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Zwei Welten

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14.08.2001
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Zwei Welten

Hier, tief unten, verborgen vor dem Zugriff der zugleich neugierigen und ängstlichen Menschen, im Herzen der Alpen, unter Millionen Tonnen Felsgesteins, erreicht mich endlich nach so vielen Jahrzehnten tiefem Dauerschlafs der Ruf. Meine Artgenossen sind gekommen, um mich und die anderen Überlebenden zu holen, ich habe längst nicht mehr daran geglaubt, die Erde wieder verlassen zu dürfen.
Viele hundert Jahre zuvor geschah das große Unglück. Unbesiegt im Kampf gegen die zahllosen Feinde unserer Rasse, mußten wir in einer Kampfpause aufgrund eines technischen Defekts den taktischen Rückzug antreten und auf diesem namenlosen Planeten im benachbarten Sonnensystem notlanden. Um unsere Feinde nicht auf unseren neuen Standort aufmerksam zu machen, verzichteten wir auf einen Funkspruch und setzten nur eine Notrufboje aus, die ihre Aufgabe erfüllen würde, sobald die Feinde das Kriegsgebiet verlassen hatten. Aufgrund eines Computerfehlers, meine Artgenossen meinten jedoch eher durch Einwirkung der Feinde, was durch nichts zu beweisen war, entwickelte sich die planmäßige Notlandung zu einer Katastrophe. Meine Artgenossen und ich konnten das Raumschiff gerade noch verlassen, bevor es in einer unbewohnten Savanne aufschlug und sofort ausbrannte. Nun saßen wir gefangen auf einer fremden Welt, die vielleicht bald von unseren Feinden entdeckt werden würde. Daher beschlossen wir uns zu teilen, jeder von uns sollte sich nach dem Willen des Kommandanten in einer unbewohnten Gegend so lange verborgen halten, bis uns der Ruf wieder zusammenführte, doch der Ruf blieb aus, lange, sehr lange.
Wie meine Artgenossen auch, verbarg ich mich lange Zeit in einer geräumigen Höhle hoch oben im Gebirge, wohin sich kaum einer der primitiven Bewohner dieses Planeten wagte, aber leider ebenso nur wenige größere Tiere. Niemand von uns hatte ernsthaft damit gerechnet, lange auf dieser Welt leben zu müssen. Tag reihte sich an Tag, Woche an Woche, der Ruf kam nicht, nicht nur mir knurrte bei dieser elenden Warterei schon lange der Magen, meinen Artgenossen erging es wohl ähnlich, die ich seit dem Absturz nicht wieder gesehen hatte. Unsere Rasse kann lange, sehr lange Zeit ohne Nahrung auskommen, aber eben doch nicht ewig und untätiges Herumsitzen vermehrt die dumpfen Hungergefühle immer mehr. Schließlich verließ ich meine schützende Höhle im Hochgebirge und machte mich auf die Suche nach etwas Eßbarem.
Einige hundert Meter unter mir begann die Baumgrenze, saftiges Grün leuchtete mir aus den Tälern entgegen und meine scharfen Augen erblickten schon bald flüchtige Bewegungen von Gebirgstieren, die für mich leider viel zu schnell waren, denn auch Waffen hatten wir nicht mehr retten können. Ich mußte mich also auf leichter erlegbares Wild konzentrieren und fand schon bald die Spur eines großen fleischfressenden Tieres, das sich ganz in der Nähe herumtreiben mußte, ich muß gestehen, bei diesem Gedanken lief mir das Wasser im Munde zusammen. Wenig später entdeckte ich einen großen Bären (auch auf unserer Welt gibt es ähnliche Tiere, so daß mir diese Assoziation nicht schwer fiel), der mich nicht bemerkte. Ich schlich mich vorsichtig an und erledigte ihn mit einem einzigen Hieb. Auch wenn ich früher rohes Fleisch verabscheut habe, jetzt wurde daraus ein ausgiebiges Festmahl. Dabei muß mich wohl ein Mensch beobachtet haben, ich maß damals dieser Begegnung keine große Bedeutung bei, jedenfalls erhaschte ich eben noch einen Blick auf ein schnell flüchtendes in seltsame Kleider gehülltes Wesen bevor es entgültig aus meinen Augen verschwand. Ihm nachzusetzen verspürte ich mit gut gefülltem Magen wenig Lust, wozu auch, er konnte mir nicht gefährlich werden, dieser Mensch, dachte ich damals, außerdem verbot unsere hochgestellte Ethik das Töten von intelligenten Wesen einer niedrigeren Zivilisationsstufe als der unseren aus nichtigen Gründen, lebensbedrohlich war diese Situation nun wahrlich nicht.

Wochen später tauchte ein ganzer Trupp Menschen vor meiner Höhle auf, in der ich die meiste Zeit im Halbschlaf verbrachte. Menschen in seltsamen Rüstungen, bewaffnet mit langen stahlbewehrten Stöckern und großen Schwertern drangen vorsichtig in meine Höhle ein. Der Gestank von brennendem Baumharz und das unangenehme Pieksen von Eisen an meinem Bauch weckten mich schließlich ganz auf. Wütend sog ich Luft ein und blies den Männern eine Wolke Schwefelgases entgegen, das sie zum Husten brachte. Niemand konnte von mir ernsthaft verlangen, daß ich auf diese primitiven Wesen Rücksicht nahm, wenn sie mich aus meinem verdienten Schlaf rissen und auch noch versuchten mich zu verletzen. Ich spie ihnen eine Feuerball entgegen, der mehrere von ihnen bis zur Unkenntlichkeit verkohlte und anderen die Rüstung versengte. Das war zu viel für diese armen Menschen, schreiend flüchteten sie aus meiner Höhle, ließen ihre gefallenen Gefährten und einige Waffen zurück. Ich muß ehrlich gestehen, mir war dabei nicht besonders wohl zumute, denn eines solchen Vorgehens hätte es nicht bedurft, um die vergleichsweise primitiven Menschen in die Flucht zu schlagen, die mich mit ihren primitiven Waffen allenfalls oberflächlich verletzen konnten. Ich nahm mir vor, bei zukünftigen Zusammenstößen vorsichtiger zu sein. Natürlich machte ich mir damals immer noch Gedanken über das Ausbleiben des Rufes, aber ich hoffte immer noch auf ein baldiges Ende meiner Gefangenschaft auf dieser Welt.

Ich wechselte schließlich die Höhle, ließ die toten Menschen unbestattet in meiner alten Höhle liegen und flog viele Kilometer entlang des Alpenkamms bis ich eine neue Heimstätte fand. Mehrmals noch, jeweils in einem Abstand von mehreren Jahrzehnten griffen mich Menschen an und ich mußte mich meiner gepanzerten Haut erwehren, es gab wieder Tote, doch die Waffen der Menschen wurden besser. Nun verwendeten sie brennende Pfeile, Armbrüste und schließlich kleine Stahlkugeln, die meine lederne Haut durchschlugen und unangenehme Wunden hinterließen. Töten konnten sie mich mit diesen primitiven Waffen immer noch nicht, aber ich war es leid, ständig kämpfen zu müssen, deshalb zog ich mich tiefer in den Berg zurück und verbrachte die kommende Zeit bis zum heutigen Tage im absoluten Tiefschlaf, aus dem mich nur der Ruf oder der nagende Hunger wecken konnte. Dieser Schlaf verbraucht zu meinem Glück nur sehr wenig Körper-Reserven, ich hätte ihn noch einige Jahrhunderte durchhalten können.

Endlich nach so langer Zeit traf ich über einem Meer mit meinen Artgenossen zusammen und mußte erschreckt feststellen, daß ihre Zahl um mehr als die Hälfte geschrumpft war. Einige meiner Artgenossen erzählten mir später, die entgegen der Befehle wenigstens ab und an mit anderen zusammengetroffen waren, daß die Menschen schuld an dem Tod vieler meiner Artgenossen hätten. Zu früheren Zeiten hätte es in anderen Gegenden viele Zauberer gegeben, die über magische Waffen verfügten, die auch einem Drachen wie mir gefährlich werden konnten. Auch erfuhr ich, daß Menschen eine tief verwurzelte Angst vor Drachen hatten und deshalb so wagemutig und draufgängerisch jeden Drachen zu töten trachteten. Auch friedliche Drachen wie mich, die nie aktive Konfrontation mit den Menschen gesucht hatten, sondern eine Auseinandersetzung immer mit möglichst wenig Verlusten zu vermeiden suchten. Aber mit Menschen konnte man nicht reden, machten sie mir klar.

Ja, das war es wohl, mit verängstigten Menschen konnte man nicht reden, also verließen wir diese Welt, die einigen von uns zum Grab geworden ist still und heimlich.

 

Anfangs dachte ich, du schreibst über den Yeti, dann schwenkte meine Vermutung auf den Ötzi um, aber das die Drachen in deiner Geschichte die Außerirdischen spielen, das hätte ich mir nicht vorzeitig zusammenreimen können.

Ich denke, es war die richtige Entscheidung diesen Text in Form eines Erlebnisberichts in der ICH-Form zu schreiben, passt irgendwie zur Thematik.

Du verwendest nur m.M. nach das Wort "Artgenossen" zu oft, teilweise hast du versucht mit dem Wort "Rasse" abhilfe zu schaffen, eine echte Vermeidung dieser Wortwiederholungen ist dir allerdings nicht wirklich gelungen.

Ansonsten, schöner Text, das Lesen hat sich auf jeden Fall gelohnt.

 

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