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Ausgeträumt

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19.08.2005
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Ausgeträumt

Du träumst, dass du träumst. Von einer großen Wiese, hinter dem Berg. Alle sind da. Deine Familie: Dein Mann, deine Kinder. Die Sonne scheint. In der Nähe rauscht ein Gebirgsbach. Die Vögel zwitschern. Dein Mann spielt mit euren Kinder. Du kannst sie durch das Fenster eures Holzhauses hören, wenn du dich über den Herd vorlehnst, kannst du sogar sehen, wie deine Tochter gegen den Baum gelehnt zählt, während dein Sohn sich hinter dem Holzstoß versteckt. Ihr Lärmen ist eine Wohltat. Du trägst das Essen auf und alle scharen sich um den Tisch unter den Bäumen, nachdem sie brav am Brunnen ihre Hände gewaschen haben. Sie schnattern fröhlich vor sich hin, bewundern deine Kochkünste. Alle sind glücklich. Du bist glücklich.

Dann träumst du, dass dein Freund dich aufweckt. Doch du wachst auf und stellst fest, dass alles nur ein Traum war. Da ist kein Freund, der dich aufwecken könnte. Du bist allein in deinem Einzimmerapartment mit Blick direkt auf die fahlblaue Hauswand gegenüber. Du hörst den Straßenlärm vorbeibrausender Lastwägen und Kindergeschrei trotz Schallschutzfenster noch oben im siebten Stock. Du bist gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und der Fernseher informiert dich im Hintergrund, was in der Welt heute passiert ist. Ein Klingeln signalisiert dir, dass dein Essen fertig ist. Also drehst du dich vom Fenster weg zur Küchenzeile. Aber die Mikrowelle klingelt weiter…

… sie steht auf und schaltet den Wecker aus. Ihr Freund liegt noch im Bett und sie küsst ihn zärtlich wach. Dann erzählt sie ihm von ihrem Traum. Sie waren verheiratet. Glücklich mit zwei Kindern lebten sie abgeschieden auf ihrem eigenen Hof im Gebirge, wie sie es sich schon immer vorgestellt hatten. Dann hatte er sie geweckt. Doch sie war aufgewacht und er war nicht da. Sie war ganz allein, von ihm keine Spur. Gott sei Dank hatte der Wecker geklingelt und dem Spuk ein Ende bereitet.

So ein Zufall. Er hatte etwas Ähnliches geträumt. Er hatte mit einer anderen Frau zusammengelebt. Von ihr keine Spur, keine Erinnerung.

Und jetzt packe ich meine Sachen und ziehe aus. Denn vielleicht ist es ja so.

 

Hallo write.control,

eine ganz schöne Geschichte. Sie träumt von einem besseren Leben, dann von einem schlechteren. Die Wirklichkeit liegt (wie so oft) in der Mitte. Ich habe nicht verstanden, warum sie ihn verlässt, Männer träumen doch immer von anderen Frauen.

Das Experiment scheint hier in dem Wechsel der Anrede der Protagonistin zu liegen: Du, sie, ich. *schulterzuck* Na ja, kenn ich schon ;)

Insgesamt schön erzählt, formal nichts Neues, aber doch ganz originell.

Kleinigkeiten:

und dem Spuk ein Ende bereitet.
Du schreibst das "Du" im ersten Teil groß. Das ist in Prosatexten eher unüblich, und weil darauf ein "sie" und ein "ich" (beide klein) folgen, fände ich es hübscher, auch das "du" klein zu schreiben.

Grüße,
Naut

 

Hallo Naut,
vielen Dank für Deinen Kommentar!

Ich habe nicht verstanden, warum sie ihn verlässt, Männer träumen doch immer von anderen Frauen.

Eigentlich war es so gedacht, dass der Schluss sich auf ER bezieht. Vielleicht muss ich da noch was einfügen.

Das Experiment scheint hier in dem Wechsel der Anrede der Protagonistin zu liegen: Du, sie, ich. *schulterzuck* Na ja, kenn ich schon

Jo, ich auch. Wollte es trotzdem mal ausprobieren.

und dem Spuk ein Ende bereitet.

Ups, da hat sich mal wieder die Legasthenie eingeschlichen...

Du schreibst das "Du" im ersten Teil groß. Das ist in Prosatexten eher unüblich, und weil darauf ein "sie" und ein "ich" (beide klein) folgen, fände ich es hübscher, auch das "du" klein zu schreiben.

Hab ich geändert - bin noch mit der Konvention des Großschreibens in Briefen aufgewachsen, da hat sich das wohl unbedacht hier durchgesetzt. So ist es natürlich besser.

Vielen Dank, w.c.

 

Hallo write.control

Das Spiel mit Perspektivenwechseln ist interressant und in dieser Rubrik durchaus erlaubt. ;)

Allerdings verbindest mMn unnötigerweise deine Wechsel. Das verwirrte mich beim ersten Lesen, da ich die Wechsel an diesen Stellen zuerst für einen Stilfehler hielt. Hm, schwierig auszudrücken, ich mache besser Beispiele:

Also drehst du dich vom Fenster weg zur Küchenzeile. Aber die Mikrowelle klingelt weiter…

… sie steht auf und schaltet den Wecker aus. Ihr Freund liegt noch im Bett und sie küsst ihn zärtlich wach.

Vorschlag:
Aber die Mikrowelle klingelt weiter.

Sie steht auf und schaltet den Wecker aus.​


Von ihr keine Spur, keine Erinnerung.

Und jetzt packe ich meine Sachen und ziehe aus. Denn vielleicht ist es ja so.

Auch hier:
Von ihr keine Spur, keine Erinnerung.

Ich packe meine Sachen und ziehe aus. Denn vielleicht ist es ja so.​


LG./

 

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