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Eine Geschichte, die nach Titten klingt

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Monster-WG
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15.07.2004
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Eine Geschichte, die nach Titten klingt

„Als Peter bemerkte, dass er den Kühlschrank offen gelassen hatte, war es bereits zu spät.“
Peng! Ein Satz wie ein Kanonenschuss. Wer sich so etwas ausdenkt, muss ein Genie sein.
Ich mache eine Pause, um die Bedeutung des Gesagten adäquat zu unterstreichen. Nur mit Mühe gelingt es mir, ein stolzes Grinsen zu unterdrücken.
Dieser Satz ist von mir!
Einen Augenblick lang herrscht in dem Zimmer etwas, dass ich als ehrfürchtiges Schweigen interpretiere.
Dann beginnt Frettchen zu röcheln.
„Alter! Das…, boah, Mann,… das ist nun wirklich der größte Scheißdreck, den ich jemals gehört habe.“ Er zieht eine abfällige Grimasse, nimmt einen großen Schluck aus der Kölschdose, um mir dann unerbittlich sein Fazit ins Gesicht zu röhren: „So fängt man doch keine Geschichte an. Als Peter bemerkte, dass er den Kühlschrank offen gelassen hatte, war es bereits zu spät. Hey, ehrlich, Dicker: Das ist einfach nur … Wortkotze!“
Letzteres rülpst er mehr, als dass er es spricht.
Ich weiß nicht, was mir mehr stinkt. Frettchens obergäriger Atem oder sein unterbelichteter Kommentar.
Also beschließe ich, spontan zu intervenieren.
„Neeeeee!”, sage ich im Brustton tiefster Überzeugung. „Nee, nee, nee!“
Umstimmen kann ich Frettchen damit offenbar nicht.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, kontert er lallend und klingt dabei viel weltmännischer, als man nach dem neunten Bier klingen sollte. „Weißt du, ein erster Satz muss richtig knallen. Der muss den Leser direkt in die Geschichte reinreißen. Und hammermäßig sexy muss der sein. Verstanden? Sexy!“
Ich verstehe genug, um Frettchen meinen ausgestreckten Mittelfinger unter die Nase zu halten.
„Sätze bestehen aus Subjekt, Prädikat, Objekt“, doziere ich. „Sätze sind nicht sexy.“
Frettchen nickt energisch.
„Dieser nicht! Das fängt schon beim Objekt an. Peter! Sag mal, geht’s noch? Peter?“
„Peter ist das Subjekt!“, werfe ich ein. „Das Objekt ist der Kühlschrank. Und das Prädikat…“
Jetzt erst bemerke ich Frettchens verständnislosen Blick.
„Tuwort“, sage ich langsam.
Frettchen macht eine wegwerfende Handbewegung und ignoriert meinen Einwand.
„Klingt Peter nach Titten?“
Ich schüttele den Kopf.
„Siehste! Total unsexy.“
Ich merke plötzlich, wie heiliger Zorn in mir hochsteigt. Klingt pathetisch, ist aber so.
„Ist das alles?“, blaffe ich zurück. „Dann eben anders. Als Petra bemerkte, dass sie den Kühlschrank offen gelassen hatte, war es bereits zu spät. Ist das sexy genug? Klingt das jetzt nach Titten?“
Frettchen greift nach einer neuen Kölschdose.
„Nee, nicht wirklich. Petra! Das klingt irgendwie nach so kleinen, fubbeligen Dingern, leicht hängend, mit spitzen Nippeln und zwei, drei gekräuselten Haaren auf den Warzen. So richtig geil ist das jedenfalls nicht.“
„Was bedeutet fubbelig?“
„Noppsig!“
In diesem Moment beschließe ich, nicht weiter nachzubohren.
„Nenn sie Jordan!“, schlägt Frettchen vor. „So wie diese megadralle Blonde bei Big Brother. Die, die den ganzen Tag quasi nackt im Haus rumläuft, eigentlich nur duscht und immer heult, weil sie alle deswegen für eine billige Schlampe halten.“
„Und ist sie eine?“
Frettchen lacht dreckig und trinkt sein Bier aus.
„Also gut!“, sage ich. „Als Jordan bemer…“
„Schreib lieber: das Busenluder Jordan“, unterbricht mich Frettchen. „Sonst glauben deine Leser noch, dass du den Basketballer meinst. Durch den erklärenden Zusatz Busenluder vermeidest du von vornherein Enttäuschungen bei deiner Zielgruppe.“
Er tätschelt großväterlich meine Hand, während er spricht.
Ein wenig skeptisch beginne ich erneut, während ich insgeheim überlege, ob ich überhaupt eine Zielgruppe habe.
„Als das Busenluder Jordan bemerkte, dass sie den Kühlschrank offen gelassen hatte, war es bereits zu spät.“
Ich schüttele unwirsch den Kopf. Das ist …
„… wesentlich besser!“, fährt Frettchen in meinen Gedanken. „Aber lange noch nicht geil!“
Er stützt das Kinn auf seinen Handrücken und grübelt. Er sieht aus wie der Denker von Rodin. Allerdings in stockbesoffen.
„Weißt du, was das Problem ist?“, sagt er dann. „Der Kühlschrank! Nenn mir eine gefährliche Sache, die in einem Kühlschrank auf dich lauern könnte.“
„Sprossen?“
Es klingt albern.
Also füge ich hinzu: „Vom Biohof!“
Was die Sache nicht besser macht.
Frettchen straft mich mit vernichtendem Schweigen.
„Keine Ahnung“, sage ich dann und mache ein spontanes Brainstorming. „Steinpilze, Lamas, rosa Wurmlöcher oder meinetwegen auch ein riesengroßes Monstrum; auf dem verschiedenartige Obstsorten wachsen.“
„Ein Obstolon?“, fragt Frettchen gähnend. „Was für ein alter Hut. Ich habe den Film gesehen. Christoph Waltz war darin so was von Scheiße. Nee, Alter. Alles Käse. Erzähl mir mal lieber etwas, was ich noch nicht weiß!“
Ich fühle mich zornig. Ohnmächtig. Herausgefordert. In meinem Hirn rattert es.
Aufgebracht brülle ich Frettchen den Satz entgegen, den ich als erstes fassen kann.
„Schweine können einen bis zu dreißigminütigen Orgasmus haben.“
Oh Gott!
Ich lasse meinen Kopf krachend auf die Tischplatte fallen.
„Echt?“ Frettchen klingt interessiert. „Finde ich spannend. Bau das ein!“
„Ich weiß nicht“, entgegne ich, den Kopf immer noch auf das Holz gedrückt. „Nee … also wirklich.“
Bau das ein!“
Ich druckse ein wenig herum, bevor ich flüstere: „Als das Busenluder Jordan bemerkte, dass Schweine einen bis zu dreißigminütigen Orgasmus haben können, war es bereits zu spät.“
Frettchen grunzt zufrieden.
„Ja, Alter!“, sagt er dann. „Ganz großer Sport! Richtig große Literatur! Super sexy! Das klingt nach Titten!“
Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich bin gleichzeitig peinlich berührt und dennoch berauscht von Frettchens überschwänglichem Lob.
„Findest du?“, kokettiere ich.
„Ja“, sagt Frettchen ernst. „Und weißt du was das beste daran ist?“
Fast andächtig schüttele ich meinen Kopf.
„Was denn?“, hauche ich.
„Quand Jordan cette espéce de pétasse remarquait que les cochons ont des orgasmes durant trente minutes à peu près c'était déja trop tard”, sagt er dann feierlich und greift schwungvoll nach Bier Nummer elf. „Scheiße, Alter! Dieser Satz klingt sogar auf Französisch geil!“

 

@ schwups

Tolle Idee, sehr lustig umgesetzt.
Danke für das Lob, freut mich natürlich!

Auch wenn ich normalerweise in dieser Rubrik nicht viel lese
Solltest du öfters tun. Hier sind einige wirkliche Perlen zu finden! Lustiger als vieles, was uns im deutschen TV als komisch verkauft wird.

bei deiner Geschichte bin ich hängen geblieben (ich nehme an, es lag am Titel)
Das sagt viel über dich aus ;).

Der Marcel Reich-Ranicki-Satz ist weg. Ob die Geschichte gut ist, sollen andere als ich beurteilen, aber kurz ist sie mittlerweile :D.

Vielen dank fürs Lesen und Kommentieren!

LG svg

 

Hey, danke für die Unterhaltung :P
So macht Lesen Spaß. Echt gelungen!

Das Brainstorming ist super (v.a. wenn man die Geschichten hier in der richtigen Reihenfolge liest^^)
Ein Obstolon. Wer kennts nicht? *g*

„Dieser Satz klingt sogar noch auf Französisch geil!“
Hehe.

 

Hi AbraCadaver,

danke fürs Amüsieren und Kommentieren. Schön, dass es dir gefallen hat.

LG svg

P.S.: Was ist ein Obstolon? Nie gehört? Müsste ich?

 

Hmm... Nein. Das Ganze ist mir zu unglaubwürdig, es wirkt aufgesetzt. Es stimmt nicht! Bier und Kurzgeschichten. Das passt nicht. Und am Schluss das Französische. Was soll das? Nichts für mich. Tut mir Leid.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hmm... Nein. Das Ganze ist mir zu unglaubwürdig, es wirkt aufgesetzt. Es stimmt nicht! Bier und Kurzgeschichten. Das passt nicht. Und am Schluss das Französische. Was soll das? Nichts für mich. Tut mir Leid.

Lieber Norther,

du musst dich nicht entschuldigen.
Nimm es nicht persönlich, aber dass wir beide NICHT dasselbe Humorverständnis haben beruhigt mich ehrlich gesagt sogar ein wenig. ;)
Wir lachen - und ich hoffe es kommt nicht so arrogant rüber, wie es sich anhört - definitiv über andere Dinge. :p


Danke fürs Lesen.

LG svg

 

Ja, dass dich das beruhigt glaube ich dir. Es ist nicht nur der Humor, auch sonst kann mich der Text nicht überzeugen. Ich kann mir die Personen nicht vorstellen, wie sie miteinander agieren. Der eine mit dem Bier, der andere mit seiner Geschichte... Das will bei mir nicht recht funktionieren. Sprachlich sicher gut.

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Norther,

meiner Erfahrung nach entstehen solche Dialoge gerade dann, wenn einer das Bier und der andere was anderes (damit meine ich keine alkoholischen Getränke :p) hat. In diesem Fall ist es das Thema Kurzgeschichte. Es hätten aber auch Strauchtomaten, Chinchillas oder Intimpiercings sein können.
Tja, schade, dass es bei dir nicht funktioniert. Ich bleibe aber dabei, wir haben einen so derart unterschiedlichen Ansatz Geschichten zu schreiben und einen so abweichenden Humor dabei, dass es mich nicht wundert, dass dir dieser Text hier nicht besonders zusagt.
Um eine ellenlange Diskussion darüber zu vermeiden: Ich sage nicht, dass mein Ansatz besser ist als deiner. Ich sage nur, dass er anders ist. Komplett anders.

LG svg

 

Hallo Katta,

freut mich, dass es dir gefallen hat.
Es gibt sogar eine angefangene Geschichte dazu, warum Frettchen Frettchen heißt, ich habe sie nur nie fertig bekommen...

deswegen... er sieht wahrscheinlich einfach aus wie eins.
Oder er riecht so.
Ich weiß nicht, was schlimmer ist.

LG svg

 

Hi, Svg,

las Deine Geschichte mit großer Begeisterung! Ein schöner, herrlich schräger Dialog übers Schreiben - die Situation kann wohl jeder super nachvollziehen, der in diesem Forum wütet - und "das Problem des ersten Satzes" irgendwie in den Griff bekommen will :)
Liebe Grüße,

matzkop

 

Hi Matzkop,

vielen Dank für die netten Worte. Freut mich, dass du dich amüsiert hast und das Dilemma sogar nachvollziehe kannst. ;)

lg svg

 

Lieber svg,
habe wie -Fliege- nichts an der neuen Vision auszusetzen. Ich finde die Geschichte großartig und die idee dahinter isz brillant!
Viel Spaß noch beim weiteren Schreiben und im Theater,
Petty

Vielen Dank für die lieben Worte. Habe mich darüber gefreut.

LG svg

 

Hi svg,

ich mag Titten. Ich mag auch Titten in Geschichten. Daher ist der erste Satz der Geschichte zwar schon echt gut, aber Frettchen hat es einfach mal verstanden. Denn eine richtig gute Geschichte muss mit einem Erdbeben beginnen und sich dann langsam steigern!

Viele Gags funktionieren. An einigen Stellen würde ich den Dialog einfach Dialog sein lassen. Weniger Gedankeneinschübe machen da ordentlich Ballett beim Humor.

Ich mag die Geschichte!

LG
flash

 

Hallo flashback, freut mich, dass dir das Titten-Ding gefällt. Das Lob gebe ich gern an Frettchen weiter... ;)

was das manchmal-ist-weniger-mehr-Ding im Bezug auf die Dialogeinschübe anbelangt: ich werde mir die Geschichte in Bälde darauf noch einmal angucken, und dann mal gucken, was ich da noch rausstreiche.

schön, dass es dir gefallen hat.

LG svg

P.S.: Wenn du Titten magst, habe ich hier einen Weihnachtsgeschenke-Tipp:

Busen-Memo!!!

http://www.amazon.de/Das-Busenmemo-...RB3Y/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1323519291&sr=8-1

Klingt blöd, ist aber echt lustig und vor allem sauschwer, weil man nicht nur einfach die gleiche, abfotografierte Brust finden musst, sondern die andere Brust, die dazu gehört (also das ganze Pärchen). Und glaub nicht, dass Brüste gleich aussehen, nur weil sie zufälliger Weise nebeneinander an derselben Frau "wohnen". Will damit sagen... ich habe nie ein schwierigeres Memo gespielt... Macht übrigens Männern und Frauen Spaß (Erfahrungswert :D)!

Und, logo, Frettchen liebt es! :D

 

Hallo @svg ,

ich kannte deine Geschichte noch gar nicht, also war ich gestern beim Vorlesen ganz Ohr. Hab nicht alle Pointen mitgekriegt, das liegt wohl an meinen Hörgeräten :confused:.

Also klar, dass ich heute nachlesen musste. Ich will dir sagen, dass ich mich köstlich amüsiert habe. Auch gerade, weil über das Handwerkszeug des Autors so penibel gestritten wird. So wird aus dem genialen ersten Satz ein wahres Monster, das in seiner französischen Einkleidung den Leser (die Leserin?) vom Hocker reißt.
Chapeau! Fehlt nur noch das passende Getränk. Hast du einen Vorschlag?

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Liebe @wieselmaus, danke für die netten Worte. Freut mich sehr, dass du dich gut amüsiert hast. Einiges ist heute fast nicht mehr verständlich. Ich mein, wer erinnert sich heute noch an die tödlichen Sprossen (EHEC)? Ich hatte die Geschichte schon fast verdrängt, aber gestern bei der Lesung von Frettchen zu hören, war wie einen alten Freund nach vielen Jahren unerwartet wiederzutreffen. :)

Gin. Mittlerweile würden die beiden Gin trinken ;).

LG svg

 

@Ronnie, danke für die netten Worte, habe mich sehr drüber gefreut. Unterhaltsam soll das Ding hier sein - nicht mehr, aber auch nicht weniger :).
Allerdings, ich fürchte bei diesem Ansatz mit dem ersten Satz bin ich nicht der Erste, das wäre zuviel des Lobs. Allerdings solch einen brillanten ersten Satz (meine die Endfassung)= gab es noch nie ;).

Habe mich eine Zeit gefragt, warum es für Peter zu spät war, nachdem er (so unsexy) den Kühlschrank offen stehen ließ (??)
Aber - darum geht es ja gar nicht.
Ganz ehrlich: Ich weiß noch, dass ich mich genau dasselbe damals vor elfe Jahren beiom Lesen auch gefragt habe :lol:.

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