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24.03.2004
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„Verdammt noch mal!“ - Antons Schädel prallte mit voller Wucht auf die hölzerne Tischplatte – „Immer wieder das gleich Theater! Alles musst du in letzter Minute erledigen! Zwei Wochen Zeit und ich Vollidiot habe ein Tag vor Abgabetermin immer noch nichts auf das Papier gebracht!“
Antons Schädel prallte erneut mit zunehmender Heftigkeit auf den Eßtisch. Er brauchte das. Es half ihm beim Nachdenken.
„Schreiben Sie über ein Bild zu sich selbst“, lautete die Aufgabenstellung.
Antons 50 m2 Wohnung war spärlich bebildert. Einzig ein Bildband zierte sein wackliges Bücherregal. Der Titel: „Afrika – Tieraufnahmen“. Er suchte verzweifelt nach Motiven – Seite 99: „Darstellung eines getöteten Zebras“. Der Fotograf richtet sein Objektiv auf den Tierkadaver mit weit aufgerissenem Maul, grün schimmernden, zu Tode erstarrten Augen. Triaden von Fliegen, die Außenhaut gierig aufsaugend. Das Gehirn durchbohrt von deren gefräßigen Ablegern. Umgeben von säuerlich stinkendem Verwesungsgeruch – den Atem erstickend. Der Bauch aufgeschlitzt – die Eingeweide zerfleddert; Teile davon gefressen von Aasgeiern und Hyänen in nächtlichen Fressorgien. Die letzten Reste von Fleisch - bräunlich, liegen verfaulend in der glühenden Sonne. Leber und Nieren fehlen. Die Rippen blank, teilweise getrennt vom umschließenden Muskelgewebe – der Rest in Fetzen hängend, die Flanken aufgerissen.
Das Blut vom Körper getrennt – teilweise versickert im aufgesprengten, verdorrten Boden, der sichtbare Rest - schwarz verkrustet. Die Lungen explodiert, in deren Resten eine zähflüssige Masse - Wasser mit schleimigem Blut vermengt. An den Oberschenkeln tiefe Einschnitte von Krallen. Das Tier erstickte leidend, qualvoll, langsam – ganz langsam. Das Herz von einer Löwin herausgerissen und gefressen. Das Zebra, vor neun Tagen, von Ihr erlegt.
Antons Herz schwieg. Sie hatte Ihn getötet – SIE.

 

Hi BN73,
was will uns der Künstler hiermit sagen? Ist dies nicht die gängige Frage zu einem Bild und in diesem Fall auch zu deiner Geschichte. Sprachlich gibt es eigentlich nichts auszusetzen, aber wo bitte ist der Inhalt. Vielleicht habe ich ja einfach was überlesen, oder steige nicht hinter den Sinn des Ganzen. Für mich ist es nur eine blutige Beschreibung eines Zustandes.

Grüße...
morti

 

Hi Bn 73,

„Schreiben Sie über ein Bild zu sich selbst“
Zuerst gilt es, diese Aufgabe zu klären.
Soll der Protagonist ein Bild zu (also über) sich selbst (be)schreiben - oder soll er anhand eines Bildes sich selbst beschreiben...

Je nach dieser Klärung hast Du entweder den Faden Deiner Geschichte verloren oder es nur ungenügend gelöst.

Das Bild des toten Zebras ist bis ins kleinste Detail erklärt und das fehlende Herz - und damit vielleicht auch das ganze Zebra - soll wohl auf ihn verweisen.
Getötet von einer Löwin - einem wilden, erregenden aber gefährlichem Typ von Frau.
Erlegt und zurückgelassen.
Den Aasfressern zum Frass vorgeworfen...

Zurück zum Faden:
a) Ein Bild über sich selbst...
...würde bedeuten, dass er von Anfang an ein Bild über sich selbst verfassen muss. Das Kopfaufschlagen weisst daraufhin, dass es so ist. Nie Gedanken gemacht und jetzt unter Zeitdruck stehend, greift er zum einzigen Bildband, den er sein eigen nennt und greift überraschend ein Bild auf, dass seine Situation beschreibt und auf einmal (ihm) klarmacht.
Aber all das bleibt (meinen) Interpretationen überlassen. Kaum etwas davon geschieht oder wird klar in Deiner Geschichte.


b)Anhand eines Bildes...
...warum hat er nicht erst den Bildband geholt und sich das Kopfaufschlagen gespart und warum wird nirgendwo so etwas gesagt wie: Das ist es!
Das hat (die ominöse, unbekannte) Sie mir auch angetan...

So oder so wird der Leser im Unklaren gelassen, und das Experiment besteht für ihn, herauszufinden, um was es geht:

Die Geschichte mit dem Thema, ein schönes aber doch schockierendes Bild oder der Vergleich und die simple - und etwas zu kurz geratene - Überleitung zu ihm und seinem Herzen, ihrer Schuld.

Lag das Experiment in den Andeutungen, die dem Leser sich selbst überlassen? Ich weiss es nicht, als sag Du es mir...

Bitte :dozey:

Henry Bienek

 

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