten wurde. Vier Anzeigen, eine davon kostenlos, genau wie dieser kommerzielle Kitsch auf Glas. Nun springt ihr der Aufkleber als Morgengruß entgegen und sie nimmt ihn als Mahnmal für ihre Schwäche.
Ich habe keine Ahnnung, worum es hier geht. Ich habe die Passage dreimal gelesen.
Wahrscheinlich hätte auch ein viertes Mal keine Erleuchtung gebracht. Da hab’ ich bei der Überarbeitung Erklärungen eingefügt und mich immer tiefer verstrickt. Ich hab’s geändert. Nun ist es präziser, denke ich.
Während Tabea den Schlüssel umdreht, fällt ihr Blick wie jeden Tag zuerst auf den Slogan der Eingangstür: Wir verschenken ein Lächeln. Sie schüttelt den Kopf über ihre Inkonsequenz. Sie hatte wieder mal nicht nein sagen können, als ihr vom Wochenblatt das Werbepaket angeboten wurde: Vier Anzeigen in der Adventszeit, eine davon kostenlos und als Bonbon dieser überflüssige, kitschige Aufkleber, der ihr wie ein Mahnmal ihrer Schwäche erscheint. Morgen würde sie ihn eigenhändig abkratzen.

Ich hatte Mühe mit der Geschichte. Sie ist solide geschrieben, ohne Frage. Aber sie hat mich fast völlig kalt gelassen - auch die Figuren.
Wenn das so ist, dann wird es Ursachen haben.

Der erste Grund hat mit mir zu tun, und nicht mit der Qualität des Textes: Mich interessiert die Thematik nicht sonderlich und ich habe Mühe, Mitleid für Tabeas, ich sag's mal drastisch, Wohlstandsprobleme aufzubringen. Ist vielleicht selbst eine Art von Wohlstandsverwahrlosung, wenn mich solche Themen nicht beschäftigen, keine Ahnung.
Da kann ich nicht viel sagen dazu. Vielleicht ein ehe weibliches Thema. Wobei, als Luxusproblem will ich es gar nicht sehen. Der „Wohlstand“ sollte eigentlich im Kontrast zu den inneren Nöten der Prota stehen.

Der zweite Grund hat mit dem Plot zu tun. Mir geschieht insgesamt zu wenig, zu wenig Spannungsaufbau, der dann die Wendepunkte erlauben würde, die Fliege angesprochen hat. Wenig Entwicklung hin zu einem Fluchtpunkt. Auch ich hatte das Gefühl, einen Auszug aus einem grösseren Ganzen zu lesen.
Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt. Nach der Umstellung plätschert die Handlung noch leiser dahin als vorher. Der Leser läuft nicht Gefahr, nasse Füße, geschweige denn, feuchte Augen zu bekommen. Ich denke, die beste Lösung wäre gewesen, die Schaufenster zu Beginn beschmieren zu lassen und dann den Leser häppchenweise an der Auflösung teilhaben zu lassen.
Und selbst da bin ich mir nicht mal vollkommen sicher.

Der dritte Grund hat damit zu tun, dass es im Text für meinen Geschmack zu viel Tell hat. Viele Situationen werden geklärt, die Gefühle werden benannt, da wird genau definiert, was los ist, auch in den Dialogen. Einige Stellen dazu:
Der Raum strahlt Verschwendung aus.
Begreife ich total, ist verschwunden, weil Doppelung.

Die Unordnung sabotiert ihr Harmoniebedürfnis, dennoch bringt sie es nicht fertig, den Berg abzutragen. Und jetzt ist ihr die Zettelwirtschaft einfach nur peinlich.
Hier hätte ich keine Idee, wie ich das Bedürfnis nach Harmonie zeigen sollte und der Berg ist ja der Beweis für ihr Unvermögen.

Jede einzelne Stelle ist an sich nicht problematisch, aber in der Summe hatte ich das Gefühl, das mir das vorgekaut wird, was ich eigentlich beim Lesen gerne entdecken möchte.
Das wäre dann in meinen Augen ganz große Schreibkunst, die ich NOCH NICHT beherrsche. :shy: Oftmals ist mir nicht mal bewusst, dass es sich um eine „vorgekaute“ Info handeln könnte. Außerdem befürchte ich, steht mir da auch meine Idee im Wege, dass man sich als Leser auch mal vom Erzähler etwas weismachen lassen darf, nicht alles gezeigt bekommen muss.
Aber ich werde meine Auffassung überdenken, weil ich davon gehört habe, der Text wird auf diese Manier überzeugender, die Figuren rücken näher zum Leser.

Es ist klar, dass du schreiben kannst und es ist auch klar, dass du feine Beobachtungen schildern kannst, das habe ich auch schon in anderen Geschichten von dir gesehen. Ich finde, du solltest deinen Lesern diesbezüglich mehr vertrauen.

Lieber Peeperkorn, das ist die Stelle, die ich ausgedruckt habe und zu einer für mich wichtigen Aussage von wieselmaus gepinnt habe, als MUTMACHER sozusagen.

Fazit: Es sollte eine leise Geschichte über inneres Zwiegespaltensein werden, deren roter Faden sich irgendwann im Challenge-Motto verfangen hat. Jetzt kann sich der Text nicht entscheiden zwischen Melodrama, Satire und Gute-Nacht-Geschichte. Und ich bin im Zweifel, ob ich ein weiteres Mal Hand anlegen sollte.
Aber bei aller Peinlichkeit, so bleibt mir doch auch ein bisschen Stolz auf diese Chimäre, denn sie lebt durch meine Ideen, mein Thema, meine eigene Unsicherheit.

Vielen Dank für deine klugen Überlegungen zur KG und aufbauenden Worte zu meiner Grundausstattung.

Geachte Mijnheer Peeperkorn,
frohe und besinnliche Weihnachtstage wünscht dir peregrina

Hallo lakita,

deine Geschichte liest sich munter runter, das schon mal vorneweg.
Und das Challengethema hast du wunderbar in Angriff genommen und gut gemeistert.
Danke, ich lass das mal so im Raum stehen.

Allerdings habe ich so ein paar Bemängelungen anzubringen:
Ich gehe davon aus, sie können mich weiterbringen.

Insgesamt ist das eine recht seichte Geschichte vom Plot her. Sicherlich, es muss und darf und soll auch seichte Geschichten geben, mit weniger Tiefgang.
Zum Plot und Grundaussage hab ich in den Antworten zu Fliege und Peeperkorn viel gesagt. Das hab ich irgendwie total versemmelt, ich gehe in mich.

Gar keine Frage und es gibt auch genügend Leserschaft für solche Geschichten.
Wo hält die sich versteckt?:confused:

Aber mir (persönlich) fehlte da doch ein bisschen mehr an Aussage, an Aufmerken.
Willkommen im Club. Kann ich teilweise sogar nachvollziehen.

Die Britt ist ein wenig zu aufdringlich munter und fröhlich in ihrem Auftreten. Es wirkt auf mich überzogen.
Die Figur Britt ist mMn ganz kurz vor dem Kippen. Noch ein Wort mehr und sie würde zur Karikatur. Aber ich liebe ihre verrückte Art und da ohnehin im Augenblick der Karren verfahren ist, will ich der Kleinen ihre Fröhlichkeit zugestehen.

Tabea dagegen bereitet mir Kopfschmerzen, denn sie wirkt auf mich charakterlich unaufgeräumt, aber nicht in der Form, wie wir Menschen halt sind, sondern in der Form, dass ich denke, da hat der Autor seine Aufräumarbeiten nicht erbracht.
Durchaus eine plausible Erklärung.

Ich weiß nicht, was sie eigentlich will. Vielleicht weiß sie es selbst nicht, aber dann hätte man das noch deutlicher und sicherlich auch einfach darstellen können.
Man schon, aber ich brauche wohl von der KG mehr Abstand, um die richtigen Worte zu finden, die die Unentschlossenheit zeigen könnten.

Was ist sie? Die Geliebte Jans, die darauf wartet, dass er sein künftiges Leben mit ihr führt?
Ja, genau die.

Liebe lakita, du hast ja vielleicht gelesen, dass da ein Umstülpen des Textes stattgefunden hat. Tabea war in der ersten Fassung sehr hart, unentschlossen und distanziert und für den Leser wurde nicht klar, wie sie emotional zu Jan steht. Sie ist in der zweiten Version gefühlvoller, etwas optimistischer und, wenn man so will, auch entschiedener, was die gemeinsame Zukunft angeht. Dachte ich zumindest, bis zu deinem Komm.

Und insoweit war dann die nachfolgend zitierte Passage, die ja die Aufklärung bringen soll, für mich eine Enttäuschung.

"Bea, sag doch was!“
„Da kann ich ja von Glück reden, dass da nicht steht: Das Vögeln wird dir bald vergehen!“
„Ich schick' dir gleich ’ne Firma, die das entfernt“, sagt Jan.
„Tu’ das! Danke. Jan, ich glaub', ich hab' mich wie eine Idiotin benommen.“
„Da bist du wohl nicht die Einzige.“
„Jan? Bist du noch da?"
„Klar.“
„Jan, lass uns über die Feiertage zusammen wegfahren!“
Ab der Zeile, in der sich Tabea als Idiotin bezeichnet, fangen meine Fragezeichen an. Wieso meint sie, sie sei eine?
Weil sie im Gespräch, als sie erfahren hat, dass Charlotte nun Bescheid weiß, Jan unterstellt hat, er wird sich für Charlotte entscheiden und ihn von sich weggestoßen hat.

...frage ich mich, wer noch Idiotin ist? Meint Jan damit seine Frau?
Jan meint natürlich Charlotte. Ich meine, wer lässt schon das Schaufenster seiner Rivalin beschmieren, da hätte es doch andere Boshaftigkeiten gegeben.
Ausrasten ja, aber Schaufenster bemalen? Wenn es das Challenge-Thema nicht gegeben
hätte, dann hätte ich Charlotte in meiner KG diese idiotische Tat nicht vollbringen lassen.

An dieser Stelle frage ich mich also ganz intensiv, wie dieser Jan gestrickt ist.
Er kommt übrigens von allen Dreien am blassesten rüber.
Stimmt. Das hängt damit zusammen, dass ich ihn auch nicht deutlich vor mir sehe.
Aber das ist nur ein kleines Problem unter viel größeren.

Und was soll dies?
„Jan? Bist du noch da?"
„Klar.“
Willst du Spannung aufbauen? Indem du das Gespräch anhältst?
Sozusagen einen winzigen Telefoncliffhanger erzeugen?
Der würde sicherlich an dieser Stelle passen, aber das liegt an all meinen Fragen, die ich zu diesem Zeitpunkt habe.
Klasse, du traust mir einen Cliffhanger zu. Mir erschien das als ein natürlich verlaufendes Telefonat.
Na ja, einen Mehrwert bringt’s der KG nicht wirklich.

Der letzte Satz dieses Telefonats ist zwar inhaltlich unzweifelhaft. Aber in welchem Kontext steht er?
Wir haben es mit einem offenen Ende zu tun. Der Leser erfährt nicht, ob es eine gemeine Zukunft geben wird. Tabea springt lediglich über ihren Schatten und äußert eine Bitte.

Du siehst, ich bin an dieser Stelle sehr uninformiert.
Mein Fehler, da fehlt es wohl an deutlichen Hinweisen. Ich lese sonst immer, dass der Leser seine eigenen Schlussfolgerungen aus den Texten ziehen sollte, also die Infos dosiert gegeben werden sollten. Das war in dem Text wohl die falsche Stelle? Ich bin mir etwas im Unklaren, ob ich das noch präziser hinbekommen kann. Mein Zauberwort heißt Abstand.

Zum Titel möchte ich noch anmerken, dass er zwar passt, gar keine Frage, dennoch ein wenig arg schlicht daher kommt. Gäbe es nicht die Möglichkeit für dich, ihn spannender zu formulieren? Wenn du dem Lächeln noch etwas hinzufügst, könnte der Titel vielleicht an Attraktivität gewinnen.
Das sehe ich schon lange so. Wenn du für mich bitte Lächeln in Gefrorenes Lächeln ummodeln könntest (auch in Anbetracht der Jahreszeit :lol:), würde ich mich sehr freuen.


Liebe Grüße und auch dir vielen Dank für deine Zeit und deine Fragen, die ich hoffentlich beantworten konnte, und deine Anregungen, die ich vielleicht noch umsetzen werde.

Frohe Weihnachten wünscht peregrina

 

Hallo peregrina,

die Geschichte habe ich mit Vergnügen gelesen, hat wirklich Spaß gemacht. Klingt wie eine Mischung aus Alltagsstudie und Parodie. Da sind eine Menge knalliger Ideen drin. Die karge Arbeit im Laden, der Mann, der seinen knitterfreien Anzug will, das klassische Fremdgeherding, der Typ, der eine Geliebte hat und ihr unausgesprochene Versprechen macht, ohne ernsthaft daran zu denken, zu ihr zu stehen. Die naive Tabea, die sich darauf einlässt und bis zum Schluss hofft, Das zwanghafte Lächeln und die Sprüchesammlung. Eine ganze Menge lustiges und ironisches Potential. Dennoch kommt es mir vor, als könntest du dich nicht entscheiden, was du daraus machst. Für eine Parodie müsstest die Figuren noch mehr überzeichnen. Für eine Gesellschaftsstudie müsstest du tiefer in die Gefühle der Figuren eintauchen, die bleiben im Nebel stecken, im Fast-Klischee, so, wie du sie beschreibst,

Ein paar Stellen finde ich verzichtbar, andere Stellen wiederum bräuchten mehr Fleisch. Sprachlcih ist der Text sauber erzählt.

Textstellen:

Sie schüttelt den Kopf über diese Gedanken, die täglich im Kreis drehen, behäbig wie ein antikes, knarrendes Kinderkarussell.
schönes Bild :Pfeif: müsste es nicht heißen, die sich im Kreis drehen?

Die Unordnung sabotiert ihr Harmoniebedürfnis,
passiert mir jeden Tag :D

„Bea, wie kannst du so was sagen? Du weißt, du bedeutest mir viel.“
o je, sagt die das echt so, klingt unnatürlich

an die Wand im Büro zu pappen,
bist du aus Österreich? In Deutschland würde man eher kleben sagen :lol:

Tabea schließt die Augen. Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes. Eines, in dem nicht das Streben nach Geld und Erfolg regiert.
mm, die ist ganz schön blauäugig.

„Ja, Fidel ist gestorben“, sagt Tabea.
„Und?“ Britt zuckt die Schultern. „Menschen sterben eben.
das eben könntest du mit Gewinn streichen.

Hoffe du kannst was mit anfangen

viele Grüße und schöne Weihnachten
Isegrims

 

Hallo peregrina,
in der Welt der Haute Couture bin ich gar nicht zu Hause. Vielleicht liegt es daran, dass ich in den Fluss der Erzählung nicht hineingekommen bin. Ich habe die Ironie bemerkt, den Spannungsaufbau, der sich aus der Mischung von geschäftlicher Schwierigkeit, persönlichem Drama und Britts naiver Leichtfüßigkeit zusammensetzt. Ja, eben für mich zusammensetzt. Grundsätzlich schrecken mich nämlich die Designerklamotten nicht ab, aber was für mich beim Lesen sein soll, ist entweder ein
Berührt sein oder auch eine Irritation. Und da komme ich über den Eindruck des Zusammengesetzten, das sich nicht ganz zu einer Einheit fügt, nicht hinaus. Vielleicht liegt es also doch am edlem Leder und ist, wie jeder Kommentar, absolut persönlich gegerbt.
Sprachlich finde ich das in einer guten Form und schön in den flapsigen Wendungen, wenngleich sie auch manchmal schablonenhaft sind (gute Frage, nächste Frage z.B.).
Beste Grüße und guten Rutsch!
rieger

 

@ peregrina

das Nachfolgende gilt, falls sie es lesen, auch für alle diejenigen, die von mir ebenfalls ein nicht so jubelndes Feedback zu ihren Geschichten erhalten haben oder werden. Ach, das gilt eigentlich für alle meine Kritiken, die ich schreibe.

Grundsätzlich sind meine Anregungen, Kritikpunkte, Verbesserungsvorschläge alles nur Angebote, die angenommen werden können, ABER NICHT MÜSSEN!

Wer lange genug auf Wortkrieger ist, weiß, wie vielfältig die Wünsche und Forderungen der Leser sind.
Es gibt einfach nicht DIE Geschichte, die allen komplett zu 100% gefällt. Stets sind hie und da Sachen, die aus der Sicht des einen oder anderen verändert und verbessert werden könnten.

Ich hatte mal eine Geschichte hier am Start, wenn ich all das komplett befolgt hätte, was mir die Kritiker gesagt hatten, wäre sie nicht mehr hier, weil ein Teil der Kritiker wollte unbedingt die 1. Hälfte der Geschichte getilgt wissen, der andere Teil der Kritiker die 2. Hälfte. :D

Ich will damit sagen, dass man es nur seinem eigenen Gewissen, seinem Bauch, seinem Gefühl, seiner eigenen Autorenseele recht macht kann, nicht den Lesern.
Ich finde, dass jede Kritik dazu geeignet ist, im Kopf des Autoren etwas zu bewegen. Ob es sich nun direkt auf die Geschichte auswirkt, ist wirklich zweitrangig.

Und ich finde auch wichtig zu wissen, dass wir hier selbst den prämiertesten Autoren der Welt Kritikpunkte um die Ohren bügeln würden, die die Verlagslektoren nicht bemängelt haben. Nicht, weil wir ein derartig abartig veranlagter Haufen von Schreiberlingen sind, die nun überall das Haar in der Suppe finden müssen, sondern weil es halt so unendlich viele Meinungen und Ausrichtungen beim Schreiben gibt.

Wenn du liebe peregrina mitteilst, dass du Abstand zu deiner Geschichte benötigst, dann rennst du bei mir offene Türen ein. Mir geht es nämlich ganz oft auch so. Ich bin nach dem Fertigstellen meines neuen Geschichtenbabys meist so blockiert, dass ich manchmal erst beim zweiten Mal des Durchlesens Kritikpunkte verstehe und nachvollziehen kann.
Und dann habe ich oftmals eine große Blockade mein Baby wieder auszuwickeln und neu einzukleiden, gar noch vorher zu baden. :D

Wenn du also Zeit brauchst, um wieder einen halbwegs neutralen Zugang zu deiner Geschichte zu finden, um sie aus der Sicht des Lesers betrachten zu können, dann nimm sie dir unbedingt ohne jeglichen Stress.
Und wenn du diese Geschichte nicht verändern magst, dann ist das genauso in Ordnung, solange sich in deinem Kopf etwas bewegt, was eventuell in einer nächsten Geschichte seine Umsetzung findet.

Fröhliche Weihnachten!

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bernadette,

vielen lieben Dank für das Lesen und Kommentieren meiner KG.

Ich versuch mal, auf die angesprochenen Punkte Schritt für Schritt einzugehen.

Prinzipiell: Das, was du gelesen hast, ist eine „überarbeitete“, zerstückelte und neu zusammengesetzte Version der Ursprungsgeschichte. Variante eins hatte ein Glaubwürdigkeitsproblem, was den Täter betraf, bei Variante zwei treten nun andere Schwächen deutlicher hervor.

Vier Anzeigen, eine davon kostenlos, genau wie dieser kommerzielle Kitsch auf Glas. Nun springt ihr der Aufkleber als Morgengruß entgegen und sie nimmt ihn als Mahnmal für ihre Schwäche.
Das verstehe ich überhaupt nicht. Die Anzeigen sind geschalten, okay, aber den Aufkleber, den kann man doch wegziehen, oder? Wo ist das Problem? Oder ist die Protagonistin so blöd?
Den öffentlichen Aufkleber brauchte ich, damit der Urheber der Schmiererei erst mal jeder X-Beliebige hätte sein können. (Da hatte ich noch den irrwitzigen Gedanken, ich könnte der Handlung so etwas wie einen Spannungsbogen aufzwingen.)
Tabea hat sich für dieses Werbepaket entschieden, nun lässt sie den Aufkleber auf der Scheibe, auch wenn er sie nervt. Ich habe versucht, diesen Aspekt nun besser zu verdeutlichen. In der augenblicklichen Variante will sie ihn zwar entfernen, aber sie schiebt dieses Vorhaben so wie alle anderen Entscheidungen im Leben vor sich her.

Augenblicklich schlägt ihr der vertraute Geruch nach teuren Klamotten und edlem Leder entgegen.
Das sind Behauptungen, die haltlos sind. Teure Kleidung riecht nicht anders als durchschnittlich teure. Es ist höchstens das Umfeld (besser parfümierte Verkäuferinnen und Kundinnen und ein anderes Ambiente in solchen Designerläden), die ein besseres Dufterlebnis bescheren. Auch riecht edles Leder nicht besser - es sieht nur anders aus.
Das ist sachlich richtig.
Tabea kommt jeden Morgen in ihr Geschäft und jeden Morgen riecht es gleich. Es ist ihre Wahrnehmung und sie weiß, was sie riecht. Ich könnte mir vorstellen, wenn die KG in der Ich-Perspektive erzählt wäre, könnte man als Leser solche „haltlosen“ Behauptungen eher als Tabeas Wahrnehmung akzeptieren.

aber ihr bleibt noch eine Stunde bis zur Ladenöffnung
Das passt für mich überhaupt nicht zur Situation, dass sie ungern in dem Laden ist. Was geht sie dann schon eine Stunde davor dahin?
Um vielleicht endlich die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch abzuarbeiten?
Tabea ist sehr zerrissen, einerseits rufen die Pflichten, andererseits hat sie erkannt, dass sie einen anderen Weg gehen will, weil ihr dieses Maskentragen nicht mehr gefällt. Ihr fehlt der Mut und die Kraft zur Veränderung. (Diese Intention konnte ich nicht einmal ansatzweise vermitteln. Ich klopfe mir auf die Schulter.)

Sie richtet die Dekoration im Fenster,
:shy: weil die Kunden in die Schaufenster stapfen und die Kleidung von den Schaufensterpuppen reißen?
Es liegt auch Kleidung auf den Podesten. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Kunden oder deren Kinder sich an der Ware in den Fenstern vergreifen.
zupft an den Pullovern
:hmm:- also entweder müssen die neu einsortiert werden oder man kann sie so liegenlassen - aber rumzupfen?
Bei Tabea sind das natürlich nur Alibihandlungen. Sie will sich vor den Papieren und Briefen auf ihrem Schreibtisch drücken. Zumal ich mir einbilde, „auf Britt ist Verlass“,
drückt zweifelsfrei aus, dass Tabeas Rumgeeier als solches vom Leser wahrgenommen wird.
Aber da dich diese Handhabungen so außerordentlich stören, bedeutet es wohl, dass ich auch einer kampferprobten Einzelhandelsfrau nicht deutlich vermitteln konnte, in welcher Situation sich die Prota befindet.
schließt die Kasse
:hmm: macht nur Sinn, wenn das Wechselgeld zuvor reingekommen is
Wir hatten immer fünfzig Euro Wechselgeld über Nacht in der offenen Kasse liegen.

„Das spielt doch jetzt keine Rolle. Bea, hörst du? Sie hat gedroht, sie wird nicht dulden, dass du weiter mit mir rumvögelst.“
„Rumvögelst?“ Das Wort wirft sein Echo von den Wänden zurück. „Bisher dachte ich, es ist mehr für dich? Ein Irrtum?“
Logikfehler. Seine Frau spricht von Rumvögeln, nicht er.
Aber Tabea interpretiert das bewusst sofort so, als hätte Jan das Wort gebraucht.

Mir ist da zuviel Ladengeschäft und zuwenig inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie man sich als Geliebte fühlt, die sich in ihrer Rolle komplett unwohl fühlt. Da lese ich keine Emotionen, nein, da geht es auch noch um Materielles wie eine Uhr. Dann diese völlig unprofessionelle Handhabe mit dem Kunden der Knitterware; die ist als Geschäftsführerin völlig untauglich.
Okay, kann ich akzeptieren.
Ich bin ganz sicher, der Text hat viele Schwachstellen, die du auch angesprochen hast, (den Leser erreichen keine Emotionen, der Plot ist unausgereift, die KG ist unentschlossen, welcher Problematik sie ihr Hauptaugenmerk schenken will).
Aber Tabea wollte ich im Gespräch mit dem Kunden genau so haben: Unsicher, genervt, unprofessionell. Sie will da raus, das sind alltägliche Kleinigkeiten, die sie zermürben.
(Schließlich musste ich den ollen Krone so weit kriegen, dass er mit seinem Anwalt droht.)

Dann deine Anmerkung mir der Uhr, ich befürchte, die begreife ich nicht:

„Tabea schaltet ihr Laptop ein, dann macht sie sich ans Aufräumen, öffnet Brief für Brief. Abwechselnd schielt sie zu den Aphorismen an der Wand und auf ihre Armbanduhr. Ein Geschenk von Jan. Jan. Das Ziehen in ihrer Brust wird unerträglich.
Sie zwingt sich zum Aufräumen, schaut nach den Sprüchen, um Halt zu finden, schaut auf die Uhr, weil sie will, dass der Tag umgeht.
Ist das keine Emotion, wenn der Anblick von Jans Geschenk Tabea körperlichen Schmerz verursacht? Diese Armbanduhr könnte ich sehr schnell aus dem Text entfernen. Was würde das dem Leser bringen?

Sorry, mit mir hast du wahrscheinlich einen sehr kritischen Leser, der auch noch im Einzelhandel groß geworden ist und viel im Verkauf tätig war.

Liebe bernadette,
man kann sicher eine Menge kritischer Worte zu dem vorliegenden Ergebnis meines Challenge-Beitrag finden, nur, dass ich mir einen unbekannten Schauplatz ausgewählt habe, fällt nicht darunter, so viel Hasardeur bin ich nicht. Ich habe mein halbes Leben in derartigen Bekleidungsgeschäften verbracht und ich kann nichts sachlich-fachlich Unkorrektes an meinem Text erkennen.
Was mir allerdings großes Kopfzerbrechen bereitet, sind die Fragen: Was mache ich falsch, warum kommt meine Erzählabsicht nicht beim Leser an, warum kommt es zu Fehlinterpretationen?

Die Geschichte hat für mich keinen richtigen roten Faden - entweder läßt du Bea als Geschäftsinhaberin agieren oder als gefrustete Geliebte, aber diese Mischung tut keiner der Rollen gut, die Bea in deiner Geschichte einnehmen muss.
Bei diesem Punkt stimme ich dir absolut zu. Meine Urabsicht war, zwei Hauptkonflikte anzureißen, damit aus einem davon ein Schmierfink für die Scheibe hervorgehen konnte. Bei dieser verkrampften Vorgehensweise sind die Charaktere und mein Thema Maskentragen sicher auf der Strecke geblieben.

Ich ziehe mir das Mäntelchen an, noch keine Challenge-Reife zu besitzen.

Liebe Grüße und rutsch gut ins Neue,
peregrina

Hallo Isegrims,
auch dir danke fürs Lesen und Kommentieren meines Textes.

die Geschichte habe ich mit Vergnügen gelesen, hat wirklich Spaß gemacht. Klingt wie eine Mischung aus Alltagsstudie und Parodie. Da sind eine Menge knalliger Ideen drin.
Das tut gut, wenn du in meiner KG gute Ideen siehst. Und ich sollte mich wirklich darüber freuen, aber du siehst mich verwirrt, das heißt, wenn du mich sehen könntest,
würdest du mich verwirrt sehen.

Die naive Tabea, die sich darauf einlässt und bis zum Schluss hofft, Das zwanghafte Lächeln und die Sprüchesammlung. Eine ganze Menge lustiges und ironisches Potential.
Siehst du, das meine ich. Es war mir anfänglich bitterernst, mein Grundgedanke war, das Zeigen einer Art Maskerade. Und was wäre da besser als Bühne geeignet als der Einzelhandel. Und die Inhaberin des Geschäftes unentschieden, genervt, hilflos.

Dennoch kommt es mir vor, als könntest du dich nicht entscheiden, was du daraus machst. Für eine Parodie müsstest die Figuren noch mehr überzeichnen.
Ja, das ist mir bekannt. Für Parodie oder Satire wäre nur die Figur Britt geeignet. Obwohl ich den Text eine gewisse Zeit Ruhe gönnen wollte, hab ich ihn noch mal diesbezüglich kritisch unter die Lupe genommen. Ich finde die Erzählstimme ist ernsthaft, nur die Dialoge sind ab und zu „parodistisch“ angehaucht. Ich habe den Verdacht, dass dieser Eindruck, es solle amüsant, ironisch, parodistisch ankommen, durch meine Überzeugung entsteht, dass auch gewichtige Themen mit einer Portion Galgenhumor versehen sein dürfen. Das Ergebnis: Ein Fehlschlag, der jetzt erst mal als „Mahnmal“ für meine Unfähigkeit steht.

Für eine Gesellschaftsstudie müsstest du tiefer in die Gefühle der Figuren eintauchen, die bleiben im Nebel stecken, im Fast-Klischee, so, wie du sie beschreibst,
ja, das unterschreibe ich so sofort

Zitat von peregrina
Sie schüttelt den Kopf über diese Gedanken, die täglich im Kreis drehen, behäbig wie ein antikes, knarrendes Kinderkarussell.
schönes Bild müsste es nicht heißen, die sich im Kreis drehen?
Denke, beide Varianten haben Berechtigung, aber der Satz ist ohnehin schon wieder einer Veränderung zum Opfer gefallen. Schade, der war wirklich sympathisch.

Zitat von peregrina
Die Unordnung sabotiert ihr Harmoniebedürfnis,
passiert mir jeden Tag
komisch, das scheint eine neue Volkskrankheit zu sein

Zitat von peregrina
„Bea, wie kannst du so was sagen? Du weißt, du bedeutest mir viel.“
o je, sagt die das echt so, klingt unnatürlich
ich überdenke diese Aussage

Zitat von peregrina
an die Wand im Büro zu pappen,
bist du aus Österreich? In Deutschland würde man eher kleben sagen
nee, nicht aus Österreich, ich merke gerade, HEFTEN oder PINNEN wären besser, das ist vielleicht so ein Fauxpas, ein Ausdruck aus der Umgangssprache, der den Leser auf die falsche Fährte führen könnte

Zitat von peregrina
Tabea schließt die Augen. Dieses Leben frisst sie auf, sie will ein anderes. Eines, in dem nicht das Streben nach Geld und Erfolg regiert.
mm, die ist ganz schön blauäugig.
Du meinst, das existiert nicht? Deshalb siehst du Tabea als naiv an, aha, ich verstehe.

Liebe Isegrims,
wir werden sehen, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, falls ich wieder die Bereitschaft zum Eingriff verspüre. Deine Anregungen werden in diesem Falle einfließen.
Einen guten Rutsch und weiterhin schön locker bleiben.
Liebe Grüße,
peregrina

Hallo rieger,

dankeschön für deinen Leseeindruck.

in der Welt der Haute Couture bin ich gar nicht zu Hause. Vielleicht liegt es daran, dass ich in den Fluss der Erzählung nicht hineingekommen bin.
Nein, daran wird es wohl nicht liegen. Ein Autor, der sein Handwerk versteht, nimmt dich problemlos mit bis ans Ende der Welt.

Ich habe die Ironie bemerkt, den Spannungsaufbau, der sich aus der Mischung von geschäftlicher Schwierigkeit, persönlichem Drama und Britts naiver Leichtfüßigkeit zusammensetzt. Ja, eben für mich zusammensetzt.
Nix Haute Couture, waren leider nur „heiße Nadeln“, die die einzelnen Textteile verbunden haben. Asche auf mein Haupt.

… aber was für mich beim Lesen sein soll, ist entweder ein Berührt sein oder auch eine Irritation. Und da komme ich über den Eindruck des Zusammengesetzten, das sich nicht ganz zu einer Einheit fügt, nicht hinaus.
Fakt ist eins: Deine Ansprüche sind nicht zu hoch gesteckt und ich sehe auch, dass es kein gutes Zeichen ist, wenn sich eine Geschichte in einzelne Module zerlegen lässt, die man dann ohne größere Schwierigkeiten wieder verbinden kann.

Vielleicht liegt es also doch am edlem Leder und ist, wie jeder Kommentar, absolut persönlich gegerbt.
Persönlich ist immer gut. Du stehst mit deinem Eindruck allerdings nicht alleine.

Sprachlich finde ich das in einer guten Form und schön in den flapsigen Wendungen, wenngleich sie auch manchmal schablonenhaft sind (gute Frage, nächste Frage z.B.).
Durchschaut. Diesen Hang zum Ausgetretenen kann ich nicht verleugnen. Aber ich arbeite an mir, dieser Club hier kann mir dabei helfen, so wie bei der Behebung anderer Schwächen.

Danke für deine aufschlussreichen, milden Worte und einen guten Rutsch wünscht
peregrina


Liebe lakita,

es ist schön, dass du meine KG ein zweites Mal besucht hast.

Grundsätzlich sind meine Anregungen, Kritikpunkte, Verbesserungsvorschläge alles nur Angebote, die angenommen werden können, ABER NICHT MÜSSEN!
Ich hoffe nicht, dass du den Eindruck hattest, ich könnte das anders sehen.

Wer lange genug auf Wortkrieger ist, weiß, wie vielfältig die Wünsche und Forderungen der Leser sind.
Es gibt einfach nicht DIE Geschichte, die allen komplett zu 100% gefällt. Stets sind hie und da Sachen, die aus der Sicht des einen oder anderen verändert und verbessert werden könnten.
Das leuchtet mir vollkommen ein. Verschiedene Vorlieben der Leserschaft erfordern Vielfalt der Geschichten. Trotzdem sollten alle eine bestimmte Qualität aufweisen.

Ich will damit sagen, dass man es nur seinem eigenen Gewissen, seinem Bauch, seinem Gefühl, seiner eigenen Autorenseele recht macht kann, nicht den Lesern.
Ich finde, dass jede Kritik dazu geeignet ist, im Kopf des Autoren etwas zu bewegen. Ob es sich nun direkt auf die Geschichte auswirkt, ist wirklich zweitrangig.
Was aber tun, wenn die Kritiken dazu führten, dass der Autor erkennt, er hat die KG total verstümmelt, seine Erzählabsicht wird nicht erkannt und die Autorenseele ist in Aufruhr und dem Bauch geht es auch nicht gut?
Vielleicht Zeit verstreichen lassen?

Wenn du liebe peregrina mitteilst, dass du Abstand zu deiner Geschichte benötigst, dann rennst du bei mir offene Türen ein. Mir geht es nämlich ganz oft auch so. Ich bin nach dem Fertigstellen meines neuen Geschichtenbabys meist so blockiert, dass ich manchmal erst beim zweiten Mal des Durchlesens Kritikpunkte verstehe und nachvollziehen kann … Wenn du also Zeit brauchst, um wieder einen halbwegs neutralen Zugang zu deiner Geschichte zu finden, um sie aus der Sicht des Lesers betrachten zu können, dann nimm sie dir unbedingt ohne jeglichen Stress.
Ja, Zeit muss ich hier haben. Das Problem ist, dass ich gar nicht mehr einschätzen kann, wie wirkt welche Aussage. Ich bin ja mit einem klar definierten Ziel an meine KG herangegangen und plötzlich fühlt sich alles so falsch an.

Und wenn du diese Geschichte nicht verändern magst, dann ist das genauso in Ordnung, solange sich in deinem Kopf etwas bewegt, was eventuell in einer nächsten Geschichte seine Umsetzung findet.
Verändern dieser KG? Keine Ahnung! Umsetzen der Impulse in der nächsten Geschichte? Klaro!

Liebe lakita,
du hattest mich wegen des Titels angesprochen. Und in meiner letzten Antwort hatte ich dich gebeten, ihn auf GEFRORENES LÄCHELN zu verändern. Kannst du das bitte für mich tun, oder muss ich unserem Webmaster eine PN schicken?


Danke für deine aufrichtigen und aufrichtenden Worte und einen guten Rutsch wünscht
peregrina

 

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