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Das verlassene Dorf
Ich bin gestern neben meinem Bett aufgewacht, und mein Kopf war so schwer.
Im Traum war ich getaucht. Draußen ist es kalt, und ich trinke eine Tasse Kaffee. Frau Lewerentz fegt den Schnee von dem Gehweg. Endlich einen Sinn an diesem Morgen. In der Küche ist es ruhig. Der Nachrichtensprecher erzählt mir die Welt ist schlecht. Ich glaube ihm nicht. Jetzt fällt es mir ein. Ich sollte doch die Seeschlange fangen im Traum. Nur bin ich aufgewacht. Zählt das dann?
Ich mache mir einen Toast mit Erdbeermarmelade. Ich nehme dem Nachrichtensprecher die Worte. Es stürmt draußen.
Der Gehweg ist frei. Reymund kann wieder durch, mit seinem Auto, das der Weihnachtsmann gebracht hat, dass ich gebracht habe um, 16 Uhr.
Das Jahr ist morgen um. Ein paar mal knallt es draußen. Die Zeit ist komisch. Ein Jahr, ein Monat, eine Woche, ein Tag, eine Stunde, eine Minute, eine Sekunde, einen Moment. Alles ist ständig zu Ende, und beginnt wieder von vorn. Ich glaube, ich weiß warum das so ist. Damit wir uns überhaupt an irgendetwas erinnern. Damit wir das Ganze ein wenig zu schätzen wissen. Ansonsten hätte der Mann in meinem Traum mir wohl nicht gesagt, ich solle die Seeschlange fangen. Statt dessen hätte er gefragt: „Wie lange lebst du schon?“
Darauf hätte ich gefragt: „Kurz?“
Blauäugig, in der Hoffnung, er wisse die Antwort. Ich werde heute abend noch ein wenig feiern gehen, und auf die Zeit anstoßen.
In einem spärlich beleuchteten Raum sitzt eine kleine Runde gemütlich zusammen, und freut sich des Abends.
Auf dem Runden Tisch, an welchem sie sitzen, stehen einige Kerzen und leuchten vor sich hin. Einige Flaschen Alkohol stehen auf dem Tisch. Es ist ruhig, und irgendwie traumhaft.
Sie feiern das Jahr, das zurückliegt, das sie zurücksehnen. Michael raucht eine Zigarette. Christopher lehnt das Angebot von Jan ab, ein kleines Glas zu trinken. Er trinke nicht mehr, weil es nur ablenke, und weil es schlecht ist. Damit stößt er auf Unverständnis bei den anderen, nur soll das nicht Gesprächsthema werden, sondern die Erinnerungen an ein Jahr. Das Jahr war gut, oder schlecht, man möge sich darüber streiten, es liegt in jedem Fall auf dem Weg hinter uns, wie ein altes verlassenes Dorf, an das wir uns höchstens einmal erinnern. An ein paar Straßenlaternen, oder an einen alten Mann, der über die Straße schleicht. Vielleicht ist in diesem Dorf, das nun Erinnerung heißt, jedoch ein Fenster beleuchtet, in welchem wir ein weinendes Mädchen sehen würden, oder ein lachendes, wer weiß das schon. Wir können das ja beeinflussen, wie einen Traum, den wir jemanden erzählen. Der wird dann sozusagen durch die Erinnerung verfälscht. Dieser jemand, dem wir unseren Traum erzählen, wird nie ermessen können, ob das Erzählte wahr, oder falsch ist, wie auch.
„Es ist doch eine traurige Sache, an etwas zu denken, das wir nicht ändern können, vorrausgesetzt wir wollen es ändern. Ich habe in diesem ganzen Jahr, das es heute zu feiern gilt, einem Mädchen hinterhergeweint, und war dabei nicht sehr glücklich. Soll ich nun froh sein, über dieses Ende, oder traurig, da ich ahne, dass sich alles ändern wird?“
Christopher lehnt sich zurück, und verschwindet aus dem Kerzenschein. Michael stützt sich auf seine Ellenbogen, und trinkt sein Glas in einem Zug leer.
„Nun, wie wäre es denn, wenn du, angekommen in dem Dorf, in das wir ja jetzt gerade alle fahren, die Scheibe des beleuchten Fensters einschlagen würdest, um deiner Angebeteten einen Kuss auf die Stirn zu geben?“
„Und was ist, wenn sie den Kuss nicht will, und mir eine Träne aus dem Auge fällt?“
„Na, dann gehst du, und sagst auf nimmer wiedersehen.“
„Und was dann, das Dorf ist doch verlassen, und der alte Mann wird auch keinen Rat wissen?“
„Na, wir fahren zurück, und trinken noch ein Glas, ist doch klar.“
Die Runde schweigt einen Augenblick, dann sagt Robert:
„Im Frühjahr war ich in Schweden, mit dem Fahrrad.“
Er gießt sich, während er weiterredete, noch ein Glas ein.
„Am vorletzten Tag hatten wir das Meer erreicht, und dort standen wir auf einer Brücke, waren auch etwas sentimental, und da fragte mich ein Mädchen namens Alice, bist du glücklich? Und ich sagte, ja, und fügte hinzu, dass ich auch traurig sei. Also, vielleicht sollten wir auf dem Rückweg aus diesem Dorf, ob es uns nun gefallen hat, oder nicht sei dahingestellt, mal zum Meer fahren, und auf eine Brücke gehen.“
Michael schaut aufgeregt auf seine Uhr, und sagt, dass es nun Zeit sei, die Korken knallen zu lassen. Die Runde erhebt sich gleichmäßig, jemand schaltet das Licht ein, sie sind zurück. Draußen ist es taghell, und es ist laut, da sich alle so freuen. Christopher schaut hoch in den bunten Himmel, und fragt sich, was die Leute da in den Himmel schießen, und ob es von oben wie ein Hilferuf, wie ein Signal aussehe.
Nach wenigen Minuten gehen sie zurück, schalten das Licht wieder aus, und trinken noch ein wenig. Michael kippt nach hinten, mit seinem Stuhl, und schlägt hart auf dem Boden auf. Es erschrecken sich alle. Christopher denkt, dass das wohl ein Gläschen zu viel war, Michael ist bewusstlos, seine Brille hängt ihm schief auf der Nase, und er dreht seinen Kopf hin und her, als ob er schlecht träume. Er phantasiert:
„Ihr müsst auf die Uhr hören.“