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Der letzte Wunsch
Miriam stand in der Nähe vom Flughafen Naha und staunte. Um sie herum standen weiße, riesengroße Hochhäuser. In ihrer Fassade konnte sie sogar kleine Kreise erkennen. Das Symbol hat in Okinawa eine sehr große Bedeutung, denn der Kreis steht für die Vernunft und des Geistes. Unter den giftgrünen Bonzai-Bäumen schliefen kleine Hunde, von Touristen. Hinter den Bäumen schimmerte das Meer in allen Blautönen hervor, die man sich vorstellen kann. Miriam spürte, wie die Sonne auf ihrer blassen Haut kitzelte. Sie hörte die Vögel zwitschern, umgeben von dem Lärm der Autos und Touristen. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen, um die warme, tropische Luft einzuatmen.
„Autsch. Passen Sie doch auf!“, schrie Miriam einem Kerl hinterher, der sie zur Seite schubste und einfach weiterging. Ein junger Mann mit braunen Haaren half ihr auf und fragte sie: „Ist alles in Ordnung?“, als er Miriams Gesicht sah, staunte er, denn sie ist seine alte Schulfreundin, „Hey, Miriam schön dich zu sehen. Was machst du hier?“ Miriam musste Lachen. „Daniel?“, fragte sie und der junge Mann nickte, „Hey! Wie geht es dir? Seit du nach Okinawa gezogen bist, habe ich nichts mehr von dir gehört“.
„Ich freue mich dich zu sehen“, entgegnete Daniel, „Mir geht es gut. Ich wohne gleich in dem Haus dort drüben“, er zeigte auf ein kleines, weißes Haus in der Nähe vom Hauptplatz, „Wollen wir gemeinsam einen Tee trinken?“. Miriam nickte und sie gingen zu Daniels Haus.
„Wow“, Miriam staunte. Das Haus war von innen sehr eindrucksvoll. Im Esszimmer standen Möbeln aus Holz und an den weißen Wänden hingen japanische Zeichen. Ein Bild stand auf einer Kommode, auf dem Daniel mit einer Frau abgebildet war. „Bist du verheiratet?“, wollte Miriam von Daniel wissen. „Ja, jetzt schon seit zwei Jahren. Also, was machst du hier?“, fragte der junge Mann, während er mit zwei Tassen Tee ins Esszimmer kam. Dann erzählte Miriam ihm, dass sie ihre Schwester Xo finden muss, weil sich ihre Mutter mit dem Coronavirus infiziert hatte und sie jetzt auf der Intensivstation lag. „Ihr letzter Wunsch ist es ihre Kinder noch einmal zu sehen“, erzählte das Mädchen traurig weiter, „Und weil Xo seit ein paar Jahren in Okinawa lebt, weil ihr Mann aus diesem Land kommt, muss ich sie jetzt finden. Leider weiß ich nur, dass sie hier in der Nähe wohnt und einmal auf dem Alten Markt gearbeitet hat. Ich würde vorschlagen dort fragen wir nach ihr“. Daniel nickte und nachdem sie den Tee ausgetrunken hatten, machten sie sich auf den Weg zum Alten Markt. Während sie gingen, erzählte Daniel ihr, dass er jetzt Karate Lehrer sei und er ganz in der Nähe sein eigenes Dojo hätte. „Warum?“, wollte Miriam wissen. Mit einem fragenden Blick sah er sie an. „Ich meine warum ausgerechnet Karate. Du bist doch immer den Kämpfen an unserer Schule ausgewichen“.
„Ja schon, doch als ich hierher kam verprügelte mich ein junger Mann, weil ich mit einer seiner Ex-Freundinnen ausgegangen war. Ein alter Mann, der das gesehen hatte, brachte mir dann Karate bei, um mich selbst zu verteidigen. Deshalb gibt es auch Karate. Nicht um selbst Kämpfe zu beginnen. Mr Keene hat mich viel gelehrt und ich möchte mein Wissen anderen weitergeben“, meinte er. Miriam lächelte ihm zu und für den Rest des Weges gingen sie nur nebeneinanderher.
Auf dem Alten Markt fragte Daniel den Verkäufer nach Xo. Der Verkäufer, der Daniel erkannte, gab ihnen die Adresse, wo Xo wohnte. Miriam freute sich und umarmte ihren alten Schulfreund. Die zwei machten sich sofort auf dem Weg zu ihrem Wohnsitz. Als sie eine alte Holzhütte in der Nähe vom Meer erkannten, wussten sie, dass das Xos Haus sein müsste. „Danke Daniel, dass du mir geholfen hast sie zu finden. Hoffentlich kommt sie auch mit ins Krankenhaus zu unserer Mutter“, sagte Miriam mit ängstlicher Stimme. Aber Daniel meinte: „Bestimmt und jetzt läute an. Du musst dich beeilen“. Miriam nickte und klingelte. Ein Mann um die 25 öffnete die Haustür. „Hallo, ich bin Miriam. Wir suchen meine Schwester Xo. Wohnt sie hier?“, fragte Miriam höflich. Der Mann machte eine einladende Handbewegung und die zwei gingen hinein. „Leider“, begann der Mann zu erzählen, „Hat sie sich von mir getrennt, weil ich keine Kinder haben möchte. Danach ist sie ausgezogen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört“. Miriams Kinnlade klappte herunter. „Was soll das denn heißen?“, fragte sie mit verzweifelter Stimme. Doch der Ex-Mann ihrer Schwester verschwand in einem anderen Zimmer. Miriam war den Tränen nahe. „Was soll ich jetzt machen?“, fragte sie Daniel. Aber der meinte: „Warte doch Mal ab, bis er wieder zurück ist“. Im selben Moment kam auch schon ihr Ex-Mann ins Esszimmer zurück und er übergab Daniel einen Brief von Xo. „Könntest du diesen Brief Miriam übersetzen?“, fragte er, „Xo hat ihn mir geschrieben, nachdem sie mich verlassen, hat“. Daniel nickte und begann zu lesen:
Lieber Masaru!
Es tut mir leid, dass ich dich verlassen habe, aber ich möchte einmal Kinder haben. Da du aber dazu nicht bereit warst und du keine Zukunft für uns sahst. Bin ich ausgezogen. Ich wollte nicht, dass es so endet, aber falls du bereit bist über uns zu reden, dann kannst du mich gerne besuchen.
Ich wohne jetzt in der Mohrenstraße 21c.
Alles Liebe
Deine Xo
„Okay, sie wohnt in der Mohrenstraße 21c. Danke!“, sagte sie zu Masaru, „Kommst du mit uns?“. Aber er schüttelte traurig den Kopf. Sie verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg zu Xos neuem Haus. Voller Hoffnung klingelten sie an der Haustür. Zum Glück machte Xo diese auf und fragte ihre Schwester: „Was machst du denn hier?“.
„Unsere Mutter hat sich mit dem Coronavirus infiziert und sie möchte uns noch einmal sehen, bevor es zu spät ist“, antwortete Miriam und umarmte ihre Schwester, „Bitte, komm mit uns ….“. Xo fiel ihr ins Wort, „Okay, ich komme mit dir“. „Wirklich?“, fragte ihre Schwester erstaunt. Sie nickte und musste lächeln, „Natürlich sie ist unsere Mutter. Komm, wir müssen zu ihr! Sofort!“. Xo packte ihre Sachen und Daniel brachte die zwei zum Flughafen Naha. Miriam und Xo bedankten sich bei Daniel und sie verabschiedeten sich. „Es war schön dich wiederzusehen“, sagte Miriam zum Abschied zu Daniel und gab ihm ihre Nummer, „Ruf mich einmal an!“. Daniel antwortete: „Das werde ich. Bis bald!“. Zum Abschied umarmten sich die zwei und die Schwestern gingen zum Gate.
Im Flieger fragte Xo Miriam: „Wie hast du mich eigentlich gefunden?“ Miriam entgegnete: „Dein Ex-Mann hat mir deinen Brief gezeigt, den du ihm geschrieben hast. Ich finde du solltest ihm eine zweite Chance geben. Vielleicht ist er in ein paar Jahren bereit Kinder zu haben“. Xo nickte zustimmend. Beide ließen sich in ihren Sesseln zurückfallen, schlossen die Augen und schliefen ein.
Als sie in Wien am Flughafen Schwechat gelandet waren, fuhren sie sofort mit einem Taxi in das Franziskus Krankenhaus. „Hoffentlich ist es noch nicht zu spät“, sagte Miriam zu ihrer Schwester. Xo fragte eine Krankenschwester nach ihrer Mutter und sie erklärte ihnen den Weg. Sofort liefen die zwei in ihr Zimmer. „Mama?“, rief Miriam als sie in das Zimmer kamen.
„Meine Töchter!“, rief ihre Mutter voller Freude. Sie war überglücklich ihre Töchter noch einmal zu sehen, bevor es zu spät war und ihre Töchter ebenfalls.