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Zwerg

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02.11.2001
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Zwerg

Die Berghänge speicheln ihren Kot zu den Dörfern. In einem davon sitzt einer, den wir Protagonist nennen wollen. Wenn das Dorf wirklich ist, wie es tut, und nicht krank ist, wie es scheint, dann ist schon alles halb gewonnen. Es sind wahrscheinlich die langen Strassen ohne Fremdenverkehr, die alles in dieses Zwielicht rücken. Kuhställe dampfen vor Irrtum über all das.

Ich liebe dich , sagt sie, und die Äste stöhnen und haben Angst vor den nächsten Worten. Ich meine den Auerhahn, sagt sie später und alles fliegt vorbei, davon, und ihr Haar ist so weich.
Ich bin dein Zwerg. Niemand hat dich so in deine Spalte gefasst. Es ist so und du brauchst mich. Das meinte ich sagen zu müssen.

Sie haben mich über den Wirtshaustisch gezogen.
Zwerg, sagten sie und manch einer schrie und wurde zum Tier dabei. Ich blieb stumm, als sie mir an die Genitalien griffen, mich ob dieser Winzigkeit verhöhnten. Ich begann irgendwann dieses Wachstum einzustellen. Damit wurde ich unbrauchbar, damit wurde ich dieses eine Monstrum.

Wenn sie kommt, dann duften die Almwiesen herrischer und meine Schenkel bekommen diesen Juckreiz an der zu meinem Geschlecht gewandten Seite. Ich trage meinen Penis links. Ich habe den Rotlauf zwischen den Beinen. Mein Atem spürt den Enzian und dabei aber auch schon die Bereitheit, die etwas mitträgt aus dem maroden Dorf unter meinem Kuhtrog. Ich brauche ihre im Bachwasser gewaschene Scham. Ich brauche kein Mitleid. Sie bringt mir nichts von dem, das ich empfinde. Sie hat die Beine in meinem Kuhtrog ganz offen. Sie weiß, dass sie mir vertrauen darf in dieser Situation, die keines Echos bedarf. Die Wände ragen steil auf und ihre und meine Schreie sind wie die der Gemsen in den Wänden. Irgendwo. Die Schreie.
Ich liebe das Geschrei des Gehörns in den Felswänden und will es jagen. Ich bin der Zwerg, den sie hier sucht, den sie braucht.
Die Frau. Ihre Scham. Ihre Lippen. Dieses Öffnen. Mein Glied, dieser Irrtum, ragt steilauf und wenn ich dabei ihren Mund sehe, werde ich uneins mit dem, was ich dachte. Davor dachte, bevor ich diesen, ihren, Mund sah. Die Wasserfälle in diesem Tal schreien mir jeden Tag brüllend mein Andersein entgegen. Ich hatte Holzspäne in meinen Arschbacken und vom Schreien nach Frieden hatte ich genug. Diese Wirtshaustische waren meine dunklen Tage. Ich liebe sie. Sie, die damals nicht mitgelacht hatte

Wir haben dies eine Zeichen
Wir glauben an uns.
Sie kommt mit ihrer Haut, in der für mich die absolute Reinheit steckt. Sie kommt mit ihren Worten, in denen ich nie die Schamlosigkeit erkennen konnte, die ihre steil aufgerichteten Brüste für mich darstellten. Ich hatte diese Hütte gefunden, oben und nahe der Baumgrenze. Ich bin das Dorf, ausrangiert, aber wirklicher als dieses, das im Tal verschmort und sich selbst tötet. Ich bin der Zwerg, ihrer, den sie über den Wirtshaustisch geschliffen hatten. Ich bin der, der dabei nie weinte. Ich bin das Dorf. Ich bin die Courage des Dorfes. Ich habe zu kurze Beine, um davon laufen zu können. Ich habe mich trotzdem auf und davon gemacht. Ich lache von meiner Hütte ins Tal.

Ich versuche danach, meinen Penis im Bachklar zu säubern. Doch sie kommt wieder und will mich weiter ertragen. Sie trägt meine Schmerzen, in ihrem Mund, in ihrem Schoß, ins Tal. Ich weiß, dass Liebe nie ein Wort war, dem man sich schämen musste. Doch oben zwischen den Kühen, bei den Bächen bin ich nur einer, der trotz seiner Größe auch ein kleiner Mann sein kann. So weiß sie es von mir.
Sie wird wieder kommen.
Zu mir. Weil ich ihr Zwerg bin.

 

Hi Aqualung,

wie war das mit der Schreibpause? :D

Eine wieder mal sehr komplexe Geschichte von Dir (wie wohl alle). Traurig, mitreißend, außergewöhnlich. Der Stil - etwas abgehackt, aber nicht ganz so wortgewaltig wie sonst manchmal, was mir hier besser gefällt. Sehr viele Sätze beginnen mit "Ich". Nunja, passt wohl zu dem Protagonisten.

Deine Stories, und auch diese hier, wirken auf mich oft wie wenn man einen Vorhang für ein paar Augenblicke zurückzieht und man kurz einen Einblick erhascht auf die Leiden und die Gefühle der Menschheit. Alles sehr prägnant.

Es sind wahrscheinlich die langen Strassen
"Straßen", weil langes a, oder?

Weihnachtsgrüße an Dich von

Ginny

 

Ginny-Rose, hallo, ja,

sitze hier vor dem Laptop und hab den Zwerg kreiert.
Es gibt welche auf irgendwelchen Hütten oben bei den Gemsen. Manches Mal kommen Frauen dorthin, um sich in Kuhtrögen mit denen zu paaren. Naja. Nicht so schlimm. Aber trotzdem mutig.

Aqua

 

Hi Goldstück.
Merke, daß du von der Idee so fasziniert warst (Frauen die die Zwerge in ihren Hütten besuchen, wilde Sachen in Kuhtrögen), daß du sie schnell aufschreiben mußtest. Schneller als sonst, damit sie nicht verschwindet.
Sonst steht die Sprache an erster Stelle. Sie ist trotzdem, und das ist das dolle, wunderbar. Denn der Zwerg ist wunderbar.
alex

 

Ja, Alex, der Zwerg ist sagenhaft. Trotz seiner Verbannung, in der er lebt.

Liebe Grüße - Aqua

Ginny-Rose, auch dir schöne Weihnachtstage.

 

Hi Aqua.
Schön, dass du diesen Zweg geschaffen hast... man muss ihn mögen, und die Frau auch, die seinen Schmerz von ihm nimmt und ihn versöhnt.

Lord

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Aqualung !

Der Zwerg! Die wohl traurigste Gestalt von der du bisher geschrieben hast. Da ist einer nicht geliebt wie er ist, lässt sich ob seiner vermeintlichen Winzigkeit gar über den Tisch ziehen.

Und was macht er? Wehrt er sich über wartendes Leiden hinaus? Bezieht er Stellung, richtet er sich auf zu seiner ganzen mächtigen Gestalt und tritt für sich ein, sich seines Wertes bewusst? Fordert er die Liebe die dem Auerhahn gilt, zieht er daraus eine Konsequenz? Nein, er flüchtet, und hört auf zu wachsen. Aber damit nicht genug. Auf den Berg zwischen Kuhmist richtet er sich ein. Noch kleinere Zwerge huldigen ihm und er fühlt sich mächtig, der König der Zwerge in seinem Schattenreich.

Die wegen denen er aufgehört hat zu wachsen können sich johlend auf die Schenkel klopfen. Er hat ihnen seine Kleinheit bestätigt, verirrt sich in Phantasien und wird nie runterkommen um klarzustellen.
Freiwillig unfrei - das hat schon was, ja wirklich. Lieber als Kleiner geliebt und gehalten werden, als aufrecht Achtung zu erlangen. Das gaukelt ihm das Gefühl von Stärke vor.

Mit gehaltvollen schönen Worten erzählst du hier eine grandiose Geschichte von einem Ritter der traurigen Gestalt. Sehr gelungen! :thumbsup:

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Es gibt keinen kleineren als DEN Zwerg, schnee.eule.
Er ist verwoben in einer Welt, die eine ist, die wir alle kennen. Es ist die Welt der großen Herzen und der pechschwarzen Glücksvögel. Es bedarf einer vetrauenden Hingabe, den Zwerg als Ritter zu benamen. Auch traurige Gestalten wollen atmen.
Der Zwerg hat sie alle überwunden, die ganz unten im Dorf und die auf den Hängen ohne Sonne. Jetzt hat er den Kuhtrog gewählt oben beim Himmelsblau und darf schwarzmalen. Es ist sein kleines, bescheidenes Glück. Vielleicht ist der Zwerg ein Künstler zwischen all dem Kuhmist.
Man sagt so oder ähnliches im Dorf und die Vaterunser wollen schier kein Ende nehmen.

Liebe Grüße - Aqua

 

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