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Eine etwas längere Geschichte (5204 Wörter), die im Universum des Pen&Paper-Rollenspiels "Das schwarze Auge" spielt. Die Geschehnisse so wie hier beschrieben haben die Spieler gemeinsam am Tisch erlebt.
Frostige Herzen
Sie mussten die Pferde zurücklassen.
Niemals hätten die Reittiere es unbeschadet durch das Dornendickicht geschafft, das wie eine Grenzmauer aus Widerhaken den Gebirgswald vom Handelsweg trennte.
Unter Lailas Füßen knirschte die dünne Schneedecke, mit dem Bogen sicherte die südländische Tulamidin die Flanke des Hangs. Keine Gefahr in Sicht, bloß zwei Eichhörnchen, die über das Weiß flitzten und einen Stamm hinauf jagten. Die Eichen und Buchen standen hier dicht beieinander, ab und an drängte sich eine dicke Rosskastanie dazwischen. An ihren ausladenden Wurzeln erkannte Laila vereinzelt die giftigen Blätter der Ogerbeerenranke. Und obgleich sie meilenweit von ihrer Heimat, dem Land der ersten Sonne entfernt war, half ihr auch hier, in diesem verschneiten Waldstück des nördlichen Tobriens der seit jeher unstillbarer Wissensdurst nach allem, was da wuchs und fleuchte. Auf die Kälte hätte sie getrost verzichten können.
Lailas Atem bildete Wölkchen und sie war froh über die gesteppte Unterkleidung, die sie vor ihrem Aufbruch in der Akademie der vier Türme angelegt hatte. Es konnte schließlich nicht jeder von ihnen Fell besitzen. Bei diesem Gedanken sah sie den Hügel hinauf.
Dort stapfte Guragh einige Schritt höher durch den Schnee. Der muskelbepackte Hüne trug bloß einen Lendenschurz unter seiner Lederrüstung, am ganzen Körper glitzerten Eiskristalle im dichten schwarzen Haar. Wie der Pelz eines gewaltigen Ebers, glänzte es im Licht der Praiosscheibe, deren Strahlen wie goldene Finger hier und da durch das Blätterdach stießen.
Auch Guragh hielt Ausschau nach allem, was ihm ungewöhnlich erschien. Doch der Gjalsker entdeckte bloß die Spuren von Hase, Dachs und Reh. Für einen Moment blieb er stehen und schloss die Augen.
Seine breiten Nasenflügel bebten, der Durro-Dûn sog den Duft des Waldes tief in sich auf und konzentrierte sich auf die innere Verbindung seines Odûns, des von ihm gewählten Tiergeistes. Einzelne Geruchsnoten hoben sich ab, wie farbige Schlieren sah er sie in seinem Geist: das herbe Grün vom Ilmenblatt, der muffige Ocker des Krötenschemels sowie das würzige Rot des Belmartbuschs. Guragh reckte den Kopf und schnüffelte. Doch Wildschwein ließ ihn noch etwas anderes entdecken. Ein fremder Gestank, flüchtig und falsch, eine schwarzgraue Schliere von etwas, das nicht hier hergehörte.
Er öffnete die Augen und besah sich den Hügel. Die Fährte verlief hangaufwärts, auf dem Gipfel verbarg sich die Quelle dieses Geruchs. Ein menschliches Stöhnen ließ den Tierkrieger über die Schulter schauen.
Die beiden Zauberer mühten sich hinter Laila durch den Schnee hinauf.
Dscherid machte dabei noch die bessere Figur. Auch wenn der südländische Magier vom Volk der Novadi, in seiner purpurnen Robe, behängt mit zahlreichen Amuletten und Zauberartefakten besser in ein staubiges Studierzimmer voller Folianten gepasst hätte, so stützte er sich hier und jetzt mit grimmigem Blick auf seinen Zauberstab und kämpfte Schritt für Schritt tapfer mit dem verschneiten Waldboden. Sein rechtes Auge suchte nach natürlichen Stolperfallen wie Kaninchenbauten, das linke war von einer schwarzen Klappe verdeckt.
Cyberian kam am langsamsten voran. Die graue Reiserobe hing voller Kletten und auf der Miene des Kampfmagiers spiegelte sich Frustration. Erneut blieb seine Stiefelspitze in einer unter der Schneedecke verborgenen Wurzel hängen und er strauchelte, sein spitzer Hut rutschte ihm dabei vom Haupt. Cyberian fluchte leise und hob die Kopfbedeckung auf.
Laila konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da beherrschten diese studierten Männer die hohe Kunst der Gildenmagie, sie konnten Feuerbälle aus dem Nichts erschaffen und wussten, wie man tiefe Wunden binnen weniger Herzschläge heilte. Ein Wissen, das ihr niemals zuteilwerden würde; und doch reichten Wurzeln, Schnee und Blattwerk, um diese mächtigen Herren hilflos erscheinen zu lassen.
»Sputet euch da hinten, ich rieche etwas!«, rief Guragh herab.
Dscherid murmelte etwas Unverständliches auf Tulamidisch in seinen geflochtenen Bart, Cyberian fluchte ganz offen: »Ist es Sandragon? Diese stumpfsinnigen Druiden in ihren verdammten Wäldern. Ich bin heilfroh, wenn wir wieder von hier verschwinden.«
»Da vorn!«, rief Laila und zeigte an Guragh vorbei, auf den Hügelkamm.
Dort stand jemand und sah auf die Gruppe herab, durch die Sonne in seinem Rücken war bloß eine Silhouette zu erkennen. Hochgewachsen, einen Stab in der Hand. Das Haar schien wirr wie die Zweige eines Vogelnests. Die Gestalt rührte sich nicht, einen Herzschlag lang. Dann trat sie zurück und verschwand aus dem Sichtfeld.
»Das ist er, holen wir ihn uns!«, rief Guragh und spurtete zwischen den Bäumen den Hang hinauf. Auch Laila beschleunigte ihr Tempo, die Magier folgten nach besten Kräften.
Noch bevor sie den Gipfel erreichten, frischte der Wind auf und es schneite. Erst schwach, dann immer stärker.
Je höher sie kamen, umso heftiger wandelte sich der Niederschlag. Guragh erreichte den Waldrand als erster. Der Wind war zu einem Sturm gewachsen, der heulend zwischen die Buchen und Eichen fuhr. Über den Baumkronen hingen tief die Gewitterwolken, aufgebläht und voller Schwärze. Die Schneemassen trieben jetzt so dicht umher, er konnte bloß ein Dutzend Schritt weit sehen. Vor ihm lag eine kleine Lichtung, an deren Rand machte er zahlreiche Findlinge aus, verstreut wie die Spielsteine eines Gebirgsriesen. Von dem Druiden fehlte jede Spur.
Der Tierkrieger kniete sich zwischen die Stämme und wartete auf seine Gefährten. Das Heulen des Sturms steigerte sich zu einem Brüllen, Hagelschlag tat sich mit dicken Flocken gemein. Eiskörner, aufgewirbelte Stöckchen, Blätter und Kiesel flogen umher und prasselten auf ihn ein, fast schien es, als wäre die Lichtung das Zentrum des plötzlichen Unwetters.
Laila erschien als erste zwischen den Bäumen. Sie zog eine Grimasse, wohl um der Kälte zu trotzen. »Wo ist er hin?«, schrie sie gegen den Sturmwind an und hielt sich eine Hand vor die Stirn, ihre Augen suchten den Randbereich der Lichtung ab.
»Weiter hinten habe ich den Umriss einer Hütte gesehen!«, rief Guragh zurück. »Wo bleiben die anderen?« Er sah über Lailas Schulter hinweg in den Wald.
»Die kommen schon!«, schrie sie und mit einem Mal mischte sich Überraschung in ihre Gesichtszüge. »Da!«
Guragh wendete den Blick vom Laub zurück zur Lichtung. Jetzt sah er es auch. Etwa acht Schritt entfernt, mitten im Chaos des tosenden Schneesturms, stand ihr Ziel dieser Queste: Sandragon.
Regungslos. Abwartend.
Der Druide trug einen erdbraunen Kapuzenmantel und hielt einen langen Stab in der Hand.
Laila blinzelte sich Eiskristalle aus den Wimpern, der Wind schlug seine frostigen Zähne in ihre Haut. Und während ihr Haarschopf und die am Körper getragene Ausrüstung im Griff des Unwetters flatterte und zuckte, rührte sich die Kleidung des Druiden keinen Finger breit.
»Das ist sein Werk! Er hat den Sturm beschworen!«, schrie Cyberian hinter ihnen, die Magier hatten die Lichtung nun ebenfalls erreicht. In ihren langen Bärten hingen Eisklumpen, mit der einen Hand hielten sie die Hüte fest, mit der anderen stützten sie sich schwer auf ihre Zauberstäbe.
»Ich erledige das!«, rief Guragh und löste seine Streitaxt ›Zorngebieter‹ vom Gürtel. Die Runen auf dem Doppelblatt der magischen Waffe glommen für einen Wimpernschlag hellblau auf. Während die Gefährten geduckt Schutz hinter den mannshohen Findlingen suchten, kämpfte sich der Krieger vornübergebeugt und mit gesenktem Kopf Schritt für Schritt an den Druiden im Zentrum heran. Dieser machte sichtbar unbeeindruckt bloß einen Schritt zurück und verschmolz mit dem wirbelnden Weißgrau.
Dscherid kniete neben Cyberian hinter dem Felsen und wartete ab. Im Gesichtsausdruck seines Gefährten glaubte Dscherid zu lesen, dass sie momentan das Gleiche empfanden.
Er hasste das Gefühl der Machtlosigkeit. Er war ein Gildenmagier. Magier besaßen Macht. So einfach war das. Und hier hinter einem Stein zu hocken, untätig, den Launen dieses Bäume umarmenden Sumujünger ausgesetzt, ohne eine Möglichkeit, das eigene astrale Potenzial zu nutzen, das war ihm zuwider. Natürlich gab es auf Aventurien Zaubersprüche, die eine solch beeindruckende Wettermanipulation beenden konnten, doch weder Dscherid, noch Cyberian beherrschten sie. Wo blieb ein Elf, wenn man einen brauchte?
Am Rande seiner Wahrnehmnung entdeckte Dscherid Laila, die sich in geduckter Haltung am Waldrand entlang durch die Büsche schlich. Die sonnengebräunte Tulamidin hatte ihren Elfenbogen wieder auf dem Rücken verstaut und verschwand zwischen den Pflanzen, er verlor sie aus dem Blick.
Von einem Moment zum nächsten wechselte das Wetter wie die Laune eines Kleinkindes. Die Wolke löste sich in der strahlenden Sonne auf, der Wind flaute ab und es schneite und hagelte auch nicht mehr. Wenige Herzschläge waren vergangen, seitdem Guragh in den wirbelnden Massen verschwunden war.
Cyberian und Dscherid erhoben sich und sahen über die Findlinge hinweg.
Da stand ihr Gefährte, im Sonnenschein, am anderen Ende der Lichtung vor einer windschiefen Holzhütte, aus deren Schornstein weißer Rauch hervorquoll.
Die beiden Magier traten an seine Seite.
»Er ist da drin«, knurrte Guragh.
»Möchtest du anklopfen?«, fragte Cyberian ihn.
Dscherid grunzte belustigt.
»Mit Vergnügen«, antwortete der Tierkrieger, hob ›Zorngebieter‹ und schritt auf die Eingangstür zu.
Mit grimmiger Genugtuung betrachtete Cyberian ihren kampflustigen Gefährten, gleich würden sie Sandragon die Fragen stellen, wegen derer sie sich in dieses dreckige Waldstück am Arsch der Heide bemüht hatten. Cyberian seufzte. Wie gerne säße er jetzt mit einer Pfeife Ilmenblatt und einem Glas Wein auf der Terrasse seines Turms, nahe der Lichter der Hauptstadt. Dazu ein gutes Buch oder die betörende Gesellschaft einer hübschen Studiosa der Akademie, die natürlich aufgrund seiner Reputation zu ihm aufsah.
Doch es kam ganz anders, als erwartet. Guragh holte zu einem einhändigen Schlag gegen die Tür aus, das Doppelblatt der Axt fuhr durch die Luft. Kurz bevor es das Holz erreichte, gab es ein unnatürliches Geräusch: ›Blubb‹. Als ob man einen Topf unter Wasser drückte und eine große Luftblase entwich.
Guraghs Waffe steckte im Nichts vor der Tür fest. Die Luft herum, so schien es, zu fester Materie verdichtet. Der Krieger zog und zerrte am Stiel der Axt, nur mit Mühe bekam er sie unter weiterem Blubbern frei.
Dscherid rieb sich mit der Hand über das Kinn, dann trat er ein halbes Dutzend Schritte zurück und vollführte eine Geste mit den Fingern der linken Hand. Sein Auge rollte in die Höhle nach oben, bloß das Weiß war zu sehen. So schnell wie der Magier den Hellsichtzauber gewirkt hatte, teilte er seine Gewissheit den beiden mit: »Ein elementarer Schutzwall. Wie eine Art Barriere, aus Luft. Sie umgibt die gesamte Hütte.«
»Schützt sie auch das Dach?«, fragte Cyberian.
»Nein, bloß die vier Wände. Das Dach ist ungeschützt.«
Ein grimmiges Lächeln umspielte Cyberians Züge, während er an Dscherids Seite trat. Da dieser aus Erfahrung ahnte, was jetzt kam, brachte er sich gemeinsam mit Guragh ein paar Schritte zurück in Sicherheit.
Derweil lauerte Laila versteckt in einem Satuariabusch, unweit der Hütte. Der unnatürliche Sturm hatte sich von einem Moment zum nächsten gelegt und da kein Schneetreiben mehr herrschte, besaß sie freie Sicht durch das kleine Fenster der östlichen Seitenwand, nicht mehr als eine rechteckige Aussparung im Holz. Sandragon stand an einer Werkbank und hantierte mit zahlreichen irdenen Töpfen herum. Sein verfilzter brauner Bart bewegte sich dabei auf und ab, als würde der Mann Selbstgespräche führen.
Der Druide hatte Laila noch nicht entdeckt.
Sie fasste die Fensteröffnung genauer ins Auge und nahm Maß. Anlauf, Hechtsprung, Rolle vorwärts, auf ihn zu und dann den Dolch an die Kehle. Kein einfaches Manöver, doch sie hatte auf ihren Abenteuern schon schwierigere Akrobatik vollführt. Sandragon drehte den Kopf weg, das war ihre Chance. Sie sprintete los.
»Incendium consumeat vos. Incendium consumeat vos«, intonierte Cyberian, wobei er auf das Dach der Hütte starrte und die Gestik seiner Hände eine komplizierte Abfolge wiederholte. Bei jeder neuen Schleife wuchs die lodernde Kugel aus blauweißer Astralenergie, die sich zwischen seinen Handflächen bildete, ein wenig an. Die Luft um den Ball zischte und knackte und Flämmchen umspielten die Finger des Magiers. Auf die Größe einer Honigmelone angewachsen, schleuderte Cyberian mit einem letzten »… consumeat vos!« den Feuerball auf Sandragons Behausung. Das arkane Geschoss raste auf die Vorderfront zu. Kurz vorm Einschlag stieg es plötzlich steil auf, nur um einen Wimpernschlag später wie ein feuriger Komet das Dach zu zerschlagen. Die Explosion schleuderte Holzsplitter und rote Ziegelscherben des Schornsteins empor, schwarzer Rauch stieg auf.
Der donnernde Knall ließ Laila kurz straucheln. Verdammter Cyberian! Kein Gespür für Finesse. Doch sie fing sich wieder und sprang, auf das Fenster zu … und hing in der Luft.
Direkt auf Höhe der Öffnung klebte sie wie eine Fliege im unsichtbaren Spinnennetz, unfähig, die Hände oder den Kopf auch bloß einen Millimeter weit zu bewegen. Sie strampelte mit den Füßen, was nur dazu führte, dass auch diese im schlickgleichen Nichts kleben blieben. Hinter Lailas Brustkorb flammte Hitze auf, die Wut auf den Druiden und seine hinterhältige Magie flutete ihren Körper wie eine feurige Woge. Sie schrie, doch es klang, als würde sich ihr Kopf unter Wasser befinden. Erfolglos versuchte sie weiterhin, sich zu befreien.
Da drehte Sandragon seinen Kopf und schaute sie an, ein Grinsen zog sich über sein Gesicht, er wagte es sogar ihr zuzuwinken wie ein Schelm.
Leise murmelnd streckte Cyberian seine Arme dicht am Körper nach unten, die Handflächen abgespreizt, die Spitze des Zauberstabes zeigte gen Boden. Seine Schuhsohlen erhoben sich vom Grund der Lichtung, der Gildenmagier schwebte empor. Rasch flog er durch die vom Feuerball geschaffene Öffnung in das Innere der Hütte. Doch sein Gegner erwartete ihn bereits.
Noch bevor Cyberian landen konnte, fixierten Sandragons stechende Augen ihn und die Lippen formten bloß ein einziges Wort, mit unangenehm hoher Fistelstimme: »Tanz!« Ein Fingerschnippen vollendete den Zauberspruch.
Cyberians Füße berührten den Boden, jede Faser im Körper des Magiers drängte zum Angriff. Er wollte mit seinem Dolch auf Sandragon einstechen, wollte ihm den Zauberstab über den Schädel ziehen, wollte seinen mächtigsten Flammenstrahl gegen ihn schleudern.
Stattdessen tanzte er.
Seine Füße machten sich selbstständig, sofort zogen die Arme nach. Es war die Schrittfolge einer almadanischen Tarantella, wie sie die Gecken und Stutzer am Hofe zelebrierten. Er stampfte und klatschte, hüpfte und sprang.
Vor dem Fenster hing Laila noch immer in der magischen Luft, die Tulamidin traute ihren Augen nicht. Ihr Gefährte befand sich wenige Schritt entfernt, doch anstatt ihr zu helfen oder den Druiden dingfest zu setzen, tanzte er sich die Seele aus dem Leib. Wie ein Derwisch drehte er sich um die eigene Achse, immer wieder flogen die Hände hoch. Sein Gesicht lief schon rot an, er bleckte die Zähne, während er immer weiter tanzte. Innerlich schüttelte Laila den Kopf. Sie würde diese Magier aus dem Mittelreich nie verstehen.
Auf der Lichtung standen Dscherid und Guragh stumm Seite an Seite.
Ihr Gefährte war dank seiner magischen Levitation in der Hütte verschwunden.
Nichts geschah.
Weder fiel der elementare Wall in sich zusammen, noch wurde die Tür geöffnet. Man hörte auch keinen Kampfeslärm oder sah Flammen auflodern, mit Letzterem hatten beide eigentlich fest gerechnet.
Dscherid kratzte sich am Bart, dann fiel der Blick auf seinen Zauberstab. »Lass’ mich etwas versuchen«, murmelte er und schon verwandelte sich das Holz in seinen Händen in ein mehrere Schritt langes, solides Seil. Der braungebrannte Novadi sah hoch und zeigte auf einen Punkt in der Luft, oberhalb der Dachkante. »Fih hawa, maha-khor«, sagte er laut.
Guragh grunzte missbilligend, da keine offensichtliche Wirkung eintrat. Und während der Magier zu seiner linken eine Schlinge in das Seil knotete, wog Guragh das Für und Wider ab, einfach mit genügend Anlauf gegen die Mauer aus Luft anzustürmen. Bisher hatte er noch jeden Schildwall durchbrechen können. Warum sollte das hier nicht auch funktionieren? Und wo war eigentlich Laila abgeblieben?
Dscherid legte sich den verwandelten Stab in seiner Hand zurecht und schleuderte das Seil, als wolle er ein fliegendes Kalb einfangen, hoch in die Luft. Es funktionierte. Der Strick blieb am arkanen Temporalpunkt hängen, wie ein unsichtbarer Haken hielt der Objektzauber die Kletterhilfe in der Luft. »Dann wollen wir mal«, sagte er und legte seine Hände ans Seil. Guragh entschied, dass der Weg des Magiers die leichtere Lösung ins Innere darstellte. So folgte er dem Südländer auf das Dach.
Konzentration. Er musste sich beherrschen, musste den Drang niederkämpfen! Sein Geist musste den Zauber bezwingen!
Cyberian spürte, wie ihn mit jedem weiteren Hüpfer die Konstitution verließ. Seine Arme wogen schwer und seine Beine noch viel schwerer. Und doch tanzte er, immer weiter, immer im Takt. Hilflos sah er mit an, wie Sandragon aus einer hölzernen Schatulle einen Ritualdolch entnahm. Die Klinge bestand aus geschliffenem Obsidian, der Griff aus einem Knochen. Sandragons Daumen prüfte die Schärfe der Schneide.
Cyberian schloss die Augen. Das würde nicht das Ende sein. Er hatte nicht vor, in einer schäbigen Waldhütte abzutreten. Tanzend.
Konzentration. Und dann spürte er es. Da! Da war das passende Geflecht!
Der Druide wandte sich dem Gildenmagier zu und holte mit dem Dolch aus, zielte direkt auf sein Herz.
Cyberians geistige Resistenz durchbrach die magischen Fesseln, mit dem letzten Ausfallschritt wich der Magier tänzelnd der Klinge aus und rammte Sandragon das klobige Ende des Zauberstabes ins Gesicht. Dessen abgelenkter Dolchstoß traf ihn dennoch am Arm und zerschlitzte Baumwolle und Muskelfasern. Ein Schmerz wie flüssiges Feuer schoss durch Cyberians Schulter. Er schrie seine Wut heraus und schlug erneut nach dem Kopf des Druiden.
Dann geschahen drei Dinge gleichzeitig:
Cyberians finaler Schlag mit dem Blutulmenstab brach Sandragons Nase und schickte den Sumujünger zu Boden, wo er regungslos liegenblieb.
An der Ostseite der Hütte rummste es, da Laila gegen die Wand knallte, als die elementare Barriere in sich zusammenfiel.
Guragh und Dscherid sprangen durch das zerstörte Dach ins Innere und landeten neben ihrem Gefährten.
»Er wacht nicht auf. Wie fest hast du zugeschlagen?«, fragte Guragh.
»So fest ich konnte. Der Bastard war kurz davor, mir an die Gurgel zu gehen.«
Sie standen im Halbkreis um den Druiden herum, nachdem sie seinen bewusstlosen Körper gefesselt und ihn dann hoch bis unter die Decke an einen Querbalken geknüpft hatten. Jeder von Ihnen kannte die Sagen und Legenden über diese erdverbundenen Priester der Göttin Sumu, die ihre Zauberkraft einbüßten, sobald sie einmal den Kontakt zum Erdboden verloren. Mit Hexen war es angeblich das Gleiche.
Während ihre männlichen Begleiter beratschlagten, was als Nächstes zu tun sei, sah sich Laila in der Hütte genauer um. Die Deckenbalken um den Körper hingen voller getrockneter Kräuter, nur dort, wo der Feuerball das Dach zerschlagen hatte, waren diese weggeschleudert worden und lagen nun auf den Holzbohlen verstreut. Der Duft nach wildem Thymian, vermischt mit dem Gestank verbrannter Tonschindeln stieg ihr in die Nase. Die gesamte Einrichtung war hölzern, sie entdeckte nicht einen metallenen Gegenstand. Sandragons Behausung erschien ihr karg und lieblos. Tisch, Stuhl, Schrank und eine einfach gezimmerte Schlafstatt. Auf einer Werkbank konnte sie neben wenigen Tontöpfen noch Kerzen, Nadeln, einige Werkzeuge und etwas Geschirr ausmachen.
»Das reicht mir jetzt«, sagte Cyberian und trat an den bewusstlosen Druiden heran. Ein saftiges Klatschen, als er ihm eine Ohrfeige verpasste. Nichts geschah.
Der Magier schlug ihn erneut, mit Wucht pfefferte er ihm die flache Hand ins Gesicht.
Die Lider flatterten, der Feind erwachte.
»Na also, geht doch«, brummte Cyberian.
Als Sandragon erkannte, wo er sich befand und wen er vor sich hatte, schimpfte er wie ein Rohrspatz. Seine Fistelstimme stach unangenehm in den Ohren, er hörte gar nicht mehr auf: »Wer seid ihr, ruchlose Eindringlinge! Lasst mich sofort zu Boden, Schänder des heiligen Kreises, wie könnt ihr es wagen mich zu binden? Ich werde …«
Guraghs Faust schnellte vor, die kurz geschlagene Gerade ließ den Druiden für den Moment verstummen.
»Genau«, sagte Dscherid lakonisch. »Wir stellen hier die Fragen. Also halt dein Maul, bis wir dir sagen, was wir hören wollen.«
»Wir wissen, dass du mit dem Meister der Dämonen im Bunde bist. Leugne es nicht. Dein Medaillon, das ihr Verräter allesamt benutzt, hat dich während deiner finsteren Machenschaften innerhalb der Stadtmauern Warunks verraten«, setzte Cyberian ihren Widersacher ins Bild.
Laila entging nicht der Blick des gefesselten Mannes. Als ihr Gefährte die spezielle Münze erwähnte, huschten Sandragons Augen für einen Wimpernschlag zur Werkbank hinüber. Und tatsächlich, als sie ein grobes Stück Tuch auf der Holzplatte lupfte, lag darunter eine etwa handtellergroße Metallscheibe, darauf das Relief einer siebenstrahligen Krone. Sie nahm es auf und drehte es zwischen ihren Fingern.
»Wer sich nicht vor der Dämonenkrone beugen wird, der wird gebrochen!«, spie der Druide ihnen entgegen. »Bald werde ich über ganz Tobrien herrschen und Gewürm, wie ihr es seid, wird bloß noch Dreck unter den Füßen meiner Getreuen sein.« Speichel troff ihm vom Kinn und seine Augäpfel zuckten hin und her.
»Was hat es mit dem alten Mann, seiner Eskorte und den zwei Kindern auf sich?«, fragte Laila. Auf ihrem Weg von Warunk ins Hinterland hatten viele der Bauern und Dörfler von einem Tross, bestehend aus einem buckligen Greis und zwei blassen Heranwachsenden berichtet, die, begleitet von einem halben Dutzend Söldnern, ebenfalls nach der Behausung des Druiden in den Wäldern gefragt hatten.
Sandragon fing an zu lachen. Es war ein hohes, hämisches Gelächter, als würde er ein Kind auslachen, das noch zu dumm war, eine klare Gegebenheit als solche zu begreifen. »Ihr heldenhaften Trottel! Was habe ich mit alten Männern und kleinen Kindern zu schaffen? Habt ihr euch schon einmal selbst reden gehört? Ihr seid so dämlich, dass es wehtut! Dem Dämonenmeister wird es ein leichtes sein, euch zu ...«
»Ich habe jetzt genug von diesem Scharlatan.« Dscherid trat an den Gefangenen heran und legte ihm die gespreizten Finger der rechten Hand auf den Kopf. Sandragon schimpfte und zeterte darüber, doch dann verstummte er plötzlich, als Dscherid leise die Zauberformel murmelte. Mit geschlossenem Auge stand der Südländer da, für die Dauer einiger Herzschläge passierte nichts. Dann öffnete sich das Lid, Sandragon war die Farbe aus dem Gesicht gewichen, der Druide stöhnte leise auf.
»Ich habe seinen Geist erforscht«, sagte Dscherid. »Der Dämonenmeister befindet sich auf der Insel Maraskan. Doch am 20. Tag des Mondes Ingerimm, da sind sich seine Jünger sicher, steht der Beginn der Apokataste bevor. Nichts wird dann mehr so sein, wie es war.«
Guraghs Nasenflügel zuckten. Der Wind trug einen Hauch von Qualm heran.
»Riecht ihr das?«, fragte er in die Runde und erntete verständnislose Blicke.
»Nein. Was?«, fragte Laila.
Tschak. Metall auf Holz. Etwas knallte von außen gegen die Hüttenwand.
Tschak. Erneut. Tschak. Ein drittes Mal in rascher Folge.
Jetzt roch Guragh es deutlich. »Das sind Brandpfeile. Wir werden angegriffen!« Er zog ›Zorngebieter‹ aus dem Gürtel.
»Zeit zu sterben, Sandragon!«, ertönte eine männliche Stimme, außerhalb der Hütte.
In die Gefährten kam Bewegung. Laila zog anstelle des Elfenbogens ihre beiden Krummsäbel. In der Beengtheit der Hütte glitten die Klingen haarscharf an Cyberians Nasenspitze vorbei.
»Mmh … Bluuut«, ertönte es schläfrig aus der Luft um eine der Waffen herum.
»Gib Ruhe«, flüsterte Laila dem gebundenen Astralgeist im Innern des Säbels zu. Ihr durstiger Begleiter würde noch laut genug werden, vorausgesetzt sie gäbe ihm ausreichend zu ›trinken‹.
Die Magier befingerten umgehängte Amulette und berührten Broschen und Ringe, dabei murmelten sie wenige Worte, um die Wirkung der magischen Artefakte auszulösen. Auch Guragh drehte den goldenen Schlangenarmreif an seinem rechten Bizeps, mit einem Mal verschwammen die Konturen des Kriegers, er bewegte sich fortan zu schnell, als dass das menschliche Auge seinen Bewegungen weiterhin hätte folgen können.
Sandragon erbleichte und wand sich in seinen Fesseln, aufgrund seiner Aufhängung baumelte er sachte hin und her. »Lasst mich runter! Ihr könnt mich nicht hier hängenlassen! Ich werde …«
»Geht schon vor, ich regle hier noch eine persönliche Angelegenheit«, sagte Cyberian mit Grabesstimme zu seinen Freunden und zog den schmalen Dolch aus der Scheide. Es gab keine Widerworte, seine Gefährten verließen die Hütte.
Niemand braucht zu glauben, er käme ungestraft mit dem Versuch davon, einem Cyberian Donnertrutz die Kehle durchzuschneiden.
Ihre Feinde befanden sich klar in der Überzahl. Dscherid sah auf den ersten Blick ein Dutzend Söldner, grimmige Burschen in Lederrüstungen, die meisten mit Schwertern bewaffnet, doch auch wenige Kurzbögen zielten in seine Richtung. Die Angreifer kauerten hinter den Findlingen und suchten Deckung an der Baumgrenze.
Das Dach und die Vorderfront der Hütte brannten jetzt lichterloh. Dort, wo die Pfeile Schindeln und Bohlen getroffen hatten, züngelten schwarzblaue Flämmchen hervor.
»Sie haben die Pfeile verzaubert!«, rief Dscherid seinen Gefährten zu. »All das, was die Pfeilspitzen berühren, fängt Feuer!«
Guragh grunzte und verharrte regungslos. Niemand schoss, auch die gegnerischen Schwertkämpfer schienen auf ein Signal zum Angriff zu warten. Verdammte Borbaradianer, zur Niederhölle mit ihnen. Hinter ihm kam Cyberian aus der brennenden Hütte und verstaute gerade seinen Dolch in der ledernen Scheide.
Am Waldrand direkt voraus trat ein buckliger Greis hinter einer Steineiche hervor. Der Glatzkopf trug einen schwarzen Umhang mit hohem Stehkragen, wie es im Herzogtum Transysilien Brauch war. Seine Haut schimmerte aschfahl wie erkaltetes Feuer und er stützte sich auf einen Stab, an dessen Kopfende eine schwarze Perle glänzte. Als sich die Lippen des Mannes zu einem Lächeln verzogen, wusste Dscherid, wo er das Antlitz schon einmal gesehen hatte.
»Es ist Xeraan, der Unersättliche!«, rief er seinen Freunden zu.
Laila schluckte und umfasste die Griffe der Khunchomer fester. Sie hatte Geschichten gehört. Das hatten sie alle.
»Dann lasst uns dem Schwarzmagier zeigen, wer seinen Meister jagt! Macht sie nieder!«, schrie Cyberian und schon woben seine Hände den ersten Feuerzauber.
Guragh bewegte sich innerhalb eines Wimpernschlags auf den nächstbesten Söldner zu. So schnell, sein Gegner hatte das Langschwert erst zur Hüfte gehoben. ›Zorngebieter‹ fuhr mit Wucht in den Körper und zerschlug seinen Brustkorb. Der Söldner war tot, noch bevor sein Leib auf den Waldboden fiel.
»Bei Yeshinna!« Lailas Kampfschrei schallte über die Lichtung und schon rannte sie auf einen der Bogenschützen zu. Der sah sie kommen und entließ den Pfeil von der Sehne. Lailas Oberkörper pendelte nach links, geschickt wich sie dem Geschoss aus und lief weiter. Furchtlos legte der Schütze einen weiteren Pfeil auf. Da hatte sie ihn erreicht, nutzte den Schwung des Anlaufs und trieb den Säbel durch ihn hindurch. Wortwörtlich glitt die Waffe durch den Söldner, als bestände er aus Luft. Und auch Laila selbst rannte ungebremst durch ihn hindurch und prallte gegen einen Findling.
»Dreckiger Illusionsgestank, gib mir Bluuuut!«, stöhnte der Säbel.
Eine Illusion. Der Bogenschütze war nicht echt. Verdammte Zauberei.
Cyberian schleuderte einen Feuerball in Xeraans Richtung.
Dscherid riss den Zauberstab hoch in die Luft und schloss die Augen. Aus der Spitze des Stabes entluden sich zwei Kugelblitze, die auf gleicher Höhe mit dem flammenden Ball gen Schwarzmagier rasten. Die Magie explodierte in einer Kaskade aus gelb und weiß und für den Bruchteil eines Augenblicks flackerte eine arkane Kuppel um Xeraan herum auf.
»Gardianum Zauberschild«, murmelte Cyberian.
»Was hast du erwartet?«, fragte Dscherid.
»Es sind Illusionen! Die Söldner sind nicht echt!«, brüllte Laila über die Lichtung.
Guragh hörte ihren Ruf und doch nahm er eine Verteidigungsposition ein, als ein bärtiger Spießgeselle mit gezogenem Breitschwert auf ihn zu stapfte. Der Bursche sah sehr echt aus. Guragh verlagerte seinen Stand und behielt die Schulter des Mannes im Blick. Da kam der Stoß … doch Guragh war längst nicht mehr da. Ausfallschritt, halbe Drehung nach rechts, Rückhandschlag. Wie ein verschwommenes Bildnis wirbelte der Durro-Dûn herum und hieb dem Mann den Kopf von den Schultern. Die behelmte Visage flog durch die Luft und prallte gegen einen Findling.
»Was redest du für wirres Zeug?«, rief er über die Schulter. Etwas biss ihn ins Bein. Er sah an sich herab, in seinem Oberschenkel steckte ein schwarzgefiederter Pfeil. Blaue Flammen leckten vom Schaft empor, doch Guraghs teuer erworbene Rüstung aus feuerfestem Iryanleder erstickte den Brand im Keim. Guragh lächelte grimmig. Jeden Dukaten wert. Er fletschte die Zähne und brach den Holzschaft kurz vor dem Fleisch ab. Die Magier würden sich später darum kümmern.
Dscherid und Cyberian deckten aus der Ferne Xeraans Schutzschild mit einem Hagel aus telekinetischen Schlägen ein, im Takt einer Kriegstrommel hämmerten ihre Zauber auf die Barriere. Aus dem Augenwinkel sah Cyberian Schweiß auf Dscherids Stirn glänzen, trotz der Kälte des Winterwaldes.
»Es klappt! Sein Schutzwall zerbricht!«, rief sein Gefährte, sichtbar erleichtert.
Laila fluchte auf tulamidisch. Sie konnte die Illusionen auf der Lichtung nicht von den wirklichen Kämpfern unterscheiden. Da sah sie den Schützen, der Guragh getroffen hatte. Soeben legte er erneut auf den Krieger an. Sohn einer räudigen Hündin! Sie hob die Säbel und nahm Anlauf. Als der Bogenschütze ihren Spurt bemerkte, war es zu spät. Laila holte mit beiden Armen aus und brachte die Klingen in einem doppelt geführten Schlag über Kreuz zusammen. Der Blutstrahl färbte das Gras rot und der kopflose Torso fiel erst wie ein bußfertiger Mann auf die Knie und kippte dann vornüber.
»Jaa! Bluut! Gib mir meehr«, stöhnte der Säbel.
Laila setzte gerade zu einer Antwort an, da fing der Himmel Feuer.
Aus dem Nichts flammte ein gewaltiges Pentagramm über ihren Köpfen auf, brennende Linien in Form eines Fünfsterns, wie ein Fanal der schwarzen Mächte.
Neben Xeeran traten zwei blasse Kinder hinter den Bäumen hervor, ein schwarzhaariger Junge und ein blondes Mädchen, die vielleicht dreizehn Sommer zählten. Sie trugen Gambesons, weiche Stoffrüstungen, bereits an zahlreichen Stellen zerrissen. Ihre bleichen Gesichter waren voller Narben und auch die Hände, die Langschwerter hielten, waren versehrt. Keines der Kinder sprach ein Wort. Es war Xeraan, der den Befehl erteilte: »Nun kämpft, meine Legionäre von Yaq-Monnith! Zeigt, was ihr könnt. Tötet alle – so rasch ihr vermögt!« Der Schwarzmagier zog sich ein Stück in den Wald zurück, die Halbwüchsigen näherten sich mit zuckenden Bewegungen.
Guragh und Laila stellten sich auf der Lichtung Seite an Seite. »Bringen wir jetzt schon Kinder um?«, fragte die Südländerin und ließ die Säbel in ihren Händen kreisen.
»Das sind keine Kinder mehr«, knurrte Guragh, die Augen zu Schlitzen verengt.
Die Jugendlichen waren dreißig Schritt entfernt, als der Schnee unter ihren Stiefelsohlen verdampfte. Beide sprangen plötzlich in die Luft und überbrückten die Distanz in einem einzigen übernatürlichen Satz. Der Junge schnellte in ihre Richtung, das Mädchen attackierte die Magier.
Gerade noch konnte Laila ihre gekreuzten Säbel hochreißen, sonst hätte der Schwerthieb sie in zwei Hälften gespalten. Keine Kinder mehr, ganz sicher nicht.
Guragh hatte blitzschnell eine Ausweichrolle vollführt, jetzt hieb er dem Jungen seine Doppelaxt ins Kreuz. Knochen brachen, die Wucht ließ den Jungspund gegen Laila taumeln.
In den aufgerissenen Augen erkannte sie ein Flehen, Tränen traten hervor. »Helft mir, … erschlagt mich!«, rief der Junge. Mit einem Mal war die Luft von Schwefelgeruch erfüllt. Laila wich zurück, als schwarze Klauen, Hörner und wie Krebsscheren zuschnappende Rippen aus Schultern, Bauch und Brustkorb des Jungen hervorbrachen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stürzte sich das gepeinigte Kind auf sie.
»Concremes!«, schrie Cyberian und streckte Zeige- und Mittelfinger seiner Hand aus. Ein flammender Strahl aus flüssigem Feuer traf das blonde Mädchen in die Brust. Wie eine menschliche Fackel machte sie noch wenige Schritte und brach dann lodernd vor ihnen zusammen. Der Gestank nach verbranntem Fleisch stieg auf und Dscherid unterdrückte den Würgereiz. Neben ihm atmete Cyberian schwer, unter seinen Augen lagen tiefschwarze Ringe und der Kragen seiner Robe war schweißgetränkt. Sie beide hatten beim Kampf gegen das Mädchen ihre astralen Kraftreserven beinahe aufgebraucht. Ein Seitenblick verriet ihm, dass auch Laila und Guragh es bloß mit vereinten Kräften geschafft hatten, den Jungen endgültig niederzustrecken. Beide Gefährten bluteten aus wenigen Schnitten, die Scheren und Klauen ihnen verpasst hatten.
Die übrigen Söldner waren beim Anblick des Gemetzels geflohen.
»Verdammte Blutmagie. Die haben einen Zantdämon in die Körper dieser Unschuldigen geflochten«, sagte Dscherid und spuckte aus.
»Nicht ›die‹. Das war er. Xeraan«, erwiderte Cyberian und zeigte auf den Magier, der vom Rande der Lichtung mit finsterer Miene herübersah.
»Holen wir uns den Bastard.«
Laila kam ihnen zuvor. In einer fließenden Bewegung ließ sie die Säbel fallen, löste den Elfenbogen vom Rücken und hatte bereits einen Pfeil aufgelegt. Sie zog die Sehne bis zur Schmerzgrenze durch, zielte und schoss.
Der Pfeil flog perfekt, doch Xeraan schnippte mit den Fingern und einen Wimpernschlag bevor das Geschoss die Stirn des Schwarzmagiers durchschlagen konnte, teleportierte er sich hinfort.
Frustriert, kamen die vier Gefährten auf der Mitte der Lichtung zusammen. Die brennende Druidenhütte strahlte eine angenehme Hitze aus, doch keiner von ihnen lächelte.
»Sehen wir zu, dass wir aus diesem verdammten Wald verschwinden«, sagte Cyberian.