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Die Frau des Türken
Sie sitzt mir gegenüber, im Café Spieltrieb. Ich sehe Vorstülpungen. Einen Trompetenmund. Wie lustig, wie lebendig ist dieses Gesicht. Der ganze weibliche Mensch ein leuchtend grünes Gehölz. Der Mund ein Warndreieck. Dauernd sehe ich auf dieses kuß-unwillige Scharnier. Auf und zu, Reden und Rauchen, Sprechen und Essen. Vertilgt alles. Im Seitenlicht sie eine Schönheit, hellbraune Haut. Zwischen uns der Resopaltisch.
Wo gehört sie hin? Durch die Hecke ins Schloß, sind da Dornen? Knochenhärte oder das Weiche, - warm im Wollkleid? Alles an ihr sieht so handgeschöpft aus. Mein helles Tagesbewußtsein ist ausgeknipst.
Schloßhofgelächter des Kochs, eine Backpfeife für den Küchenjungen. Oben ein Schlafstuhl, mit Samt gepolstert, für die Tochter mit dem Spindelstich.
Nachts um Elf klingelt es bei mir. In ihren kleinen Stiefeln steht sie in der Tür, ihre Joppe lehmfarben. Ich auf dem Flur reiche den Bügel hin, aber sie versteht nicht. Sie reicht mir den Bügel zurück. Und so hänge ich die Jacke drüber.
Sie hat nichts weiter dabei. Was will sie? Ein Schwall füllt den Flur. - Komme vom Training. - Mir ist sie zu plötzlich da, ungeduscht, stürmischer Eigengeruch, das macht mich ratlos. Sie baut sich in den Raum, kurzbeinig, schmal, kräftig, Angela-Davis als Latzhosendiva, das Haar steht ihr dicht und drahtig um den Kopf wie ein Triumph.
Weiß dein Mann, dass du hier bist? Meine Bücher sieht sie an wie Kinder, die sie nichts angehen, ohne was zu sagen verschwindet sie nach nebenan. Hat einen Draht zu Tieren. Der Katze wirft sie etwas in den Vorgarten. Es wird nicht helfen, sagt sie, die Nieren sind ausgetrocknet.
Kommt sie als Clown? Connection, dieses Wort hatte ich benutzt. - Das Eigentliche, sagt sie, weißt du, etwas plötzlich tun. Ich will in meine Begabung hineinspringen. Gesichter schneiden, Kraft auf die Matte, sich nichts gefallen lassen.
Bei mir sitzt du zuerst im Fenster. Von deinen Beinen ist nichts zu sehen. Du mopst dich. Eine kleine Weile leuchtest du, bis es blakt und kokelt. Eine Strahlende bist du, wenn es über dich kommt. Ich gebe Feuer. Entzündung, Blitz, FLASH, du brennst an beiden Enden.
Du hast einen schönen Hals. Mich stören Haken und Ösen. Einen Knall hast du, bist ein Klempnerjunge mit Hosenlatz. Ich bäume mich auf. Sag mal, wo gehörst du hin? Schlimmer Wunsch, dich in die Tiefe zu stoßen, dich gekränkten Göttern zu opfern, im Gletscherbach, Taufbecken der Eiszeit, oder dich zu sehen mit Leder vor deinem Schoß, Fell auf nackter Haut, Schafsbalg-Geruch, wir beide den endlos dunklen Tunnel des Höhlen-Winters vor Augen, bis der März uns das Licht bringt.
Ich lüfte den Zeitgeist und sehe dich. Einen Kobold. Ein Berberitzenblatt gequetscht zwischen den Lippen, Stimmungen unkalkulierbar und Einfälle, weiblich, zeitweise mit Wärmezonen, kleine Fäuste ballend, die eigentlich intentionierte Konfiguration unklar, Paßwort für Sensor-Leiste fehlt, - du die Frau im Overall. Bei jeder Öse, jedem Haken geht deine Stimme in die Höhe, nichts bleibt am Boden, und ich, ohne Erdenschwere, weiß nicht mehr, welches Glück mir, als ich 17 war, vorgeschwebt hat. In der letzten Kammer nestelt der Königssohn am Mundschutz. Die Erwachte hält nichts von fruchtbringender Eindringung.
- Für die ganz genauen Spieler, sagst du, und deine Stimme geht in die Höhe, gibt es die Kartenmischmaschine. Die schummelt nicht. -
Aus deiner Mundhöhle tritt hellblauer Rauch. - - Sag mir, wer bist du?
- Die Frau des Türken.