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Zwiegespalten
Leichtfüßig ging sie die Treppen hinab, Stufe für Stufe. Was war er nur für ein Rüpel! Als ob er auch nur daran gedacht hätte, ihr einen Antrag zu machen! Seit beinahe einem Jahr sind sie nun liiert gewesen, und was hat er ihr heute vorgeschlagen? Als Sekretärin in seinem Büro zu arbeiten! Sie konnte sich nicht mehr beherrschen. Die ganze Zeit, die sie mit ihm verbracht hatte, als wäre sie verpufft. Wütend fuhr sie hoch und schüttete ihm ihr Glas Sekt ins Gesicht. Er war überrascht von ihrer Reaktion, er hatte mit Begeisterung gerechnet. Mit schnellen Schritten verließ sie den Tisch und trat zur Tür hinaus. Und da war sie nun. Gerade als sie die letzte Stufe bewältigen wollte, hielt sie inne. Nur weil er ihr einen wirklich bemitleidenswerten Job angeboten hatte, hieß das doch noch lange nicht, dass er sie nicht mehr liebte, oder? War sie zu harsch mit ihm gewesen? Sie lehnte sich gegen die Säule neben der Treppe. Sie war kalt und rau. Irgendwie konnte sie sich selbst damit identifizieren. Sie war eben genauso kalt gewesen, obwohl sie die Person doch eigentlich recht gut leiden konnte. Natürlich, er war bei weitem nicht perfekt, aber noch immer ein begehrenswerter Kerl. Er war reich und gutaussehend. Eigentlich Attribute, die beneidenswert waren. Nur das Problem mit ihm war, er hatte keinen Funken Charme. Sollte sie ihm noch eine Chance geben? Sie war zwiegespalten. Einerseits sehnte sie sich nach einem liebevollen, sich um sie kümmernden Mann, andererseits wollte sie auch jemanden, der für sie sorgen kann. Eines jedoch war klar: Wenn sie jetzt nicht sofort umdrehen würde, wäre er für immer weg, keine Möglichkeit für ein neues Treffen. Denn er war stolz und ließ es sich sicher nicht gefallen, so behandelt zu werden. Sie betrachtete das Treiben auf der Straße, sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wäre sie doch nur mutig genug, den letzten Schritt zu tun. Aber sie konnte nicht. Wer weiß schon, ob sie ihren maßgeschneiderten Partner jemals findet? Die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gering. Sie warf einen Blick zurück durch die Tür des Lokals. Der Gedanke, sich für ihr Verhalten zu entschuldigen erschien ihr unnatürlich. Er hatte sie in ihrer Würde verletzt. Das konnte sie nicht so einfach wegstecken. Aber sie war dennoch entschlossen, sich für ihr Benehmen zu entschuldigen. Scheu öffnete sie die Tür des Lokals und trat ein. Unbehaglich ging sie weiter, bis der Tisch auf dem sie noch vor kurzem gesessen hatte in ihr Blickfeld kam. Was sie nun sah, verletzte sie zutiefst. Er hatte einer anderen Frau ihren Sitzplatz angeboten und unterhielt sich mit ihr wohl nicht gerade über das Wetter. Wuterfüllt rannte sie zu seinem Tisch, nahm das Sektglas seiner Begleitung. und schüttete es ihm ins Gesicht. Er macht ein genauso bescheuertes Gesicht wie beim ersten Mal. Ohne ein weiteres Wort machte sie kehrt und verließ das Restaurant, trabte die Stufen hinab und rief ein Taxi.