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Das, was uns am Leben hält

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02.01.2011
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Das, was uns am Leben hält

Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die schwarze Schlafmaske wie die Augen eines Insekts. Ich öffne die Box mit den Blutzuckermessstreifen. Die Sonne strahlt durchs Fenster. Glänzender Schweiß in meinen Handflächen, die Linien darin wie eine Maserung. Der Kühlschrank brummt. Draußen das Rauschen des Wassers. Ich steche den Stift in die Spitze meines Ringfingers. Blut quillt dunkel wie Kirschsaft heraus. Die Strömung. Geschwindigkeit und Kraft. Der Geruch von Algen klettert durchs Fenster. Auf der Digitalanzeige des Blutzuckermessgeräts: 58.

Du fährst mich nach Bad Mergentheim, in deinem alten Mitsubishi. Rostbraune Dellen im silbernen Blech, obwohl du Meisterin im Rückwärtseinparken bist. Es ist ein Krankenhaus nur für Diabetiker, das größte Deutschlands. Auf dem Parkplatz gehen wir zum Ticketautomat. Ein Vogel scheißt dir auf den Kopf. Ich versuche, mit dem Wasser aus meiner Flasche den Dreck aus deinen Haaren zu waschen.
„Es ist gleich elf.“
„Ja.“
Am Ticketautomaten verabschieden wir uns.
„Ich liebe dich.“
Wir küssen uns.
„Ich liebe dich auch.“
Du steckst dir die Haare hoch.
Ich gehe mit meinem großen Wanderrucksack auf dem Rücken zum Krankenhauseingang.
Die Schiebetüren öffnen sich.
Ich wache im Krankenhausbett auf.
Mir ist kotzübel.
Eine Infusion steckt in meiner Armbeuge.
„Blutzucker 38!“, sagt die Schwester. Epileptischer Anfall im Foyer. Zunge verschluckt.
„Wenn Ihnen das zuhause passiert, wachen Sie nicht mehr auf.“
„Ich weiß.“
Abends verlasse ich mein Krankenhauszimmer. Im Erdgeschoss ziehe ich mir aus dem Snackautomaten Kaffee schwarz. Zwei dünne Papierhenkel am Pappbecher. Ich drücke sie zusammen. Ein Mädchen sitzt im Rollstuhl und weint. Es ist schwer einzuschätzen, wie alt sie ist. Sechzehn. Zwanzig. Sie trägt bunte Leggins und Birkenstock. Sie ist äußerst dünn. Blonde, kurze Haare. Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen. Es ist ein stilles, erschöpftes Weinen. Die Hand hält sie abschirmend vor die Augen. Ihr nackter Fuß ist blau und geschwollen. „Es tut so weh“, sagt sie zur Frau hinter der Rezeption.
Später erfahre ich durch Zufall, dass ihr Fuß amputiert werden wird.
In einem Kurs über Ernährung sehe ich sie wieder. Wir sitzen alle auf Klappstühlen. Der Ernährungsberater steht vorne an einem Pult. Er erklärt, wie man mit einem Löffel die Kohlenhydrate von Reis schätzen kann. Das Mädchen sitzt außen in ihrem Rollstuhl und weint noch bitterlicher als am Vorabend. Wieder die Hand vor den Augen. Das Sterben ist bereits in sie eingezogen. Sie sitzt so eingesunken im Rollstuhl, dass ich einen Moment Sorge habe, sie falle heraus. Katzenbuckel. Diese Art des Weinens; sie wirkt so verloren wie ein Kind, aber gleichzeitig ist da etwas sehr Altes, Reifes.

Der Kaffee tröpfelt in die Glaskanne. Gegenüber Fachwerkfassaden mit weißem Stuck, angestrahlt von gleißendem Sonnenlicht. Daneben dreckig und beige das Studentenwohnheim. Zwei Dutzend Leute in Sakkos und Hemden. Abendkleider. Amerikanischer Sprech. Ein Sektkorken knallt. Lachen und Klatschen. Auf unserer Seite des Flusses sitzt auf dem Steg unser Nachbar in Badehose. Sonnenbrille. Kastanienbraune Haare stehen ihm vom Kopf ab. In der Hand hält er eine Tasse, zwischen den Fingern eine Selbstgedrehte. Die Beine überschlagen.
Er sieht mich an. „Amis!“
Er nickt über den Fluss und grinst.

Ich kneife das Bauchfett zusammen und drücke die Nadel in die Haut. Das Rauschen des Flusses. Fünfzig Meter weiter mündet er in einer Wasserkraftanlage. ACHTUNG! LEBENSGEFAHR! Meine Freundin liegt im Wohnzimmer und liest einen Roman von Jospeh Roth.

Im Treppenhaus liegt der Nachbar.
Auf dem Boden.
Schaut aufs Handy.
Hinter den Fahrrädern.
Er spuckt.
„Alles jut?“, frage ich.
Er winkt ab und grinst.
An seiner Wange ist eine Schürfwunde.
Seine Jeans sind dreckig am Knie.
Er stützt sich an der Wand ab und kommt auf die Beine.
„Ganz schön getankt, was?“
Er schließt die Augen, streift sich über das Gesicht.
Seine Hände sind tätowiert.
„Was muss, das muss.“
Da ist etwas von Schalk in seinen Augen.
„Was muss, das muss“, sagt er noch einmal.
Er humpelt zur Wohnungstür. Der Schlüssel fällt auf den Boden.
Er blickt mich an und lacht.
Frech wie ein Junge, der einen Streich spielt.
Er hebt den Schlüssel auf.
Im Flur ein Mountainbike mit fluoreszierendem Rahmen. Holzdielen.
Er humpelt ins Bad.
Der Vermieter hat die gleiche Küchenzeile verbaut wie bei uns.
Ich öffne erst die Oberschränke, dann die Unterschränke.
Kaffee von Dallmayr.
Ich setze den Filter ein. Die Klospülung geht.
Er streckt sich die Arme über dem Kopf. Sein Blick wandert von meinem linken ins rechte Auge. Dann legt er seine Hände auf meine Wangen. Sie sind weich wie Frauenhände.
Er küsst mich auf den Mund. Auch seine Lippen sind weich.
Er nimmt seine Hände von meinen Wangen. Streicht sich durchs Haar. All das Wasser, das zur Schleuse strömt. Es war vor uns auf Erden. Und wird hier sein am Ende aller Tage. Die Kaffeemaschine gurgelt. Er legt den Kopf in den Nacken. Schließt die Augen.
Ein spitzbübisches Grinsen.
„Manchmal muss ich wissen, dass die ganze Welt brennen könnte“, sagt er.
Er öffnet die Augen, blickt mich an und grinst. „Verstehst du das?“

Es ist die Regnitz, die vor unserem Haus fließt.
Blut in meinen Venen.
Der Zucker darin.
Das künstliche Insulin.
Regungslos liegt meine Freundin im Bett, auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin.
Ich gehe in die Knie.
Das Rauschen des Flusses.
All das Wasser fließt ins Meer.
Kein Tropfen geht jemals verloren.
Strecke Arme und Beine von mir.
Schließe die Augen.

 
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Hey @zigga

Cool, mal wieder was von Dir zu lesen. Der Text hat mich sogleich angesprochen, weil dein Erzähler Diabetiker ist und sich da gewisse Erinnerungen in mir regen, nicht, weil ich selbst oder jemand den ich kenne an Diabetes erkrankt wäre, sondern weil ich lange für ein Unternehmen in der Medizinaltechnik tätig war, dass sich auf Diabetikerbedarf spezialisiert hat (Insulinpumpen, Injektionspens etc.). Anyway: Deine Geschichte versprüht für mich - ich nenne es mal - eine schöne Tristesse. Das mag jetzt etwas gegensätzlich klingen, aber mir gefällt das stilistisch und erzählerisch grösstenteils gut, deshalb finde ich das 'schön', dazu der Inhalt, der mich doch diese Trostlosigkeit und eben Tristesse spüren lässt. Die Freundin des Erzählers ist wohl seelisch erkrankt, an Schizophrenie oder Depressionen, darauf lassen mich zumindest die Angaben ihrer Medikamente schliessen.

Ich wache auf. Einen Moment überlege ich, wo ich bin. Die Sonne strahlt durchs Küchenfenster. Kalter Schweiß auf meiner Stirn.
Der Beginn liest sich etwas generisch, obwohl er gut passt, ich habe einfach das Gefühl, ich lese oder habe schon sehr viele Geschichten gelesen, die mit jemandem beginnen, der aufwacht.

Kalter Schweiß auf meiner Stirn.
Meine Hände zittern; der glänzende Schweiß in meinen Handflächen.
Das liest sich nach den Symptomen einer Hypoglykämie, was dann ja auch bestätigt wird:
Digitalanzeige des Blutzuckermessgeräts erscheint: 50
Ich nehme an, die Masseinheit hier ist mg/dL (soweit ich weiss werden in Deutschland beide Einheiten, also auch mmol/L verwendet, aber hier müsste es ersteres sein), wobei dies gerade an der Schwelle zu einer schweren Unterzuckerung ist, da finde ich die körperlichen Symptome des Protas noch relativ harmlos. Weitere Symptome könnten sein: Herzklopfen, starker Hunger, Nervosität, Schwindel, Kopfschmerzen. Ich hoffe, das wirkt an der Stelle nicht zu belehrend, will ich nämlich nicht, fand einfach, Du hättest noch das ein oder andere Symptom mehr nehmen können, um zu verdeutlichen, wie sich der Erzähler fühlt, oder besser gesagt, wie sich eine Hypoglykämie anfühlt.

Die Schwester sagt: „Blutzucker 38. Nicht gut!“
Finde ich zu erklärend. Ich denke, der Leser kann durchaus selbst schlussfolgern, dass dieser Wert zu tief ist bzw. etwas damit nicht stimmt: "Blutzucker 38!" Da schwingt ja automatisch mit, dass dieser Wert nicht in Ordnung ist, weil die Schwester sonst was anderes sagen würde.

Ich hätte einen epileptischen Anfall gehabt, im Foyer.
Ich hätte auf dem Boden meine Zunge verschluckt.
Würde ich auch streichen, scheint mir nicht wirklich relevant.

Später erfahre ich, dass es nicht sicher ist, ob ihr Fuß amputiert wird oder nicht.
Vielleicht: [...] ob ihr Fuß amputiert werden muss oder nicht?

Ein Teil von ihr wird begraben werden. Oder im Krankenhaus-Abfall verbrannt.
Das habe ich nicht ganz verstanden. Warum wird ein Teil von ihr im Krankenhaus begraben oder im Abfall verbrannt?

Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Das würde ich rausnehmen, mir gefällt der Vergleich nicht so recht, das Mädchen als Reh zu bezeichnen, das klingt irgendwo so verniedlicht und auch bisschen abgelutscht, ich denke da sofort an Rehaugen etc., und dann auch die Bärenfalle. Das vorher scheint mir lebensnaher, hier wird es mir zu abstrakt mit diesen Tiervergleichen. Kann aber sein, ich habe es nur nicht richtig verstanden.

Ich kneife das Bauchfett zusammen. Ich drücke die Nadel des Insulinpens in meine Haut.
Im Bad sehe ich den Sensor an meinem Arm. Auf meinem Handy sehe ich: Glukose: 108.
Ich will nicht sagen, dass das falsch ist, aber es erscheint mir doch nicht ganz zutreffend, er spritzt sich noch oldschool manuell mit einem Pen, hat aber bereits einen Sensor, der kontinuierlich seine Blutzuckerwerte ausliest. Normalerweise haben solche Anwender (mit Sensor und App) dann auch eine Pumpe, oder nicht? Ausserdem misst er den BZ dann auch noch mit Stift und Teststreifen. Wie gesagt, kann ja gut sein, dass er das so macht. Und ich nehme an, Du kennst jemanden, der DiabetikerIn ist, oder hast gut recherchiert, zumindest liest sich das insgesamt ziemlich authentisch, was das Krankheitsbild anbelangt.

An manchen Stellen spüre ich sie nicht, an anderen schmerzt sie wie eine Reißnadel, in die man tritt.
Nun ja, hier habe ich etwas Mühe mit 'schmerzt wie eine Reißnadel, in die man tritt', denn man spritzt sich ja nie in die Fußunterseite, oder? Es liest sich hier etwas so. Hat er eventuell eine Gewebeverhärtung, weil er sich zu oft in dieselbe Stelle gespritzt hat und schmerzt es deshalb?

So, ich belasse es jetzt hier mal, was das Diabetiker-Thema anbelangt, will mich da jetzt nicht zu hart drauf versteifen :-)

Er schließt die Augen.
An seiner Wange eine Schürfwunde.
Seine Jeans ist am Knie dreckig.
Er öffnet die Augen.
Er stützt sich an der Wand ab und kommt auf die Beine.
„Ganz schön getankt?“, sage ich.
Er lehnt an der Wand.
Schließt die Augen.
Streift sich über das Gesicht, über die langen, blonden Haare.
„Alles klar?“, sage ich.
Er öffnet die Augen.
Ab hier wird mir der Stil teilweise zu stakkato-haft, zu aufzählerisch. Das liegt hauptsächlich an den sehr ähnlichen Satzanfängen, oft ist das ein 'Er'. Ist sicherlich Geschmackssache, mir wurde es aber etwas zu viel. Hier auch eine solche Stelle:
Die Türschwelle; die Holzdielen seiner Wohnung.
Weiße IKEA-Schränke. Spiegel. Pinnwand aus Draht. Mountainbike mit fluoreszierenden Rahmen.
Er humpelt ins Bad. Die Gürtelschnalle.
Das wirkt auf mich wie ein Abhaken von Punkten auf einer Art Liste. Ich glaube, ich hatte Dir das auch schon unter einer deiner anderen Stories geschrieben, nimm es bitte nicht persönlich, ist nur mein bescheidener Geschmack ;-) Anderen gefällt's bestimmt viel besser.

Das Blut in meinen Venen.
Der Zucker darin.
Das, was uns lebendig hält.
Das künstliche Insulin.
Meine Freundin, die im Bett liegt.
Regungslos.
All die Stoffe in ihren Venen.
Auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin und Hypnorex.
All die Dinge, die uns am Leben halten.
Das hingegen gefällt mir sehr gut (auch die Stelle mir dem Nachbar dann: 'Der Schalk in seinen Augen. Das, was ihn am Leben hält.'). Wir sind alle Wasser, alle gleich in dem Sinne, Menschen, die Worte haben etwas Fliessendes an der Stelle (Blut in den Venen, Stoffe), wie eben das Wasser, aber für jeden ist es etwas anderes, was ihn am Leben hält. Wobei es hier natürlich eine düstere Komponente hat, das Insulin, welches der Erzähler zum Leben braucht, die Medikamente, die seine Freundin braucht, um nicht in Depressionen zu versinken, positiv dagegen der Schalk des Nachbarn, der aber ziemlich schwerer Trinker zu sein scheint, was dann dieses positive Bild doch wieder trübt. Ich finde die Stelle wie gesagt gelungen und sie sinkt schön ein bei mir. Ich denke, hier erreicht mich die Story, deine Worte, am meisten/stärksten.

Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben.
Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist.
Ich weiss nicht, wie alt der Erzähler und seine Freundin sind, aber für mich klang der Erzähler noch ziemlich jung, also jetzt noch keine vierzig oder fünfzig, ich finde daher, das liest sich doch etwas stark nach älteren Leuten, die über ihr Leben sinnieren. Vor allem auch, weil mir hier der Kontext etwas fehlt: Was hätte er denn anders machen wollen?

Insgesamt eine ziemlich Runde Sache, finde ich. Düster, traurig, bisschen Hoffnungslosigkeit, also genau richtig, für einen Samstagmorgen nach dem zweiten Kaffee :D Gerne gelesen!

Viele Grüsse,
d-m

 

Lieber @zigga,

ich hatte eben diesen fast schon üblichen Standardsatz "Ich habe deine Geschichte gerne gelesen", schreiben wollen und ihn dann wieder gelöscht. Nein, ich habe sie nicht gern gelesen, weil sie so bedrückend war und mir nach Bedrücktsein gar nicht grad zumute ist.

Du weißt, wie ich es meine. Deine Geschichte gibt eine traurige, fast schon düstere Stimmung von sich, sehr gelungen, dass du keinen Meter in eine andere Richtung abzweigst und über allem schwebt die Vergänglichkeit und der Tod.
Und eine gewisse Portion Stoik. Genau das gibt ein interessantes Gegengewicht.

Dein Protagonist verbreitet so eine gewisse Gelassenheit mit dem, was er tut und wie er beschreibt, was er tut und was er erlebt und erleidet und man spürt, dass er einerseits mit sich abgeschlossen hat, das ist hocherschreckend, andererseits wirkt es auch wie ein neues Leben, das aus diesem Sichabfinden erwächst. Gute Mischung, die Spannung erzeugt.

Ich merke gerade, wie viele Gedanken du mit dieser Geschichte bei mir auslöst. Das mag ich!
Ich habe viel zu wenig Ahnung über diese Erkrankung Diabetis, weiß nur, dass es bei Über- und auch bei Unterzuckerung echt lebensbedrohlich werden kann, aber dass die Medizin hier schon viele Erkenntnisse besitzt und man mit dieser Erkrankung leben kann, so weit man sich an die Regeln hält.

Dann finde ich interessant, wie du die Freundin beschreibst. Ebenfalls eine fast noch zerissenere Person. Einerseits fährt sie ihn ins Krankenhaus, andererseits weist du auf heftige Medikamente hin, die ich erstmal googeln musste. Sie ist also scheinbar psychisch erkrankt oder? Man fragt sich, wie das Verhältnis zwischen beiden ist. Sind sie mehr gegenseitige Hilfe oder mehr Seelenverwandte im Elend ihrer beider Erkrankungen oder einfach nur zusammengewürfelte Menschen, die alsbald sich wieder trennen werden?

Gut fand ich ebenfalls die Szene mit dem Kaffeekochen und der kurzen Unterhaltung des Protagonisten mit dem kaputten Nachbarn und vor allen Dingen, dass du, bevor du diese Figuren ganz in den Abgrund abstürzen lässt, ihnen den Schalk in den Augen gönnst. Denn, obwohl der Protagonist diesen Schalk nicht in den eigenen Augen hat, so empfinde ich es doch so, als habe er diesen Schalk letztendlich auch in sich erblickt. Gefällt mir dieser leichte Schwenk ins Positive.

Der Geruch der Algen, der durchs Fenster klettert.
Hier hast du mich auf die falsche Fährte geleitet, weil ich Algen automatisch mit Meer verbinde. Ich dachte, ok, die wohnen also am Meer. Später ist es dann aber ein Fluss.
Vogeldreck aus deinen Haaren zu Waschen.
waschen. Diese Vogeldreckszene finde ich eklig, also ich könnte deswegen auch auf sie verzichten.
Als ob sie bereits jede Träne für diesen Schmerz vergossen hätte; aber trotzdem weiter weint.
Gute Darstellung.
Das Sterben, das bereits in ihr eingezogen ist.
Mein Sprachgefühl, also grammatikalisch bin ich da nicht auf der Höhe, würde anstelle von "ihr" "sie" nehmen.
Ein Teil von ihr ist bereits tot.
Wenn man diesen Satz wegließe? Ich fand ihn zuviel.
Die Kohlenhydrate wie der Berater erklärt, abgemessen zu haben.
Ich glaube, hinter Kohlehydrate müsste ein Komma.
Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.
Einerseits fand ich diese Aussage zu heftig und obendrein dir Formulierung etwas hölzern. Kann dir aber leider keinen Gegenvorschlag unterbreiten.
Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Super Bild!
Der Fluss rauscht vor den Fenstern.
Genau hier denk ich: Huch, ist ja gar kein Meer.
„Hingeballert?“, frage ich.
„Ach“, sagt er. „Was muss. Das muss.“
Was wäre, wenn du diese beiden Sätze streichst?
Er bücke sich, hebt den Schlüssel auf.
bück t e
Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Ich hab verstanden, was du meinst, aber ich mag diesen Satz nicht. Ich finde ihn nicht ideal formuliert. Auf der anderen Seite ist er so spröde, dass er vielleicht doch wieder in die Atmosphäre deiner Geschichte passt. Bin unentschieden. Später taucht er ja nochmals in ähnlicher Form wieder auf. Da ging es mir wiederum so.
Ein Teil von uns ist bereits tot.
Ist mir zuviel an Aussage hier an dieser Stelle. Wie wäre es mit streichen?

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @zigga
Ich mochte diesen Ausflug in die "schöne Tristesse", wie es @deserted-monkey so treffend formulierte. Genau das war meine Empfindung beim Lesen.
Toll auch der wiederkehrende Bezug zum Wasser vs. Vergänglichkeit, alles ist im Fluss, und deine Protas treiben mit. Eigentlich müsste bei Abschiedsreden Asche zu Asche, Wasser zu Wasser ... :D

Mountainbike mit fluoreszierenden Rahmen.
mMn besteht ein Fahrrad aus einem Rahmen, somit "fluoreszierendem"

Er legt seine Hände auf meine Wangen.
Seine Hände sind weich wie die einer Frau.
Er schließt die Augen.
Küsst mich auf den Mund.
Auch seine Lippen sind weich; weich wie von einer Frau.
Darüber wundere ich mich in diesem Augenblick.
Aber Lippen sind Lippen.
Was habe ich mir gedacht?
Wieso, der Nachbar hat doch ihn geküsst.
Aber any way, das ist für mich eine der berührensten Szenen. Klar, der Nachbar, stockbesoffen, hat das Bedürfnis und lässt es ungeniert raus, dein Prot lässt es ohne grosse Gegenwehr geschehen und versucht es dabei genau richtig einzuschätzen. So quasi danke, dass du kurz für mich da bist. Ich mochte die ganze Küchenszene, die war so total – menschlich.

„Manchmal brauche ich das“, sagt er. „Manchmal muss ich fühlen, dass ich am Leben bin.“
Hier sehe ich deinen Erzähler grübeln: 'wie meint er das jetzt, fremde Männer zu küssen, oder wie?'

Er grinst und sagt: „Manchmal muss ich auf Reset schalten. Damit ich ein Mensch bleibe. Verstehst du das?
Ah, hier dämmerts ihm: Grenzerfahrung suchen, damit man seiner eigenen Existenz wieder bewusst wird.

Spannend auch, wie gewisse Stellen unterschiedlich wahrgenommen werden.

Ein Teil von ihr ist bereits tot. Ein Teil von ihr wird begraben werden. Oder im Krankenhaus-Abfall verbrannt.
Das fand ich zum Beispiel total stark, weil klar wird dass der Fuss tatsächlich amputiert werden musste.

Eine gute, nachhallende Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.
Liebgruss dot

 

Hallo,

Das hier ist mein erster Kommentar in diesem Forum. Also bitte mit entsprechender Vorsicht gewiesen und gerne auch Feedback dazu geben :)

Cookity


Das, was uns am Leben hält
Wenn ich den Text richtig verstehe geht es nicht um etwas was uns am Leben hält. Überhaupt nicht. Eventuell kann man auf das was der Nachbar sagt referenzieren. Aber das stimmt nicht ganz überein:
Damit ich ein Mensch bleibe.
Später kommt die Sache mit dem Leben nochmal vor:
Das, was ihn am Leben hält
Aber stimmiger wäre es wenn der Nachbar den Satz auch sagen würde. Eventuell als Schlusssatz:
Dass ich hier gewesen bin.
Aber dafür müsste der Teil inhaltlich wohl etwas geändert werden.

einem türlosen Raum
Ich habe ein Problem mir das vorzustellen. Ein türloser Raum der an eine Küche mit Fenster anschließt?

Als Nicht-Diabetiker kann ich diesen Wert nicht zuordnen.

Du hast mich
Vermutlich ist hier die erwähnte Freundin gemeint. Aber mir ist der Perspektivenwechsel nicht klar.

Aus zwanzig Meter Höhe
Das muss ein großer Patzen gewesen sein damit man ihn aus 20m Entfernung noch sieht. Und warum hat der Protagonist hochgesehen? Er wird den Patzen ja wohl kaum gehört haben.


Ein Teil von ihr ist bereits tot
Habe ich erst beim zweiten Lesen verstanden, dass es sich wohl um den Fuß handelt. Wobei es vermutlich auch um ein inneres Absterben geht. Dafür spricht der Satz gegen Ende.
Ein Teil von uns ist bereits tot.
Aber so richtig gut kommt das nicht raus.

Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Der gedankliche Sprung vom Krankenhaus in den Wald zum Reh verlangt einiges ab. Vielleicht gibt es einen besseren Vergleich der sich besser eingliedert? (Siehe auch alternative Kommentare weiter unten.)

In der Hand hält er eine Tasse und eine selbstgedrehte Zigarette.
Er hält beides in nur einer Hand? Würde man das tun wenn man gemütlich am Fluss sitzt?

Der angrenzende Wald ist dunkel.
Wenn der Absatz weiter oben stehen würde würde die Sache mit dem Reh vielleicht besser funktionieren.

in diesem Augenblick
Wozu hier der "Augenblick" hier? Eventuell löschen?

Die Ausweglosigkeit. Vor dem, was bevorsteht.
Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben.
Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist.
Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.
Das Aufbäumen gegen das große Ganze, das man immer verliert.
Das Schicksal als die große Macht, die sich gegen einen gewandt hat.
Der Tod, der hinter jedem Schatten lauert.
Hier könnte ich mir eine Referenz auf die Ausweglosigkeit des Rehs wieder vorstellen. Die anderen Sätze sind teilweise Wiederholungen. Mir fehlt das Reh hier beinahe ;)

 
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Ich wache auf. Einen Moment überlege ich, wo ich bin.
Moin, Zigga.

Please no. Nicht DIESEN Anfang. Drölfzig Texte beginnen so.

Die Sonne strahlt durchs Küchenfenster. Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Der Kühlschrank brummt.
Auch hier, ich weiß nicht ... die wirken wie so Hammerschläge: JETZT BITTE ATMOSPHÄRE!, aber das kommt bei mir nicht an. Ein gutes Detail reicht doch schon aus, du musst das nicht so herausstellen. Ich mache das ja auch, aber mir fällt dann oft auf, wenn ich diese Texte nach einer Weile noch mal lese oder überarbeite, dass solche beschreibenden Aussagen immer irgendwie wie Fremdkörper wirken. Das hängt auch mit der Perspektive zusammen. Das Ich wird das so nie wahrnehmen: Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Da wird auch eine Dramatik aufgemacht, die hier gar nicht vonnöten ist. Vielleicht ein Detail, wie er merkt, dass das Sonnenlicht durch eine fehlende Rippe in der Jalouise immer das gleiche Muster macht und so und so viel Uhr, und er genau darauf wartet.
Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die Arme von sich gestreckt. Die Schlafmaske groß und schwarz im Gesicht, als hätte sie die Augen eines Insekts.
Auch ihr. Sagt er zu sich selbst: Meine Freundin? Warum denn nicht den Namen? Lisa, Mia, Pia, Zoe? Dann auch das mit der Maske: warum denkt er denn, sie hätte Augen wie ein Insekt? Die Maske lässt die Augen doch gerade frei, oder nicht? Da passt was mit dem Bild nicht so ganz. Warum muss das auch beschrieben werden, dieser Vergleich? Das reicht doch schon so, das steht für sich alleine, dieses Bild. Und da wird auch nicht verweilt, einmal das krasse Ding - Schlafapnoe - direkt weiter zum nächsten krassen Ding, Blutzuckermessstreifen. Wieso nicht kurz verweilen, er beobachtet sie beim Atmen, was ist das überhaupt für eine Beziehung, wie stehen die zueinander, das könnte man da alles drin finden.
Meine Hände zittern; der glänzende Schweiß in meinen Handflächen. Die Linien darin, wie eine Maserung. Aus dem Fenster höre ich den Fluss rauschen. Das Rauschen des Wassers; das Brummen des Kühlschranks; das gleichmäßige Atmen meiner Freundin.
Auch hier. Sagt er selbst: Die Linien im glänzenden Schweiß meiner Handflächen sehen aus wie eine Maserung. Das ist ja 100% Autor, oder? Und das merke ich hier. Danach auch diese kurzen, hastigen Sätze: Fluss, Rauschen, Brummen, Atmen. Was denn nun? Was ist hier das wichtigste Bild? Schon zweimal das Brummen des Kühlschranks, warum ist das genauso wichtig wie das Atmen der Freundin? Er hört den Fluss ja auch nicht aus dem Fenster, sondern wenn, dann hinter oder durch das geöffnete Fenster, oder nicht?
Ich gehe mit dem Koffer in der Hand und dem Rucksack auf dem Rücken zum Krankenhauseingang. Hände desinfizieren. Maske auf. Schiebetüren öffnen sich.
Danach weiß ich nichts mehr.
Ich wache im Krankenhausbett auf.
Mir ist kotzübel.
Eine Infusion liegt in meiner Armbeuge.
Die Schwester sagt: „Blutzucker 38. Nicht gut!“
Ich hätte einen epileptischen Anfall gehabt, im Foyer.
Ich hätte auf dem Boden meine Zunge verschluckt.
Der Arzt wäre minutenlang nicht an sie rangekommen. Die Kiefer seien zusammengepresst gewesen.
„Wenn Ihnen das zuhause passiert“, sagt sie, „wachen Sie nicht mehr auf.“
„Ja“, sage ich.
Ich würde das ausdünnen. Eher so im Vagen lassen, dass sich der Leser denk Rest selber denkt. Das mit der Zunge klingt auch mißverständlich, weil es müsste ja heißen: Als ich auf dem Boden lag, habe ich meine Zunge verschluckt. So klingt das sonst irgendwie seltsam, als würde er seine auf dem Boden liegende Zunge verschlucken.

Abends gehe ich aus dem Krankenzimmer. Im Erdgeschoss ziehe ich mir aus dem Snackautomaten Kaffee Schwarz. Im Foyer, bei der Anmeldung, sehe ich ein Mädchen. Es ist schwer einzuschätzen, wie alt sie ist. Sechzehn. Zwanzig. Sie sitzt im Rollstuhl und weint. Sie trägt bunte Leggins und Birkenstock. Keine Socken. Sie ist äußerst dünn. Blonde, kurze Haare. Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen. Es ist ein stilles, erschöpftes Weinen. Die Hand hält sie abschirmend vor die Augen. Als ob sie bereits jede Träne für diesen Schmerz vergossen hätte; aber trotzdem weiter weint. Ihr nackter Fuß ist blau und geschwollen.
Auch hier: Das Weinen, das ist zu viel. Er fällt um und überlebt gerade so, dann das. Mir fehlt auch hier der Fokus, auf wessen Leiden wird denn der Fokus gelegt? Wenn alle in dem Text leiden, kann ich mich nicht so richtig entscheiden. Die Freundin, Atemmaske, er Diabetes, das Mädchen wird wahrscheinlich amputiert.
Später erfahre ich, dass es nicht sicher ist, ob ihr Fuß amputiert wird oder nicht.
Vom wem erfährt er das? Erzählt ihm das die Krankenschwester einfach so? Ich meine, Datenschutz, Patientengeheimnis? Er müsste sie doch fragen, er müsste den Mut aufbringen und hingehen und fragen, was los ist, und dann antwortet die Mutter oder so: Wir wissen nicht, ob sie den Fuß verliert. DA wäre auch die Dramatik erfühlbar, weil er etwas riskiert hat.
Als ob sie bereits jede Träne für diesen Schmerz vergossen hätte; aber trotzdem weiter weint.
Das ist auch so ein Satz, der müsste doch eigentlich entpackt werden. Er sieht sie da so verklemmt und müde weinen, und dann weiß der Leser: SO ist das!

Sie weint noch bitterlicher als am Vorabend. Die Hand vor den Augen. Der Oberkörper eingesunken. Das Sterben, das bereits in ihr eingezogen ist. Ein Teil von ihr ist bereits tot. Ein Teil von ihr wird begraben werden. Oder im Krankenhaus-Abfall verbrannt. All das Unglück, das noch auf einen wartet. Die Ausweglosigkeit. Die Panik in ihrem Weinen. Vor dem Unausweichlichen.
Ich weiß nicht ... mir ist das zu viel. Zuviel aufeinmal. Das liest sich fast wie Düsterkitsch. All das Unglück ... ja, das soll aber einem doch der Text erzählen, darüber will ich eine Geschichte lesen.
Der angrenzende Wald ist dunkel. Die Bäume hoch. Blätter in saftigem Grün.
Ich dachte, der Wald ist dunkel, wie kann er dann die saftig grünen Blätter sehen?

„Manchmal brauche ich das“, sagt er. „Manchmal muss ich fühlen, dass ich am Leben bin.“
Er sieht mich an, den Kopf im Nacken.
Er grinst und sagt: „Manchmal muss ich auf Reset schalten. Damit ich ein Mensch bleibe. Verstehst du das? Damit ich in dieser Welt ein Mensch bleiben kann. Manchmal muss ich dorthin, wo keiner ist. Nur dann weiß ich, dass ich lebe. Dass ich hier gewesen bin.
Sagt er das wirklich so, in diesem Tonfall? "Damit ich in dieser Welt ein Mensch bleiben kann?" Ich weiß nicht, das klingt für mich auch wieder 100% nach Autor. Das ist einfach alles zu viel, so redet doch niemand. Lass ihn doch gar nichts sagen, die Geste für sich stehen lassen.
All die Stoffe in ihren Venen.
Auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin und Hypnorex.
All die Dinge, die uns am Leben halten.
Das Sterben, das in uns eingezogen ist.
Ein Teil von uns ist bereits tot.
Die Ausweglosigkeit. Vor dem, was bevorsteht.
Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben.
Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist.
Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.
Boah, ich weiß nicht ... das ist schon echt schwer auf die Tube gedrückt. Das liest sich auch wie so ein Sermon in der Kirche: Das Sterben, der Teil der tot ist, die Ausweglosigkeit, der Wunsch, der Schmerz, das Schicksal.

Erstmal weiß ich nicht, worum geht es hier überhaupt? Auf wem liegt der Fokus? Dem Erzähler, der Freundin, dem Mädchen, diesem anderen Typen, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht? Das sind alles so Vignetten, die aber nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, die wabern da so lose im Universum herum, aber es gibt nichts, das sie verbindet - klar, man kann sagen, Schicksal, Schmerz etc, aber das wird alles nur durch den Erzähler zusammengehalten, die haben keinerlei Funktion innerhalb der Narrative. Hier ist alles düster, und das wird mir auch permament unter die Nase gerieben, der Schimmel an den Wänden, die alten Häuser, das ist mir persönlich einfach zu viel gewollte Dramatik, das hat der Text auch gar nicht nötig. Mich würde die Geschichte im Krankenhaus interessieren, das mit dem Mädchen, wie er da vorsichtig und behutsam die Information entpackt. Warum ist die Freundin da, welche Funktion hat sie? Warum dieser besoffene Kaputtnik, der ihn küsst? Der sagt seinen Satz auf, aber was macht er für die Geschichte, der ist doch im Grunde eine Art Selbstzweck, oder?

Also, da steckt in dem Kern sicher eine sehr erzählenswerte Geschichte drin. So, wie der Text jetzt ist, ist mir das zu viel, zu gewollt, auch zu wenig erzählt, zu sehr auf Behauptung aufgebaut, und zu tränendrüsig. Was Diabetes mit ihm macht, wie sich sein Leben, seine Zukunft ändert, was er alles nicht mehr machen kann, wie das seine Beziehung verändert etc, davon lese ich nie was. Alles ist schon immer so, in dem Text, und es wird immer so bleiben. Da ist keinerlei Bewegung und auch keinerlei Aussicht auf Bewegung, weil immer dann, wenn es so werden könnte, brichst du das ab. Das Mädchen im Krankenhaus erzählt ihm, was sie alles nicht mehr machen könne, wenn sie ihr den Fuß amputieren. DAS ist eventuell auch seien Zukunft. Die Frage: Für was lohnt es sich zu leben? Für was stehen wir auf? Der Kaputtnik beantwortet diese Frage auch nicht, der sagt nur, er braucht das mit dem Küssen, um sich lebendig zu fühlen. Der Text gefällt sich zu sehr in seiner eigenen Ausweglosigkeit, nur Tristesse royal reicht nicht, und ich weiß, dass du das anders kannst, dass du das geil erzählen könntest.

Klingt nach viel Kritik, war es auch, aber deswegen sind wir ja hier, oder? Nichts für ungut, alles konstruktiv, hoffe ich :D

Gruss, Jimmy

 

Moin, Leute! Danke euch vielmals für das sehr gute Feedback.

Der Reihe nach:

@deserted-monkey

Der Text hat mich sogleich angesprochen, weil dein Erzähler Diabetiker ist und sich da gewisse Erinnerungen in mir regen, nicht, weil ich selbst oder jemand den ich kenne an Diabetes erkrankt wäre, sondern weil ich lange für ein Unternehmen in der Medizinaltechnik tätig war, dass sich auf Diabetikerbedarf spezialisiert hat (Insulinpumpen, Injektionspens etc.).
Krass!

Cool, mal wieder was von Dir zu lesen.
Danke dir

Deine Geschichte versprüht für mich - ich nenne es mal - eine schöne Tristesse. Das mag jetzt etwas gegensätzlich klingen, aber mir gefällt das stilistisch und erzählerisch grösstenteils gut, deshalb finde ich das 'schön', dazu der Inhalt, der mich doch diese Trostlosigkeit und eben Tristesse spüren lässt.
Freut mich

Ich wache auf. Einen Moment überlege ich, wo ich bin. Die Sonne strahlt durchs Küchenfenster. Kalter Schweiß auf meiner Stirn.
Der Beginn liest sich etwas generisch, obwohl er gut passt, ich habe einfach das Gefühl, ich lese oder habe schon sehr viele Geschichten gelesen, die mit jemandem beginnen, der aufwacht.
Da habt ihr völlig recht, haha. Ich werde mal sehen, ob ich hier noch zeitnah nachschraube, oder ob ich das Teil mal ein paar Monate liegen lassen muss oder wie ich damit verfahre, aber danke für den Hinweis

Digitalanzeige des Blutzuckermessgeräts erscheint: 50
Ich nehme an, die Masseinheit hier ist mg/dL (soweit ich weiss werden in Deutschland beide Einheiten, also auch mmol/L verwendet, aber hier müsste es ersteres sein), wobei dies gerade an der Schwelle zu einer schweren Unterzuckerung ist,
Ja, du hast Recht, ich werde das ein wenig nach oben schrauben

Ich hätte einen epileptischen Anfall gehabt, im Foyer.
Ich hätte auf dem Boden meine Zunge verschluckt.
Würde ich auch streichen, scheint mir nicht wirklich relevant.
Gekauft

Später erfahre ich, dass es nicht sicher ist, ob ihr Fuß amputiert wird oder nicht.
Vielleicht: [...] ob ihr Fuß amputiert werden muss oder nicht?
Gekauft

Ein Teil von ihr wird begraben werden. Oder im Krankenhaus-Abfall verbrannt.
Das habe ich nicht ganz verstanden. Warum wird ein Teil von ihr im Krankenhaus begraben oder im Abfall verbrannt?
Ich meinte den Fuß

Ich kneife das Bauchfett zusammen. Ich drücke die Nadel des Insulinpens in meine Haut.

Im Bad sehe ich den Sensor an meinem Arm. Auf meinem Handy sehe ich: Glukose: 108.
Ich will nicht sagen, dass das falsch ist, aber es erscheint mir doch nicht ganz zutreffend, er spritzt sich noch oldschool manuell mit einem Pen, hat aber bereits einen Sensor, der kontinuierlich seine Blutzuckerwerte ausliest. Normalerweise haben solche Anwender (mit Sensor und App) dann auch eine Pumpe, oder nicht? Ausserdem misst er den BZ dann auch noch mit Stift und Teststreifen. Wie gesagt, kann ja gut sein, dass er das so macht. Und ich nehme an, Du kennst jemanden, der DiabetikerIn ist, oder hast gut recherchiert, zumindest liest sich das insgesamt ziemlich authentisch, was das Krankheitsbild anbelangt.
Ja, das kommt denke ich auf den Anwender drauf an, es gibt meiner Bescheidenen Recherche nach durchaus noch viele Pen-Leute, der Sensor ist seit ein paar Jahren eigentlich bei jedem, der es möchte. Die Teststreifen werden genommen zur Kontrolle bei Unterzuckerungen, da die Sensoren oft daneben liegen!

Er schließt die Augen.
An seiner Wange eine Schürfwunde.
Seine Jeans ist am Knie dreckig.
Er öffnet die Augen.
Er stützt sich an der Wand ab und kommt auf die Beine.
„Ganz schön getankt?“, sage ich.
Er lehnt an der Wand.
Schließt die Augen.
Streift sich über das Gesicht, über die langen, blonden Haare.
„Alles klar?“, sage ich.
Er öffnet die Augen.
Ab hier wird mir der Stil teilweise zu stakkato-haft, zu aufzählerisch. Das liegt hauptsächlich an den sehr ähnlichen Satzanfängen, oft ist das ein 'Er'. Ist sicherlich Geschmackssache, mir wurde es aber etwas zu viel. Hier auch eine solche Stelle:

Die Türschwelle; die Holzdielen seiner Wohnung.
Weiße IKEA-Schränke. Spiegel. Pinnwand aus Draht. Mountainbike mit fluoreszierenden Rahmen.
Er humpelt ins Bad. Die Gürtelschnalle.
Das wirkt auf mich wie ein Abhaken von Punkten auf einer Art Liste. Ich glaube, ich hatte Dir das auch schon unter einer deiner anderen Stories geschrieben, nimm es bitte nicht persönlich, ist nur mein bescheidener Geschmack ;-) Anderen gefällt's bestimmt viel besser.
Ja, danke für das Feedback! Ist gerade so eine stilistische Sache, die ich gerne mag, aber ich nehme dein Feedback mit

Das Blut in meinen Venen.
Der Zucker darin.
Das, was uns lebendig hält.
Das künstliche Insulin.
Meine Freundin, die im Bett liegt.
Regungslos.
All die Stoffe in ihren Venen.
Auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin und Hypnorex.
All die Dinge, die uns am Leben halten.

Erweitern ...
Das hingegen gefällt mir sehr gut (auch die Stelle mir dem Nachbar dann: 'Der Schalk in seinen Augen. Das, was ihn am Leben hält.'). Wir sind alle Wasser, alle gleich in dem Sinne, Menschen, die Worte haben etwas Fliessendes an der Stelle (Blut in den Venen, Stoffe), wie eben das Wasser, aber für jeden ist es etwas anderes, was ihn am Leben hält. Wobei es hier natürlich eine düstere Komponente hat, das Insulin, welches der Erzähler zum Leben braucht, die Medikamente, die seine Freundin braucht, um nicht in Depressionen zu versinken, positiv dagegen der Schalk des Nachbarn, der aber ziemlich schwerer Trinker zu sein scheint, was dann dieses positive Bild doch wieder trübt. Ich finde die Stelle wie gesagt gelungen und sie sinkt schön ein bei mir. Ich denke, hier erreicht mich die Story, deine Worte, am meisten/stärksten.
Schön, danke!

Insgesamt eine ziemlich Runde Sache, finde ich. Düster, traurig, bisschen Hoffnungslosigkeit, also genau richtig, für einen Samstagmorgen nach dem zweiten Kaffee :D Gerne gelesen!
Danke, freut mich, ob ich mit dem Text zufrieden bin oder was mit ihm anfangen mag, bin ich mir noch nicht sicher! :D

Danke sehr fürs Lesen und Kommentieren!

@lakita

Danke schön auch dir fürs Lesen und Kommentieren!

ich hatte eben diesen fast schon üblichen Standardsatz "Ich habe deine Geschichte gerne gelesen", schreiben wollen und ihn dann wieder gelöscht. Nein, ich habe sie nicht gern gelesen, weil sie so bedrückend war und mir nach Bedrücktsein gar nicht grad zumute ist.


Du weißt, wie ich es meine. Deine Geschichte gibt eine traurige, fast schon düstere Stimmung von sich, sehr gelungen, dass du keinen Meter in eine andere Richtung abzweigst und über allem schwebt die Vergänglichkeit und der Tod.
Und eine gewisse Portion Stoik. Genau das gibt ein interessantes Gegengewicht.

Schön! Ob mir die Geschichte gefällt, ich bin mir selbst noch nicht sicher, haha

Dein Protagonist verbreitet so eine gewisse Gelassenheit mit dem, was er tut und wie er beschreibt, was er tut und was er erlebt und erleidet und man spürt, dass er einerseits mit sich abgeschlossen hat, das ist hocherschreckend, andererseits wirkt es auch wie ein neues Leben, das aus diesem Sichabfinden erwächst. Gute Mischung, die Spannung erzeugt
Schön! Das ist eine interessante Rückmeldung, dass du etwas Stoisches darin liest auch, aber das kann man so lesen

Ich merke gerade, wie viele Gedanken du mit dieser Geschichte bei mir auslöst. Das mag ich!
Ich habe viel zu wenig Ahnung über diese Erkrankung Diabetis, weiß nur, dass es bei Über- und auch bei Unterzuckerung echt lebensbedrohlich werden kann, aber dass die Medizin hier schon viele Erkenntnisse besitzt und man mit dieser Erkrankung leben kann, so weit man sich an die Regeln hält.
Ja, ist immer so eine Gradwanderung, ich hab keinen Bock auf Krankheitsgeschichten oder dass das Überhand nimmt, aber irgendwo ist ein körperliches Manko auch eine schöne Metapher für das Innenleben, und Teil der menschlichen Existenz. Ist natürlich immer dann eine Gradwanderung, was kann man dem Leser zutrauen, wie viel versteht man als Laie, wie viel muss man verstehen, wie viel interessiert überhaupt. Ich hab zumindest die lebensbedrohliche Komponente, die ja eine Rolle spielt im Weltbild des Prots, rüberzubringen im kursiven Teil

Gut fand ich ebenfalls die Szene mit dem Kaffeekochen und der kurzen Unterhaltung des Protagonisten mit dem kaputten Nachbarn und vor allen Dingen, dass du, bevor du diese Figuren ganz in den Abgrund abstürzen lässt, ihnen den Schalk in den Augen gönnst. Denn, obwohl der Protagonist diesen Schalk nicht in den eigenen Augen hat, so empfinde ich es doch so, als habe er diesen Schalk letztendlich auch in sich erblickt. Gefällt mir dieser leichte Schwenk ins Positive.
Interessante Lesart!

Ein Teil von ihr ist bereits tot.
Wenn man diesen Satz wegließe? Ich fand ihn zuviel.
Ja, kann man diskutieren!

Die Kohlenhydrate wie der Berater erklärt, abgemessen zu haben.
Ich glaube, hinter Kohlehydrate müsste ein Komma.
Stimmt!

Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.
Einerseits fand ich diese Aussage zu heftig und obendrein dir Formulierung etwas hölzern. Kann dir aber leider keinen Gegenvorschlag unterbreiten.
Ja, verstehe ich! Danke für die Anmerkung

Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Super Bild!
Ah, danke! Die einen mögen's, die anderen hassen's! :D

„Hingeballert?“, frage ich.
„Ach“, sagt er. „Was muss. Das muss.“
Was wäre, wenn du diese beiden Sätze streichst?
Das ist auch ein interessanter Vorschlag! Ist notiert

Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Ich hab verstanden, was du meinst, aber ich mag diesen Satz nicht. Ich finde ihn nicht ideal formuliert. Auf der anderen Seite ist er so spröde, dass er vielleicht doch wieder in die Atmosphäre deiner Geschichte passt. Bin unentschieden. Später taucht er ja nochmals in ähnlicher Form wieder auf. Da ging es mir wiederum so.
Du hast Recht!

Lakita, vielen liebe Dank für dein genaues Lesen inkl. Flusenlesen. Die Streichkandidaten sind ebenso wertvoll und notiert. Wo ich mit dem Text hingehe, ob ich ihn evtl. ganz neu aufrolle oder er mir in der derzeitigen Form zufriedenstellend gefällt insgesamt, muss ich noch drüber sinnieren! :D Ich bin so halb hin und her gerissen. Aber danke für deine Rückmeldung!

Lieber @dotslash

Danke für deine Rückmeldung!

Ich mochte diesen Ausflug in die "schöne Tristesse", wie es @deserted-monkey so treffend formulierte. Genau das war meine Empfindung beim Lesen.
Toll auch der wiederkehrende Bezug zum Wasser vs. Vergänglichkeit, alles ist im Fluss, und deine Protas treiben mit. Eigentlich müsste bei Abschiedsreden Asche zu Asche, Wasser zu Wasser ... :D
Schön, danke!

Mountainbike mit fluoreszierenden Rahmen.
mMn besteht ein Fahrrad aus einem Rahmen, somit "fluoreszierendem"
stimmt!

Er legt seine Hände auf meine Wangen.
Seine Hände sind weich wie die einer Frau.
Er schließt die Augen.
Küsst mich auf den Mund.
Auch seine Lippen sind weich; weich wie von einer Frau.
Darüber wundere ich mich in diesem Augenblick.
Aber Lippen sind Lippen.
Was habe ich mir gedacht?

Erweitern ...
Wieso, der Nachbar hat doch ihn geküsst.
Aber any way, das ist für mich eine der berührensten Szenen. Klar, der Nachbar, stockbesoffen, hat das Bedürfnis und lässt es ungeniert raus, dein Prot lässt es ohne grosse Gegenwehr geschehen und versucht es dabei genau richtig einzuschätzen. So quasi danke, dass du kurz für mich da bist. Ich mochte die ganze Küchenszene, die war so total – menschlich.
Danke für die Rückmeldung!

Eine gute, nachhallende Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.
Schön, das freut mich natürlich, dot! Danke dir fürs Zeitnehmen!

Hallo @Chookity

Das hier ist mein erster Kommentar in diesem Forum. Also bitte mit entsprechender Vorsicht gewiesen und gerne auch Feedback dazu geben :)
Da fühle ich mich geehrt. Vielen Dank für dein kritisches, aber faires Feedback!

Das, was uns am Leben hält
Wenn ich den Text richtig verstehe geht es nicht um etwas was uns am Leben hält. Überhaupt nicht.
Ja, das kann man so sehen!
Allgemein: Ich freue mich über jedes Feedback und bin dankbar um die Zeit und Energie, wenn jemand meine Texte liest und feedbacked. Ich hab ein wenig das eigene Dogma, mich nicht verteidigend vor meine Texte zu stellen oder so im Nachgang überzuerklären, weil ich finde, Prosa muss für sich stehen, für sich funktionieren. Wenn es Erklärungsbedarf nach dem Lesen gibt, stimmt entweder etwas an der Konstruktion nicht, oder der Text ist eben aus irgendeinem Grund nichts für den Leser. Will sagen: Vielen Dank für den Leseeindruck und dass du auch die Prämisse oder die kommunizierte Prämisse des Titels infrage stellst! Das ist konstruktive Textarbeit. Ich würde allerdings sagen, und jetzt springe ich natürlich doch ein wenig vor meinen Text :D dass die Mittel, die die Figuren "am Leben" halten - Insulin, Alkohol/Sex, Antidepressiva - ja schon eine Rolle im Text spielen. Jede Figur hat sein Mittelchen, ohne das es nicht geht. Das muss natürlich aus dem Text kommen, diese Prämisse, wenn das nicht funktioniert, liegt es am Text. Aber wenn du es so siehst, dass:

Eventuell kann man auf das was der Nachbar sagt referenzieren. Aber das stimmt nicht ganz überein:

Damit ich ein Mensch bleibe.
Später kommt die Sache mit dem Leben nochmal vor:

Das, was ihn am Leben hält
Aber stimmiger wäre es wenn der Nachbar den Satz auch sagen würde. Eventuell als Schlusssatz:

Dass ich hier gewesen bin.
Aber dafür müsste der Teil inhaltlich wohl etwas geändert werden.
... ist das völlig legitim.

einem türlosen Raum
Ich habe ein Problem mir das vorzustellen. Ein türloser Raum der an eine Küche mit Fenster anschließt?
Gibt es doch öfter mal! :D Wieso nicht?

Als Nicht-Diabetiker kann ich diesen Wert nicht zuordnen.
Ja, ist immer eine Frage, was erklärt man dem Leser im Text, was lässt man offen, was versucht man indirekt zu erklären! Aber danke für das Feedback an der Stelle

Du hast mich
Vermutlich ist hier die erwähnte Freundin gemeint. Aber mir ist der Perspektivenwechsel nicht klar.
Ja, du hast Recht! Da wechsel die Perspektive ... hatte mich auch gefragt, ob das stört, aber bis jetzt bist du der einzige, dem es negativ auffiel (was nicht heißt, dass es illegitim ist - nur ein Fazit meinerseits)

Ein Teil von ihr ist bereits tot
Habe ich erst beim zweiten Lesen verstanden, dass es sich wohl um den Fuß handelt. Wobei es vermutlich auch um ein inneres Absterben geht. Dafür spricht der Satz gegen Ende.

Ein Teil von uns ist bereits tot.
Aber so richtig gut kommt das nicht raus.
Ah, ok. Ich denke mal drüber nach

Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Der gedankliche Sprung vom Krankenhaus in den Wald zum Reh verlangt einiges ab. Vielleicht gibt es einen besseren Vergleich der sich besser eingliedert? (Siehe auch alternative Kommentare weiter unten.)
Ja, kann man so sehen, danke für den Hinweis. Aber hey, ich finde, ich hab echt schon durcheres Zeug gelesen :D Also, das ist assoziativ geschrieben, klar, aber für mich geht das klar

In der Hand hält er eine Tasse und eine selbstgedrehte Zigarette.
Er hält beides in nur einer Hand? Würde man das tun wenn man gemütlich am Fluss sitzt?
Stimmt!

Der angrenzende Wald ist dunkel.
Wenn der Absatz weiter oben stehen würde würde die Sache mit dem Reh vielleicht besser funktionieren.
Hier könnte ich mir eine Referenz auf die Ausweglosigkeit des Rehs wieder vorstellen. Die anderen Sätze sind teilweise Wiederholungen. Mir fehlt das Reh hier beinahe
Gute Idee!

Hallo @jimmysalaryman

Ich wache auf. Einen Moment überlege ich, wo ich bin.
Moin, Zigga.

Please no. Nicht DIESEN Anfang. Drölfzig Texte beginnen so.

Hahaha. Sorry dafür. Du hast natürlich völlig recht. Ich habe mich hinreißen lassen

Die Sonne strahlt durchs Küchenfenster. Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Der Kühlschrank brummt.
Auch hier, ich weiß nicht ... die wirken wie so Hammerschläge: JETZT BITTE ATMOSPHÄRE!, aber das kommt bei mir nicht an. Ein gutes Detail reicht doch schon aus, du musst das nicht so herausstellen. Ich mache das ja auch, aber mir fällt dann oft auf, wenn ich diese Texte nach einer Weile noch mal lese oder überarbeite, dass solche beschreibenden Aussagen immer irgendwie wie Fremdkörper wirken. Das hängt auch mit der Perspektive zusammen. Das Ich wird das so nie wahrnehmen: Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Da wird auch eine Dramatik aufgemacht, die hier gar nicht vonnöten ist. Vielleicht ein Detail, wie er merkt, dass das Sonnenlicht durch eine fehlende Rippe in der Jalouise immer das gleiche Muster macht und so und so viel Uhr, und er genau darauf wartet.
Ja, du hast schon Recht. Perspektive ist auch ein gutes Stichwort. Das ist ein wenig der ewige Streit zwischen Show und Tell, und was würde die Figur WIRKLICH in der Situation denken und sagen.
Im Endeffekt mag ich es stilistisch sehr, wenn man ausschließlich showed, und vielleicht schreibe ich das Teil hier auch noch mal dahingehend um, du hast schon Recht und danke dir fürs Zurechtweisen, wenn es um stilistische Patzer geht, haha.
Ja, ich denke mal drüber nach!

Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Da wird auch eine Dramatik aufgemacht, die hier gar nicht vonnöten ist.
Kalter Schweiß - das ist natürlich Schuld der Textkonstruktion und letztendlich von mir, wenn ein Diabetiker halt in so eine schon lebensgefährliche Unterzuckerung kommt, ist ein Symptom plötzlicher kalter Schweiß auf der Stirn (frag mich nicht, wieso). Ich glaube, wenn man das nicht weiß, könnte das comichaft wirken, als würde er wegen seinem menschlichem Dilemma thrillermäßig schwitzen, so war es nicht gemeint. Aber wie gesagt, Schuld ist der Text, da muss ich natürlich abwägen, wie viel verrate und erkläre ich, wie viel lass ich einfach mal passieren und sag nix dazu.

Das hängt auch mit der Perspektive zusammen. (...)
Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die Arme von sich gestreckt. Die Schlafmaske groß und schwarz im Gesicht, als hätte sie die Augen eines Insekts.
Auch ihr. Sagt er zu sich selbst: Meine Freundin? Warum denn nicht den Namen? Lisa, Mia, Pia, Zoe? Dann auch das mit der Maske: warum denkt er denn, sie hätte Augen wie ein Insekt? Die Maske lässt die Augen doch gerade frei, oder nicht? Da passt was mit dem Bild nicht so ganz. Warum muss das auch beschrieben werden, dieser Vergleich? Das reicht doch schon so, das steht für sich alleine, dieses Bild. Und da wird auch nicht verweilt, einmal das krasse Ding - Schlafapnoe - direkt weiter zum nächsten krassen Ding, Blutzuckermessstreifen. Wieso nicht kurz verweilen, er beobachtet sie beim Atmen, was ist das überhaupt für eine Beziehung, wie stehen die zueinander, das könnte man da alles drin finden.
Nochmal zur Perspektive. Du hast da schon im Grunde recht und ich sehe das wie du. Aber die Frage ist, erzählt er das sich selbst? Das ist ein Ich-Erzähler, rein von der Perspektive her, kann er das genauso gut aufgeschrieben haben und das ist der Text, den wir lesen. Also insofern würde mir das passen, aber ich bin selbstverständlich nicht zufrieden mit dem Text. Sind gute Punkte, ich baller da schon richtig raus, haha, ein wenig Ruhe wäre cool gewesen.

Ich gehe mit dem Koffer in der Hand und dem Rucksack auf dem Rücken zum Krankenhauseingang. Hände desinfizieren. Maske auf. Schiebetüren öffnen sich.
Danach weiß ich nichts mehr.
Ich wache im Krankenhausbett auf.
Mir ist kotzübel.
Eine Infusion liegt in meiner Armbeuge.
Die Schwester sagt: „Blutzucker 38. Nicht gut!“
Ich hätte einen epileptischen Anfall gehabt, im Foyer.
Ich hätte auf dem Boden meine Zunge verschluckt.
Der Arzt wäre minutenlang nicht an sie rangekommen. Die Kiefer seien zusammengepresst gewesen.
„Wenn Ihnen das zuhause passiert“, sagt sie, „wachen Sie nicht mehr auf.“
„Ja“, sage ich.
Ich würde das ausdünnen. Eher so im Vagen lassen, dass sich der Leser denk Rest selber denkt. Das mit der Zunge klingt auch mißverständlich, weil es müsste ja heißen: Als ich auf dem Boden lag, habe ich meine Zunge verschluckt. So klingt das sonst irgendwie seltsam, als würde er seine auf dem Boden liegende Zunge verschlucken.
Gekauft

Abends gehe ich aus dem Krankenzimmer. Im Erdgeschoss ziehe ich mir aus dem Snackautomaten Kaffee Schwarz. Im Foyer, bei der Anmeldung, sehe ich ein Mädchen. Es ist schwer einzuschätzen, wie alt sie ist. Sechzehn. Zwanzig. Sie sitzt im Rollstuhl und weint. Sie trägt bunte Leggins und Birkenstock. Keine Socken. Sie ist äußerst dünn. Blonde, kurze Haare. Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen. Es ist ein stilles, erschöpftes Weinen. Die Hand hält sie abschirmend vor die Augen. Als ob sie bereits jede Träne für diesen Schmerz vergossen hätte; aber trotzdem weiter weint. Ihr nackter Fuß ist blau und geschwollen.

Erweitern ...
Auch hier: Das Weinen, das ist zu viel. Er fällt um und überlebt gerade so, dann das. Mir fehlt auch hier der Fokus, auf wessen Leiden wird denn der Fokus gelegt? Wenn alle in dem Text leiden, kann ich mich nicht so richtig entscheiden. Die Freundin, Atemmaske, er Diabetes, das Mädchen wird wahrscheinlich amputiert.
Haha ja, natürlich leiden ALLE

All die Stoffe in ihren Venen.
Auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin und Hypnorex.
All die Dinge, die uns am Leben halten.
Das Sterben, das in uns eingezogen ist.
Ein Teil von uns ist bereits tot.
Die Ausweglosigkeit. Vor dem, was bevorsteht.
Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben.
Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist.
Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.

Erweitern ...
Boah, ich weiß nicht ... das ist schon echt schwer auf die Tube gedrückt. Das liest sich auch wie so ein Sermon in der Kirche: Das Sterben, der Teil der tot ist, die Ausweglosigkeit, der Wunsch, der Schmerz, das Schicksal.
:D Ja, ich muss grinsen, das ist entlarvend aber wahr, ich habe eine schwäche für Pathos, die ich hier natürlich ungehindert ausgelebt habe, haha.

Hier ist alles düster, und das wird mir auch permament unter die Nase gerieben, der Schimmel an den Wänden, die alten Häuser, das ist mir persönlich einfach zu viel gewollte Dramatik, das hat der Text auch gar nicht nötig.
Ja, hast Recht im Grunde. Manchmal platze ich vor Pathos und natürlich existenzieller Krise und Texte wie dieser sind das Resultat. Irgendwo finde ich es geil, also nicht im Voyeuristischen Sinne, aber diese Stimmungen existieren und auch diese Weltsicht existiert irgendwo, auch wenn sie schmerzhaft ist, und das irgendwo eingefangen zu haben, im Endeffekt ist das das Ziel des Textes gewesen. Aber du hast schon auch recht, das ist unausgewogen, hat Schlagseite

Mich würde die Geschichte im Krankenhaus interessieren, das mit dem Mädchen, wie er da vorsichtig und behutsam die Information entpackt. Warum ist die Freundin da, welche Funktion hat sie?
Ja voll, interessanter Punkt, danke dir dafür. Manchmal hab ich nen ersten Draft und mir fällt in diesem erst an einer Miniszene auf, wo die eigentliche Story steckt. Vielleicht rolle ich das noch mal fokussierter, auf diese Story hin, aus

Warum dieser besoffene Kaputtnik, der ihn küsst? Der sagt seinen Satz auf, aber was macht er für die Geschichte, der ist doch im Grunde eine Art Selbstzweck, oder?
Ja, irgendwo hast du Recht!

Also, da steckt in dem Kern sicher eine sehr erzählenswerte Geschichte drin. So, wie der Text jetzt ist, ist mir das zu viel, zu gewollt, auch zu wenig erzählt, zu sehr auf Behauptung aufgebaut, und zu tränendrüsig.
Ja, danke für das ehrliche Feedback, ich sehe es schon auch wie du

Was Diabetes mit ihm macht, wie sich sein Leben, seine Zukunft ändert, was er alles nicht mehr machen kann, wie das seine Beziehung verändert etc, davon lese ich nie was.
Das stimmt!

Alles ist schon immer so, in dem Text, und es wird immer so bleiben. Da ist keinerlei Bewegung und auch keinerlei Aussicht auf Bewegung, weil immer dann, wenn es so werden könnte, brichst du das ab.
Der Text gefällt sich zu sehr in seiner eigenen Ausweglosigkeit, nur Tristesse royal reicht nicht
Ja, haste mich erwischt :D

Klingt nach viel Kritik, war es auch, aber deswegen sind wir ja hier, oder? Nichts für ungut, alles konstruktiv, hoffe ich :D
Ja, alles gut :D Nee, ist schon richtig, haut mir gern auf die Finger, wenn ich fahrig werde. Wie gesagt, irgendwo mag ich den Text aktuell in seinem, wie du es nennst, Düsterkitsch, aber irgendwo ist er auch ein Schnellschuss und etwas, mit dem ich selbst nicht ganz zufrieden bin. Ich denke, den muss ich ein paar Wochen/Monate liegen lassen, um Klarheit zu bekommen. Vllt schreibe ich den noch mal zentrierter um, die Tell-Teile, die Behauptungen, ich wusste schon, das ist ein Wagnis, das bleibt halt im Unkonkreten letztendlich. Wahrscheinlich muss ich dieses Gefühl, das ich hier vermitteln wollte, versuchen, mit einer reinen Story zu vermitteln, ich hab da das Mädchen mit dem Fuß vor Augen, wenn die Ausweglosigkeit und Traurigkeit da zum Leser durchkäme, wäre sie stärker als wenn sie hier nur behauptet würde. Insofern danke für das Feedback!

Alles Beste euch allen
zigga

 

Wahrscheinlich muss ich dieses Gefühl, das ich hier vermitteln wollte, versuchen, mit einer reinen Story zu vermitteln, ich hab da das Mädchen mit dem Fuß vor Augen, wenn die Ausweglosigkeit und Traurigkeit da zum Leser durchkäme, wäre sie stärker als wenn sie hier nur behauptet würde.

Ich nochmal, danke für deine Antwort. Bist vielleicht auch einfach sehr nah dran am Thema, kann das sein? Ich denke immer, wenn man emotional da nah dran ist, man dafür sensibilisiert ist, benutzt man oft die großen Worte, weil man eben die großen Gefühle spürt: Tod, Verzweiflung, Auswegslosigkeit - heute kann man so etwas ja kaum noch unironisch aussprechen, was ich sehr schade finde. In der heutigen Literatur ist alles ironisch, was ist dann noch ernst? Wie ernst soll ich Autoren nehmen, die einen ironischen Schnäuzer tragen oder sich ironisch wie Obdachlose anziehen? Was soll das? Deswegen kann ich deinen Impuls sehr gut verstehen, denke ich. Vielleicht war mein Kommentar diesbezüglich auch etwas hart, aber ich weiß ja, was für ein guter Autor du bist, und ich denke, DIESE vollkommen unironischen Geschichten stecken da schon drin, die könntest du, wenn du das willst, einfach entkernen und erzählen, das wäre weniger selbstherapeutisch, denke ich, jedoch könntest du diese tief empfundenen Emotionen für sehr viel mehr Leser darstellen und sie dadurch empathisieren (gibt es das Wort?)

Gruss, Jimmy

 

Hallo @zigga

Eine düstere, bewegende Geschichte hast du hier verfasst. Da ich beruflich als Krankenpfleger arbeite, sind mir viele Dinge bekannt. Ich stutzte auch nicht, deshalb nehme ich an dass du entweder hervorragend recherchiert hast oder selbst in irgendeiner Art im Gesundheitswesen tätig bist.

Du entwirfst hier zwei Protagonisten die schwer gezeichnet sind. Sie werden durch heftige Erkrankungen aus der Bahn geworfen. Einmal körperlich und einmal psychisch. Auch die kurz auftretenden Nebendarsteller sind keine Normalos. Alle stolpern mehr oder weniger durch eine für sie belastende Wirklichkeit.

Ich finde es sehr gelungen, dass gerade diese Aspekte stark herauskehrst. Durch meine berufliche Erfahrung kenne ich leider genug Schicksalsschläge. Aber der zentrale Punkt ist meist dersselbe: Man wird mit der eigenen Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit konfrotiert. Eine enorm schmerzhafte Erfahrung, da viele Menschen (besonders in westlichen Industrieländern) sich für unsterblich halten. Nach dem Motto: Schon schlimm, wenn man alt und krank wird. Was? Nein, mir selbst kann das doch nicht passieren, ich bin doch jung und kerngesund.

Mal davon abgesehen, dass gerade letzteres oft nicht stimmt (Deutschland ist eines der Länder mit dem weltweit höchsten Durchschittsalter, was parallel mit altersbedingten Krankheiten einhergeht), kann es einfach jeden treffen. Wir wissen nie, wann wir krank werden oder sterben müssen.

Das ist erschreckend, kann aber auch bereichernd sein. Klingt abstrus, aber gerade auf letzteres legst du den Fokus. Weil es um die Frage geht, wie man Leben will. Alles ist endlich, deine Zeit ist begrenzt, also wie nutzt du sie.

Entschuldige mein Geschwafel, dass ja ein wenig von der Textkritik abweicht. Ich wollte nur heraus stellen, welche Gedanken durch das Lesen bei mir ausgelöst wurden. Tiefe hat deine Geschicht also. Und das nicht zu knapp. Ich gehe noch auf ein paar einzelne Punkte ein:

Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die Arme von sich gestreckt.
Mich hat der gängige Einstieg (Aufwachen, Überlegen...) erst ein wenig gestört, weil es halt sehr gängig ist.

Doch hier frage ich mich, ob du es so wolltest. Weil der Satz wie ein kleiner Schock wirkt. Man fragt sich unwillkührlich, ob sie tot ist. Und das ködert den Leser.

„Ja“, sage ich.
Finde ich sehr gut gemacht, wie neutral und beiläufig er auf die schwere Diagnose reagiert. Kommt mir vor wie ein klassisches Verdrängen und charakterisiert den Protagonisten gut.

Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist. Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird. Das Weinen, das einen um Jahrzehnte altern lässt. Das Aufbäumen gegen das große Ganze, das man immer verliert. Das Schicksal als die große Macht, die sich gegen einen gewandt hat. Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.
Sehr guter Absatz. Tolle Formulierungen und Gedanken! Dasselbe habe ich weiter oben angesprochen: Was tun mit der Erkenntnis, dass man verletzbar und sterblich ist?

Ich schiebe mir DextroEnergy-Tafeln in den Mund. Vor einer Pizzeria frisst eine Katze aus dem Loch eines aufgeplatzten Müllbeutels.
Eine interessante Konstruktion. Das Tier kämpft genauso ums Überleben wie der Erzähler.

„Manchmal brauche ich das“, sagt er. „Manchmal muss ich fühlen, dass ich am Leben bin.“
Er sieht mich an, den Kopf im Nacken.
Hier ist der zentrale Punkt. Er hat sich ein rauschhaftes Vergnügen ausgesucht, um sein Leben auszukosten. Vielleicht nicht sehr sinnvoll. Aber sind Extremsportler besser? Künstler? Autoren (Nicht schlagen, bitte :D)

Es geht immer darum, sein Leben zu nutzen, wie man will. Egal was die Gesellschaft dazu meint. Natürlich gibt es Regeln. Man sollte anderen nicht weh tun. Und Selbstverletzung? Nun, mit der muss man seinen eigenen Weg finden. Klingt hart, aber ist letzlich so. Auch das hast du gut auf den Punkt gebracht.

Bei allem Lob möchte ich trotzdem anführen, dass ich hier noch mehr Potential sehe, was die Länge betrifft. Gerade weil du die Charaktere so schön heraus gearbeitet hast, hätte ich gerne mehr von ihnen gelesen. Aber es sollte ja einen Kurzgeschichte sein. Als solche hallt sie vielleicht auch länger nach.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Grüß dich @Rainbow Runner,

und danke dir vielmals für Lesen und Kommentieren. Ich antworte dir mal insgesamt, ansonsten brauche ich noch länger zum Antworten. Freut mich natürlich, dass dir der Text anscheinend gut gefallen hat und dich erreichen konnte. So wie du ihn liest, war er gedacht. Schön auch, dass er einige Gedanken bei dir lostreten konnte. Also, dein Kommentar geht für mich natürlich runter wie Öl.
Insgesamt ackere ich noch an dem Text. Ich überlege, ob ich ihn mal so lasse und weiterschaue. Zweite Überlegung ist, ob ich ihn textlich bearbeite, Pathos etwas runterfahre und Redundantes streiche. Eine solche Version lade ich bald glaube ich mal hoch. Aber dein Kommentar zeigt mir, wenn man empfänglich für den Text lst, kann er glaube ich schon zünden. Außerhalb des Forums bekam ich die Rückmeldung, die Story sei ein wenig wie Kalendersprüche: Wenn man gerade dafür empfänglich ist, denkt man, ja! So ist es!, wenn man weit weg davon ist, wirkt der Text druchaus banal. Das kann ich gut nachvollziehen. Also, ich wäre sogar sehr okay damit. Ich stelle mir vor, dass das auch geil ist irgendwie, dass einen ein Text abholen kann, aber man muss ready dafür sein. Sehr schön.
Jedenfalls danke für dein wertvolles Feedback, ich hab mich gefreut!

Beste Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Leute,

vielen Dank für euer Feedback. Habe die Story jetzt mal durchgekürzt. Ich hab den Pathos runtergefahren und Kalendersprüche gekickt. Mehr Show, weniger Tell.

Falls sich jemand berufen fühlt, noch mal seine Meinung zu äußern, nur her damit.

Beste Grüße
zigga


Ursprungsversion:

Ich setze mich auf die Bettkante. Einen Moment überlege ich, wo ich bin. Die Sonne strahlt durchs Küchenfenster. Kalter Schweiß auf meiner Stirn. Der Kühlschrank brummt. Unser Bett steht in einem türlosen Raum hinter dem Vorratsregal. Meine Freundin liegt regungslos im Bett, die Arme von sich gestreckt. Die Schlafmaske groß und schwarz im Gesicht, als hätte sie die Augen eines Insekts. Ich öffne die Box der Blutzucker-Messstreifen. Meine Hände zittern; der glänzende Schweiß in meinen Handflächen. Die Linien darin, wie eine Maserung. Aus dem Fenster höre ich den Fluss rauschen. Das Rauschen des Wassers; das Brummen des Kühlschranks; das gleichmäßige Atmen meiner Freundin. Ich steche mit dem Stift in die Beere meines Ringfingers. Blut quillt kirschdunkel heraus. Ich höre das Wasser vorbeiziehen. Die Wellen; die Strömung. Die Geschwindigkeit und die Kraft. Der Geruch der Algen, der durchs Fenster klettert. Auf der Digitalanzeige des Blutzuckermessgeräts erscheint: 58.

Du hast mich nach Bad Mergentheim gefahren, in deinem silbernen, alten Mitsubishi. Nur ein Frontscheinwerfer funktioniert. Rostbraune Dellen, obwohl du Meisterin im Rückwärtseinparken bist. Es ist ein komplettes Krankenhaus nur für Diabetiker. Das größte Deutschlands. Auf dem Parkplatz gehen wir zum Ticketautomat. Ein Vogel scheißt dir auf den Kopf. Ich versuche, mit dem Wasser aus meiner Flasche den Dreck aus deinen Haaren zu waschen.
„Es ist gleich elf“, sage ich. „Ich muss gleich rein.“
„Ja“, sagst du.
Am Ticketautomaten verabschieden wir uns.
„Ich liebe dich“, sagst du.
Wir küssen uns.
„Ich liebe dich auch“, sage ich.
Du steckst dir die Haare hoch.
Ich gehe mit dem Koffer in der Hand und dem Rucksack auf dem Rücken zum Krankenhauseingang. Hände desinfizieren. Maske auf. Schiebetüren öffnen sich.
Danach weiß ich nichts mehr.
Ich wache im Krankenhausbett auf.
Mir ist kotzübel.
Eine Infusion liegt in meiner Armbeuge.
Die Schwester sagt: „Blutzucker 38. Nicht gut!“
Ich hätte einen epileptischen Anfall gehabt, im Foyer.
Ich hätte auf dem Boden meine Zunge verschluckt.
Der Arzt wäre minutenlang nicht an sie rangekommen. Die Kiefer seien zusammengepresst gewesen.
„Wenn Ihnen das zuhause passiert“, sagt sie, „wachen Sie nicht mehr auf.“
„Ja“, sage ich.
Abends gehe ich aus dem Krankenzimmer. Im Erdgeschoss ziehe ich mir aus dem Snackautomaten Kaffee Schwarz. Im Foyer, bei der Anmeldung, sehe ich ein Mädchen. Es ist schwer einzuschätzen, wie alt sie ist. Sechzehn. Zwanzig. Sie sitzt im Rollstuhl und weint. Sie trägt bunte Leggins und Birkenstock. Keine Socken. Sie ist äußerst dünn. Blonde, kurze Haare. Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen. Es ist ein stilles, erschöpftes Weinen. Die Hand hält sie abschirmend vor die Augen. Als ob sie bereits jede Träne für diesen Schmerz vergossen hätte; aber trotzdem weiter weint. Ihr nackter Fuß ist blau und geschwollen.
„Ich kann nicht auftreten“, sagt sie zur Frau hinter der Rezeption. „Es tut so weh.“
Später erfahre ich durch Zufall, dass es auf der Kippe steht, ob ihr Fuß amputiert wird oder nicht.
In einem Kurs über Ernährung sehe ich sie wieder. Wir sitzen alle auf aufklappbaren Sitzen. Der Ernährungsberater steht vorne am Rednerpult. Sie sitzt außen in ihrem Rollstuhl. Der Berater erklärt, wie man mit einem Löffel die Kohlenhydrate von Reis schätzen kann. Sie weint noch bitterlicher als am Vorabend. Die Hand vor den Augen. Der Oberkörper eingesunken. Das Sterben, das bereits in ihr eingezogen ist. Ein Teil von ihr ist bereits tot. Ein Teil von ihr wird begraben werden. Oder im Krankenhaus-Abfall verbrannt. All das Unglück, das noch auf einen wartet. Die Ausweglosigkeit. Die Panik in ihrem Weinen. Vor dem Unausweichlichen. Vor dem, was bevorsteht. Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben. Die Kohlenhydrate, wie der Berater erklärt, abgemessen zu haben. Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist. Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird. Das Weinen, das einen um Jahrzehnte altern lässt. Das Aufbäumen gegen das große Ganze, das man immer verliert. Das Schicksal als die große Macht, die sich gegen einen gewandt hat. Ein Reh, das in eine Bärenfalle getreten ist.

Der Kaffee läuft surrend in die Tasse. Gegenüber Fachwerkfassaden mit weißem Stuck, angestrahlt von gleißendem Sonnenlicht. Daneben dreckig und beige das Studentenwohnheim. Zwei Dutzend Leute in Sakkos und weißen Hemden. Abendkleider. Amerikanischer Sprech. Ein Sektkorken knallt. Lachen und Klatschen.
Auf unserer Seite des Flusses sitzt auf dem Steg unser Nachbar in Badehose. Sonnenbrille. Blonde Haare stehen ihm vom Kopf ab. In der Hand hält er eine Tasse, zwischen den Fingern eine Selbstgedrehte. Die Beine überschlagen.
Ich sehe erst jetzt, dass er mich ansieht.
„Hallo“, sagt er.
„Hi“, sage ich.
„Amis“, sagt er, nickt über den Fluss und grinst.
„Ja“, sage ich.

Ich kneife das Bauchfett zusammen. Drücke die Nadel in meine Haut. An manchen Stellen spüre ich sie nicht, an anderen schmerzt sie wie eine Reißnadel. Der Fluss rauscht vor den Fenstern. Fünfzig Meter weiter mündet das Wasser in einer Wasserkraftanlage.
ACHTUNG! LEBENSGEFAHR! Meine Freundin liegt im Wohnzimmer und liest einen Roman von Jospeh Roth. Im Bad sehe ich den Sensor an meinem Arm. Auf meinem Handy sehe ich: Glukose: 108.

Der angrenzende Wald ist dunkel. Die Bäume hoch. Blätter in saftigem Grün. Fledermäuse, die unter dem Licht der Laternen fliegen. Der Mond scheint hell und steht tief. Ich schiebe mir DextroEnergy-Tafeln in den Mund. Vor einer Pizzeria frisst eine Katze aus dem Loch eines aufgeplatzten Müllbeutels.

Im Treppenhaus liegt der Nachbar an der Wand. Er blickt auf das Handy in seiner Hand und spuckt auf den Boden.
„Alles jut?“, frage ich.
Er blickt zu mir. Grinst.
Winkt ab.
„Ja, ja“, sagt er, lallend.
Er schließt die Augen.
An seiner Wange eine Schürfwunde.
Seine Jeans ist am Knie dreckig.
Er öffnet die Augen.
Er stützt sich an der Wand ab und kommt auf die Beine.
„Ganz schön getankt?“, sage ich.
Er lehnt an der Wand.
Schließt die Augen.
Streift sich über das Gesicht, über die langen, blonden Haare.
„Alles klar?“, sage ich.
Er öffnet die Augen.
Lächelt.
„Was muss“, sagt er, „das muss.“
Da ist etwas von Schalk in seinen Augen.
Als sei das alles ein großer Streich.
An seinem Ohr hängt ein langer, silberner Ohrring.
Seine Hände sind tätowiert.
„Hingeballert?“, frage ich.
„Ach“, sagt er. „Was muss. Das muss.“
Er humpelt zur Wohnungstür.
Er greift in die Hosentasche.
Der Schlüssel fällt auf den Boden.
Er blickt mich an und lacht.
Frech. Wie ein Junge, der einen Streich spielt.
Er bückt sich, hebt den Schlüssel auf.
Entriegelt die Tür.
Die Türschwelle; die Holzdielen seiner Wohnung.
Weiße IKEA-Schränke. Spiegel. Pinnwand aus Draht. Mountainbike mit fluoreszierendem Rahmen.
Er humpelt ins Bad. Die Gürtelschnalle.
Der Vermieter hat die gleiche Küchenzeile verbaut, den gleichen Einbaukühlschrank mit rotem Anstrich.
Ich sehe die Filterkaffeemaschine. Ich öffne den Schrank, die Zeile darunter. Ich setze den Filter ein. Löffle Kaffeepulver aus der Dalmayer-Packung.
Die Klospülung geht.
Er kommt in die Küche.
Er streckt sich die Arme über dem Kopf.
„Ich lass Kaffee raus“, sage ich. „Alles klar?“
Er blickt mir in die Augen.
Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Er legt seine Hände auf meine Wangen.
Seine Hände sind weich wie die einer Frau.
Er schließt die Augen.
Küsst mich auf den Mund.
Auch seine Lippen sind weich; weich wie von einer Frau.
Darüber wundere ich mich in diesem Augenblick.
Aber Lippen sind Lippen.
Was habe ich mir gedacht?
Ich öffne meine Augen.
Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Er grinst spitzbübisch, nimmt seine Hände von meinen Wangen.
Er streicht sich durchs Haar.
Bis hinter zum Zopf.
Das Fenster ist offen.
All das Wasser, das zur Schleuse vorbeizieht; wie etwas, das lebt.
Das immer dagewesen ist.
All das Wasser war vor uns auf Erden.
Und wird hier sein am Ende aller Tage.
Der Kaffeeautomat gurgelt.
Er legt den Kopf in den Nacken.
Schließt die Augen.
„Manchmal brauche ich das“, sagt er. „Manchmal muss ich fühlen, dass ich am Leben bin.“
Er sieht mich an, den Kopf im Nacken.
Er grinst und sagt: „Manchmal muss ich auf Reset schalten. Damit ich ein Mensch bleibe. Verstehst du das? Damit ich in dieser Welt ein Mensch bleiben kann. Dass ich weiß, dass ich lebe. Dass ich hier gewesen bin.“

Im Treppenhaus springt das Licht an. Schwarze Flecken an der Wand.
Der Putz bröckelt ab.
Die Regnitz, die vor unserem Haus fließt.
All das Wasser.
Das Blut in meinen Venen.
Der Zucker darin.
Das, was uns lebendig hält.
Das künstliche Insulin.
Meine Freundin, die im Bett liegt.
Regungslos.
All die Stoffe in ihren Venen.
Auf ihrem Nachttisch eine Packung Quetiapin und Hypnorex.
All die Dinge, die uns am Leben halten.
Das Sterben, das in uns eingezogen ist.
Ein Teil von uns ist bereits tot.
Die Ausweglosigkeit. Vor dem, was bevorsteht.
Der Wunsch, alles anders gemacht zu haben.
Der Schmerz, wenn man begreift, welche Erzählung das eigene Leben wirklich ist.
Das Kind in einem, das vom Schicksal totgemacht wird.
Das Aufbäumen gegen das große Ganze, das man immer verliert.
Das Schicksal als die große Macht, die sich gegen einen gewandt hat.
Der Tod, der hinter jedem Schatten lauert.
Die Lippen des Nachbarn.
Schalk in seinen Augen.
Das, was ihn am Leben hält.
Das Rauschen des Flusses.
Ich gehe in die Knie.
Lege mich auf die Treppenstufen.
Wir alle sind Wasser.
Wir alle sind hier, seit dem Beginn.
All das Wasser wird hier sein, wenn die Welt erlischt.
Strecke Arme und Beine von mir.
Schließe die Augen.
Das Licht der Beleuchtung rötlich durch meine Augenlider.
Dann, im Bruchteil einer Sekunde, die Dunkelheit.

 

Lieber @zigga,

du hast viel herausgeworfen aus deinem Text und ich finde, das hat ihm gut getan. Der Fokus liegt jetzt deutlicher auf dem Protagonisten, was vorher nicht so endgültig klar war. Durch das Herausstreichen und Fokussieren entfaltet der Text eine viel intensivere Wirkung. Gefällt mir gut, wie es jetzt ist.
Besonders gefällt mir auch der erste Absatz, dieses Gegeneinandersetzen von Blutzuckermessung und Fluss, das Fließen auf sozusagen beiden Seiten.


Der Geruch von Algen klettert durchs Fenster.
Ich stolpere wieder über die Algen. Ja, es gibt auch Algen in Flüssen und das sogar heftig. Aber ich verbinde zuallererst mit Algen immer noch das Meer. Erst später erfahre ich in deiner Geschichte, dass die Stadt nicht am Meer, sondern an einem Fluss liegt.

Mein Gegenvorschlag wäre: Ein modriger (oder muffiger) Geruch klettert durchs Fenster.
Und vorher noch die nachfolgende Korrektur:

Draußen das Rauschen des Wassers.
Und hier würde ich sofort auf die Regnitz zu sprechen kommen, dann ist es klarer:
Draußen das Rauschen der Regnitz. (die dann innerhalb des Textes gestrichen wird)
Zwei Dutzend Leute in Sakkos und Hemden. Abendkleider. Amerikanischer Sprech. Ein Sektkorken knallt. Lachen und Klatschen.
Diesen Einschub mit den Leuten, also den Amis, halte ich für überflüssig. Sie haben keinen echten Erzählungswert in dieser Geschichte. Der Nachbar kann auch was anderes aufgreifen, dazu gleich. Es kommt auch, wenn du dir diese spezielle Stelle vorliest, etwas arg unvermittelt, dass da zwei Dutzend stehen und so weiter. Daher mein Vorschlag, das wegzulassen und den Nachbarn dann was ganz anderes sagen zu lassen und zwar:
Er sieht mich an. „Amis!“
"Prost Kaffee", weil er ja die Tasse in der Hand hält. Vielleicht gefällt dir mein Vorschlag?

Sie sind weich wie die Hände einer Frau.
Da nachher ja noch der Mund auftaucht, würde ich diesen Satz so schreiben: Sie sind weich wie Frauenhände.
Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Springt gefällt mir immer noch nicht. Wie wäre es mit "wandert"?
„Manchmal muss ich spüren, dass ich lebe“, sagt er.
Er öffnet die Augen und grinst. „Damit ich ein Mensch bleibe. Verstehst du das?“
Mir würde es gestrafft besser gefallen, meist reden solche Männer, nicht so viel, wie wäre es mit: "Manchmal muss ich spüren", sagt er, öffnet die Augen und grinst, "dass ich lebe, verstehst du das?" Gerade, weil dann der erste Satzteil eigentlich für sich genommen noch nicht so richtig Sinn ergibt, aber genau so reden die Leute ja oft, vergessen, dass man ihre Andeutungen ja gar nicht kapieren kann, folgt dann sein Augenöffnen und er merkt, dass er sich besser erklären muss.
"Damit ich Mensch bleibe", ist mir schon zu sabbelig bei diesem Typ. Aber natürlich ist es auch reichlich Geschmackssache. Es ist für mich kein Fehler, wenn du es beibehältst. Ich empfinde es nur kürzer als prägnanter.
Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen.
Ich würde mich für Gesicht oder Blick entscheiden.

Das war es auch schon. Respekt, dass es dir gelungen ist, so rasch große Teile der Geschichte zu überarbeiten. Ich finde, sie ist dadurch wuchtiger geworden, die Tragik kommt viel mehr hervor.


Lieben Gruß


lakita

 

Moin Zigga,

sehr mutig. Auf jeden Fall schlanker, härter. Ich finde ihn so jetzt besser. Ich glaube, das Ende ist auch wirklich effektiv im Sinne von Effekt, mir ist das schon fast etwas zuviel. Warum muss das so dramatisch aufgeladen werden: Ein Teil von uns ist bereits tot. DAS sagt doch der ganze Text, oder nicht? Ich lese den, und dann denke ich: die sterben langsam immer weiter ab, Teil frür Teil. Dafür steht ja auch symbolisch das Mädchen, das ist ja eine Art Spiegel und auch Zukunftsaussicht, für ihn und seine Freundin. Ich denke ja, hier wäre viel viel weniger viel mehr, weil hier nichts ausgesprochen werden muss, die Stimmung trägt das alles. Zuviel bedeutet auch ein wenig, dem Text seine eigene Stärke zu berauben: das steckt ja schon alles drin.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @lakita,

vielen lieben Dank fürs nochmalige Lesen und Kommentieren!

du hast viel herausgeworfen aus deinem Text und ich finde, das hat ihm gut getan.
das freut mich!

Der Fokus liegt jetzt deutlicher auf dem Protagonisten, was vorher nicht so endgültig klar war. Durch das Herausstreichen und Fokussieren entfaltet der Text eine viel intensivere Wirkung. Gefällt mir gut, wie es jetzt ist.
super

Besonders gefällt mir auch der erste Absatz, dieses Gegeneinandersetzen von Blutzuckermessung und Fluss, das Fließen auf sozusagen beiden Seiten.
ok!

Der Geruch von Algen klettert durchs Fenster.
Ich stolpere wieder über die Algen. Ja, es gibt auch Algen in Flüssen und das sogar heftig. Aber ich verbinde zuallererst mit Algen immer noch das Meer. Erst später erfahre ich in deiner Geschichte, dass die Stadt nicht am Meer, sondern an einem Fluss liegt.

Mein Gegenvorschlag wäre: Ein modriger (oder muffiger) Geruch klettert durchs Fenster.

Ich denke drüber nach!

Und vorher noch die nachfolgende Korrektur:

Draußen das Rauschen des Wassers.
Und hier würde ich sofort auf die Regnitz zu sprechen kommen, dann ist es klarer:
Draußen das Rauschen der Regnitz. (die dann innerhalb des Textes gestrichen wird)
Auch hierüber. Mir gefällt die Symbolik des Wassers hier, die ja immer wieder aufgegriffen wird, und die damit irgendwo, zumindest mit dem Wort, rausfliegen würde an der Stelle

Zwei Dutzend Leute in Sakkos und Hemden. Abendkleider. Amerikanischer Sprech. Ein Sektkorken knallt. Lachen und Klatschen.
Diesen Einschub mit den Leuten, also den Amis, halte ich für überflüssig. Sie haben keinen echten Erzählungswert in dieser Geschichte. Der Nachbar kann auch was anderes aufgreifen, dazu gleich. Es kommt auch, wenn du dir diese spezielle Stelle vorliest, etwas arg unvermittelt, dass da zwei Dutzend stehen und so weiter. Daher mein Vorschlag, das wegzulassen und den Nachbarn dann was ganz anderes sagen zu lassen und zwar:
Ja, damit hast du irgendwo evtl. recht. Für mich war das ein Gegenobjekt, feiernde, lebendige, junge Menschen. Aber ja, ich verstehe wie du es meinst

Sie sind weich wie die Hände einer Frau.
Da nachher ja noch der Mund auftaucht, würde ich diesen Satz so schreiben: Sie sind weich wie Frauenhände.
gekauft

Sein Blick springt von meinem linken ins rechte Auge.
Springt gefällt mir immer noch nicht. Wie wäre es mit "wandert"?
ebenso

„Manchmal muss ich spüren, dass ich lebe“, sagt er.
Er öffnet die Augen und grinst. „Damit ich ein Mensch bleibe. Verstehst du das?“
Mir würde es gestrafft besser gefallen, meist reden solche Männer, nicht so viel, wie wäre es mit: "Manchmal muss ich spüren", sagt er, öffnet die Augen und grinst, "dass ich lebe, verstehst du das?" Gerade, weil dann der erste Satzteil eigentlich für sich genommen noch nicht so richtig Sinn ergibt, aber genau so reden die Leute ja oft, vergessen, dass man ihre Andeutungen ja gar nicht kapieren kann, folgt dann sein Augenöffnen und er merkt, dass er sich besser erklären muss.
"Damit ich Mensch bleibe", ist mir schon zu sabbelig bei diesem Typ. Aber natürlich ist es auch reichlich Geschmackssache. Es ist für mich kein Fehler, wenn du es beibehältst. Ich empfinde es nur kürzer als prägnanter.
Ist jetzt noch mal eingedampfter!

Ich sehe das Kindliche an ihrem Gesicht; an ihrem Blick. An ihrem Weinen.
Ich würde mich für Gesicht oder Blick entscheiden.
ist ein Punkt!

Das war es auch schon. Respekt, dass es dir gelungen ist, so rasch große Teile der Geschichte zu überarbeiten. Ich finde, sie ist dadurch wuchtiger geworden, die Tragik kommt viel mehr hervor.,
Danke, die Lorbeeren gehen an einen Kollegen außerhalb, der mir das durchlektoriert hat zu großen Teilen

Servus @jimmysalaryman

sehr mutig. Auf jeden Fall schlanker, härter. Ich finde ihn so jetzt besser. Ich glaube, das Ende ist auch wirklich effektiv im Sinne von Effekt, mir ist das schon fast etwas zuviel. Warum muss das so dramatisch aufgeladen werden: Ein Teil von uns ist bereits tot. DAS sagt doch der ganze Text, oder nicht? Ich lese den, und dann denke ich: die sterben langsam immer weiter ab, Teil frür Teil. Dafür steht ja auch symbolisch das Mädchen, das ist ja eine Art Spiegel und auch Zukunftsaussicht, für ihn und seine Freundin. Ich denke ja, hier wäre viel viel weniger viel mehr, weil hier nichts ausgesprochen werden muss, die Stimmung trägt das alles. Zuviel bedeutet auch ein wenig, dem Text seine eigene Stärke zu berauben: das steckt ja schon alles drin.
viele Dank auch dir fürs Lesen und nochmalige melden. Freut mich, dass es dir nun auch besser taugt. Mit dem Ende hast du Recht. Habe den Satz rausgeschmissen. Irgendwo ist das auch Tell, das unnötig ist. Ich finde, es ist jetzt besser. Scheiße, bei dem Teil hier bin ich wirklich voll in das Tell reingegangen, haha, aber ich hab was draus gelernt, dass das eben nicht funktioniert, es war ja irgendwo auch ein Test, mir war schon klar, dass das viel ist und irgendwo ein Wagnis, aber ich denke, so gefällt es mir auch besser.

Habe jetzt übrigens auch das pathethische Ende gekickt, ich finde, es wirkt so stärker, aber korrigiert mich gerne.

Beste Grüße!
zigga

 

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