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Die Zauberinsel Sylt

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06.02.2021
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Die Zauberinsel Sylt

Ich strecke mich. „Endlich hat man mal wieder so richtig Platz“, ziehe meine Maske vom Gesicht und trinke einen Schluck starken Kaffee. „Ja, endlich kann man gemütlich reisen“, sage ich zu mir , stelle die porzellan Tasse auf den Unterteller und vertiefe mich in den Zauberberg von Thomas Mann. Auch dort geht es um Krankheit, wie im Augenblick überall. Kann Krankheit ein Weg sein? Ein Ausweg? Ein persönlicher, sowie einer für die Gesellschaft?
Ich räuspere mich. Der Atem geht jetzt frei.
Plötzlich drängt sich mir ein Satz auf. „Der Genuss von Schönheit und die Präsenz einer gut funktionierenden Gesellschaft ist die Basis von Kultur und wenn es, um auf diese Werte zurück zukommen, eine Pandemie braucht, warum nicht?“
Absichtlich zur Feier meiner kleinen Reise ins Eigenheim an die Nordsee, habe ich mich in die erste Klasse hochgebucht, das ist ein neuer Schritt, eine Akzeptanz meiner besser gestellten Situation, so etwas hätte ich mir vor einem Jahr noch nicht gegönnt. Doch ich muss sagen, die Trennung von den Normalos tut mir richtig gut, ja, das ist ein neues Lebensgefühl.
Ich frage mich auch schon, was mit mir passiert ist?
Ich wurde weder befördert, noch habe ich eine Gehaltserhöhung bekommen?
Nein, nichts der gleichen. Trotzdem geht es aufwärts. Die Entwicklung fühlt sich richtig an. Zurück versetzt in die Zeit meiner Lieblingsbücher, bei denen die Bürger noch streng in Aufgabengebiete geteilt lebten, jeder seinen Platz in der Gesellschaft hatte und wusste in welche Kaste er gehörte, lässt mich hoffen. Dieses Gefühl lässt mein Herz höher schlagen. Oder ist das alles nur eine Illusion, sind wir nicht auf den Weg dort hin?
Eins ist gewiss, mir erscheint eine solche Struktur, als erstrebenswert, da sie Sicherheit vermittelt. Wäre sie nicht sogar gerecht?
Heute genieße ich einmal die scheinbare Rückkehr zu dieser Lebensart, die mir erlaubt meine Klassenzugehörigkeit zu fühlen.
Ich weiß mein Glück zu schätzen. Es beschert mir in der vornehmen Stille dahin zu gleiten, nicht wie früher von den vulgären Worten der Prolos umspült zu reisen, denn sie fehlen hier nun ausnahmslos. Schon die Öffnung des Busverkehrs zwischen den Städten hat da viel ins Reine gebracht und zu meinem Vergnügen die Ärmsten aus den Zügen verbannt. Und die Pandemiegesetze tun jetzt den Rest. Endlich reisen wir wieder unter uns. Wir, die durch unsere Investitionen die Infrastruktur und Gebäude errichten haben, können nun diese getrennt und komfortable nützen und bekommen unsere Risiken und Leistungen, die wir durch das Geschäft mit Aktien, zur Entstehung von Arbeitsplätze und Wohlstand beigetragen haben, durch das genießen einer parallelen, gehobeneren Welt ausgezahlt. Denn wer sonst als wir, hat zu der Erschaffung dieses Staates, der jedem Bürgen dient, jetzt so facettenreich und fortschrittlich beschaffen ist, beigetragen?
Natürlich hat mir der Ausnahmezustand, da ich nur ein kleiner Fisch bin, den Aufwand, die Genehmigung meiner Reise schriftlich zu beantragen, beschert. Da ich belohnt werde, nehme ich jedoch auch diese Schikane gerne in Kauf.
Beim Lesen des Zauberbergs bauen sich vor den Augen die langen Gänge des Sanatoriums auf, in dem Hans, außerhalb der Zeit und dem Zeitgeschehen in den Höhen der Berge, promeniert. Ja, wie ist dieser Roman doch ästhetisch, ein Wunderwerk der Schreibkunst. Plötzlich bin ich mitten drin, sehe die Teppiche, höre die gedämpften Schritte, erkenne die vielen Türen. Ein Mann vom Personal kommt mir mit einem Früchteplateau und einer Maske entgegen, schiebt sich an mir vorüber und grüßt freundlich. Doch als ich durch eine Tür hinaustrete erfasst der Blick statt den Bergen die Wellen des Meeres. Sie toben und brechen sich am Schiffsrumpf. Über mir leuchtet der Himmel in morgendlichen Farben, spiegelt sich in der See. In der Ferne nehme ich einen kleinen Streifen Land wahr, der langsam in mein Blickfeld tritt und im Nebelschleier vorbei schwimmt. Der Wind weht mir um die Nase.
Ja, so stand ich auf Deck und schaute über die Adria in die Ferne. Vielleicht sah ich nach Istrien hinüber, als ich nach einer Decke griff, zu einem Liegestuhl ging und mich dort einwickelte, um zu verweilen. Ich sehe mich noch jetzt dort verharren.
Plötzlich erlebe ich diesen Moment, mit voller Wucht. Ich kann mich so genau erinnern dass ich mich hier im Zug wie auf dem Schiff fühle. Ich höre jetzt auch schon das Rauschen des Meeres, spüre die Sonne auf der Haut und lasse sie für mich hoch hinauf in den blauen, wolkenlosen Himmel steigen. Der Atem geht jetzt tief. Meine Lungen füllen sich bis zum Anschlag.
Da piepst mein Mobiltelefon. Es reißt mich aus den Träumen, die Erinnerung an meine Kreuzfahrt im Mittelmeer verliert an Kraft und verschwindet.
Ich lege das Buch auf den Tisch, lasse kurz meinen Blick durch den Waggon schweifen, schaue dann aufs Telefon vor mir, erkenne ein paar Eilmeldungen, die sich dort auf dem Bildschirm zeigen. Der Bundestag hat die freiwilligen Rekruten eingeführt. Eine Ministerin verteidigt die Entscheidung. Der hohe Lohn von 1400 Euro wird kritisiert, da beim Freiwilligen Sozialen Jahr nur ein Bruchteil davon bezahlt wird und dass obwohl man noch vor kurzem behauptete, die Pflegeberufe aufwerten zu wollen. Ich muss grinsen. „Das ist Politik“, und blättere mit einem wischenden Finger weiter.
Da kommen Demonstranten zum Vorschein. „Ach die Querdenker schon wieder. Vertraute Bekannte“, murmle ich, „sie haben mal wieder demonstriert. Auch das noch! Die Rechten stehen auf. Und die Polizei hat nicht eingegriffen. Ach, sollen sie nur! Das ändert nichts!“
Ich höre eine Stimme hinter mir. „Ja, haben sie mit mir gesprochen?“, frage ich und richte mich in meinem Sitz auf.
Eine junge Frau tritt vor mich, zieht ihre Uniform zurecht. „Möchten sie etwas zum Essen oder noch etwas zu Trinken“
Ich bitte freundlich um ein Sandwich und schaue, als sie weitere Bestellungen aufnimmt, hinter ihr her. „Das ist ein lobenswerter Service hier und hübsch sieht sie auch noch aus“, sage ich mir und nehme einen Schluck vom jetzt schon lauwarmen Kaffee.
Als sie kurze Zeit später zu mir herantritt, schrecke ich aus meinen Buch auf. Ich rieche das zarte Parfüm. „Hier, bitte sehr!“, sagt sie und schon kommt ein Batzen Soße geflogen, landet vor mir auf dem Tisch. Sie legt das Sandwich dazu.
„Entschuldigen sie mich, wie ungeschickt von mir“, höre ich ihre Stimme und spüre, wie in mir der Ärger über ihre Ungeschicklichkeit aufsteigt.
„Was fällt ihnen ein, können sie denn nicht aufpassen“, vernehme ich meine Stimme. „Sie sind ja unfähig für diesen Job! Wer hat sie denn eingestellt?“
Mit einer eleganten Bewegung wischt sie die Soße vom Tisch. Ich schaue ihr zu, bekomme mich jedoch nicht in den Griff.
„Bitte, es tut mir wirklich leid. Aber schreien sie mich nicht an!“, bringt sie noch heraus.
Da ballen sich meine Hände zu Fäusten und der Ärger überrollte mich vollends.
Ich spüre wie ich mich aufrichte. In voller Größe und ohne Mundschutz brülle ich: „Wen ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mir nicht erlauben einen Gast darauf hinzuweisen, wen er anzuschreien hat und wen nicht! Denn das entscheide ich noch selbst. Was fällt ihnen ein mich maßzuregeln, sie Wurm! Ja, wer sind sie eigentlich, dass sie sich das erlauben können. Was fällt ihnen ein, das ist ja völlig unerhört“
„Bitte!“, ich sehe Verzweiflung in ihrem Gesicht. Ja, sogar Angst. Freude steigt in mir auf. Sie scheint sich plötzlich nach Hilfe umzusehen.
„Nein, da finden sie keine. Hier ist niemand! Aber ich möchte jetzt sofort ihren Chef sprechen? Jetzt aber mal schnell“

Da reicht es mir. Ich lass mich schimpfend in der 1.Klasse zurück, komme aus einem anderen Waggon, von den verstopften Toiletten abgewiesen und vom Blasendruck weiter getrieben durch die komfortablen Sitzreihen. Das erste was mir dort auffällt ist eine leere Porzellantasse auf einen verlassene Platz. "Also ist das wirklich so", murmle ich vor mich hin "hier bekommt man Porzellan", während ich an der Bar nur einen Pappbecher bekomme. Als ich bei meiner Bestellung nachfragte weshalb ich keine der auf der Maschine stehenden Tassen benutzen durfte, bekam ich die Antwort, dass diese nur in der ersten Klasse serviert werden. Das ist eine Hygieneregel die seit der Pandemie bestehe, wurde mir erklärend beteuert. Da ich mich damit nicht zufrienden gab und weiter fragte, gab mir der freundliche Angestellte zwar keine befriedigende Auskunft, hätte mir auch mit einem "darum" kommen können, doch er erklärte, dass er diese Anweisung auch nicht verstehe, sich aber an sie zu halten gedenke.
Nun von der Anwesenheit der Tasse kurz aufgehalten, wende ich mich wieder dem Gang zu. Kaum bin ich ein paar Schritte weiter gegangen, da vernehme ich eine aggressive Stimme und sehe schon den schimpfenden Fahrgast der mit roten Kopf wild fuchtelnd vor einer Bahnangestellten steht.
„Was für ein aufgeblasener Hanswurst.“, ruft es in mir, während ich weiter auf die beiden zu steuere, denn um mein Ziel zu erreichen, muss ich an ihnen vorbei und es wird dringend. Kaum stehe ich hinter der Bedienung, wende ich mich an den aufgebrachten Mann.
„Entschuldigung, muss das sein! Sie schreien ja wie ein Tier!“
Seine Augen funkeln mich kurz an, dann zuckt er zusammen, dreht sich weg. Ich merke wie er von mir getroffen zu schrumpfen beginnt und in seinen großen Sitz zurück sinkt, mit einer weiteren Bewegung hinter seinem Mundschutz verschwindet.
Ein murmeln bringt er noch hervor, es muss wohl eine Entschuldigung sein, die niemand versteht kann.
Ich empfange ein lächeln von der Bahnangestellten, die kurzer Hand das Wort ergreift und freundlich zu ihm sagt:
„Dann lassen sie sich ihr Sandwich schmecken. Nach der Aufregung tut das sicher gut“
dabei dreht sie sich um und läuft vor mir den Gang entlang.
Kurze Zeit später stoße ich die Tür zu den Toiletten auf, kann mich erleichtern. Es braucht nicht lange und ich mache mich auf den Rückweg zu meinem Platz in der 2. Klasse, komme dabei noch einmal an dem Herren vorbei.
Da sehe ich mit erstaunen dass er sich schon von seinem Zusammenbruch erholt hat. Erneut sitzt er aufgeblasen im komfortablen Sessel, beißt selbst verliebt und gierig in das Sandwich.
Kaum bin ich an ihm vorbei höre ich auch schon seine Stimme die erneut nach der Angestellten ruft. Ich vernehme die Schritte hinter mir.
Was ist das für ein Kerl? Ja, das würde ich gerne wissen?
Ich bleibe jedoch nicht stehen, gehe weiter, steuere auf die Tür des Großraumwagens zu, um aus der kühlen 1.Klasse zu entkommen und in meinen Waggon zurück zukehren.
Was denkt dieser Mensch, das würde ich so gerne wissen und verstehen? Müsste es mir nicht als Artgenosse möglich sein, mich in ihn einzufühlen, oder ist er und seine Welt mir schon so fern, dass trotz selber Spezies, der Versuch scheitern muss.

 

Hola @G. Husch,
was für ein grandioser Titel! Jeder zweite nickt enthusiastisch, die andere Hälfte kratzt sich ärgerlich hinterm Ohr. Sylt ist was für reiche Schöne und schöne Reiche! Aha.
Ich jedenfalls will vom zauberhaften Sylt lesen. Viel lieber noch als Satire. Mal gucken.

… kann man gemütlich Reisen“, …
… vertiefe mich in den Zauberberg von Thomas Mann.
Vorschlag: ... vertiefe mich in den ‚Zauberberg‘. Es gibt nur einen.

Kann Krankheit ein Weg sein? Ein Ausweg? Ein persönlicher, sowie einer für die Gesellschaft?
Merkwürdige Gedanken treiben den Prota um, vermutlich hat er esoterische Ansichten.
Das kann interessant werden.
Ich sehe aber, der Text ist kurz.

Plötzlich drängt sich mir ein Satz auf. „Der Genuss von Schönheit und Intelligenz …
Der Genuss von Intelligenz? Der Mann soll diesen Quatsch geschrieben haben? Kann ich mir nicht vorstellen.

Absichtlich zur Feier meiner kleinen Reise ins Eigenheim an die Ostsee, …
Ich dachte, es geht um Sylt?

… bei denen die Klassen noch streng in Aufgaben aufgeteilt lebten, jeder seinen Platz in der Gesellschaft hatte und wusste in welche Kaste er gehörte.
Wie bitte? Der Prota erscheint mir ziemlich wunderlich. Ein Snob? Auf der Fahrt nach Sylt an die Ostsee?
Und dann lese ich – jetzt etwas flotter, weil mir der Text spanisch vorkommt :sconf: – noch von den Erste-Klasse-Orgasmen des Protas, mit sicherem Abstand zu den Prolos, im Glück des Abgehobenseins. Sympathischer Zeitgenosse.

hinaus trete
zusammen

… erfasst der Blick[,] statt den Bergen[,] die Wellen des Meeres.
… statt der Berge die Wellen …

Sie toben und brechen sich am Schiffsrumpf.
Ich dachte, wir seien noch im Zug? Hab ich was übersehen?

… genau erinnern K das ich mich hier im Zug wie auf dem Schiff fühle …

Ach so. Statt zur Adria zu schwenken, sollte der Text beim Sujet bleiben.
(Dieser eine Schwenk wäre hinnehmbar, doch die wirren Gedanken des Protas haben bis zu dieser Stelle den Leser schon genügend genervt.)

Die Wellen treiben stetig und unruhig am Schiff entlang und am Deck vorüber.
Demnach ist der Kahn abgesoffen? Gott sei Dank sind wir im Zug:Pfeif:.

Liebe® G. Husch, spätestens hier höre ich auf, diesem Text etwas abgewinnen zu wollen.
Ich schaffe es einfach nicht. Der Batzen Soße ist mir dann doch zu blöd.

José

 

Hi @josefelipe

Danke für diese viele hilfreichen Kommentare. Es sollte ein Versuch werden, literarisch und kurz, das Thema Ungleichheiten in der Aktuellen Gesellschaft anzusprechen. Ich habe mich sehr gefreut dass Du dich von dem Titel betören ließt, auch dass Du den Einstieg interessant fandest und dich erst einmal angesprochen fühltest.

Ich dachte, es geht um Sylt?
Danke auch auf den Hinweis auf den geographischen Fehler der vieles verdirbt. So was darf nicht passieren, nicht hier, nicht in einen solchen Geschichte. Ich verkaufe mich ja als blöd. Natürlich war die Nordsee gemeint, doch es ist ein verheerender Fehler der dem Leser schon da die Lust nimmt.
Wie bitte? Der Prota erscheint mir ziemlich wunderlich. Ein Snob?
Das sollte er auch sein... und das mag ein Problem sein. Ich will eine gebildete Person mit einer völlig egozentrischen Weltanschauung (und einen kleinbürgerlichen Lebensstil) erzeugen... eine Person die weit von meiner entfernt ist, auch wenn ich nicht sagen will, dass ich eine interessante Weltanschauung habe. Auch will ich am Wagnis scheitern über Aktuelle Themen zu schreiben.
Das neue Kastenwesen mit Uber-Lieferanten und Kleinstunternehmen, sowie Eigenheimreisende und Menschen die sich in Kleinstwohnungen einsperren sollen, geht mir als Mensch an die Nerven. Ich habe Angst vor einer neuen Klassengesellschaft und die wollte ich durch einen mir fernen Prota literarisch erarbeiten. Ich scheine deiner Meinung nach gescheitert. Doch fühle ich von Dir bei vielen Punkten gelobt, auch wenn ich leider nicht das erreichte, was ich erreichen wollte. Der Text sollte zum denken anregen. Und mir kommt es vor dass er für Dich dafür zu dumm herüber kam.
Demnach ist der Kahn abgesoffen? Gott sei Dank sind wir im Zug:Pfeif:.
Du hast mit dem Satz auf einen wirklich unnötigen Satz von mir hingewiesen, der wohl das Schiff zum sinken bringt. Ich habe ihn entfernt. Ich weiß das es nicht der einzige für Dich war.

Ich grüße morgendlich und freue mich deine Aufmerksamkeit genossen zu haben (ja mit dem Titel gewonnen zu haben)
Ja, hoffentlich auf bald

G.

 

Hallo @G. Husch,

du beschreibst einen Unsympath, so mein Empfinden, der seinen Gedanken nachhängt, der sich für etwas Besseres hält, weil die Krise an ihm schadlos vorübergegangen ist, während andere daran kaputt gehen. Der Thomas Mann liest und denkt, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Auffällig ist dabei auch die Steifheit - um nicht zu sagen Gestelztheit - der Sprache bzw. der Gedanken des Protagonisten. Ein Mobiltelefon hat er, natürlich :D Da passt fast alles zusammen, finde ich, ich sehe den Kerl sehr deutlich vor mir.

Aber: Das ist mehr oder weniger der ganze Inhalt der Geschichte. Der anfängliche Verdacht verdichtet sich zum Ende noch, als er die junge Frau anschreit, überraschen tut mich das aber nicht, genau so schätze ich ihn ja ein.

Spannend hätte ich es gefunden, wenn du das Bild auf den Kopf gestellt hättest, wenn etwas passiert wäre, das ihn plötzlich in einem ganz anderen Licht zeigt: Vielleicht schreit ein anderer Gast die junge Frau an und der Protagonist ist derjenige, der eingreift, und dann erinnert er sich an seine Tochter, zu der er keinen Kontakt mehr hat - wegen seiner Schrullen vermutlich, davon hatte sie irgendwann genug -, und den Brief, den er ihr seit Monaten schon schicken will, der steckt jetzt als lädiertes Lesezeichen im Zauberberg ... Ja, oder eben das, was @Morphin sagt, ihn "entblößen" in seiner Wichtigtuerei.

Kurz gesagt: Ich fände es spannend, wenn du noch ein bisschen mehr Geschichte aus der Geschichte machen würdest. Der Protagonist ist einfach zu gut bzw. blöd, um ihn so ungeschoren davonkommen zu lassen ;) Dem Fluss des Textes bin ich auch so gerne gefolgt, ich mag es, wie du schreibst, und auch den örtlichen Rahmen fand ich gut gewählt.

Liebe Grüße!

 
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Hi @Morphin

Danke erst einmal für das Vorbeischauen. Ich habe mich über deinen Kommentar gefreut, denn ich bewundere deine Schreibwut, deine Qualität und deine Präsenz im Forum.
Du hast mich darauf hingewiesen, dass ich beim nähren betrachten ein Problem mit dem Begriff Satire habe. Ich denke schnell an Klamauk, schrille Töne, viel Krach und ich glaube da muss ich meine Meinung ändern. Satire kann wohl auch fein sein. So habe ich nicht zu dem Tag "Satire" gegriffen. Auch liebe ich eine gewisse Verwirrung bei dem Leser, sie kann anregend wirken. (Ja kann der Schreiber das wirklich ernst meinen, diese Frage schwebt dann im Raum und stört, weckt).

Snob, der den Finger abspreizt, um die Tasse zu halten,
Das gefällt mir... Finger abspreizende Möchtegern-intellektuelle, die im Zug fahren und von Gestern träumen... solche kenne ich im Leben sogar... und es ist nicht uninteressant mit ihnen zu debattieren, denn ist eine Herausforderung.
Oder die Begegnung mit einem wahren Literaten, der den Snob in ein komplexes Fachgespräch verwickeln will über Mann/Zauberberg etc. und dadurch die Schwachstellen offenbart, es sich aber nicht anmerken lässt.
Eine super Idee... sie gefällt mir. Doch auch wenn der Zauberberg in der Geschichte ist und zu ihr gehört, denn es ist nicht nur ein Verweis auf dieses Buch, es soll schon mehr sein, der Zauberberg soll schon mitschwingen, denn er hat mich sehr geprägt, bin ich mir nicht sicher ob ich einem solchen Dialog gewachsen wäre.
Aber die Idee ist prima.
Danke für diese schönen Ideen und auch die anderen Verbesserungen.

Ich wünsche Dir eine wunderbare Nacht und auf ein bald
Grüße
G.

Hey @Lani

Dein Besuch hat mich gefreut. Dein Kommentar hat mir Freude bereitet und mich zum denken angeregt. Schön fand ich dass Du den Typen vor dir hattest. Recht muss ich Dir geben dass nichts außergewöhnliches passiert, ich unterstreichen am Schluß nur was ich vor dem Innerenauge des Lesers zu erschaffen versuche. Und das ist eine Schachstelle. Sicher.

Spannend hätte ich es gefunden, wenn du das Bild auf den Kopf gestellt hättest, wenn etwas passiert wäre, das ihn plötzlich in einem ganz anderen Licht zeigt: Vielleicht schreit ein anderer Gast die junge Frau an und der Protagonist ist derjenige, der eingreift, und dann erinnert er sich an seine Tochter, zu der er keinen Kontakt mehr hat - wegen seiner Schrullen vermutlich, davon hatte sie irgendwann genug -, und den Brief, den er ihr seit Monaten schon schicken will, der steckt jetzt als lädiertes Lesezeichen
im Zauberberg ... Ja, oder eben das,
Deine und Morphins tollen Vorschläge haben mir gefallen und alleine für sie hat es für mich schon gelohnt die Geschichte hier her zu stellen. Ein Bruch ist immer spannend und zeigt natürlich auch die menschliche Komplexität viel besser auf, als einfach weiter so, so wie ich den Schluss löste. Der Bruch war nur im Stil, nicht im Inhalt.

Kurz gesagt: Ich fände es spannend, wenn du noch ein bisschen mehr Geschichte aus der Geschichte machen würdest. Der Protagonist ist einfach zu gut bzw. blöd, um ihn so ungeschoren davonkommen zu lassen ;) Dem Fluss des Textes bin ich auch so gerne gefolgt, ich mag es, wie du schreibst, und auch den örtlichen Rahmen fand ich gut gewählt.
So was höre ich natürlich gerne. Habe auch schon bei Dir vorbei geschaut. Ich glaube wir haben da Ähnlichkeiten. Na, kam mir nur so vor.
Danke

Lass Dich nächtlich gegrüßt sein

G.

 

Hallo @G. Husch,

ja, es ist ja schon viel geschrieben worden. Aber ich will mal versuchen, mich nur auf meinen Eindruck zu konzentrieren. Es ist für mich eine Mischung aus Genuss und Abwehr, wenn ich diese Geschichte lese. Du hast schöne Formulierungen drin und ich konnte mir diesen Blödian auch gut vorstellen. Aber dennoch klingt es unecht, konstruiert, weil dieser Mensch zu wenig Facetten zu haben scheint. Zwar könnte ich mir schon vorstellen, dass es Leute gibt, die letztlich so denken, aber auch die haben noch andere Facetten. Menschsein ist doch oft auch von Widersprüchen geprägt. Wenn wir jetzt eine Geschichte schreiben und sie kommt gar so eindimensional daher, dann spüren wir irgendwie: das ist nicht echt. Zumal du ja offenbar keine Satire schreiben wolltest, sondern ein Stück der Gesellschaft und des Alltages zeigen wolltest. Vielleicht solltest Du wirklich noch mehr überspitzen, damit ganz klar ist, dass Du auch überspitzen willst, dass Du gar nicht den Anspruch hast, einen echten Menschen zu zeigen. In einem satirischen Text legt der Autor ja das Gewicht allein auf das Thema, das ihm wichtig ist. Es wird überzogen, man lacht darüber, aber man sagt sich: Naja, so witzig ist das eigentlich gar nicht. Es gibt wirklich solche Leute...

Ein paar Stellen habe ich noch herausgesucht:

Ich strecke mich. „Endlich hat man mal wieder so richtig Platz“, ziehe meine Maske vom Gesicht und trinke einen Schluck starken Kaffee. „Ja, endlich kann man gemütlich reisen“, sage ich zu mir und vertiefe mich in den Zauberberg von Thomas Mann.
Den Anfang finde ich noch nicht so gelungen. Wenn ich mir die Situation vorstelle, reißt er sich zuerst die Maske vom Gesicht, streckt sich dann genüsslich und trinkt dann einen Schluck vom mitgebrachten Kaffee. Aus dem Zug kann er ja noch nicht sein. Erst dann würde ich ihn denken lassen.

Eins ist gewiss, mir erscheint eine solche Struktur, als erstrebenswert, da sie Sicherheit vermittelt.
Komma hinter Struktur weg.

Es erlaubt mir in der vornehmen Stille dahin zu gleiten, nicht wie früher von den vulgären Worten der Prolos umspült zu sein, denn sie fehlen hier nun ausnahmslos.
Komma hinter mir, da ein erweiterter Infinitiv mit zu folgt. Das hast Du öfter. Erweitert wird ein Infinitiv mit zu durch jedes weitere Wort, das ihm zugeordnet wird.
Außerdem würde ich die Artikel vor Stille und Worten wegnehmen.
„Es erlaubt mir, in vornehmer Stille dahinzugleiten anstatt, wie früher, von vulgären Worten der Prolos umspült zu sein, denn sie fehlen hier nun ausnahmslos.“

Das „umspült zu sein“ liebe ich!?

Vielleicht sah ich nach Istrien hinüber, als ich nach einer Decke griff, zu einem Liegestuhl ging und mich dort einwickelte, um zu verweilen. Ich sehe mich dort verharren. Plötzlich erlebe ich diesen Moment, mit voller Wucht ist er da.
„Ich sehe mich dort verharren“ ist mit dem Satz vorher gedoppelt. Wenn Du den Leser einfach nur besser dort hinführen möchtest, würde ich „liegen“ oder „träumen“ oder etwas anderes statt „verharren“ schreiben.
Da piepst mein Mobiltelefon. Es reißt mich aus den Träumen und die Erinnerung an meinen letzten Sommer auf der Kreuzfahrt im Mittelmeer verliert an Kraft und verschwindet.
Ein Handy piepst? Ist aber außergewöhnlich...
Ich lege das Buch auf den Tisch, lasse kurz meinen Blick durch den Wagon schweifen, schaue dann aufs Telefon vor mir, erkenne ein paar Eilmeldungen, die sich dort auf dem Bildschirm zeigen.
und statt dem letzten Komma fände ich viel besser. Vielleicht:
„... und entdecke die Eilmeldungen auf dem Bildschirm meines Smartphones.“
Der hohe Lohn von 1400 Euro wird kritisiert, da beim Freiwilligen Sozialen Jahr nur ein Bruchteil davon bezahlt wird und dass obwohl man noch vor kurzem behauptete, die Pflegeberufe aufwerten zu wollen.
das statt dass, weil gemeint ist: das ist so, weil...
„Wen ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mir nicht erlauben einen Gast darauf hinzuweisen, wen er anzuschreien hat und wen nicht! Denn das entscheide ich noch selbst. Was fällt ihnen ein mich maßzuregeln, sie Wurm! Ja, wer sind sie eigentlich, dass sie sich das erlauben können. Was fällt ihnen ein, das ist ja völlig unerhört“
„Bitte!“, ich sehe Verzweiflung in ihrem Gesicht. Ja, sogar Angst. Freude steigt in mir auf. Sie scheint sich plötzlich nach Hilfe umzusehen.
„Nein, da finden sie keine. Hier ist niemand! Aber ich möchte jetzt sofort ihren Chef sprechen? Jetzt aber mal schnell“
- Wenn ich an Ihrer Stelle...
- Komma hinter erlauben.
- Das entscheide ich noch selbst! (Ohne denn)
- Komma hinter ein, Sie groß, weil Anrede
- „Was fällt Ihnen ein“ weg, da Doppelung „Das ist ja völlig unerhört“, reicht.
- Verzweiflung in ihrem Gesicht, sogar Angst.
- Fragezeichen nach Chef sprechen weg.
Der Schluss ist noch nicht rund. Seinen letzten Satz würde ich noch verändern.

Viele Grüße,
Palawan

 

Hey @G. Husch !

Ich hab deinen Text gelesen und in vielen Punkten will ich mich den Anderen anschließen. Ich finde die Charakterisierung des Protagonisten zu einem gewissen Teil schon gelungen, da ich ganz klar etwas fühle (was für ein Unsympath!). Trotzdem hinterlässt mich die Geschichte unbefriedigt, da mir ein klarer Konflikt und eine deutlich herausgearbeitete Stellungnahme dazu fehlt. Ich warte die ganze Zeit auf den Twist, der alles auf den Kopf stellt und in einen neuen Kontext setzt.

Was ich noch mal hervorheben möchte: Sprachlich hat sie mir gut gefallen, ich finde hier und da haben die Sätze schon fast eine poetische Qualität, was ich persönlich sehr gerne mag!

LG

T

 

Merci @Palawan

desolée, ich entschuldige mich für meine späte Antwort, doch im Augenblick wird das etwas viel hier. Ich habe meinem Papa wie jeden Abend vorgelesen. Er schläft jetzt ruhig, es ist Still
und ich kann ein paar Worte ins Netz legen.

Danke dass du Dir die Geschichten auch noch angesehen hast. Deine Hinweise helfen mir weiter.

„Ich sehe mich dort verharren“ ist mit dem Satz vorher gedoppelt. Wenn Du den Leser einfach nur besser dort hinführen möchtest, würde ich „liegen“ oder „träumen“ oder etwas anderes statt „verharren“ schreiben.
liegen scheint hier besser, es soll ja an das Balkon liegen im Zauberberg erinnern. Stunden lang lagen sie da an der frischen Bergluft. Ob sie immer geträumt haben? Was machten sie wirklich? Wohl vieles verschiedenes.

das statt dass, weil gemeint ist: das ist so, weil...
Danke dass du mich auch noch auf diese Unsicherheit von mir hinweist. JA... meins Problem mit das und dass, obwohl ich ja nur fragen müsste.
„Es erlaubt mir, in vornehmer Stille dahinzugleiten anstatt, wie früher, von vulgären Worten der Prolos umspült zu sein, denn sie fehlen hier nun ausnahmslos.“
Sehr elegante Lösung, ja der Satz gefällt mir besser... !!!!

Ich wünsche Dir noch eine wunderbare Zeit und viele erholsame nächtliche Stunden.

G.

Hey @tbrak

Trotzdem hinterlässt mich die Geschichte unbefriedigt, da mir ein klarer Konflikt und eine deutlich herausgearbeitete Stellungnahme dazu fehlt.
Du hast es auf den Punkt gebracht. Danke für die Zusammenfassung...
Ich sollte der Geschichte also noch einen Konflikt, eine Möglichkeit zur Spannung und Kontroverse geben.
Na, die Stellungnahme ist nicht mein Ding. Die will ich schon dem Leser lassen, doch den Konflikt sollte ich noch suchen.

Was ich noch mal hervorheben möchte: Sprachlich hat sie mir gut gefallen, ich finde hier und da haben die Sätze schon fast eine poetische Qualität, was ich persönlich sehr gerne mag!
Na, über diese Kritik habe ich mich gefreut.

Ich danke Dir und ich hoffe wir treffen uns zwischen Wortkriegern wieder.

Mit Lieben Grüßen aus einer Nacht von Freitag auf Samstag.

G.

 

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