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Zwei Welten und ein Preis

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23.01.2016
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Zwei Welten und ein Preis

,,Nein! Nein! Nein! Ich brauche ihn nicht! Ich brauche überhaupt keine Hilfe- von niemandem! Ich schaffe es alleine! Ich brauche gar niemanden!”
Es ist dunkel. Die Tiefe der Nacht lässt alle Umrisse verschwinden. Es ist egal, ob sie die Augen offen hat oder nicht. Es ist immer gleich dunkel. Außerdem ist es kalt. Sie hasst Kälte. Deshalb schläft Maryla immer mit zwei dicken Decken, die sie warm halten sollen. In ihren vielen Kissen wälzt sie sich umher und prügelt die Worte ,,Nein, Nein, Nein!” in sich ein. In ihrem Inneren herrscht eine einzige Unruhe. Sie fühlt wie größere Brocken ihres Herzens abreißen, tief fallen und zerklirren. Mitten in einen Schmerz, der sich daraufhin weit ausbreitet und die Unruhe in ihr weiter fördert. Unter den Decken presst sie ihre kalten Füße fest gegen das Ende ihres Bettes. Sie zittert und schaudert am ganzen Körper aber sie will nichts davon wissen. Sie versucht sich zu beruhigen, indem sie ihre Schulter leicht berührt und sich ein wenig zusammenkauert. Alles, woran sie denken kann, ist er. Sein Lächeln, was sie so sehr an ihm liebt und seine Augen, die so viel Liebe ausstrahlen. Sie sind hellbraun und passen, vom Farbton her, genau zu seinen Haaren. Was würde sie nicht alles dafür tun, damit er jetzt neben ihr liegen würde um ihren blanken Rücken, an dem schon die ganze Nacht kühle Schauder herunterfließen, mit seinen gefühlvollen Händen zu berühren und um sie zu umarmen. Doch Nein!
„Ich brauche ihn nicht! Ich habe ihn nicht nötig! Ich sollte ihn nicht treffen! Er würde sowieso nichts mit mir zu tun haben wollen! Er ist mir egal!”
Im Moment dreht es sich nur um ihre Abiturnote. Ihr ganzes Leben lang wollte Maryla nur eines: Eine erfolgreiche Karrierefrau sein, die unabhängig ist und nie in Bedrängnis gerät. Sie hat Angst, dass ihr Traum wegen einer schlechten Abiturnote nicht in Erfüllung geht. Sie hat Angst, dass sie nach dem Gymnasium keinen Anschluss findet. Sie fürchtet sich vor dem Versagen wie vor dem Tod, denn sie will unter keinen Umständen in einem Getto der Armut und Perspektivlosigkeit erlegen. Aber deshalb wühlt sie sich nicht aufgeregt durch ihr Bett. Sie tut es, weil sie erkannt hat, dass all das, was sie erreichen möchte, überhaupt gar nichts wert ist, wenn sie nicht zumindest einen Freund hat, der ihr den Rücken stärkt und hinter ihr steht. Diese Erkenntnis trifft sie tief. Es wirft ihr ganzes Weltbild um, war sie doch ihr ganzes Leben eine Einzelkämpferin. Ihr Herz fängt an schneller zu schlagen und die Unruhe in ihr beginnt sich noch weiter zu verbreiten. Sie würde bald ihren Gefühlen nachgeben und in Tränen ausbrechen. Schluchzend bringt sie ein kleines ,,Nein” hervor. Daraufhin schnappt sie sich das Ende einer Strähne ihres langen schwarzen Haares und beginnt zart darauf zu beißen. Sie spürt wie ihr Haar leicht feucht wird, nach einiger Zeit in der Kälte erstarrt und erhärtet. Nun zieht sie sich diese Strähne zwischen ihren perfekten, weißen Zähnen hin und her. Nun ist sie ruhig und meint:
„ Ich brauche ihn nicht! Ich brauche seine Liebe nicht!”
Mit eiserner Härte, mit der sie ihre äußere Fassade aufgebaut hat, versucht sie sich von dem Gedanken zu lösen. Doch je mehr sie leugnet desto aufgewühlter wird ihr Inneres. Liebe ist wie eine übelwollende Droge für sie. Ein schauriger Schatten, der sich ihrer auferlegt hat. Ein Zeichen von Schwäche. Sie versucht verzweifelt davon loszukommen, weil es das einzige ist, was ihre Fassade durchdringen kann.
,,Was?! Soll ich jetzt etwa tatsächlich anfangen mich mit diesem Holzkopf zu treffen? Als ob dieser Loser mein Leben besser machen kann! Nein! Nein! Nein!”
In Wahrheit hat sie Angst sich dieser Liebe hinzugeben. Sie glaubt nicht, dass jemand einen anderen Menschen bedingungslos lieben kann oder aus rein freundschaftlichem Interesse mit ihm zusammen ist. Sie kann es sich nicht vorstellen einen Schritt auf ihn zuzugehen. Sie hat Angst vor seiner Reaktion. Sollte sie negativ sein könnte sie sich diese Niederlage nicht eingestehen. Sollte sie nun positiv sein würde sie nicht wissen wie es weitergehen soll. Seinen Freundeskreis kennenlernen? Ehrlich zu ihm sein? All ihre Geheimnisse vor ihm zugeben und sich ihm öffnen?
,,Nein! Nein! Nein! Ich bin unabhängig und perfekt so wie ich bin! Ich brauche so jemanden nicht!”
Maryla erinnert sich an eine Hausparty, die sie letzten Sommer besucht hat. Damals traf sie dort eine alte Klassenkameradin, von der sie früher immer ausgegrenzt wurde. Sie saßen am gleichen Tisch, während die Jungs sich draußen betranken und kifften. Maryla hatte wenig mit ihr zu tun gehabt. Zum einem, weil sie von ihr beleidigt wurde und zum anderen fand Maryla sie hässlich und ungepflegt. Die Haare des Mädchens waren nie richtig gekämmt sondern immer nur schlampig zu einem Zopf zusammengebunden und wegen der schwachen Leistungen, die es erbrachte, stand es längst fest, dass es von der Schule fliegen würde. Da dieses Mädchen aber auch aus Polen kommt und den ganzen Abend alleine dasaß, während ihr Freund sich draußen zum Idioten machte, verwickelte Maryla sie in ein Gespräch. Ihre alte Klassenkameradin begann zunächst zu erzählen, dass sie es bereut, die Schule verlassen zu haben. Sie begann zu jammern, dass ihr Freund sie wie Dreck behandeln würde und dass es ihr in vielerlei Hinsicht nicht gut gehen würde. Doch dann sagte sie etwas, was Marylas Leben von Grund auf verändern sollte. Sie sagte, dass Maryla wegen ihrem Ehrgeiz und ihrer Durchsetzungskraft sowie ihrer Gefühlskälte ein Vorbild für sie darstellen würde. Weiterhin sagte ihre ehemalige Klassenkameradin, dass Maryla es sicherlich weit bringen würde, da sie gerade wegen all ihrer Eigenschaften, wegen denen sie von ihr und all den anderen ausgegrenzt wurde, etwas Besonderes, ja wenn nicht sogar etwas Einzigartiges sei. Maryla solle sich nie von jemandem aufhalten lassen und ihr Ziel immer klar vor Augen haben. Maryla selbst wusste daraufhin nicht was sie sagen sollte. Dieses eine Gespräch war in gewisser Hinsicht das Zeichen wonach sie sich immer gesehnt hat. Eine erfolgreiche Karriere stand bei ihr schon immer an erster Stelle. Zu hören, dass es für sie realisierbar ist, war wie Balsam für ihre Seele. Sie wurde in der Schule gemobbt. Sie war schon immer eine Außenseiterin, eine Streberin. Oft wurde sie von anderen erniedrigt und gedemütigt. Doch immer setzte sie sich zur Wehr. Notfalls sogar mit Gewalt. In der achten Klasse hatte sie einem Jungen die Nase blutig geschlagen, nachdem er sie dreckige Polackin genannt hat und bekam dafür sogar einen Tadel. Doch das war ihr alles egal. Es ging immer nur um sie. Ihr Leben. Ihre Würde. Ihre Karriere. Dieses Gespräch war die Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg geht. Es war eine Motivation so weiterzumachen wie bisher. Doch seit sie auf ihn getroffen ist, ist nichts mehr so wie es mal war. Genau jetzt fällt ihr auf, dass es im Leben um viel mehr geht als Geld oder die Bestätigung die Beste zu sein oder die Sicherheit, von niemandem ausgenutzt zu werden. Immer wenn sie ihn sieht fühlt sie sich geborgen und jedes Mal wenn er sie nicht beachtet oder sie sich zwingt ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken taucht mitten am Tag der Schmerz auf, der sie nachts so sehr quält.
„Wo soll das denn enden? Soll ich ihm dann hinterher räumen oder seinen Nachnamen annehmen? Nein! Nein! Nein! Ich mache das nicht mit! Fickt euch doch alle!”
Die ganze Nacht schon dachte sie immer nur an ihre Karriere und wie sie sich von ihm loslösen könnte. Sie leugnet verzweifelt all das, was sie nicht wahr haben kann. Sie redet sich ein:
„Ich werde es schaffen! Ich bin intelligent und sexy! Ich kann alles erreichen was ich will! Ich brauche dafür keine Hilfe- von niemandem! Schon gar nicht von ihm!”
Ihr Körper wird ruhiger, da sie ihren inneren Konflikt für einen ganz kurzen Augenblick niederschlagen konnte. Das kleine Flämmchen, das in ihr leicht loderte hatte sie tot getrampelt und den Qualm mit ihrer Haltung erstickt. Sie lächelt, weil sie stolz ist, dass sie dem Gift nachdem ihr Körper forderte widerstehen konnte.
Nach einiger Zeit beginnt sie sich vorzustellen wie es wohl sein würde wenn es all diese Fragen und Einwände nicht geben würde. Wie würde es wohl sein wenn sie sich überwinden würde, auf ihn zugehen würde und er sie mit offenen Armen empfangen würde und keinerlei Probleme aufkommen würden? Sie gibt sich diesen Gedanken hin und stellt fest, dass es das wohl schönste Gefühl wäre, was ihre Seele jemals fühlen würde. Sie würde glücklich und ausgewogen sein. Sie wäre nicht mehr die komplexe Diva, die sie jetzt ist. Sie wäre im Reinen mit sich selbst und könnte endlich einmal herzhaft und ehrlich lachen. Maryla wird klar, dass sie von diesem Gefühl genauso weit weg ist wie von ihrem Traum eine eiskalte Karrierefrau zu sein. Sie merkt, dass es da draußen, außerhalb ihrer Machtfantasien eine andere Welt gibt, von der sie kein Teil ist, von der sie glaubt niemals ein Teil zu werden. Eine Welt, in der sich die Menschen nahestehen, in der man sich liebt und umarmt, auf die Schulter klopft und einfach zusammen ist, in der man sich gegenseitig blind vertrauen kann.
Plötzlich wird ihr ganz warm ums Herz und der runde Vollmond in seiner vollen Schönheit zusammen mit dem funkelnden Sternenhimmel kommt hinter den grauen Wolken hervor, die sich blitzartig verzogen. Es wurde hell in Marylas ordentlich aufgeräumten Zimmer und es würde viel heller sein wäre eine weitere Person dort. Maryla selbst ist bereits friedlich eingeschlafen und hatte sämtliche Sorgen vergessen.

Am nächsten Tag würde sie weitermachen wie bisher und in ihrem Karrierewahn und dem Verlangen die Beste, die Einzige, die Mächtigste zu sein jedes Mittel einsetzen. Alles andere ist für sie nämlich zweitrangig. Den Schmerz der Einsamkeit würde sie jedes Mal fühlen, wenn sich ihre Welt mit der des Jungen streift. Sie wird sich selbst ständig mit der Frage quälen, ob sie tatsächlich eine reiche Karrierefrau sein wird und ob es nicht vielleicht ein Fehler ist, in dieser Position zu verharren.
Was sie noch nicht weiß: Ihr Traum wird sich tatsächlich erfüllen, wenn sie so weitermacht wie bisher. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, dass Maryla künftig eine unnahbare und einflussreiche Geschäftsfrau sein wird. Allerdings- und das wird Maryla erst jetzt klar, wird der Preis, den sie dafür zahlen muss, ein sehr hoher sein. Es ist ein Preis, der es nicht wert sein könnte, gezahlt zu werden.

 

Hi Alekay,
Zuerst einmal gefällt mir die Stimmung, die Du mit deiner Geschichte erzeugst.
Zu gerne würde ich allerdings wissen, wie alt Maryla ist. Sie kommt mir etwas jünger vor, als sie zu sein scheint Wenn sie bald ihr Abitur macht müsste sie ja theoretisch um die neunzehn Jahre sein, oder?

Nun zum Text:

Es ist immer gleich dunkel.
Der Text ist ja nun nicht aus Marylas Sicht geschrieben. Daher finde ich diese Wortwahl etwas einfach. Würde Maryla sie erzählen, wäre es für mich natürlich authentisch.

Sie fühlt wie größere Brocken ihres Herzens abreißen, tief fallen und zerklirren
größere Brocken hört sich, meiner Meinung nach an, als wären schon große brocken abgebrochen. Vielleicht kannst Du da noch tiefer bohren. Noch mehr schmerzgeschwängerte Adjektive benutzen und den Leser weh tun, damit man noch mehr mitfühlen kann.

Mitten in einen Schmerz, der sich daraufhin weit ausbreitet und die Unruhe in ihr weiter fördert
Verstehe ich nicht so ganz. Vielleicht liegt es an mir. Mitten in einen Schmerz? Passt das?

Sie sind hellbraun und passen, vom Farbton her, genau zu seinen Haaren
Der Satz ist etwas einfach. Findest Du nicht? "Vom Farbton her" würde ich nicht schreiben. Das scheint etwas umgangssprachlich. Der Leser weiß, was Du ausdrücken willst. Du brauchst das gar nicht. Vielleicht kannst Du es auch noch besser ausdrücken. Seine Haare nehmen die Farbe seiner Augen auf. Oder beschreibe die Augenfarbe detailliert. Das würde mir gefallen. Als junges Mädchen legt man auf solche Dinge großen Wert. Man weiß alles und kann jeden Zentimeter des Adonis, der einen in sämtlichen Träumen den Himmel zu Füßen legt und einem die Knie zu einem einzigen Brei erweichen lässt, beschreiben.

Sie fürchtet sich vor dem Versagen wie vor dem Tod, denn sie will unter keinen Umständen in einem Getto der Armut und Perspektivlosigkeit erlegen.
Warum das? Ist sie arm? Wenn dem so ist - vielleicht übersehe ich ja auch etwas - sehe ich das nicht. Sie hat viele Kissen, also scheint sie auch Geld für diese zu haben? Kissen sind ja nicht so günstig ;)
Oder ist ein Ghetto in der Nähe?

Sie tut es, weil sie erkannt hat, dass all das, was sie erreichen möchte, überhaupt gar nichts wert ist, wenn sie nicht zumindest einen Freund hat, der ihr den Rücken stärkt und hinter ihr steht
Woher kommt diese Erkenntnis? Mir persönlich fehlt da ein wenig. Vielleicht ein kleiner Zusatz. Die Figur hat ja bis hierher nichts erlebt, wovon wir wissen. Was genau hat sie durchgemacht?

Sie hat Angst vor seiner Reaktion. Sollte sie negativ sein könnte sie sich diese Niederlage nicht eingestehen. Sollte sie nun positiv sein würde sie nicht wissen wie es weitergehen soll
Hauptsatz, Nebensatz Kommata fehlen. Nichts wildes. Also: Sollte sie negativ sein, könnte....
Sollte sie nun positiv sein, würde...

Ihr Körper wird ruhiger, da sie ihren inneren Konflikt für einen ganz kurzen Augenblick niederschlagen konnte. Das kleine Flämmchen, das in ihr leicht loderte hatte sie tot getrampelt und den Qualm mit ihrer Haltung erstickt. Sie lächelt, weil sie stolz ist, dass sie dem Gift nachdem ihr Körper forderte widerstehen konnte.
Huch! Woher kommt das jetzt? Das ging aber schnell.
Also ich mag deine Geschichte. Ich verstehe, was Du sagen willst. Für mich fehlen hier und da ein paar Informationen und an anderer Stelle hätten weggelassen werden könnten. Ich würde das Ende sogar streichen. Die letzten vier bis fünf Sätze sind für mich unnötig. Die brauchst Du nicht. Lass den Leser hängen. Das würde dem ganzen etwas Würze verleihen.
Ich spüre, dass Du ganz genau weißt, wie es deiner Figur geht, was sie durchmacht und genau das würde ich schreiben. Schreibe das auf was sie fühlt, nicht was passieren wird. Der Leser kann es sich denken und wenn er mitdenken muss, dann ist er ganz bei Maryla
Maryla ist super. Da hast Du dir viel Mühe mit gegeben. Zeig uns mehr Maryla und die Geschichte wird wachsen! Ich hoffe Du kannst etwas mit meiner Kritik anfangen und nimm sie nicht persönlich.
Vielleicht gefällt dir nicht, was ich schreibe und wenn Du damit nichts Anfangen willst, dann ist das gut so, denn es ist deine Geschichte und Du solltest schreiben, was Du schreiben willst. Ich möchte nicht deine Geschichte verändern, sondern nur schauen, was Du zeigen willst. Wie Du es vielleicht noch besser aus dir rauskitzeln kannst, was in deiner Kreativität steckt. Da ist noch mehr, das merkt man!

:) Mach weiter!

 

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