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Des Hexenmeisters Verfehlung
Der Hexenmeister erhob die Hände diabolisch und bereitete sich auf sein sinistres Ritual vor.
Der Boden begann zu beben während Blitze seine Arme und Beine emporzüngelten und in der unheiligen Relique über seinem Haupt kanalisierten. Gläser voll von Substanzen verschiedenster Farbgebung zersplitterten in den Regalen und hinterließen giftige Pfützen brodelnden Schleims, deren Dämpfe das Atmen in der Ritualkammer nahezu unerträglich machten. Es war als bedecke ein Schleier heißen Metalls die Lunge. Die Bücher, die zu Dutzenden offen auf den morschen Dielen verstreut lagen fingen Feuer. Zuerst die Lettern der abscheulichen Anrufungsformeln, dann das Papier und schließlich die ledernen Bände, sodass sich dem chemischen Gestank der Säuren und alkalischen Lösungen nun auch noch der verbrannten Leders beimischte.
Ich drückte meinen Körper so fest ich konnte an die Wand, wohlwissend, dass sich mir keine Chance bieten würde, dem unmenschlichen Schauspiel zu entkommen, weshalb mir nichts übrig blieb, als meine Augen mit morbider Faszination weiterhin auf den Hexer zu richten.
Unter der ohnehin niedrigen Decke bildete sich eine Gewitterwolke, die nahezu das gesamte Zimmer durchzog und mit schriller, mehr tierischer als menschlicher Stimme hob die okkulte Gestalt zur finalen Beschwörungsformel an...
"A Ram Sam Sam! A Ram Sam Sam! Gulli Gulli Gulli Gulli Gulli Ram Sam Sam!
Arafi! Arafi! Gulli Gulli Gulli Gulli Gulli Ram Sam Sam!".
Mir klappte die Kinnlade herunter.
All die Jahre hatte ich es geahnt, doch nun traf mich die Bestätigung auf überwältigende Weise:
Die Hexenmeister dieser Welt waren Sozialpädagogen!
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen als sich das Beben unter meinen Füßen verstärkte. Die Fähigkeit mich auf den Beinen zu halten kam mir immer mehr abhanden, doch als ich die gutturalen Laute vernahm, die der beschworene Dämon schließlich von sich gab als er den Höllen entstieg, die ihn bislang beherbergten, blieb mir nichts mehr als zu fallen. Es war als entzöge seine Präsenz meinen Beinen die Fähigkeit zu stehen. Das Loch im Boden war groß genug, um eine Herde Vieh hindurchtreiben zu können und aus den unendlich scheinenden Abgründen lechzen die Flammen gleich gierender Tentakeln nach Materie, die sie verzehren konnten. Und während eben jene feurigen Wülste über den Boden meandrierten, entstieg der vom Hexenmeister angerufene Wahnsinn dem Schlund.
Gehörnt, mit riesigen Händen und Hufen und einer Haut aus reinster Glut wandte er sich an den Mann, der ihm das Portal in unsere Welt geöffnet hatte und sprach:
"Sachma, kannste 'ma mit den scheiß Kinderliedern aufhören? Wer hat euch eigentlich auf den Trichter gebracht?"
Der Hexenmeister zuckte zusammen, verhielt sich ansonsten aber ruhig.
Der Gehörnte wandte sich an mich. Es war als eiste mir das Blut in den Adern, was einen merkwürdigen Kontrast zu der tropischen Raumtemperatur bildete.
"Und wer sind Sie?", fragte er schroff und zog eine Augenbraue nach oben. "Sie sehen wenigstens halbwegs kompetent aus!"
Unschlüssig, ob ich geschmeichelt oder verängstigt sein sollte, erhob ich mich langsam und versuchte zu erklären, wie ich in diese missliche Lage geriet.
"Ich bin Herr...mann..." stammle ich vor mich hin, unschlüssig woher dieser Name und der plötzliche Tempuswechsel kommt. "Und wer bist du...?", frage ich zögernd und fürchtend, dass der Dämon lieber gesiezt werden wolle.
"Ich bin Donald, sehr erfreut."
"Donald? Wie in Donald Duck?", frage ich und in meinem Kopf beginnt automatisch das Intro von den Duck Tales zu spielen, "Oder wie in Ronald McDonald?"
"Wie in Donald Trump!", antwortet er und zu den Ducktales mischt sich ein Hauch von Horst- Wessel-Lied in meinem Kopf. "Hören Sie, Herr Mann! Ich will am besten so schnell hier raus wie möglich, also sagen Sie mir einfach, was Sie wollen und schicken mich danach zurück, okay?"
Etwas verwundert über den Verlauf des Gespräches frage ich ihn, seit wann Dämonen einfach so gehorchen würden.
"Ach es ist so...", hebt er in Erzählerstimme an, "Manche Dämonen gehorchen denen, die sie gerufen haben nie. Andere hängen zu jeder Zeit an den Lippen ihrer Meister..."
"Und wie ist es mit dir?", frage ich und bereite mich darauf vor, dass mir die Antwort nicht gefallen wird.
"Mein Herz ist da offen. Langweilt mich ein Meister, höre ich nicht zu. Aber Sie scheinen ganz in Ordnung."
"Ich bin aber nicht dein Meister.", rutscht es mir raus. Erst a posteriori bemerke ich, dass die Situation dadurch zu meinen Ungunsten – und denen der ganzen Welt – kippen kann.
"Achja, stimmt... UND WER SIND SIE?!", donnert er den Hexenmeister an.
"Detläääf", antwortet der Kuttenmann mit französischem Akzent.
Ich muss unweigerlich an die Franzosen aus Die Ritter der Kokosnuss denken und frage mich, wie ich unter diesen Voraussetzungen die Welt vor einer Invasion aus der Hölle retten soll.
"... das heißt nicht, dass du mir nicht auch gehorchen musst!", hasple ich dazwischen.
"Du willst doch hier so schnell wie möglich wieder raus. Wieso gehst du nicht einfach?", halte ich mich für neunmalklug.
Der Dämon seufzt und schüttelt der Verzweiflung nahe den Kopf. Meine Sicherheit im Umgang mit der Situation wird dadurch wenig bestärkt. "Denk doch mal scharf nach!", sagt er als müsse man doch darauf kommen, wie man einen Dämon loswird.
Ich denke scharf nach, aber außer Dingen die mit Hokus-Pokus-IchmussdringendaufsLocus beginnen fällt mir nichts ein.
Er verdreht die Augen: "Ganz einfaaaaach: Wer einen Dämon durch Kinderlieder ruft, muss ihm einfach einen Schulabschluss ausstellen, damit er wieder verschwindet."
Ich gebe zu, dass man durchaus darauf hätte kommen können.
"Öhm klar" Ich versuche eine halbwegs ernste Miene aufzulegen.
"Donald, ich attestiere dir hiermit die allgemeine Hochschu....", fange ich an, bis mir klar wird, dass mein Gegenüber nach Donald Trump benannt ist.
"Donald, ich attestiere dir hiermit die Fähigkeit deinen Namen zu tanzen und Addition und Subtraktion im Bereich von 0 bis 100 ohne Übertrag in angemessener Zeit lösen zu können."
"Mensch, dass mit Trump war doch bloß n' Späsken; dass ihr immer keine Witze versteht...
Ohne Abi, geh ich hier nicht raus und wenn ich noch ein Jahr drauflege!"
Bloß das nicht, denke ich und entschließe mich, ihm doch die Hochschulreife auszustellen.
Vorher kommt mir jedoch ein glorreicher Gedanke.
"Sag mal, haben Dämonen nicht magische Kräfte?", frage ich mit diebischer Freude.
"Manche schon, manche sind auch totale Langweiler und wieder andere haben zwar welche, aber finden keinen praktischen Nutzen dafür... Ich kann schon ein paar Sachen, schließlich bin ich kein gewöhnlicher Dämon, sondern einer der Herrscher der Höllen!"
Ich sehe mich im Zimmer um und stelle fest, dass er schlimmer aussieht als die Physikräume zu meiner Schulzeit, weshalb ich ihn bitte für Ordnung zu sorgen.
"Kannste gleich vergessen.", bockt er wie ein Kind zurück. "Ihr werdet doch bezahlt, wieso macht ihr euch nicht mal die Hände schmutzig?"
Ich frage mich wie er darauf kommt, dass ich für irgendetwas bezahlt werde, schließlich weiß ich nicht einmal wie ich hier gelandet bin. Anschließend drohe ich ihm mit einem Tadel.
Er gibt nach.
Das Zimmer sieht aus wie neu und frische Luft gibt es auch.
Ich warte darauf, dass er endlich verschwindet, merke jedoch schnell, dass er auf den nächsten Zug meinerseits wartet.
"Was ist denn noch?!", frage ich. Langsam merklich ungeduldig.
"Ohne Prüfung, kein Abitur!", blökt er zurück.
Was ernsthaft?
"Also gut: Was ist dein P5?", frage ich, da mir Zeit und Lust fehlen mir irgendetwas über Kabale und Liebe reinzufahren.
"Politik-Wirtschaft."
Ach du Scheiße...
Detlef stöhnt am anderen Ende des Raumes hörbar auf...
"Tja, ähm...", fange ich an und will gerade die erste Frage stellen, da bemerke ich erneut einen unzufriedenen Blick auf Donalds Gesicht. Oder wie er auch immer heißen mag. Ich hebe eine Augenbraue.
"Fachbereich..."
Ich versuche meinen Puls zu beruhigen.
"Politikteil oder Wirtschaftsteil?", frage ich mit einem unübersehbar dünnen Nervenkleid.
"Wirtschaft."
Gott sei Dank...
"Dann nenn' mir doch mal den Zusammenhang zwischen dem Abgasskandal von Volkswagen und dessen Auswirkungen auf die Aktienkurse von VW, sowie denen anderer Automobilkonzernen."
Er schwadroniert irgendetwas, aber ich höre nicht zu.
"Ja, sehr schön! Und nun gib einen Ausblick über die Folgen für VW und den deutschen Arbeitsmarkt."
Er erzählt und ich höre gekonnt weg.
"Prima!"
Ich klatsche in die Hände.
"Ihre Antworten waren korrekt, die Prüfung ist durch die Anwesenheit des zweiten Prüfers gültig, Sie erhalten...."
An dieser Stelle gerate ich ins Stocken.
"Dreizehn Punkte.", sage ich, in der Hoffnung, dass es nicht zu viele sind, sodass er sich verarscht vorkommt, aber auch nicht zu wenige, sodass er das Feilschen anfängt.
Er nickt nur knapp und bedankt sich.
Na endlich.
Mit einem letzten Gruß sinkt er hinab in die Höllen, aus denen er entstiegen ist.
Detlef klopft mir auf die Schulter: "Den sind wir endlisch los, was? Isch weiß garnischt, weshalb isch mir das in meinem Alter noch antue!"
Ja... das weiß ich allerdings auch nicht.