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Ausgeträumt
Du träumst, dass du träumst. Von einer großen Wiese, hinter dem Berg. Alle sind da. Deine Familie: Dein Mann, deine Kinder. Die Sonne scheint. In der Nähe rauscht ein Gebirgsbach. Die Vögel zwitschern. Dein Mann spielt mit euren Kinder. Du kannst sie durch das Fenster eures Holzhauses hören, wenn du dich über den Herd vorlehnst, kannst du sogar sehen, wie deine Tochter gegen den Baum gelehnt zählt, während dein Sohn sich hinter dem Holzstoß versteckt. Ihr Lärmen ist eine Wohltat. Du trägst das Essen auf und alle scharen sich um den Tisch unter den Bäumen, nachdem sie brav am Brunnen ihre Hände gewaschen haben. Sie schnattern fröhlich vor sich hin, bewundern deine Kochkünste. Alle sind glücklich. Du bist glücklich.
Dann träumst du, dass dein Freund dich aufweckt. Doch du wachst auf und stellst fest, dass alles nur ein Traum war. Da ist kein Freund, der dich aufwecken könnte. Du bist allein in deinem Einzimmerapartment mit Blick direkt auf die fahlblaue Hauswand gegenüber. Du hörst den Straßenlärm vorbeibrausender Lastwägen und Kindergeschrei trotz Schallschutzfenster noch oben im siebten Stock. Du bist gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und der Fernseher informiert dich im Hintergrund, was in der Welt heute passiert ist. Ein Klingeln signalisiert dir, dass dein Essen fertig ist. Also drehst du dich vom Fenster weg zur Küchenzeile. Aber die Mikrowelle klingelt weiter…
… sie steht auf und schaltet den Wecker aus. Ihr Freund liegt noch im Bett und sie küsst ihn zärtlich wach. Dann erzählt sie ihm von ihrem Traum. Sie waren verheiratet. Glücklich mit zwei Kindern lebten sie abgeschieden auf ihrem eigenen Hof im Gebirge, wie sie es sich schon immer vorgestellt hatten. Dann hatte er sie geweckt. Doch sie war aufgewacht und er war nicht da. Sie war ganz allein, von ihm keine Spur. Gott sei Dank hatte der Wecker geklingelt und dem Spuk ein Ende bereitet.
So ein Zufall. Er hatte etwas Ähnliches geträumt. Er hatte mit einer anderen Frau zusammengelebt. Von ihr keine Spur, keine Erinnerung.
Und jetzt packe ich meine Sachen und ziehe aus. Denn vielleicht ist es ja so.