dahin schwinden
Anm. des Autors: In diesem Experiment meinerseits, das keine wirklich Handlung besitzt, geht es mir hauptsächlich um die Übertragung von Gefühlen. Ich versuche teilweise lyrische mit prosaischen Elementen zu verknüpfen. Daher wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr bei einer Kritik insbesondere darauf eingeht und eventuell auch Feedback gebt, ob bei euch ein Bild entstanden ist, ob der Text euch ein wenig in die Welt ziehen konnte oder ob er euch einfach nur kalt und gelangweilt zurückließ. Danke schonmal im Voraus dafür und viel Spaß beim Lesen
Sich den Wolken entreißend erscheint die scheidende Abendsonne über dem stummen Spitzen des Tannenhorizonts. Ein letztes Mal wird die glatte Oberfläche des Sees von ihren Strahlen berührt, bevor das glitzernde Spiegelbild in den grau-blauen Farbtönen des Wassers untergeht.
Morgens betrachte ich den Flammenball mit müder Euphorie, abends in stummer Melancholie. So, als wäre es der letzte Tag an den bewachsenen Ufern. Hier stehen Zeit und Ton still, für einen langen Moment, um dann weiterzuschreiten, wenn man es nicht erwartet. Ich trete, ungeschickt wie ein kleines Kind, dass versucht ungehört über einen knarrenden Parkettfußboden zu schleichen, auf den hölzernen Steg und steige noch einmal in das Ruderboot. Wellen breiten sich aus und wandern bis zur anderen Seite des Sees, so scheint es. Aus der Ferne höre ich brandendes Plätschern, lange nachdem ich die Ruder aus dem Wasser hebe. Auf dem Rücken liegt man nicht genehm auf der schmalen, angemoderten Sitzbank. Dafür eröffnet sich einem ein unglaublicher Ausblick in die Tiefen des Himmelsozean. Ich tauche ein, solange er wolkenlos ist und seinen fast unechten Blauton trägt. Irgendwann dunkelt er ab und gelbe Punkte entheben sich einzelnen Flächen des Firmaments. „Das ist die Perfektion des Seins“, spreche ich vor mich hin „zeitlos treiben, gedankenfrei schweigen.“ Einige Wildenten stören im Landeanflug die Idylle. Ich muss feststellen, dass mein Rücken schmerzt und mein Hemd kalt in der feuchten Luft am Körper klebt. Zurück zum Steg. Durch den Wald muss ich noch eine Weile, bevor ich mich schlafen legen kann. Ich stapfe barfuss durch hohes Gras, über steinigen, moosbewachsenen Waldgrund auf den dunklen Kiesweg. Die Bäume ragen hoch und decken den Himmel wie ein Tunnel ab. Ameisenhügel grüßen schemenhaft links und rechts des Weges. Ich grüße zurück und bemühe mich eines ruhigen Schrittes. Jeder schnellere Fuß stellt die Frage was sich hinter einem befindet, doch kein Schulterblick ins Dunkel vermag die Frage zu beantworten. Meine Phantasie entspringt meinen Gedanken, umfliegt Gehölz und Gestrüpp, verwandelt es zu Trollen und Wildkatzen in lauernden Schatten. Ich folge dem schmalen Pass zwischen Ihnen stumm nach vorne blickend. Und obgleich ich mich am Fuße eines jeden Hügels frage, wer wohl hinter der Spitze auf mich warten wird, gelange ich irgendwann zu meinem Haus. Von dort aus grüße ich die Geräusche des Waldes und ziehe einen tiefen Zug der Waldluft in mich ein bevor ich die hözerne Tür hinter mir verriegle. Irgendwann wache ich wieder in meinem Bett auf, hunderte Kilometer entfernt. Durch den Vorhang dröhnt der dunkle Tenor von Lastern, Straßenbahnen und Pkw. Die Strahlen der Morgensonne wirken milchig und plastisch, der Raum steril, leblos. Ich skizziere den Verlauf des Tages in meinen Gedanken, ich konzentriere mich auf Abläufe, Uhrzeiten, Termine. Noch 3 Minuten und 32 Sekunden, dann klingelt der Wecker. Eine halbe Stunde, duschen, anziehen, essen, Kaffe trinken. Die Linie 15 fährt pünktlich um 6:03. Ein paar schnelle Schritte sind notwendig. Die Hektik von Ampelphasen und Rushhour erfasst meine Gedanken und schleudert sie quer durch den Raum, will mich mitreißen durch den Tag. Erfolglos. Der Wecker klingelt und ich richte mich langsam im Bett auf. “Es ist Zeit“, denke ich. „Man muss sie sich nur nehmen.“