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Zwei Roggenmischbrote
Magdalena hantierte in der Warenauslage der Bäckereitheke. Sie richtete die Preisschilder. Entfernte die Kuchenkrumen von den Blechen. Reinigte die Thekenglasscheiben. Dieser Arbeit ging sie immer nach, wenn sich kein Kunde im Laden befand.
Ihre Armbanduhr zeigte auf 16:00 Uhr, als Magdalena das Kuchenblech mit dem gedeckten Apfelstreuselkuchen, nachdem sie die Krumen entfernt hatte, wieder in die Thekenauslage zurück schob. Da hörte sie die Ladentürklingel anschlagen. Magdalena hielt inne. Mit fließendem Warmwasser wusch sie ihre Hände und trocknete sie mit einem Einmal-Handtuch flugs ab. Sie wandte sich in Richtung Ladentür. Doch die war verschlossen. Komisch, dachte Magdalena , ich glaubte die Klingel gehört zu haben. Nichts dergleichen. Sie überlegte noch ein paar Augenblicke, warf das Einmalhandtuch in den Mülleimer und wandte sich wieder der Auslage zu.
„Guten Tag“, hörte sie eine Stimme.
Sie richtete sich wieder auf. Schaute wieder erwartungsvoll in den Verkaufsraum. Und? Nichts. Keine Menschenseele war in dem Raum zu sehen.
„Ich hätte gerne ein zwei Pfund Roggenmischbrot“, sagte die Stimme.
Magdalena suchte mit den Augen abermals und fand wiederum nichts. Zwar hatte sie eine Stimme gehört, ob es eine männliche oder eine weibliche war, das konnte sie nicht beurteilen. Aber es war eine Stimme, eine menschliche. Sie hatte sich dies nicht nur eingebildet.
„Ist das Brot von heute oder schon von gestern?“ fragte die Stimme.
„Natürlich ist es von heute!“ entfuhr es Magdalena, ohne dass sie es wollte. Wie konnte dieser Jemand, der sich anscheinend hier in diesem Raum irgendwo versteckte, an der Frische zweifeln.
„Gut“, sagte die Stimme, „dann nehme ich zwei.“
Sie möchte zwei, dachte Magdalena und griff ins Regal hinter sich. Wer denn? Es ist doch niemand da. Trotzdem legte sie die zwei gewünschten Brote auf die Theke.
„Was kosten sie?“
„Eins kostet 3,50Euro“ gab Magdalena zur Auskunft.
„Ich habe leider kein Kleingeld,“ sagte die Stimme. Magdalena traute ihren Augen nicht. Aus dem Nichts erschien ein 20 Euroschein, schwebte in der Luft. Dann bewegte er sich, er schien zu fliegen und landete auf der Theke. Magdalenas Blicke klebten auf dem Schein. Nein. Das träumst du doch? Das kann doch gar nicht sein? Nein, das gibt es nicht. Sie war mit den Gedanken über das Geschehene beschäftigt und rührte sich nicht.
„Was ist denn nun?“ fragte die Stimme, „das Geld ist echt“, sagte die Stimme weiter, „bitte packen sie mir die Brote ein.“
Magdalena glaubte zu träumen, aber mechanisch fingerten ihre Hände nach den Papiertüten. Sie stopfte die Brote hinein, legte sie dann auf die Theke.
„Danke“, sagte die Stimme. Kaum war die Stimme verklungen, erhoben sich die Brotlaiber von der Theke und waren augenblicklich verschwunden. Hatten sich regelrecht in Luft aufgelöst. Augenblicke wie Stunden vergingen. Magdalenas Gedanken rasten. Sie weigerte sich einfach, das zu glauben, was sie sah. Zu sehen glaubte. Sie blieb unbeweglich stehen. Schaute in den Verkaufsraum. Sie suchte. Suchte nach den Broten. Weg. Die waren einfach weg. Spurlos.
„Ich bekomme aber noch Geld zurück“, sagte die Stimme wieder. “Die Brote kosten 7,00 Euro, also bekomme ich noch 13,00 Euro zurück.“
Obwohl sich Magdalenas Sinne sträubten, kam sie der Aufforderung nach. Sie nahm den Geldschein. Befühlte ihn. Ja wirklich, der war echt, da gab es keinen Zweifel. Sie betätigte die Kasse, deren Kassenlade sich mit einem Klingelton öffnete. Magdalena sortierte den Geldschein zu den anderen in der Kassenlade. Nahm einen 10 Euroschein und Münzen als Wechselgeld heraus, das Geld klimperte auf dem Glas der Theke.
„Bitte sehr“, sagte sie noch mechanisch und verfolgte, wie der Geldschein und die Münzen in der Luft verschwanden. Magdalena hielt sich an der Theke fest. Sie hörte Geräusche, wie sie Frauenschuhe mit hohen Absätzen auf den Bodenfliesen verursachen. Die Geräusche bewegten sich zur Tür. Die ging auf, die Türglocke schlug an.
„Auf Wiedersehen“, sagte die Stimme, die klang jetzt weit weg, von der Ladentür. Die Tür fiel mit einem lauten Klack ins Schloss. Und still war es.
„Wer wird mir das glauben?“ sagte sie bei sich, „ich denke keiner. Am wenigsten ich selbst.“