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gesellschaft

Genre: gesellschaft

  1. Schweigen

    Wenn wir uns im Treppenhaus begegnen, sage ich: „Hallo!“ Ich sage: „Guten Morgen!“, oder sage: „Abend!“ Sie schaut mich nicht an. Grüßt nicht. Sagt nie etwas. Manchmal, wenn ich unten am Briefkasten stehen bleibe, um nach der Post zu sehen, höre ich, wie sie ihre Schlüssel hervorkramt. Wie sie...
  2. Der Himmel über Sonnenstraße 7

    Der Himmel war hell und klar. Ein wunderschöner Abend eines wunderschönen Tages. Der Wind hauchte seinen frischen, aber behaglichen Atem über den Großbau. Es hätte der perfekte Tag sein können. Wäre da nicht die ärgerliche Sache mit Weltuntergang und dem Ende allen Seins. Ein Haus, ein...
  3. Nur zugeschaut

    I – Der Jäger Es war ein warmer Sonntagnachmittag im Herbst, als er im Park am Stadtrand zum ersten Mal den Impuls vernahm, die Kinder auf der silbernen Rutsche abzulichten. Kaum hatte er die Sonnenreflektionen auf dem Edelstahl in Fokus, erschienen die Kinder als Silhouetten, und die vollen...
  4. Eltern

    Vor zwei Jahren feierten wir den sechzigsten Geburtstag meines Bruders im Festsaal des Leichtathletikvereins, dem unsere gesamte Familie angehört. Klaus und seine Frau hatten außer der weitverzweigten Verwandtschaft, vor allem Freunde, ehemalige Sportkameraden, Kollegen und Schüler unserer...
  5. Freestyle Buddhist

    Mr. John O’Brian hatte seinen Rock bereits angezogen und saß nun an seinem Schreibtisch. Er wohnte in Chapelizod und wollte sich gleich auf den Weg zur Tramstation machen, um in die Stadt zu fahren. Gewöhnlich tat er dies nur um zu seiner Arbeit zu kommen – er war Angestellter in einer privaten...
  6. Halbes Register

    Ihre Finger spreizten sich zum letzten kraftvollen Akkord, der sich stürmend durch das ganze Kirchenschiff bis zum Hauptaltar hin drängte. Dem abebbenden Ton lauschte sie heute jedoch nicht hinterher, sie versuchte vielmehr, mit ihrem Atem ihre klammen Hände anzuwärmen. Elena war mit sich...
  7. Milch der Träume

    Kaum zwei Meter Sicht. Nebel im Frühling. Wolken bewegen sich auf mich zu. Umzingeln mich. Ohne Richtung. Barrieren. Dahinter die Sonne. Unerreichbar. Frische Luft. Freier Blick. Weggesperrt. Aus dem Dunkel ins Licht. Aus dem Licht in die Finsternis. Der Himmel ist fern. Welke Blätter wehen über...
  8. Genesis

    Michael setzte sich mit seinem Getränk an das Steuerpult. Er war schon ganz aufgeregt. Diesmal würde sein Experiment mit Sicherheit gelingen. Nachdem bereits drei schiefgegangen waren, hatte er die Messergebnisse von allen dreien ausführlich analysiert und das Setup wesentlich verbessert. Es...
  9. Kunst mit Herz

    Als seine Frau ihn in die Kunsthalle mitnehmen wollte, hatte Hermann Ziegler schon keine Lust mehr auf den Tag. Er hatte nichts gegen Kunst, es war nur einfach nicht besonders interessiert an ihr. Eine perfekt geröstete Bratwurst und dazu ein Bier an einem Sommerabend, das war Schönheit für ihn...
  10. Nummer sieben

    „Ich werde Vater und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“ Theo sah seinen Vater erwartungsvoll an, fast so, als hätte er es mit einem Orakel zu tun, vom dem er sich Erleuchtung versprach. Der ließ sich durch die Neuigkeit jedoch nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen, saß weiterhin bequem...
  11. Tewes will bleiben

    Die Kaffeemaschine gurgelt, Tewes lehnt am Küchenschrank und massiert seine schmerzenden Handgelenke. Auf dem Tisch liegt die Kreiszeitung, er liest die Schlagzeile. 'Dorfladen in G. schließt zum Jahresende.' Es stimmt also, was schon lange gemunkelt wird. Der nächste Schritt auf dem Weg zum...
  12. Ich weiß nicht, wie du heißt

    Ich sehe die Hand nach dem Knauf greifen. Meine linke Hand. Rote Stahltür. Sie ist schwer. Dutzende Aufkleber drauf. ‚Gelbe Seiten wissen alles‘ oder ‚Ich liebe Köln‘ und so Zeug. Öffnen und hinein. Nichts als Zigarettenrauch, Gelächter, Earth, Wind and Fire strömt mir entgegen. Ein alter...
  13. Stacheln

    Wenn ich meinen Vater beschreiben müsste, würde ich mit Äußerlichkeiten beginnen. Glatze, Tattoos, Bart. Muskulöse Arme und ein Bauch, die Arme hatte er von der Arbeit, den Bauch, weil er trank: Nach jeder Schicht, egal, ob früh oder spät, wenn er mir einen Kuss gab, roch es nach Bier, Bier mit...
  14. Novelle Hinter den Dingen

    Samstag, 30. Juli Ich blinkte, bog in die Auffahrt ein und fuhr durch den Schatten des Walnussbaums auf den sonnigen Hinterhof. Als Kind hatte ich hier mit meinen Freundinnen gespielt. Wäscheleinen, auf denen die Wäsche der Hausbewohner trocknete, waren zwischen Metallpfosten gespannt. Nach der...
  15. Das Schicksal des jungen Werthers und eine Frau, die es teilt

    Das Schicksal des jungen Werthers und eine Frau, die es teilt Gehend im strömenden Regen, steht sie plötzlich auf der Brücke und lässt ihr Leben Revue passieren. Wie eingefroren hält sie sich am Geländer fest und spult an den Tag zurück, an dem alles begann. An dem sie das erste Mal diesen...
  16. Ein ganz normaler Tag

    .Im Moment des Erwachens ist alles Angst. Er ballt die Hände zu Fäusten, bewegt seine Zehen. Es geht, also ist er noch da. Öffnet nicht seine Augen, sonst sieht er, was er nicht möchte, ist nicht mehr in seinem Schloss und Herr seiner Sinne. Dann ordnet er die Stimmen, sie sind nur im Kopf, hat...
  17. Empathie

    Ein wolkenfleckiger Augusthimmel… ironisierte Phontonen drangen durch das rechteckig verstrebte staubstumpfe Glasdach der Fabrikhalle. Ein Ding unter den Dingen… Himmel und Fabrikgebäude. Gelblicht waberte in der Halle. In der Luft blafften die Geräusche von einem Geschwader Pressluftschrauber...
  18. Blaue Veilchen

    Ich stosse die grosse Eingangstür auf, die schwerer aussieht, als sie ist und sehe mich nach einem freien Platz um. Das modern gestaltete Café war so gut besetzt, wie es an einem Montagmorgen um Zehn vor acht sein konnte. Ich setze mich an einen sonnigen Fensterplatz. Die hohen Rundbogenfenster...
  19. Das Flüstern des Harmattans

    Nun brüllten die Dromedare den ganzen Abend lang. Vor drei Wochen waren sie mit ihnen aus Adel Bagrou losgezogen. Die Tiere hatten sich mit Leichtigkeit an die Strapazen der Reise gewöhnt. Täglich ertrugen sie die Reiter gleichmütiger auf den eng gezurrten Kamelsatteln, Dutzende Kilometer über...
  20. Blau wie Breslau

    Ich schaue sie an, sehe sie da sitzen auf der Bank, händchenhaltend, diese alte Hand haltend, dem Gebrabbel lauschend, kichernd, zwinkernd, das Luder, kaum Titten, aber was für ein Arsch, was für Beine und diese Augen grün wie Gift. Sie sagt, sie trinke ihren Kaffee immer schwarz, denn sie sei...

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