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der Anfall

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20.03.2003
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der Anfall

Was muss das für ein Gefühl sein, wenn du weißt, dass du demnächst sterben wirst?
Wenn du deinen Tod schon seit Wochen genau vor Augen hast und wenn du genau weißt, wie es sich ereignen wird?
Stell dir vor, du sitzt allein mitten in einem kleinen Zimmer, in einer kleinen Wohnung im vierten Stockwerk, draußen ist es dunkel, du hörst, wie die Regentropfen hart gegen dein Fenster schlagen.
Das einzige Licht kommt von dem kleinen Fernseher , dessen flimmernde Bilder wie eine bunte Maske auf dein Gesicht scheinen.
Du hörst, wie der Wind pfeift und es kommt dir vor, als dränge dir das schauerliche Geräusch durch jede Pore, als würde jeder Millimeter deiner Haut wird von der Kälte gestreift werden.
Wie eine Spinne krabbelt sie ganz langsam über deinen Rücken, eine Welle der Grauens packt dich, reißt dich mit und lässt dich wieder los.
Jeder deiner Sinne ist bis aufs Äußerste gespannt.
Du riechst die Kälte, du nimmst sie als bitteren Geschmack auf deiner Zunge wahr, die Kälte und die Angst, die sie unweigerlich mit sich bringt. Wie eine eiskalte Hand umschließt sie dein Herz. Du hörst dich nur noch selbst atmen, dein Herz klopft.
Alles um dich herum scheint in einem Meer der Belanglosigkeit zu versinken. Die Werbesendung im Fernsehen, der Regen, ja selbst das Pfeifen des Windes scheint sich zunehmend von dir zu entfernen.
Alles, was bleibt, ist die klamme Hand des Todes, die sich immer fester um dein Herz zu schließen droht.

Stille

Du fühlst nichts mehr, keine Kälte und nicht einmal mehr die Angst.
Du versuchst, einen klaren Gedanken zu fassen.
Aber es will dir einfach nicht gelingen.
Alles, was dir einmal etwas bedeutet hat, scheint plötzlich so extrem belanglos, ja geradezu lächerlich zu sein.
Deine Familie, dein Haus, dein Geld, dein….
Warum versuchst du es überhaupt noch, wo doch nichts von Alldem noch das geringste Fünkchen Wert zu haben scheint?
Was bringt es dir, zu leben, wenn dein Leben dir nichts bedeutet?
Welchen Sinn hat es dann noch?
Welchen Wert?
Du fühlst nichts, als die Stille, die dich umgibt.
Nur die reine, blanke, unpersönliche … Stille.
Doch langsam, ganz langsam und allmählich, schleicht sich die Angst an.
Sie scheint innezuhalten.
Wie ein Raubtier scheint sie zu warten, zu lauern um im richtigen Moment aufzuspringen und dich zu zerreißen.
Dann beginnt sie wieder zu schleichen.
Sie kommt Schritt für Schritt näher und noch bevor du sie auch nur erahnen kannst hat sie bereits Besitz von dir ergriffen.
Das Raubtier bohrt seine Krallen tief in dein Fleisch, es scheint eine Ewigkeit zu dauern.
Es ist immer noch ruhig.
Es ist ZU ruhig!
Warum ist es so ruhig?
Nicht einmal dein Atem ist mehr zu hören.
Atmen Menschen nicht normalerweise?
Wieso atmest du nicht mehr?
Plötzlich weicht die Angst zurück und macht einem noch stärkeren Raubtier Platz, der Panik!
Warum atmest du nicht mehr?
Was ist mit dir los?
Warum kannst du nicht schreien?
Mit einem Schlag bist du wieder in deinem Wohnzimmer!
Alles kehrt in Bruchteilen von Sekunden zurück, der Fernseher, der Regen, die Kälte … die Angst!
Erleichtert atmest du ein.
„Wieder ein Anfall!“, denkst du, „Heute Nacht hab ich überlebt. Und morgen Nacht?“

 

Hi,

interessante Erzählperspektive, die zweite Person, quasi jedenfalls. Dadurch versuchst Du, den Leser in die Geschichte hinein zu ziehen. Anschließend beschreibst Du einen Zustand. Erst kurz vor Schluss passiert etwas. Abgesehen von einer diffusen Angst vor irgendeinem Anfall (den nimmst Du ja in der Überschrift vorweg) entsteht so keine Spannung. Ich denke, dass man mehr Raum braucht, damit Spannung überhaupt entstehen kann. Man muss mehr erfahren über den Protagonisten, über seine Situation. Die Gefahr muss konkreter sein. Bei einer Verfolgungsjagd ist sie das zum Beispiel: Entkommt der Flüchtige oder wird er eingeholt?
Da der Versuch, Spannung aufzubauen, der einzige wesentliche Inhalt Deiner Geschichte zu sein scheint, und dieser Versuch zumindest in Bezug auf mich fehlschlägt, fürchte ich, dass die Story ihr Ziel verfehlt.
Deine sprachlichen Kunstgriffe wirken sicher auf verschiedene Menschen unterschiedlich. Ich finde, dass Du sehr viele abgegriffene Formulieren verwendest: Die eiskalte Hand, die das Herz umschließt (sogar zweimal), den Tod "vor Augen haben", Krallen, die sich ins Fleisch bohren. Natürlich regnet es, es ist dunkel und windig. Im Grunde ist das genau richtig, um die gewünschte Atmosphäre herzustellen. Aber in dieser Atmosphäre muss auch etwas stattfinden, bei Deiner Geschichte bleibt sie eine leere Hülle.

Im Zusammenhang mit einem Artikel, den ich gestern noch im Zug auf dem Rückweg von unserer Lesung verschlungen habe, ist mir was aufgefallen. Wenn man jemandem sagt, dass er sich vorstellen soll, wie er dies oder jenes tut, dann entsteht in den Köpfen der meisten Leute ein Bild, in dem sie sich außerhalb ihres Körpers befinden. Sie sehen sich selbst zu. An einer Stelle ist Dir genau das passiert: Das Fernsehbild wirf eine Maske aufs Gesicht. Das kann man nur von außen sehen, nicht mit eigenen Augen. Ist nur so eine Bemerkung, vielleicht für den einen oder anderen interessant :bla:

Fazit: Du versuchst, allein über Sprache Spannung zu erzeugen, nicht durch ein Geschehen. Bei mir funktioniert das jedenfalls nicht.

Uwe

 

@Uwe P.
Danke für deine einschätzung,
Ich habe mir die Geschichte eben nochmal durchgelesen und habe gemerkt, was du meinst.
Das Problem bei dieser Geschichte ist meiner Meinung nach, dass sie einfach im falschen genre gelandet ist.
Aber lass mich erklären:
Geplant war das ganze als Experiment (Wäre daher nett, wenn ein mod es bei Gelegenheit in "Experimente" verschieben könnte) bei dem ich einzig und allein Spannung zu erzeugen versuchte die fesselnd genug ist um das Nichtvorhandensein einer Grundidee dahinter zu verbergen.
Somit konnte ich zwar meine Fähigkeit zum "dramatischen" austesten, habe mich allerdings auch selber getäuscht und die story trotz fehlender Handlung doch dem Genre "Spannung" zugeschrieben.
Das liegt wohl auch daran, dass der Autor seine Geschichte immer auf eine komplett andere Art durchlebt, wie die Leser, oder geht es dir nicht so?
Ich bin jedenfalls gespannt, wie das bei anderen ankommt.
Wenn sich dann herausstellt, dass ich absolut kein Händchen für solche Sachen habe, kann ich ja immernoch andere Genres austesten (Dann natürlich mit einer anständigen Handlung)
Bis dann

V€IL

 

Hi veil,
Dein Posting erklärt die Sache. Allerdings legt Deine Äußerung, dass Du etwas austesten wolltest, nahe, dass es sich eher um eine Schreibübung als eine Geschichte bzw. ein Experiment handelt. Wie auch immer: Im diesem Lichte betrachtet ist die Geschichte sprachlich okay, ich halte allerdings meine Kritik zu den abgegriffenen Bildern aufrecht. Vermutlich ist mir das aber nur so stark aufgefallen, weil eben nichts anderes da war, auf das ich hätte achten können: keine Handlung eben. Denn selbstverständlich ist es legitim, bekannte Bilder zu verwenden, um Grusel damit auszulösen. Das mit neuen Bildern zu schaffen, ist schon ziemlich schwierig.

Uwe

 

Hallo, Veil!

Ich stimme Uwe bei den abgegriffenen Formulierungen zu, glaube aber, daß sie gar nicht so schlimm wären, wenn der Leser nicht ständig durch Fragen zur "Interaktion" gezwungen wäre. IMHO würde der Text besser funktionieren, wenn er keine Fragen stellen würde.
Die Atmosphäre, die Du z.B. mit...

Das Raubtier bohrt seine Krallen tief in dein Fleisch, es scheint eine Ewigkeit zu dauern. Es ist immer noch ruhig. Es ist ZU ruhig!
... aufbauen willst, zerstörst Du mit...
Warum ist es so ruhig?
...wieder, indem Du den Leser zwingst, zu reflektieren, statt nur "wahrzunehmen".

Auch bei Sätzen wie...

Alles, was dir einmal etwas bedeutet hat, scheint plötzlich so extrem belanglos, ja geradezu lächerlich zu sein.
...zwingst Du den Leser zur Reflexion (Was hat mir was bedeutet? Warum ist es jetzt lächerlich? etc). Das hebt ihn immer wieder ein Stück aus der Atmosphäre heraus.
Besser fände ich puren, glatten Atmosphärenaufbau, den der Leser einfach nur auf sich einwirken lassen kann.
Also - um mal die schon zitierten Sätze zu nehmen - vielleicht folgendermaßen: "Nichts hat noch Bedeutung. Alles ist belanglos... Das Raubtier bohrt seine Krallen tief in dein Fleisch, langsam, ewig langsam. Es ist ruhig. Es ist ZU ruhig..."

Der Text müßte IMHO ähnlich funktionieren wie eine Suggestion, aber man muß eine solche (als Leser) auf sich einwirken lassen können. Also nicht so viel "Dir ist, als wenn du dieses und jenes fühlst" sondern "Du fühlst genau das".
Aus diesem Grunde würde ich auch mit "Stell dir vor, du sitzt in einem Zimmer..." anfangen. Und dann nur noch "jetzt passiert dieses, jenes, welches..."

Ich hoffe, daß ich mich verständlich ausgedrückt habe (und daß ich nicht so viele technische Fehler gemacht habe - das ist mein erstes Posting hier). :confused:

Dein Experiment finde ich interessant. Nicht so schnell aufgeben, das wird schon noch rund. ;)

Gruß Nicky

 

Hi Nicky,
Danke für deine Kritik, Ich denke, ich werde sie später gleich dementsprechend überarbeiten und dann evtl. unter den Kommentaren neu posten.

Grüße an alle im Forum,

V€IL

 

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