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Der Fette Fred

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12.02.2004
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Der Fette Fred

Er: Was für ein Tag ist heute?

Sie: Ich weiß nicht.

Er: Zeit spielt sowieso keine Rolle. Ich habe so ein Gefühl, dass heute seltsame Dinge geschehen, oder dass normale Dinge eine seltsame Wendung nehmen werden. So als würde etwas aus den Fugen geraten; so als wüsste ich nicht einmal über die allereinfachsten Tatsachen Bescheid. Weißt du, was ich meine?

Sie: Wie sollte ich? Man kann ja nicht ins Innere anderer Leute schauen. Früher dachte ich immer, dass es in zwischenmenschlichen Dingen etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, aber seit ich Dich kenne, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Wir können vielleicht mit der Zeit lernen, wie der andere tickt. Aber du scheinst dafür nicht die nötige Geduld mitzubringen. Oder liegt es daran, dass du keine Zeit hast?

Er: Das kann gut sein. Das wäre anders, wenn du mich mehr unterstützen würdest. Auch emotional...

Sie: Jetzt mach aber mal einen Punkt! Allmählich bekomme ich das Gefühl, wir stecken heute in vertauschten Rollen.

Er: Versuchst du jetzt, mir mit Vulgärpsychologie zu kommen? Ein Mann muss tun, was er eben tun muss, und dafür braucht er...

Sie: ...einen guten Psychiater.

Er: Lass das doch! Inzwischen müsstest du wissen, dass ich es nicht leiden kann, wenn andere meine Persönlichkeit nicht ernst nehmen. Das gilt auch für dich, mein Schatz! Woran denkst du beispielsweise, wenn du dir eingestehst, dass du mich liebst?

Sie: Das ist ein großes Wort. Aber es stimmt, sonst wäre ich jetzt nicht hier, und würde mir diesen Unsinn anhören. In guten wie in schlechten Zeiten, wie es so schön heißt...

Er: Ich glaube nicht, dass es etwas mit Zeit zu tun hat. Eher mit Bestimmung.

Sie: Das kann alles mögliche heißen. Könntest du dich etwas präziser ausdrücken?

Er: Die Dinge die sind, sind eben so wie sie sind.

Sie: Was meinst du damit?

Er: Das ist doch offensichtlich.

Sie: Immer dieses nebulöse Gerede! Wir haben vorhin über eine ganz bestimmte Beziehung zwischen zwei ganz bestimmten Menschen gesprochen, die nun mal viel Zeit miteinander verbringen. Gibt es noch etwas, das du dazu sagen willst?

Er: Wir beide sind wie zwei Schiffe auf dem Ozean.

Sie: Hat das was damit zu tun, dass Wasser in großen Mengen vorhanden, und schwerer als Luft ist?

Er: So meine ich das nicht. Manchmal ist es echt nicht einfach, mit dir eine vernünftige Unterhaltung zu führen.

Sie: Dieses Kompliment kann ich mit gutem Gewissen zurückgeben.

Er: Dabei habe ich dich echt gern! Vielleicht ist es so, dass auch in uns verschiedene Elemente miteinander ringen. Lach jetzt bitte nicht: Ich finde, du hast etwas Mütterliches an dir.

Sie: Das liegt ja wohl in der Natur der Sache.

Er: Ich finde auch, dass du einen süßen Arsch hast, und das macht mich wirklich scharf.

Sie: Das merke ich, und es erregt mich in gewisser Weise.

Er: Aber so kommen wir nicht weiter. Wenn wir nur nicht in diesem blöden Café sitzen würden! Hast du gemerkt, dass der Kellner sich immer dann versteckt, wenn wir etwas von ihm wollen?

Sie: Er soll zur Hölle fahren! Dasselbe gilt für eine gewisse Person, mit der du so ausführlich über unsere Beziehung gesprochen hast. Wie war noch gleich der Name?

Er: Der Fette Fred?

Sie: Der Fette Fred...

Beide lehnen sich zurück, und schweigen für einen Moment, als würden sie tiefsinnigen Gedanken nachhängen. Vor ihnen stehen die inzwischen leeren Kaffeetassen. Die Luft ist erfüllt von fernem Gemurmel. Neben ihnen liegen unbeachtet einige Zeitungen. Endlich sagt der Mann etwas:

Er: Er soll zur Hölle fahren! Dasselbe gilt für eine gewisse Person, mit der du so ausführlich über unsere Beziehung gesprochen hast. Wie war noch gleich der Name?

Sie: So kommen wir nicht weiter. Wenn wir nur nicht in diesem blöden Café sitzen würden! Du hast ja schon gemerkt, dass der Kellner sich immer dann versteckt, wenn wir etwas von ihm wollen.

Er: Ich merke es, und es erregt mich in gewisser Weise.

Sie: Ich finde übrigens, dass du einen süßen Arsch hast, und das macht mich scharf.

Er: Das liegt vermutlich in der Natur der Sache.

Sie: Ich habe dich echt gern! Wie du schon sagtest: Vielleicht ist es so, dass auch in uns verschiedene Elemente miteinander ringen. Lach jetzt bitte nicht: Ich finde, auch du hast etwas Mütterliches.

Er: Dieses Kompliment kann ich mit gutem Gewissen zurückgeben.

Sie: Aber manchmal ist es nicht einfach, mit dir eine vernünftige Unterhaltung zu führen.

Er: Hat unser Problem etwas damit zu tun, dass Wasser in großen Mengen vorhanden, und schwerer als Luft ist?

Sie: Weil wir beide wie zwei Schiffe auf dem Ozean sind?

Er: Immer dieses nebulöse Gerede! Wir haben vorhin über eine ganz bestimmte Beziehung zwischen zwei ganz bestimmten Menschen gesprochen, die nun mal viel Zeit miteinander verbringen. Gibt es etwas, das du dazu sagen willst?

Sie: Ist das nicht offensichtlich?

Er: Wie meinst du das?

Sie: Die Dinge sind eben wie sie sind.

Er: Das kann alles mögliche heißen. Könntest du dich auch präziser ausdrücken?

Sie: Ich glaube nicht, dass Liebe etwas mit Zeit zu tun hat. Eher mit Bestimmung.

Er: Was für ein großes Wort! Aber es stimmt, sonst wäre ich jetzt nicht hier, und würde mir dein Gerede anhören. In guten wie in schlechten Zeiten, wie es so schön heißt...

Sie: Hör auf damit! Inzwischen müsstest du wissen, dass ich es nicht leiden kann, wenn andere mich nicht ernst nehmen. Das gilt auch für dich, Süßer! Woran denkst du eigentlich, wenn du dir eingestehen musst, dass du mich liebst? Und lass dir jetzt bloß nicht einfallen, eine blöde Antwort zu geben!

Er: An einen guten Psychiater.

Sie: Schon wieder diese Anklänge von Vulgärpsychologie! Ein Mensch muss tun, was er eben tun muss, und dafür braucht er...

Er: Jetzt mach aber mal einen Punkt! Allmählich bekomme ich das Gefühl, wir stecken in vertauschten Rollen.

Sie: Das kann gut sein. Es wäre anders, wenn du mich mehr unterstützen würdest. Gefühlsmäßig...

Er: Wie sollte ich? Man kann ja nicht ins Innere anderer Leute schauen. Früher dachte ich immer, dass es in zwischenmenschlichen Dingen etwas wie allgemeine Gemeinsamkeiten gibt, aber seit ich Dich kenne, habe ich da so meine Zweifel. Wir können vielleicht mit der Zeit lernen, miteinander klarzukommen. Aber du scheinst recht wenig Geduld mitzubringen. Oder hast du keine Zeit mehr für mich?

Sie: Zeit spielt keine Rolle. Ich habe das Gefühl, dass heute seltsame Dinge geschehen sind, oder dass normale Dinge eine seltsame Wendung genommen haben. So als wäre etwas aus den Fugen geraten; so als wüsste ich nicht einmal über die allereinfachsten Tatsachen Bescheid. Verstehst du?

Er: Nein, nicht wirklich. Ihr Frauen seid schwer zu durchschauen.

Sie lehnt sich zurück, nickt einige Male. Ihre Augen suchen die große Standuhr neben dem Eingang.

Sie: Sag mal: Was für ein Tag ist heute eigentlich?

 

Hallo Fritz,

Dein Experiment hat mir sehr gut gefallen.
Eine Zweierkiste, trotz oberflächlich geäusserten Gefühlen auf dem beziehungstechnischen Nullpunkt, beide unfähig, das Problem offen auf den Tisch neben die leeren Kaffeetassen zu legen.

Die Atmosphäre des Dialogs baut sich langsam auf, gipfelt im "toten Punkt" des fetten Freds (wie heissen die Vorwärtsrückwärtsdinger nochmal?) und läuft mit vertauschten Rollen wieder hinunter, allerdings mit leicht abgewandelten Phrasen, was den Text lebendig erscheinen lässt.

Sie: Hat das was damit zu tun, dass Wasser in großen Mengen vorhanden, und leichter als Luft ist?
Wasser leichter als Luft? Absicht oder Lapsus?

Gern gelesen,
Gruss ./

 

Hi dotslash,

danke fürs Lesen! Was für ein merkwürdiger Fehler... :)

 

Hi Fritz,

sehr schön. Bis zum fetten Fred dachte ich, Du wolltest auf irgendeinen Trick in der Dialogkonstruktion hinaus, aber dann kam der Wendepunkt. Hat mich gut unterhalten.

einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt
Schäm Dich, und das als Fast-Mathematiker! ;) "Einen gemeinsamen Nenner" reicht doch auch und ist nicht falsch.

Grüße,
Naut

 

Wie kommst Du dazu, mich als Fast-Mathematiker zu bezeichnen? Frecher Kerl! ;)

 

Hallo Fritz,

ein nettes Experiment, bis zum fetten Fred und zurück. Vllt eher ein absurdes Drama als eine Gesch:sealed: ... lieber nicht davon reden.;)

Zitat von Fritz an Naut
Wie kommst Du dazu, mich als Fast-Mathematiker zu bezeichnen?
Vllt wegen der Statistik?

Also, hat mir gut gefallen.
Gruß, Elisha

 

Hi Fritz!

Nicht schlecht, dein Experiment. Teilweise musste ich schon richtig lachen. Ein Ehepaar, das nebulöses Gerede von sich gibt, anstatt, wie dotslash treffend sagte, die Probleme auf den Tisch zu packen. Und im zweiten Teil zeigst du, dass dieselben Aussagen, in umgekehrter Reihenfolge ausgesprochen, genausoviel/genausowenig Sinn machen. Starke Idee! :thumbsup:

An einigen Stellen fand ich das Ganze etwas zu verrätselt. Es kommt irgendwie der Verdacht der Beliebigkeit auf.

Er: Wir beide sind wie zwei Schiffe auf dem Ozean.

Sie: Hat das was damit zu tun, dass Wasser in großen Mengen vorhanden, und schwerer als Luft ist?


Da hatte ich eine Weile dran zu kauen. Was meinst du denn damit?

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Elisha und Megabjörnie,

ist schon eine Weile her, dass ich letztes Mal hier war...
Eine kurze Umsetzung dieser Idee gibt es in Hofstadters "Gödel Escher Bach".
Ich hab mir eben gedacht: Mal schauen, ob ich das etwas länger durchhalten kann, als im Original (das "Krebs-Kanon" heißt).

Außerdem mag ich Palindrome. :)

Die Sache mit den zwei Schiffen auf dem Ozean und der Verweis auf Wasser und Luft soll zeigen, dass Metaphern nicht unbedingt eine Bedeutung haben müssen, und dass so gut wie alles eine Metapher für jeden x-beliebigen Gegenstand sein kann. :D

Dass einen hochtrabendes Gerede über Beziehungen überfordert, hat wohl jeder schon mal erlebt. Auch das war interessant: Zu versuchen, ob ich etwas zustande bringe, das so ähnlich klingt.

Wäre mal interessant, eine Umfrage zu starten, ob irgendwer es geschafft hat, GÖB von Anfang bis Ende durchzulesen. :)

Lieben Gruß,

Fritz

 

Hi Fritz,

Eine kurze Umsetzung dieser Idee gibt es in Hofstadters "Gödel Escher Bach".
Ach, deshalb kam es mir bekannt vor. ;)

Wäre mal interessant, eine Umfrage zu starten, ob irgendwer es geschafft hat, GÖB von Anfang bis Ende durchzulesen.
Meinst du GEB? Also einiges, aber nicht ganz.

Gruß, Elisha

 

Hallo Fritz,

Ich fand es auch sehr unterhaltsam. Während der Dialog bis zur Hälfte etwas träge, wenn auch nicht leblos erscheint, so konnte ich mir bei Teil II ein Dauergrinsen nicht verkneifen. Eine gute Idee gut umgesetzt, würde ich sagen. Nur die von MB angesprochene Beliebigkeit ist mir auch aufgefallen, just an eben der Stelle, an der es auch ihm aufgefallen ist.

Gruß,
HienTau

 

Experi

Hallo Fritz,

so etwas Ähnliches hab ich schon mal gelesen … vielleicht bei Hofstatter? (Im Zusammenhang mit dem Krebskanon?)
Jedenfalls ist es interessant, diesen „Mechanismus“ der Umkehrung auf eine Beziehung anzuwenden. Wenn man merkt, dass die Sache rückwärts läuft, trotzdem en „Dialog“ sein könnte ergibt sich als Effekt so eine Bloßstellung, macht direkt nachdenklich.
Könnte man vielleicht auch mit nem Dialog aus einer TV-Novela probieren oder mit Politikerreden.
Schöner Text.

aquata

 

Hallo Fritz,

als einzige Schwachstelle empfinde ich die Mitte. Sobald es rückwärts läuft, spannt der Leser sofort, was los ist. Der Focus verschiebt sich in Richtung "mal weiterlesen und schauen, ob's klappt". Andererseits ist dies als Folge der konsequenten Umsetzung natürlich unvermeidlich.

Im Oktober gab es schon mal eine Geschichte, die sich vorwärts wie rückwärts lesen lässt. War auch gelungen. Ich fand Deine Geschichte lesenswert.

Viele Grüße
nic

 

Hallo aquata und nictita,

danke auch für Eure Bemerkungen. Das "Vorbild" war, wie gesagt, Hofstadters Krebskanon aus "Gödel Escher Bach" und das Thema ausschweifendes Gerede über Beziehungen. Das Konzept "Palindrom" lässt sicher noch eine Reihe von tollen Experimenten zu. Vielleicht eine Reihe von Situationen, die immer wieder ineinander übergehen wie ein Perpetuum Mobile. (Nur so eine Idee)

Lieben Gruß,

Fritz

 

aquata schrieb:
so etwas Ähnliches hab ich schon mal gelesen … vielleicht bei Hofstatter? (Im Zusammenhang mit dem Krebskanon?)

Ich wusste gar nicht, dass seine Bücher so berühmt sind, dass man mal eben so einen Text daraus erwähnen kann. Meinst du "Einsicht ins Ich" oder "Gödel, Escher, Bach"?

 

Servus Berg!

Das nenne ich ein interessantes Experiment! Gute Idee, diese zur Schau gestellte Beliebigkeit von Floskeln innerhalb eines aneinander vorbei geredeten Beziehungs-Gesprächs! Richtig spannend fand ich die zweite Hälfte, da die umgekehrte Zuordnung der Aussagen doch gewisse Rückschlüsse auf geschlechtsspezifische Eigenheiten zulässt. :D

So, und jetzt werde ich mich mit dem Konzept "Palindrom" befassen. Danke für die Anregung!


LG
Antonia

 

Moin Berg!

Mir sagt dein Experiment überhaupt nicht zu. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum das ganze Gespräch nochmals mit vertauschten Rollen abläuft, es macht beim besten Willen einfach null Sinn, egal wie man es dreht und wendet. Der "Dreher" im Dialog wirkt sich auch negativ auf die Charakterisierung aus denn Sätze wie

Das wäre anders, wenn du mich mehr unterstützen würdest. Auch emotional...

können unmöglich aus dem Mund eines heterosexuell veranlagten Mannes kommen und im Grunde könnte das Ganze auch komplett ein Gespräch zwischen zwei Frauen sein.

Fazit: Keine Ahnung, was dein Text dem Leser sagen soll, vielleicht irgendwas mit Schizophrenie und Transsexuallität ... :confused:

Ciao, Marvin

 

huhu berg

den inhalt fand ich zwar :zensiert: , aber das experimt ist dir definitiv gelungen. vllt machst du beim nächsten mal, einen etwas interessanteren dialog, als dieses unsinnige aneinandervorbei reden.

Zitat:
Das wäre anders, wenn du mich mehr unterstützen würdest. Auch emotional...


können unmöglich aus dem Mund eines heterosexuell veranlagten Mannes kommen


das glaube ich auch nicht, aber wenn man bedenkt...hmm. wir leben im 21 jahrhundert. also warum net??

cu joblack87:zensiert:

 

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