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Bilanz eines verschütteten Lebens
Wir sind zusammen rausgefahren, auf der Suche nach Ästhetik und Philosophie.
Wir ließen den Tag am Abend beginnen und liebten uns in der Nacht.
Weiterentwicklung war unser Standpunkt und völlige Abschottung die Resonanz.
Auf Autodächern liegend, in eisiger Landschaft, mit Whisky und Zigaretten genossen wir unser Leben. Wir brauchten keinen Strom, da der Mond genug Licht bot.
Ich fragte dich oft nach deinen Gedanken, doch du gabst mir nie eine Antwort.
Wir kamen meist tagelang ohne Essen aus, und unsere Knochen rieben beim Ficken aneinander. Ich begann mich intensiver der Kunst zu widmen, schrieb die ganze Nacht und bat dich darum mir deine Meinung anzuvertrauen.
An deinem Lächeln, sah ich das du es mochtest, und an deinen Küssen spürte ich es.
Wir verbrachten Stunden damit über diverse Metaebenen in den Werken Hemingways zu diskutieren und pausierten nur, um uns zu lieben.
Ich fand eine Gitarre und schrieb dir aus Amoll, C, F, G ein Lied.
Du fandest Pinsel und maltest mich nackt.
Oft saßen wir nur da, tranken, rauchten und schwiegen, konnten die Zeit aber dennoch intensiver genießen, als je ein Erlebnis zuvor.
Viellicht war eine gewisse Melancholie, die unsere Stimmung dauerhaft beherrschte, vielleicht aber auch eine Rationalität in unserem Denkwesen, die andere Menschen nicht verstanden.
Doch wir konnten damit gut leben.
Du nanntest es oft unsere eigene Anarchie. Dafür liebte ich dich.
Von Zeit zu Zeit wurden wir dünner.
Unter unseren Augen lagen Schatten, doch wir sahen nur die Ästhetik des Verfalls darin.
Wir hielten unsere Gedanken in Büchern fest. Wir füllten einige hundert Seiten mit Theorien, unseren eigenen Lebensphilosophien und Gedichten.
Ich glaube innerlich war uns bewusst, dass wir nicht alt werden würden, doch wir waren rational genug, dass uns das egal war.
Wir waren gefangen in der Scheinvorstellung der Kunst.
Unsere Lebensorientierung war zurückzuführen auf Genies ihrer Zeit.
Doch Darling, wir hätten beide wissen müssen, dass wir keine Genies sind.
Irgendwann küsste ich dich. Doch du warst nicht mehr da.
So sollen auch meine Aufzeichnungen enden.
Der letzte Brief und die Bilanz eines Lebens.
Was jetzt sehr negativ klingt, ist keineswegs so gemeint.
Wer sich rational mit der Existenz auseinandersetzt, der sieht die Sinnlosigkeit von allem. Wir haben sie früh gesehen, uns geliebt und damit unser Schicksal besiegelt.