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Der nicht klatscht
Ein eigenartiges Ende unserer Geschichte, denke ich und sehe mich ein letztes Mal um. Alle Angst von zittriger Spannung hinweggeschwemmt, der Panik nahe. Ich spüre den Abgrund vor mir, unter mir. Nichts als… Nichts. Ein Seufzen, mein Seufzen, dann springe ich.
Wie das mit uns begonnen hat weiß ich selbst nicht mehr, es ist zu lange her. Irgendwie warst du immer bei mir. Seit ich denken kann. Seit ich fühlen kann war ich nie auch nur in Versuchung mich von dir zu lösen. Das war es, musste es sein. Du warst immer für mich da, hast mir gezeigt wo es langgeht. Mir die Richtung gewiesen, vorgelebt, vorgeliebt.
Wie es allerdings begann zu Ende zu gehen weiß ich. Dieser Tag, in diesem Moment, ein Blitz, ein Augenblick nur.
Sie war mir nicht aufgefallen, nicht bevor sie mich ansprach. Du weißt, ich habe anderen Frauen nie Beachtung geschenkt. Ich denke dadurch bin ich auch für sie unsichtbar geworden. Oder nur uninteressant? Wie auch immer, schien sie mich dennoch gesehen zu haben.
Ich erinnere mich noch, dass mich ihre Stimme aufgeschreckt hat. Ich war in Gedanken. In Gedanken bei dir.
„Ihnen hat es nicht gefallen?“ Ihre Stimme wie ein Tuch aus Seide, legte sie sich über meine Sinne, meine Empfindungen. Ich blickte sie an… und schwieg. Innerlich stammelte ich, glaube ich, ein paar Worte hervor, doch traute keines sich über meine Lippen.
„Was hat Ihnen denn nicht gefallen?“
Langsam kämpfte ich mich aus meiner mentalen Starre hervor. Ich rang mich zu ein paar Worten durch.
„Wie kommen Sie darauf“, brachte ich mit einigermaßen fester Stimme hervor. Mit leichter Verwunderung stellte ich fest, dass ein winziges Lächeln um ihre Augen spielte. Es war als ob ein samtiger Schleier ihren Blick verschleierte. Träumerisch, anmutig sah sie mich an. Schien an einem anderen Ort zu sein. Ob mit mir, oder ohne mich kann ich heute nicht mehr sagen, doch ich vermute sie hatte mich in Moment ihres ersten Wortes mitgenommen.
„Menschen klatschen gewöhnlich wenn ihnen etwas gefallen hat. Bei Ihnen konnte ich das allerdings nicht ausmachen. Ich habe Sie von der Bühne gesehen.“
„Ich war wohl in Gedanken“, antwortete ich ohne auch nur eine Überlegung an die Worte zu verschwenden. Gefesselt in ihrem verklärten Blick, gebannt von ihrer herausfordernden Wärme. Sie nahm mir nicht übel was ich sagte. Im Gegenteil, meine Worte schienen sie zu belustigen, auf eine merkwürdige Weise zu amüsieren.
An diesem Abend nahm sie mich mit. Eine Reise voller neuer Dinge, wundervoller Welten, nicht gekannter Empfindungen. Stundenlang gingen wir spazieren. Ich ging doch sonst nie spazieren. Sie erzählte, lachte, tanzte in Gedanken durch Geschichten ihrer Kindheit deren wahre Schönheit ich nicht vollends zu erfassen vermochte. Sie nahm mich mit, schwebte mehr als das sie ging. Flüchtige nicht provozierte Berührungen gaben mir das Gefühl zu träumen, zwanghaft versuchend nicht die Wege der Realität zu kreuzen. Doch es war die Wirklichkeit.
Ich schwieg die meiste Zeit, lauschte ihren Worten. Klammerte mich an jede ihrer Bewegungen, nahm jedes Wort in mir auf und speicherte es für die Ewigkeit.
Die laue Nachtluft streichelte sanft meine Haut umfing mich mit schweigender Übereinstimmung. Sie. Nur sie.
Irgendwann standen wir vor meiner Haustür. Unfähig zu begreifen was in mir vorging schwieg ich. Sie hauchte einen flüchtigen und doch so intensiven Kuss auf meine Wange. Sie lachte ein die Dunkelheit brechendes „bis Morgen“ in die Nacht und ich verließ dich.
Nicht sofort, nicht, dass es mir direkt bewusst war. Doch in diesem Moment war es geschehen. Fühlte ich mich schuldig? Ich denke nicht. Ob es Traurigkeit war? Vermutlich ebenso wenig. Ich kämpfte um dich, in mir. Bis zum nächsten Tag, bis ihre Anmut wieder durch meine Gedanken und Gefühle tanzte.
Wir sahen uns fast jeden Tag und jeden Tag geschah etwas Neues, dass ich nicht gekannt hatte. Aufregung, die Hitze der Gefühle. Es schien als fände sie einen Weg in meine Seele und ich bin sicher sie fand ihn. Jeden Tag erzählte ich etwas mehr von mir. Nur über dich redete ich nicht. Meine Ängste nahm sie mit belustigter Gelassenheit auf. Höhenangst…? Pah, sie wusste nicht wovor man Angst haben müsse, außer sich selbst.
„Ängste sind da um sie zu überwinden“, sagte sie und ich vertraute ihr.
An den Abenden an denen sie Vorstellungen hatte und wir alleine waren wollte ich etwas zu dir sagen, es rechtfertigen. Doch ich wusste nicht was ich sagen sollte und konnte dich doch nicht verbannen, warst du doch ein Teil von mir. Ein Teil meines Wesens, meiner Gedanken. Hast mir die Einsamkeit erleichtert. Ich hatte Angst, Angst vor dir, Angst vor mir.
Ich denke sie spürte meine Angst, meine Nachdenklichkeit und ließ mich doch gewähren. Sie gab mir das Gefühl stark zu sein um stark zu werden.
Keinen Zweifel ließ sie an mir aufkommen. Ich zweifelte. An mir, an meiner Stärke. War ich stark genug zu tun was ich tun musste, den letzten Schritt zu machen?
Und nun spring ich also wirklich. Nein, ich falle. Momente in denen ich noch ein letztes Mal an dich denke, durchdrungen aus Wellen von Adrenalin. Ein See aus Empfindungen in den ich eintauche. Mein Herz rast. Ich rase, dem Boden entgegen. Ich habe den letzten Schritt getan. Mich von dir gelöst. Ende.
Beginn. Das Seil bremst mich ab fängt mich auf. Dies ist die Wirklichkeit. Oben höre ich sie jubeln. Erwacht aus einem Versteck aus Träumen und Vorstellungen lache ich. Höhenangst, pah.