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200 plus Spesen

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10.09.2003
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200 plus Spesen

Mein Name ist Sam, Sam Barclay. Ich bin das, was man im allgemeinen einen "Privatschnüffler" nennt. Ich bekomme 200 plus Spesen - dafür bin ich auch diskret. Meine Kunden sind zufrieden, und ich bin es auch. Meistens jedenfalls.

Es war einer dieser Tage im November an denen man keinen Hund vor die Tür schickt. Es regnete, als würde sich die Welt einer zweiten Sintflut nähern - nur das dieses mal alles absaufen würde. Ich saß in meinem kleinen Büro in der Sankt Ebertstreet Nr. 166, daß selbst als Besenkammer fast zu klein gewesen wäre. Das mickrige Fenster schaffte es kaum die Rauchschwaden verhangene Luft durch neue, frische - Sauerstoffhaltige - zu ersetzen.
Ich hatte mir gerade einen Single Malt Whisky eingeschüttet, die Beine auf den mit Aktenordnern überfüllten Tisch gelegt, und mir eine dieser Filterlosen, viel zu starken Zigaretten angezündet, als es an der Milchglasscheibe der Tür klopfte. Hustend - vielleicht sollte ich das Rauchen doch dran geben - blickte ich zu der Tür, an der mein Name besser und ehrlicher aussah, als auf jeden von mir unterschriebenen Scheck.
"Herein!" Beim Rufen versuchte ich ein weiteres Husten zu unterdrücken.
"Mr. Barclay? Sind sie Sam Barclay der Privatdetektiv?" Die Tür war aufgestoßen worden. Ich wollte gerade antworten, als ich wieder Husten mußte. Diesmal war es aber nicht der kalte Rauch der Filterlosen, der meine Kehle trocken werden ließ. Es waren die langen, netzbestrumpften Beine die meinen Blick als erstes fesselten, als ich aus meiner "Denkerposition" aufblickte. Beine die, wenn sie zu einem Pferd gehören würde, nur der edelsten und reinrassigsten Stute angeboren wären. Es gierte mich danach auch den Rest dieser Frau zu sehen dessen gehauchte Frage noch immer mit den Rauchschwaden meiner Zigarette durch den Raum schwebte.
Mein Blick glitt langsam nach oben, verweilte kurz bei dem kurzen roten Rock, wanderte über der Wespentaille zu einem beeindruckenden Dekolletê, dessen Inhalt ebenso zum Bersten voll war, wie die Subway nach Geschäftsschluß, und verharrte dann an einem nur als feenhaft zu beschreibenden Gesicht, das von goldenen, schulterlangen Locken perfekt umrahmt war.
Die vollen Lippen - so rot wie Portwein und so sinnlich wie die Sünde selbst - formten schon die Wiederholung der Frage, als ich die Antwort krächzte: "Yes - Ich bin Sam Barclay!"
"Oh, Sam. Sie müssen mir helfen!" Sie rauschte heran und ihre wunderschönen tiefseeblauen Augen waren plötzlich dicht vor mir. Ich konnte ihren Atem - eine leichte Brise aus frischer Pfefferminze - auf meinem Gesicht spüren.
"Oh, Sam ich bin verzweifelt. Bitte helfen sie mir. Man hat sie mir empfohlen, sie sollen der beste sein!"
"Zweihundert plus Spesen!" War erst mal das Einzige was ich rausbrachte. Ihr Gesicht bewölkte sich leicht, aber nur für eine Sekunde. Dann, als Ihr klar wurde, das mein gekrächzter Ausruf einer Zusage gleichkam, erhellten sich ihre Züge wieder und überglücklich ließ sie sich auf meinem Schreibtisch nieder. Die Zeitschriften und Ordner die dabei zu Boden fielen störten sie nicht im geringsten. Mit einer schnellen anmutigen Bewegung schlug sie die Beine übereinander. Ich schluckte erneut, als ich wieder auf ihre perfekten Rundungen starrte.
"Womit kann ich ihnen helfen Miss... Miss!" Ich schüttelte den Kopf, wie um eine tiefe Benommenheit abzuschütteln und sah dann in Ihre Augen.
"Calling, Claudia Calling. Sie dürfen CC zu mir sagen!" Hauchte sie von meinem Schreibtisch herüber.
"CC also, OK. Was kann ich nun für sie tun CC?"
"Es geht um meine Yacht!"
"Um Ihre Yacht also, die sie gerade erst von Ihrer Großtante Virgina Harrigton gerbt haben!" CC's Augen wurden groß. Urplötzlich hatte ich mich an den entsprechenden Zeitungsartikel erinnert. "Junge Frau erbt Millionen Yacht" Es hatte tatsächlich mehr als einen Grund, warum man mich den "Besten" nannte.
"Sie wissen... äh natürlich. Dann wissen sie auch... !" Setzte CC an, doch ich unterbrach sie.
"Das es auf dem Schiff spuken soll. Ja, das ging eindeutig aus dem Artikel hervor!"
"Würden sie sich darum kümmern. Ich weiß mir keinen Rat mehr. Aber Albert soll es nicht bekommen!" Den letzten Satz hatte sie mit so vor Haß klirrender Stimme gesprochen, das mein Whisky wahrscheinlich auch ohne Eis geschmeckt hätte wäre ihr kühler Atem nur nah genug an dem Glas gewesen.
"Sie glauben also, das Ihr Cousin Albert sie... , wie soll ich es ausdrücken... von Bord Gruseln will?"
"Davon bin ich überzeugt!" Hauchte sie nun schon wieder eine Spur wärmer. Ihr Blick traf den meinen. Selbst wenn ich gewollt hätte, etwas anderes als den Auftrag anzunehmen wäre mir in diesem Augenblick nicht in den Sinn gekommen.

23.07 Uhr - Es war kalt. Es war diese klirrende Kälte, die einem überkommt, wenn man zu spät aus der Kneipe kommt - oder das Büro mal wieder seinem eigenen Apartment mit dem überquellenden Abwaschbecken und dem ungemachten Bett vorgezogen hatte, nur um dann doch noch heim zu gehen.
Kurz wärmte ich mich an dem Flämmchen des Streichholzes, mit dem ich mir ein Filterlose angezündet hatte. Ich stand auf dem hölzernen Steg des Hafens, an dem nur die Schiffe der Reichen festgemacht waren. Für den Mittelstand, oder gar die kleinen Fischer und Touristenboote gab es weiter unten einen eigenen - kleineren - Bootssteg. Tief zog ich den Rauch der Zigarette ein.
Während ich dastand, fast wie ein Drache aus der chinesischen Mythologie dampfend - der Rauch von Zigarette und Kälte entwich mir aus Mund und Nase - sah ich ein Lichterpaar, das sich aus Richtung Stadt näherte. Ich schnippte die Zigarette den Steg hinunter, wo die Glut noch ein paar mal wie ein Stein, den man übers Wasser gleiten ließ, auf und ab tanzte, und sprang dann auf das Segelschiff zu meiner linken. Irgend jemand kam, denn es waren die Lichter eines Autos die ich gesehen hatte.
Ich hielt mich geduckt und konnte so, ohne selbst gesehen zu werden, den Steg und die Anfahrtstraße im Blick behalten.
Das Auto hielt. Im Licht des vollen Mondes erkannte ich klar, wer da aus dem Auto stieg- vielleicht waren es auch CC's atemberaubende Kurven, die ein Erkennen erleichterten.
Die Frage, die ich mir als nächstes stellte, war die nach dem warum! Was wollte CC hier. Wir hatten ausgemacht, das sie sich in dieser Nacht von der Yacht - von dem Hafen - fernhält.
Oder kam sie absichtlich, etwa meinetwegen? Noch, bevor ich mir allzu viele Gedanken über ein etwaiges Erotisches Abenteuer mit dieser Traumfrau machen konnte, war sie bereits an meinem Versteck vorbei und betrat gleich darauf ihre Yacht.

"Sam!" Der Schrei CC's gellte durch die Nacht. Ich hatte noch für einen Moment in meinem Versteck ausgeharrt, als schon der Hilferuf der blonden Frau, mich wie durch einen olympischen Startschuß alarmiert aufspringen ließ.
Aber war es wirklich ein Schrei gewesen? Hatte es sich nicht eher wie der lockende Ruf einer bengalischen Königstigerin angehört - ich hatte wohl zu lange keinen Umgang mehr mit dem weiblichen Geschlecht gehabt.
Ich folgte dem Ruf. Ohne auf den Lärm zu achten, den meine Halbschuh bekleideten Füßen auf den hölzernen Steg trommelten näherte ich mich der Yacht von Miss Claudia Calling. Ich sprang an Deck und spähte die kleine Treppe hinunter, deren Ende ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte.
Die Handballen auf das Treppengeländer gepreßt rutschte ich, mehr als ich lief, der lichtlosen Tiefe entgegen. Ein Gefühl der Angst beschlich mich, als mich die Stille umfing, die in einem Sarg sieben Fuß unter der Erde nicht vollkommener hätte sein können.
Ich suchte in den Taschen meines Mantels nach den Zündhölzern. Als ich die Schachtel fand, war es ähnlich enttäuschend, wie wenn man bei einem Endspiel merkte das einem das Bier ausgegangen war. So oft ich die Schachtel auch schüttelte, sie war und blieb leer.
"Dann eben kein Licht!" Ich und tastete mich langsam vorwärts.
"Sam?" Die Frage hing plötzlich in der Luft, und nicht nur die. Das betörende Parfüm CC's stach mir angenehm in die Nase. "Oh, Sam!"
Gerade mischte sich auch dieser Ausruf schicksalschwanger zu den lockenden Düften, als ich auch schon den perfekten Körper CC's spürte, der sich schlangengleich an den meinen drückte, als wäre ich eine Passform und sie das Füllmaterial.
"CC?!" Ich krächzte wieder. Die knisternde Atmosphäre, die in dieser Dunkelheit nun vorherrschte, kam den blitzenden Entladungen eines Sommernachtsgewitters gleich. Gerade wollte ich meine Lippen auf die ihren pressen, und mich ganz meinem lustgestäuerten Körper hingeben, als ein Lichtstrahl die Szenerie in der mitternachtsschwarzen Kabine erhellte. Was ich sah, fügte meinem Magen ein weiteres Geschwür hinzu, das mich auch zugleich mit einer heftigen Übelkeitsattacke begrüßte.
"CC?!" Diesmal schrie ich vor Entsetzen auf. Was ich da in den Armen hielt war mehr als abscheulich. Es war CC, da bestand kein Zweifel, aber ihr Gesicht glich der aufgeplatzten, verlaufenden, teils geschmolzenen Oberfläche eines schwelenden Autoreifens. Der faulige Atem der mich nun traf erinnerte an einen sehr lange nicht geleerten Bioabfalleimer. In dem starken Lichtstrahl, der von oben die Treppe zu uns hinab schien, funkelten ihre Augen diabolisch auf. Als sie den Mund weit Aufriß und Tafelmesser lange Zähne sichtbar wurden, deren Spitzheit die Ohren von Mr. Spock bei weiten übertrafen, erwachte ich aus meiner Erstarrung und riß mich von dem Biest los. Mit einem Fußtritt, der einem Wrestlingstar alle ehre gemacht hätte, beförderte ich das unheimliche Wesen in die linke Ecke der Kabine.
Ich holte tief Luft. Der Lichtstrahl tanzte die Treppe hinunter, gefolgt von einem Mann. Unten angekommen hieb der Lichtbringer mit dem Ellenbogen auf einen Schalter an der Kabinenwand. Helles Neonlicht flutete den Raum und kroch Kellerasseln gleich in jede Ritze der Kabine. Der Mann, goldbarrenblond und sehr muskulös, schaltete die Taschenlampe aus, die er in der linken Hand hielt. Mit der Rechten Hand schwenkte er eine große, mittelalterliche Armbrust in die Ecke der Kabine, wo sich das unheimliche Wesen gerade röchelnd, wie ein verstopftes Abflußrohr, wieder erhob.
Er schoß. Ein unterarmdicker Bolzen drang in die Brust CC's ein und blieb stecken. Das zahnige Wesen gab keinen Mucks mehr von sich, als es zu Boden sank und liegen blieb. Das leise blubbern, daß sich anhörte als würde man dicken Erdbeersirup über Eis gießen, war als einziges zu vernehmen, als ihr Blut langsam und zähflüssig aus ihr herausfloß.
Mir wurde schwarz vor Augen.
Ich fiel in Ohnmacht. Und das hatte zum ersten mal nichts mit dem Single Malt Whiskey zu tun.

Später, als mich die dunkle Bewußtlosigkeit entließ, sah ich noch einmal in das Gesicht CC's. Jetzt, da sie der Tod umfing, wie ein flauschiges Daunenbett den gerecht Schlafenden, waren ihre Züge wieder von der fesselnden Schönheit mit der sie mich betört hatte. Aus ihrer Brust, dort wo das rote Herz einst schlug, ragte der hölzerne Bolzen hervor, wie ein Mahnmal der Vergänglichkeit.
Ich erfuhr von dem blonden Mann die ganze unschöne Wahrheit über Claudia Calling. Sie hatte nach dem Tod ihrer Großtante Virgina Harrigton das Gerücht von dem Spuk auf der Yacht verbreitet und bereits mehre Opfer - männliche versteht sich - in die Falle gelockt, in dem sie sie bat ihr zu helfen.
Albert Calling, CC's Cousin und mein Retter, hatte von der teuflischen Verwandlung seiner Cousine erfahren, und das einzig Richtige getan. Er hatte sie erlöst.
War sie ein Vampir gewesen? Oder noch etwas schrecklicheres? Wer kann schon sagen, was in der dunklen Nacht noch alles auf uns wartet?!

Mein Name ist Sam Barclay, ich bekomme 200 plus Spesen. Ich übernehme jeden Fall - na ja - fast jeden. Vampire, Werwölfe, Mumien und Kredithaie wenden sich bitte an meine Kollegen.

Epilog
Nachdem Albert Calling dem kauzigen Privatdetektiv gesagt hatte er würde sich jetzt um alles weitere kümmern, war Sam Barclay abgezogen.
Albert lächelte als er sich das dumme Gesicht des Schnüfflers wieder vor sein inneres Auge holte. Was für ein Idiot!
Langsam stieg er die Treppe hinauf und trat an Deck. Er blickte genau in den roten Streifen am Horizont, wo langsam die Sonne aufging und den neuen Morgen ankündigte.
Albert griff in die linke Hosentasche und holte die Latexmaske heraus die bis vor kurzen noch das schöne Gesicht seiner Cousine geziert hatte. Sie roch immer noch abscheulich nach Abfall. Zusammen mit dem Lösungsmittel, mit dem er die Maske wieder von der Haut hatte entfernen können, warf er sie in einem weiten Bogen ins tiefschwarze Meer.
CC's Cousin starrte noch einen Moment auf die Maske die jetzt, mit Luft gefüllt, noch einen Moment auf der Wasseroberfläche lag, wie das schaurige Gesicht eines Ertrinkenden, bevor das Wasser sie in die Tiefe zog.
Er lächelte wieder.

 

Also, das ist normalerweise nicht meine Art etwas zu posten, ohne die Story vollständig gelesen zu haben, aber ich habe vor einigen Minuten eine meiner neuen Stories gepostet, gleich nach dieser hier und habe echt lachen müssen. Mehr will ich gar nicht verraten. Man könnte sagen, deine Story ist eine Art Konkurrenzprodukt zu meiner. Irgendwie interessant zu sehen, wie wir an die Sache rangegangen sind. :)

So, und jetzt les' ich deine mal fertig.

 

Hallo Tiger

eine nette detektivgeschichte ist dir da gelungen, Ich hoffe du hast die überzogene Sprache nicht ernst gemeint, mich hat der sam marlowe sprachstil jedenfalls gut unterhalten.

der schluss war überraschend aber etwas verwirrend, warum trug CC eine Maske? hat ihr cousin sie ihr aufs gesicht geklebt um sie als vampirin töten zu können? und weshalb hat sie sam dann nicht gewarnt?

vielleicht solltest du das noch etwas klarer machen.

ein fehler ist mir aufgefallen:

Zitat:

Ich viel in Ohnmacht

das müsste wohl "fiel" heissen ;)

 

@Porcupine
Ich freue mich, das die Geschichte Dich unterhalten hat.

Den dummen Fehler habe ich verbessert.
Natürlich ist der Stil gewollt. Ich sah es als eine Art sprachliches Experiment (wie weit kann ich mit dieser überzogenen Erzählweise gehen).

Inspiriert hat mich der sagenhafte Klassiker ?The Big Sleep? (1939) von Raymond Chandler, der ja mit Humphrey Bogart verfilmt wurde.

Ja, der Schluß ist nachhinein wirklich nicht ganz deutlich. Ich werde mir da noch mal was überlegen.

Gruß
Tiger

 

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