Ein Bild
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„Verdammt noch mal!“ - Antons Schädel prallte mit voller Wucht auf die hölzerne Tischplatte – „Immer wieder das gleich Theater! Alles musst du in letzter Minute erledigen! Zwei Wochen Zeit und ich Vollidiot habe ein Tag vor Abgabetermin immer noch nichts auf das Papier gebracht!“
Antons Schädel prallte erneut mit zunehmender Heftigkeit auf den Eßtisch. Er brauchte das. Es half ihm beim Nachdenken.
„Schreiben Sie über ein Bild zu sich selbst“, lautete die Aufgabenstellung.
Antons 50 m2 Wohnung war spärlich bebildert. Einzig ein Bildband zierte sein wackliges Bücherregal. Der Titel: „Afrika – Tieraufnahmen“. Er suchte verzweifelt nach Motiven – Seite 99: „Darstellung eines getöteten Zebras“. Der Fotograf richtet sein Objektiv auf den Tierkadaver mit weit aufgerissenem Maul, grün schimmernden, zu Tode erstarrten Augen. Triaden von Fliegen, die Außenhaut gierig aufsaugend. Das Gehirn durchbohrt von deren gefräßigen Ablegern. Umgeben von säuerlich stinkendem Verwesungsgeruch – den Atem erstickend. Der Bauch aufgeschlitzt – die Eingeweide zerfleddert; Teile davon gefressen von Aasgeiern und Hyänen in nächtlichen Fressorgien. Die letzten Reste von Fleisch - bräunlich, liegen verfaulend in der glühenden Sonne. Leber und Nieren fehlen. Die Rippen blank, teilweise getrennt vom umschließenden Muskelgewebe – der Rest in Fetzen hängend, die Flanken aufgerissen.
Das Blut vom Körper getrennt – teilweise versickert im aufgesprengten, verdorrten Boden, der sichtbare Rest - schwarz verkrustet. Die Lungen explodiert, in deren Resten eine zähflüssige Masse - Wasser mit schleimigem Blut vermengt. An den Oberschenkeln tiefe Einschnitte von Krallen. Das Tier erstickte leidend, qualvoll, langsam – ganz langsam. Das Herz von einer Löwin herausgerissen und gefressen. Das Zebra, vor neun Tagen, von Ihr erlegt.
Antons Herz schwieg. Sie hatte Ihn getötet – SIE.