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Eine Frage der Perspektive

Seniors
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24.04.2003
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Eine Frage der Perspektive

"Doch eines sollst du noch wissen."
Derek sah in die kalten, leeren Augen des alten Mannes.
"Was wäre das?"
Die vertrockneten Hände des Greises hingen schlaff herab.
"Mit meinem Tod wird alles schlimmer werden. Diese Welt ist dem Untergang geweiht."
Derek entdeckte den glänzenden Siegelring am Finger der linken Hand.
"Ihr irrt! Denn ich selbst werde das Schicksal Eurer finsteren Seite zu verhindern wissen."
Sämtliches Leben war aus dem Körper des Alten gewichen, und so nahm Derek den Ring mit freudiger Erregheit an sich.
"So soll die Macht in mir weiterleben! Es ist bedauerlich, dass der letzte Atemhauch euch so frei von Qualen entwichen ist, denn Euer Tod hätte grauenvoller sein müssen!"
Er zog sich seinen neuen Besitz an, und spuckte voller Abscheu auf den Leichnahm.
"Vorbei die Zeit des Terrors und der Unterdrückung. Von jetzt an werde ich dieses Reich in Gutmütigkeit regieren!"
Es war gefährlich, länger hier zu bleiben, und er hatte bereits mehr gefunden, als er sich erhofft hatte; denn bei diesem Ring handelte es sich um keine weitere Fälschung.
"Wenn ich nun hinfortschreite, dann tue ich dies von Stolz erfüllt. Nun, wo auch der letzte Magier gestorben ist, werde ich der alleinige König sein."
Auch, wenn er den Ring von einem Toten gestohlen hatte, fühlte er sich nicht als Dieb, denn Leute wie er verdienten es nicht anders.
"Hallo? Wer ist da? Ich habe ein Geräusch gehört, daher ist es sinnlos, sich zu verstecken. Wer lauert da?"
Ein Schatten huschte an Dereks Sichtfeld vorbei, und sein Herz hämmerte.
"Ich habe auf euch gewartet, junger Ritter!"
Eine gewaltige Gestalt baute sich plötzlich vor ihm auf, die ein ebensolches Messer auf ihn gerichtet hielt.
"Bist du eine seiner Wachen? Willst du jämmerlicher Wurm mich etwa aufhalten?"
Obwohl er äußerlich völlig ruhig blieb, machte ihn die innerliche Anspannung fast verrückt. Dann geschah alles ganz schnell.
"Ihr solltet die Eigenschaft dieses Dolches nicht unterschätzen, denn er tötet jeden, der außer meinem Herrn den Siegelring an seinem Finger trägt, und nun nehmt dies."
Derek wollte in einer flinken Bewegung der heranrasenden Waffe ausweichen, doch da grub sich die scharfe Spitze bereits in seinen Bauch.
"Ihr habt mich tatsächlich getroffen. Soll es so zuende gehen? Das ist nicht fair!"
Er hielt sich die stark blutende Wunde, noch immer überrascht von der unvorhergesehen Wendung.
"Und nun, du dummer Ritter, hätte ich gerne den Ring zurück, den du meinem Herrn gestohlen hast."
Der Hühne zog ihm brutal den Ring von seinem Finger, während Derek kraftlos zu Boden ging.
"Ich bedanke mich auf das Herzlichste."
Lautlos verschwand der zweite Dieb des goldenen Rings in der Tiefe der Nacht.
"Welch eine Schmach!"
Derek tat seinen letzten Atemzug, und sah ungläubig in die Richtung, aus der die Gestalt gekommen war.

 

Eine kurze Anmerkung:

Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint, aber bei dieser Geschichte handelt es sich tatsächlich um ein Experiment; wobei die Handlung nebensächlich ist. Der Leser benötigt also keinerlei Hintergrundwissen, um das Experiment zu erkennen.

Ich bin gespannt, ob es jemandem gelingt, das Versteckte zu finden.

 

Habe nur folgendes gefunden:

Erregheit -> Erregtheit
Leichnahm -> Leichnam

Immerhin etwas. :D

 

lol

Na gut, da wohl niemand an etwas Rätselraten interessiert ist, löse ich einfach mal auf:

Man kann den Text auch komplett ohne die Dialoge lesen und umgekehrt nur die Dialoge, und er ergibt trotzdem einen Sinn. Tataaa!!! *g*

 

Hi Cerberus,

da ich mir selbst noch nicht ganz im klaren bin, was genau in diese Rubrik soll, werde ich mich eines Kommentares zur Rubrik enthalten.
Meintest Du, man kann es nur mit den kursiven oder generell der wörtlichen Rede verstehen? Wenn es nur das Kursive ist, dann ist es an mir vorbeigegangen, wenn es nicht das Kursive ist, dann weiß ich nicht, warum es kursiv ist.
Ein richtig guter Dialog funktioniert auch ohne Narrativ, aber das ist ja kein Experiment, man findet es in nahezu jedem Theaterstück.

Zum Inhalt:
Ich erkenne einen hoffnungsvollen Ritter, der mit Recht oder Unrecht? einem bösen? Zauberer seinen wertvollen (mächtigen?) Ring abnimmt. Dann kommt ein Wächter und bringt ihn mit einem Zaubermesser um.

Du hast versucht, vom Stil eine gehoberene Sprache zu wählen, was teilweise gelingt, teilweise aber eher deplaziert wirkt. Das liegt evtl. an einigen Formulierungen, die ich so nicht geschrieben hätte:

Erregtheit -> Erregung
Gutmütigkeit -> Güte
Atemhauch -> Atemzug

Wenn ich nun hinfortschreite, dann tue ich dies von Stolz erfüllt.
Wenn ich nun hinfortschreite, dann tue ich dies...
a) ...mit Stolz.
b) ...voller Stolz
c) ...stolzerfüllt (hier bin ich mir nicht ganz sicher)

Ihr solltet die Eigenschaft dieses Dolches nicht unterschätzen...
Nirgendwo ein Hinweis, daß der Ritter den Dolch unterschätzt. Evtl. "Ihr solltet diesen Dolch fürchten, denn..."

Hallo? Wer ist da? Ich habe ein Geräusch gehört, daher ist es sinnlos, sich zu verstecken
Nicht realistisch, auch wenn der Ritter noch so voller Ehre, Selbstvertrauen und Pathos strotzt, wird er nicht so daherreden. Wirkt eher komisch.

Eine gewaltige Gestalt baute sich plötzlich vor ihm auf, die ein ebensolches Messer...
Hat die gewaltige Gestalt ein gewaltiges Messer? Mmh, die Gefährlichkeit des Messers hängt eher von seiner Schärfe und vom Besitzer ab.

Derek tat seinen letzten Atemzug, und sah ungläubig in die Richtung, aus der die Gestalt gekommen war.
Mußte ich schmunzeln, denn wenn er "seinen letzten Atemzug" macht, ist das oft eine Wendung für den Tod und wenn er dann noch irgendwo hinsieht, dann wirkt das etwas komisch. Interessant ist auch, daß er dorthin blickt, woher der Dieb gekommen war und nicht dahin, wohin er verschwunden ist ;)

Anmerkungen zum Inhalt:
Du hast am Anfang mit dem Ring und der Prophezeihung etwas aufgebaut, was später nicht mehr auftritt. Somit ist alles offen.
Man könnte es so machen, daß der Zauberer dem Ritter angesichts seines Todes droht oder den eigenen Tod prophezeit, der dann auch eintritt.
Auch die Besonderheit des Ringes (Macht) und warum Fälschungen existierten, werden nicht aufgelöst.
Erst hatte ich irgendwie ne Ahnung, daß der Ring jeden, der ihn trägt unbesiegbar macht und gerade die Sicherheit bzw. die Unwissenheit einer Sonderregel (z.B. außer er wird seinem Vorbesitzer "unehrenhaft", "unrechtmäßig" entwendet) und genau das eintritt, weil der Zauberer vielleicht noch nicht tod war oder der Ritter nicht der rechtmäßige Erbe ist. Dann wäre das eine Wendung die überraschend kommt.
Auch der Grund, warum er dem Zauberer einen grausamen Tod wünscht, bleibt weitestgehend offen, denn Terror und Unterdrückung ist ne subjektive Einschätzung vom Ritter.

Oder aber Du läßt es als den Anfang einer längeren Geschichte um einen Ring, dessen Weg viele Tote säumen (so ne Art "Herr der Ringe").

Aus meiner Sicht würde ich es aber bei einer kleinen Geschichte mit überraschender Wendung belassen. Wenn Du diesen alten Stil behalten willst, mußt Du ihn durchhalten und auch bei den anderen Formulierungen aufpassen, daß sie dem gehobenen Stil entsprechen.
Dafür brauchst Du aber ne Einleitung und ein gutes Ende. Einfach so mittendrin anfangen, ist zwar leicht, wird aber vom Publikum mit einem Stirnrunzeln quittiert.

Bin gespannt, ob Du es nochmal versuchst und den Text dann evtl. in Fantasy landet.

Grüße

mac

 

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