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Zwei Wochen

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17.12.2005
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Zwei Wochen

Ich hatte Frühschicht. Setzte mich in den Lieferwagen und kurbelte das Fenster hinunter. Der Geruch von Diesel stieg mir in die Nase, die Sonne wärmte meinen Arm, den ich lässig auf das kalte Blech gelegt hatte. Frühstück für 120 Bewohner eines Altenheims – vorsichtig bog ich aus dem Hof der Krankenanstalten-Kantine auf die Hauptstraße, nahm Fahrt auf. Um diese Uhrzeit war noch nicht viel Verkehr.
Der Fahrtwind strich in den Ärmel meines Shirts, kühlte meine Flanke. Ist doch noch zu frisch für offenes Fenster, dachte ich und kurbelte die Scheibe wieder nach oben. Etwas blieb kalt auf meiner Haut, ich fasste unter das Shirt, berührte die Stelle. Die Rippe schmerzte hier ein bisschen. Hatte ich Zug bekommen, wie man so schön sagte? Innerhalb so kurzer Zeit?
Nach dem Entladen der Essenscontainer setzte ich mich wieder hinter das Lenkrad – aber nicht, ohne nochmals die Rippe abzutasten. Eine bestimmte Stelle schmerzte, wenn ich auf die Haut drückte. Fühlte einen kleinen Knubbel auf dem Knochen. Was ist das für eine Kacke – ärgerliche Gedanken, ein seltsames Gebräu aus Frust, Sorge und einem keimenden Fragezeichen. Werde mir doch nicht wegen so ein bisschen Wind die Rippe entzündet haben?
Den Tag über fasste ich immer wieder an jene Stelle und als ich nach Feierabend zuhause auf dem Sofa saß, konnte ich es nicht mehr hinterm Berg halten und erzählte meiner Freundin davon.
„Hab da so'n Knubbel“, sagte ich, als sie abwechselnd mich und meine Hand unter dem Shirt fragend ansah.
„Wo?“ und schon war ihre Hand auf meiner Haut.
„Hier, auf der Rippe.“
„Mhm, geh halt zum Schreiner“, sagte sie lapidar. „Der hat heute bis sechszehn Uhr Sprechstunde.“
Ich wusch mich kurz unter den Achseln, streifte ein frisches Shirt über und machte mich auf den Weg zum Doc, der schräg gegenüber seine Praxis hatte. Er überwies mich ins Krankenhaus zur MRT-Untersuchung.

„Warten sie bitte hier, Doktor Benson kommt gleich mit dem Befund.“ Das Rot ihres Lippenstiftes hatte sich bis auf den äußeren Rand ihres Mundes zurückgezogen. Die Sonne brannte durch das geöffnete Fenster, der dünne Rand ihrer Brille warf strichförmige Schatten über ihr Gesicht. Sie wirkte nicht entspannt.
Der Arzt saß nur mit einer Pobacke auf dem Stuhl mir gegenüber. Zwei Filmabzüge in seiner Hand, den Ellenbogen auf dem Knie abgestützt.
„Gut, dass ihr Hausarzt Sie sofort überwiesen hat. Die Aufnahmen zeigen eine Verdickung der Rippe – im Innern eine Entzündung, die offensichtlich schnell gewachsen ist. Hier, sehen Sie – der Knochen ist bereits geweitet. Ein Tumor, den wir möglichst rasch entfernen sollten.“
Mein Blick auf die Fotos zeigten drei helle Streifen, der mittlere eine rote Verdickung mit einem gelben Fleck in der Mitte.
„Okay“, ich war überrascht über meine nüchterne Reaktion.
„Ist es gefährlich?“ Im gleichen Moment war ich beschämt über meine ängstliche Frage. Natürlich war es gefährlich, aber Dr. Benson wackelte unmittelbar danach mit seiner Hand.
„Fiftyfifty – wir holen den Tumor raus, schicken ihn in die Pathologie – ist er gutartig, ist alles okay.“
„Und wenn nicht?“
„Worst Case – Osteosarkom. Ist er bösartig, dann gibt's noch sechs Monate.“
Sagte er einfach so, vielleicht, weil ich lange Haare hatte und Löcher in der Jeans.
Cooler Junge, der verträgt das – so sah er mich an mit seinem gewinnenden Lächeln.
„Wird schon gut gehen – wollen sie warten? Dann bekommen Sie an der Rezeption gleich einen Termin, okay?“ Im Aufstehen klopfte er mir jovial auf die Schulter, nickte mir zu und schloss die Tür leise hinter sich.
Draußen säuselte der Wind in den Haselnusssträuchern im Vorgarten, auf dem Dach des Hauses gegenüber sang eine Amsel, das an- und abschwellende Geräusch von Reifen langsam vorbeifahrender Autos drang bis in das Wartezimmer.

In zwei Wochen also. Ich saß auf der Bank an der Bushaltestelle gegenüber unserer Wohnung. Die Sonne brannte auf meinen Armen, meiner Nase. Interessiert musterte ich die Fensterrahmen unserer Küche, unserer Arbeitszimmer. Dahinter wohnte ich, lebte mit Iris. Wir waren nicht verheiratet. Wozu auch. Es entsprach nicht unserer Sicht auf das Leben. Ich hatte gerade mit dem Zivildienst begonnen. Mit 28 hatten sie mich doch noch eingezogen, hatten keine Rücksicht auf meinen kleinen Verlag genommen. Iris war Verkäuferin in einem Souvenirladen. Sie sang in unserer Band, ich spielte Gitarre. Nichts Professionelles, eher laut und unbeholfen. Das konnte jetzt einfach so vorbei sein. Ich fragte mich, ob mein Leben bisher erfüllt war. Ja sicher war es das, aber ich wusste nicht, was noch kommt. Wer wusste das schon?
Als ich über die Straße ging, auf unsere Wohnung zu, sah ich Iris hinter der Scheibe des Küchenfensters. Sie lächelte nicht. Etwas an meinem Gang musste sie betroffen machen.
Ich hatte vor, sie nicht sofort nach Betreten der Wohnung zu überfallen, aber mein erster Satz war: „Ich hab Krebs“. Sie schlug die Hand vor den Mund, wollte mich umarmen, aber ich fand keinen Trost in ihrer Umarmung. Seltsam kühl schob ich sie von mir.
„In zwei Wochen muss ich unter's Messer; dann wissen wir mehr“, sagte ich, wendete mich ab und schlurfte ins Wohnzimmer, ließ mich auf die Couch fallen. Iris folgte mir, blieb aber in der Tür stehen, lehnte sich an den Zargen, einen Fuß auf den anderen gesetzt. Rechts fehlte der Socken.
„Hast Du Hunger?“ fragte sie nach einer ganzen Weile.
„Lass uns zum Italiener gehen“, schlug ich vor. „Henkersmahlzeit.“ Ich grinste, sie schlug mir auf den Arm. „Lass das!“, fauchte sie. „Das ist nicht witzig.“
Der nächste Tag war wolkenverhangen und schwül. Durch das geöffnete Fenster drang das unaufhörliche Rauschen von Autoreifen, ab und zu ein Hupen, ein nervöses Beschleunigen. Die große Wanduhr zeigte zehn Uhr zehn, als ich meinem Chef offenbarte, dass ich in zwei Wochen ins Krankenhaus musste.
„Warum?“, er legte vorsichtig seinen Kugelschreiber auf die Schreibunterlage, lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Ich benutzte das Wort nicht. „Ein Knubbel in einer Rippe muss raus – nichts Dramatisches.“
„Und?“
„Was, und?“ echote ich.
„Ganz cool, oder?“
„Soll ich in Hysterie ausbrechen? Tempos vollheulen? Zwei Wochen Urlaub nehmen und zuhause auf dem Sofa mich jammernd selbst bemitleiden?“
„Nee, klar“, wobei er sich wieder dem Fahrplan für diese Woche zuwandte.
Tag vier. Mir fiel ein Buch ein, welches ich vor zwei Jahren gelesen hatte. Bewusstsein und so, Reinkarnation, Nahtoderfahrung und was in meinem Kopf mit mir geschieht, wenn ich glaube. Nach Seite vier legte ich es wieder beiseite. Jetzt war wohl nicht mehr ausreichend Zeit für stundenlange Meditation – ich spürte auch wenig Lust, mich irgendwelchen belastenden Gedanken hinzugeben, schnappte die Skates und trat vor die Tür. Aber selbst beim Skaten hörte das Kreiseln nicht auf. Wie eine Welle schwappten die Gefühle durch meinen Kopf. Manchmal intensiv und ich stieß fast gegen den Randstein, konnte nur händeringend einen Sturz vermeiden. Dann war der Gedanke wieder so fern, dass ich übermütig über die Risse in der Straße sprang. Weich und geschmeidig umrundete ich Bänke, die Platanen, überholte Radfahrer und Fußgänger, schlängelte mich über den Boulevard.
Spät am Abend liebten wir uns und danach hatte ich das Gefühl, nie so innig ihre Hingabe erlebt zu haben. Ihr Kopf lag auf meiner Schulter, ihr Atem ging leise, streichelte meine Brust und ich war glücklich. Bis auf den winzigen Stachel in meinem Denken, der einfach nicht verschwinden wollte.
Nach der Arbeit waren wir schwimmen, Iris und ich. Die alte Kaimauer war der Lieblingsplatz junger Menschen, die Strömung des Flusses war hier gering und es lagen nur wenige Boote an den regelmäßigen Holzpfählen. Unbeschwertes Lachen, schlanke Körper, viele Frauen ohne Oberteil, einige Hunde schnüffelten auf der Suche nach Essbarem, Fahrräder ohne sichtbare Ordnung standen in Gruppen wenige Schritte von der Kaimauer entfernt und draußen in der Mitte des Flusses tuckerten leise Boote flussaufwärts, dem See entgegen. Aber im Hinterkopf schwebte dieses kleine Damoklesschwert. Wenn es dumm läuft, wirst Du sterben. Die Frage, ob ich wollte, stellte sich mir nicht. Wille war hier fehl am Platz, so dachte ich. Irgendwo hatte ich gelesen, Du musst die Situation annehmen, so wie sie ist. Du kannst nicht kämpfen gegen etwas, das stärker ist. Mein Wille ist nicht stärker als das Leben. Das Leben ist ewig, ich bin nur ein Besucher des Lebens.
„Denkst Du dran?“ Iris buffte mich sanft in die Seite und riss mich aus dem Karussell. Ich lächelte nur, nahm sie sanft in den Arm und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich liebe Dich.“

Die Sonne schien kräftig durch die großen Scheiben, ich blinzelte verstört, hatte keine Peilung.
„Ah, jetzt wird einer wach“, war der erste menschliche Laut, den ich vernahm. Vorsichtig sah ich mich um. Sechsbettzimmer. Jedes Bett belegt, alle Gesichter mir zugewandt, ich versuchte zu lächeln. Das Letzte, an was ich mich erinnerte, war am Morgen die Beruhigungsspritze in die Bauchdecke. Es tat nicht weh, ich schlief sofort wieder ein.
Später saß Dr. Benson an meinem Bett.
„Alles gut verlaufen – war gutartig. In drei Tagen sind sie wieder auf den Beinen. In drei Monaten eine Nachuntersuchung, in fünf Jahren eine weitere. Alles Gute, Herr Emmerich.“ Ich nickte nur, murmelte ein Dankeschön und schlief kurz darauf wieder ein.

 

Schon während des Lesens floppte in meinem Kopf eine ähnliche Situation auf. Ich saß in einer Praxis und sah, wie der Arzt schrieb:
Tu li! Tu li- Tu li - Tumor links schoss es mir ein …
Meine Reaktion war nicht so wie die deines Protagonisten, nicht so ruhig.
Geschichte gefiel mir sehr gut, authentisch und absolut nachvollziehbar.
LG

 

Hi @Jurewa,
danke für den Kommentar - und ich denke, fast jeder Mensch kommt mal in eine Situation, in der sein Kopfkino Amok läuft. Wem es bewusst wird, dem wird klar, dass das Leben oft in einer anderen Bahn verläuft als der Wille. Nochmal danke für´s Lesen.
Beste Grüße
Detlev

 

Hallo @Detlev,
ein gewichtiges Thema, allerdings fiel es mir schwer mit deinem Prota mitzufühlen. Ich glaube, das liegt unter anderem auch daran, dass der Text sehr im Expliziten operiert und wenig Raum lässt, dass sich da was (in mir) bewegen kann. Man könnte wohl auch sagen, dass es einiges an Tell gibt, wo Show besser wäre. Exemplarisch nehme ich mal eine Stelle raus:

Was ist das für eine Kacke – ärgerliche Gedanken, ein seltsames Gebräu aus Frust, Sorge und einem keimenden Fragezeichen. Werde mir doch nicht wegen so ein bisschen Wind die Rippe entzündet haben?
Wenn du mir das so explizit hinschreibst, dann bleibt am Ende nix übrig als ein schnödes: Aha. Schöner wäre ja, du fändest ein Bild bzw eine Situation, in der ich das selbst sehen kann, in der ich meine Empathie anschmeißen kann und sagen kann: Der wird sich bestimmt so und so fühlen. Blödes Beispiel, aber zB fühlt er den Knubbel und überfährt die nächste rote Ampel. Da gibt es dann Platz für das Implizite und ich kann diesen Platz füllen und überlegen, ok, der denkt an den Knubbel, der macht sich bestimmt Sorgen. Ja klar, was macht er denn jetzt damit?

So viel erst mal für heute.
Viele Grüße
Katta

 

Hallo @Detlev,
deine Geschichte hat mich sehr berührt und ich bin froh, dass sie gut ausgegangen ist. Deine Beschreibungen sind sehr bildhaft. Besonders gefallen hat mir:

Rechts fehlte der Socken.
Einzig bei dem folgenden Satz hätte ich die Frage, ob es nicht "stärker als" heißen muss:
Mein Wille ist nicht stärker wie das Leben.
Viele Grüße
Margarete

 

Hallo @Margarete,

dankeschön für den Kommentar und für´s Lesen - und Du hast recht, es muss "als" heißen.
Beste Grüße
Detlev

 

Hallo @Katta,

danke schon mal für´s Erste, oh Gott, was wohl noch kommen mag?
Danke für Deinen Kommentar und die Sicht auf das Explizite, bzw. Implizite.
Ich verstehe das mit der Ampel, nur er fuhr nicht bei Rot über die Ampel - sicher, es war ja nur ein Beispiel; und wenn er das denkt, soll ich seine Gedanken nicht schreiben? Mhm ...
Ich versuch später mal, das in ein Bild zu bekommen - auf alle Fälle danke für die Anregung.
Beste Grüße
Detlev

 
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Hallo @Detlev ,

zuerst Kleinteiliges im Text:

„Gut, dass ihr Hausarzt sie sofort überwiesen hat.
Sie
Hier, sehen sie – der Knochen ist bereits geweitet.
Sie
„Worst Case – Osteosarkom. Ist er bösartig, dann gibt´s noch sechs Monate.“
gibt's
irgendwo auf dem Dach eines Hauses sang eine Amsel,
Er hört im Wartezimmer eine einzelne Amsel auf irgend einem Dach (woher weiß er, dass die Amsel auf einem Dach sitzt?)
das An- und Abschwellen von Reifen langsam vorbeifahrender Autos.
Da schwellen aber nicht die Reifen an und ab, sondern nur das Geräusch oder die Geräusche.
Nichts Professionelles, eher laut und unbeholfen. Das konnte jetzt einfach so vorbei sein.
Den zweiten Satz finde ich im Zusammenhang seltsam im Ausdruck. Erstens sehr lapidar, was aber noch okay wäre im Rahmen der Geschichte, weil du den Prot absichtlich so angelegt hast, aber angesichts dessen, dass es wegen dem Tod "einfach so vorbei" sein kann, finde ich seltsam, weil das dem Prot dann gar nichts mehr ausmachen kann, da tot.
Ja sicher war es das, aber ich wusste nicht, was noch kommt. Wer wusste das schon?
Das liest sich eher, als sei auch der Autor unsicher, wie es denn im Inneren seines Prot denn nun aussieht. Das ist so trivial und ohne wirklichen Inhalt, dass ich das streichen würde.
In zwei Wochen muss ich unter´s Messer;
unter's
„Lass das!“ fauchte sie. „Das ist nicht witzig.“
"Lass das!",
„Soll ich in Hysterie ausbrechen? Tempos neben mir vollheulen? Zwei Wochen Urlaub nehmen und zuhause auf dem Sofa mich jammernd selbstbemitleiden?“
selbst bemitleiden
"Tempos neben mir" finde ich nicht ganz passend, einfach "Tempos" würde ich sinnvoller finden.
Das finde ich schon eine extreme Reaktion des Prot, die auch verhindert, dass ich etwas Empathie entwickeln kann oder das Ganze etwas an Tiefe gewinnt. Das geht zwar nicht nur über Angst und Schmerz, wäre anhand deines Themas in dieser Geschichte aber zumindest auch naheliegend.
Dann war der Gedanke wieder so fern, dass ich übermütig über die Risse in der Straße sprang. Weich und geschmeidig umrundete ich Bänke, die Platanen, überholte Radfahrer und Fußgänger, schlängelte mich über den Boulevard.
Die Bebilderung gefällt mir!
Die Frage, ob ich wollte, stellte sich mir nicht. Wille war hier fehl am Platz, so dachte ich.
Das ist so eine Binsenweisheit, dass du, finde ich, locker drauf verzichten kannst.
Irgendwo hatte ich gelesen, Du musst die Situation annehmen, so wie sie ist. Du kannst nicht kämpfen gegen etwas, das stärker ist.
"Du musst ..." würde ich kursiv setzen, wenn das Zitat ohne Anpassung übernommen wird.
Ich lächelte nur, nahm sie sanft in den Arm und flüsterte ihr ins Ohr. „Ich liebe Dich.“
ins Ohr: "Ich liebe dich."
Alles Gute, Herr E..“
Ihn nur "Herr E." zu nennen ergibt für mich nicht so viel Sinn. Warum anonym? Sagt der Arzt das so?

Ich stehe der Geschichte zwiegespalten gegenüber, habe sie mittlerweile aber etliche Male gelesen. Nach dem ersten Mal fand ich sie etwas langweilig, habe aber gleichzeitig zu schätzen gewusst, dass du nicht plötzlich etwas recht Absurdes aus dem Hut zauberst sondern die Geschichte eben auch im gleichförmigen Ablauf endet und nicht versucht, etwas zu sein, das sie bis zu diesem Punkt nicht war.
Der Prot, seine Freundin und die Leidensgeschichte bleiben mir eher fern, da auch der Prot auf potentielle Angstgefühle und -gedanken abwehrend reagiert und sie gar nicht auskeimen lässt. Das mag ganz gut sein, wenn man in seiner Lage ist, aber als Autor hättest du auch die tieferen Schichten erfassen können, die unter dieser ganzen Tapferkeit verlaufen und dem Leser auch das etwas näher bringen, was der Prot nicht zulassen will.
Du hast versucht, das zu erreichen, indem du die Geschichte mit ein paar Lebensweisheiten wie

Mein Wille ist nicht stärker als das Leben. Das Leben ist ewig, ich bin nur ein Besucher des Lebens.
gespickt hast, die mir in der Form auch eher fern bleiben, als wenn du sie etwas weitläufiger angelegt und nicht nur zitiert hättest.
Gut lesbar ist die Geschichte aber allemal. Anfangs kommt man gut rein und ich finde die Eingangsszene gut aufgebaut.
Insgesamt verhindern aber wie ich finde oben genannte Aspekte, dass der Inhalt einem näher kommt und man an der Situation des Prot und der anderen verstärkt teilnimmt.
Einen deutlicheren Spannungsbogen könntest du leicht bauen, allein aus deinem Titel: Zwei Wochen. In denen könntest du deinen Prot und seine Freundin näher begleiten und die sich steigernde Aufregung und Sorge etwa, aber auch andere Aspekte seiner Wahrnehmung in dieser Zeit, ausarbeiten und sich zuspitzen lassen.

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Helenesthe,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar und für´s Lesen - ich korrigiere und überarbeite in den nächsten Tagen gerne die Story - Deine "Kritik" war sehr erbaulich und hilfreich, dankeschön.
Beste Grüße
Detlev

 

Hallo @Detlev,
ich finde, Dein Text passt sehr gut zu "Vielleicht liest der Meister...". Das denke ich, weil diese Sendung für Leute in genau der Situation, die Du beschreibst, ein Labsal war. Dort haben viele angerufen, die in Krankenhäusern, Psychiatrien, Knästen waren. Gerade dann braucht man so ein Gerede über Blaue Häuser und Nacktmulls und Analsex. Das haben sie ja seit 2009 den Leuten weggenommen. Bestimmt ist die Selbstmordrate seitdem gestiegen. Vielleicht sollte man mal für Freunde, die mächtig in Schwierigkeiten stecken, Mitschnitte der Sendungen besorgen.
Sonst ist Dein Text sehr gut geschrieben. Das Thema ist ernst.

Ich habe auch schon überlegt, ob ich vielleicht mal über was Tiefsinnigeres schreiben sollte, habe den Gedanken aber verworfen. Ukraine, Gaza-Streifen, Solingen. Das reicht schon jeden Tag in den Nachrichten. Da brauche ich nicht auch noch Deprimierendes dazu geben.
Gruß Frieda

 

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